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Zitiervorschlag

Studiengang Bachelor of Arts (BA) "Pädagogik der Frühen Kindheit" an der Evangelischen Fachochschule Freiburg - erste Erfahrungen

Klaus Fröhlich-Gildhoff


Hintergrund und Ziele des Studiengangs

Im Wintersemester 2004/5 ist an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg der Bachelor-Studiengang "Pädagogik der frühen Kindheit" gestartet. Er ist neben einem ähnlichen Angebot an der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin der erste in Deutschland, der eine grundständige Qualifizierung von Fachkräften für den Bereich Elementarpädagogik auf akademischem Niveau gewährleistet.

Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Feldes geleistet und und ein erster Schritt zum Anschluss Deutschlands an europäische Bildungsstandards im Bereich der Frühen Kindheit getan werden. Es werden aktuelle Forderungen aus Wissenschaft (vgl. Wehrmann 2003, 2004; von Balluseck et al. 2003; Dippelhofer-Stiem 2003; Fthenakis/ Oberhuemer 2002) und Politik (vgl. BMFSFJ 2004, GEW 2003) aufgegriffen.

Mit der Realisierung des Studiengangs sind folgende Grundsätze verbunden:

  • Es wird an den aktuellen entwicklungspsychologischen, pädagogisch-didaktischen und neurophysiologischen/ psychologischen Erkenntnissen über die Bildungsfähigkeit von Kindern angesetzt, die entsprechenden Forschungsergebnisse (vgl. z.B. Fthenakis 1998, 2003a,b; Elschenbroich 2001; Laewen/ Andres 2002a, b; Fried et al. 2003, Fried/ Büttner 2004; Wehrmann 2004; Singer 2003; Schäfer 1995) werden in die Lehre systematisch einbezogen.
  • Die aktuelle Debatte um die Bildungsplanung im Vorschulbereich wird aufgegriffen (vgl. z.B. den "Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder bis zur Einschulung in Tageseinrichtungen" des Landes Bayern oder die "Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz").
  • Im Vordergrund steht allerdings die Förderung ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung, also nicht nur die Förderung kognitiver Fähigkeiten, sondern ebenso die Förderung sozialer Kompetenzen, der Orientierungsfähigkeit in der pluralisierten/ multioptionalen Gesellschaft sowie der Bewegungs- und musischen Fähigkeiten. Es wird ebenfalls Bezug genommen auf die Ergebnisse der Resilienzforschung (vgl. z.B. Opp et al. 1999; Brisch 1999; Werner 2000; Dornes 2000; Wustmann 2001, 2003; Frick 2003).
  • Eine Qualifizierung erfolgt - anknüpfend an internationale Erfahrungen und Standards - umfassend für die Tätigkeit in Institutionen der Pädagogik der Frühen Kindheit der Zukunft. Hier werden neben der Bildung und Erziehung der Kinder Elternbildung und -beratung eine besondere Bedeutung erlangen müssen. Kindertagesstätten werden darüber hinaus zu einem wichtigen Knotenpunkt im Netz sozialer und kultureller Institutionen im Sozialraum werden (müssen) und hier Steuerungsfunktionen übernehmen.
  • Besondere Berücksichtigung von Internationalität und Interkulturalität durch Kooperation/ Austausch mit Partnerhochschulen, Auslandssemester und -praktika sowie besondere Schwerpunkte in der Ausbildung.
  • Die auszubildenden Fachkräfte sollen Kompetenzen zur Gestaltung von Qualitätsentwicklungsprozessen und zur Leitung von Bildungsinstitutionen erwerben.
  • Es besteht eine enge Verbindung zu den Forschungs- und Evaluationsaktivitäten der EFH im Bereich der Jugendhilfe und Pädagogik der Frühen Kindheit. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, das vielfach beklagte Forschungsdefizit im Elementarbereich (vgl. Fried 2003; Fthenakis 2003c) zumindest mittelfristig zu 'mildern'.

Struktur des Studiums

Das sechssemestrige Studium ist - wie im Bologna-Prozess (Erklärung der europäischen Bildungsminister vom Juni 1999) festgelegt - durch Module strukturiert. Module "bezeichnen ein Cluster bzw. einen Verbund zeitlich begrenzter, in sich geschlossener, methodisch und/ oder inhaltlich ausgerichteter Lehr- und Lernblöcke. Sie sind zu abprüfbaren Einheiten zusammengefasst und können sämtliche Veranstaltungsarten eines Studiengangs umfassen. Maßgeblich für die konkrete Kombination von Lehrveranstaltungen bzw. Modulen ist dabei jeweils die Qualifikation, die durch das (erfolgreiche) Absolvieren eines Moduls erlangt wird" (Universität Mannheim o. J.; Wissenschaftsrat 2000; vgl. hierzu auch den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.12.2002).

Ausgangspunkt für die Beschreibung von Modulen sind Kernkompetenzen bzw. Schlüsselqualifikationen. Diese spiegeln den fachlichen Diskurs wider und umreißen zukunftsfähig das künftige Berufbild der Elementarpädagog/innen.

Die acht Kernkompetenzen sind:

  1. Die Fähigkeit, Bildung als ganzheitlichen Prozess des Lernens und der Förderung der Identitätsentwicklung gestalten zu können.
  2. Die Fähigkeit, entwicklungsförderliche Beziehungen zu Kindern und deren Bezugspersonen gestalten zu können.
  3. Die Fähigkeit, die Lebenswelt von Kindern konsequent in das pädagogische Handeln einzubeziehen und die Bildungs-Institutionen der frühen Kindheit als vernetzte Lern- und Lebensorte in einem Gemeinwesen zu gestalten.
  4. Die Fähigkeit, Kinder und ihre Bezugspersonen bei der Sinn-Suche zu unterstützen (Religionspädagogische Kompetenz).
  5. Die Fähigkeit zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund bzw. aus unterschiedlichen Sozialisationszusammenhängen (Interkulturelle Kompetenz).
  6. Die Fähigkeit, pädagogisch unter einer geschlechtsbezogenen Perspektive handeln zu können (Gender-Kompetenz).
  7. Die Fähigkeit, Bildungseinrichtungen der Frühpädagogik (oder Untergliederungen davon) leiten und organisieren zu können (Managementkompetenz).
  8. Die Fähigkeit zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten (incl. Evaluations- und Methodenkompetenz).

In das Studium integriert sind zwei zehnwöchige Blockpraktika sowie studienbegleitende projektbezogene Praxisphasen.

Das Studium ist international ausgerichtet, um im Zuge der Europäisierung grundsätzlich eine Berufstätigkeit im Ausland zu ermöglichen, aber auch um einen schnelleren Transfer von Erkenntnissen und Methoden aus dem und ins Ausland zu gewährleisten. So soll eines der Praktika möglichst im Ausland absolviert werden. Auslandssemester werden gefördert; der Erwerb einer weiteren Fremdsprache ist Pflicht.

Das didaktische Konzept der Ausbildung ist so strukturiert, dass die klassischen Fachdisziplinen aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt innerhalb der Module in lernfeldbezogenen Projekten vermittelt werden sollen. Damit wird ein wesentliches Prinzip ganzheitlicher Bildung schon in der Ausbildung der Studierenden realisiert. Dies bedeutetet zumindest teilweise eine Abkehr von fächerbezogenen Lernmethoden hin zu übergreifenden, themen- bzw. projektbezogenen und selbstorganisierten Formen des Lernens: Die Studierenden sollen selbst in ihrer Ausbildung die Lehr- und Lernerfahrungen machen, die sie dann in der praktischen Arbeit umsetzen sollen.

Entwicklung und Aufbau des Studiengangs

Konzeptentwicklung

Das Konzept des Studiengangs wurde in einem 1 1/2jährigen Prozess von einer Gruppe von Dozentinnen der EFH Freiburg entwickelt. In der Vorbereitung wurden Studienreisen nach England und Finnland durchgeführt, und es erfolgte eine Abstimmung mit Lehrkräften verschiedener Fachschulen für Sozialpädagogik sowie ein Austausch mit andern Fachhochschulen (ASFH Berlin, EFH Hannover), die ähnliche Studiengänge planen und realisieren.

Das ursprüngliche Vorhaben einer engen Koppelung mit der Erzieher/innenausbildung musste aufgegeben werden, da die baden-württembergische Hochschulgesetzgebung eine solche Verzahnung nicht zulässt.

Das Konzept wurde dann in unterschiedlichen Entstehungsphasen mit Vertreter/innen ausländischer Hochschulen (Freie Universität Bozen, University College Worcester) diskutiert und auf einer internationalen Fachtagung im November 2003 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die Erkenntnisse aus diesen Rückmeldeprozessen flossen kontinuierlich in die konzeptionelle Weiterentwicklung ein.

Ein weiteres Ziel, nämlich berufserfahrene Erzieher/innen ohne (Fach-) Hochschul-Zugangsberechtigung zum Studium zu zu lassen, konnte trotz intensiver Bemühungen auch auf politischer Ebene nicht realisiert werden: Entgegen der Praxis und Rechtslage in anderen Bundesländern ist in Baden-Württemberg der Fachhochschulzugang für die große und motivierte Gruppe von z.T. hoch qualifizierten Erzieher/innen ohne (Fach-) Abitur verwehrt (bzw. nur über den Umweg einer zusätzlichen aufwendigen Eignungsprüfung möglich).

Eine weitere Hürde stell(t)en die notwendigen Studiengebühren dar: Das Land Baden-Württemberg ist nicht bereit, den neuen Studiengang finanziell mitzutragen. Da es trotz intensiver Bemühungen nicht gelang, andere substantielle Geldquellen (z.B. durch Sponsoring) zu erschließen, basiert z.Zt. die Finanzierung allein auf Studiengebühren und Eigenmitteln der Fachhochschule bzw. des Trägers. Für knapp die Hälfte der Studierenden stehen zinslose Darlehen bzw. Stipendien der EFH und des Diakonischen Werks Baden zur Verfügung.

Kurze Zeit nach der Anerkennung durch das zuständige Wissenschaftsministerium erfolgte die Akkreditierung des Studiengangs im September 2004; die Akkreditierungskommission empfahl eine "Entrümpelung" der Prüfungsordnung und eine noch klarere Strukturierung der Module.

Vorbereitung und Startphase

Parallel zum Akkreditierungsprozess mussten die organisatorischen Voraussetzungen zum Start des Studiums geschaffen, Dozent/innen für die Lehrveranstaltungen 'gewonnen' und Bewerbungsgespräche mit Interessent/innen geführt werden.

Die Studiengangsleitungen trafen zusammen mit der Hochschulleitung die Entscheidung, für den ersten 'Durchgang' das Studium so zu gestalten, dass berufserfahrene und berufstätige Fachkräfte die Möglichkeit erhalten, neben einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis studieren zu können. Dadurch sollten Fachkräfte (Erzieher/innen) aus der Praxis die Gelegenheit zum Studium gegeben werden. Zugleich soll hierdurch die Kompetenz der Praktiker/innen genutzt werden, um das Feld der Pädagogik der Frühen Kindheit weiter zu entwickeln und einen sehr engen Austausch zwischen Lehre, Forschung und der Alltagspraxis in den Kindertagesstätten zu gestalten. So finden die meisten (Präsenz-) Lehrveranstaltungen am Ende der Woche bzw. samstags in Blockform statt.

Die Dozent/innen setzen sich etwa je zur Hälfte aus hauptamtlichen Lehrkräften der EFH und externen Lehrbeauftragten zusammen; die zweite Gruppe besteht aus erfahrenen Praktiker/innen sowie Dozent/innen aus Fachschulen für Sozialpädagogik. Auf Dozent/innen-Konferenzen im Vorfeld und mittels einer gemeinsamen elektronischen Kommunikationsplattform wurden (und werden) die verschiedenen Lehrinhalte miteinander abgestimmt und (möglichst!) aufeinander bezogen.

Schon im Verlauf der Konzepterstellung wurden Informationsveranstaltungen für Interessent/innen an der EFH durchgeführt, Artikel über das geplante Programm in Fachzeitschriften publiziert und die Inhalte auf verschiedenen Tagungen vorgestellt.

Hieraus ergaben sich eine Vielzahl von Anfragen an die Studiengangsleitungen. Insgesamt wurden mit 126 potentiellen Interessent/innen (zumeist telefonische) Vorgespräche geführt. Leider musste der größere Teil abgewiesen werden, da die meisten interessierten Praktiker/innen nicht über die nötige Hochschulzugangsberechtigung verfügten (s.o.). Letztlich bewarben sich 35 Personen für den Studiengang, mit denen alle Einzelgespräche über die Studienbedingungen, Motivation und Erwartungen sowie die persönlichen Voraussetzungen geführt wurden. Insgesamt wurden 23 Bewerber/innen zum Studium - bei 25 zur Verfügung stehenden Plätzen - zugelassen (von denen sich eine kurz nach Beginn des Studiums wegen Schwangerschaft beurlauben ließ).

Der Studienbetrieb wurde am 14.Oktober 2004 mit Einführungsveranstaltungen aufgenommen.

Die Gruppe der Studierenden

Sozialdaten

Von den 22 Studierenden sind 19 weiblich, 3 männlich; 22 kommen aus Baden-Württemberg, davon leben 12 in Freiburg oder näherer Umgebung. Die Altersspanne reicht von 21 bis 47 Jahre (Mittelwert: 27,6 Jahre).

Die Berufserfahrungen stellen sich so dar:

Tabelle 1: Berufserfahrungen der Studierenden

Beruf

Anzahl

%

Erzieher/in

17

77,5

Andere

1

4.5

Ohne Abschluss, aber Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern

4

18

Zum Studienbeginn waren 17 Student/innen berufstätig, 10 davon in Vollzeitstellen. Die vier Studierenden ohne Abschluss als Erzieher/in absolvieren - als Zulassungsvoraussetzung für diesen ersten 'Durchgang' - zusätzlich zum Studium ein einjähriges Praktikum; somit sind 91% der Student/innen berufstätig.

Die Heterogenität der Gruppe bzgl. des Alters und des beruflichen Hintergrunds stellt hohe Anforderungen an die Lehrenden: die didaktischen Methoden müssen so abgestimmt werden, dass alle Studierenden 'erreicht' werden. Dies erfordert zum einen immer wieder Formen von Binnendifferenzierung, aber auch eine enge Rückkopplung über den "Lernstand". Diese Situation entspricht andererseits strukturell der Praxis einer fortschrittlichen Elementarpädagogik, die ja ebenfalls die je individuelle (Selbst-) Bildung der Kinder - mit ihren je unterschiedlichen Entwicklungs'ständen' - zum Gegenstand hat.

Motivation und Erwartungen

Die Erwartungen, Befürchtungen und persönlichen Zielvorstellungen der Studierenden wurden in den Bewerbungsgesprächen und dann noch einmal in der Einführungsveranstaltung zu Beginn des ersten Semesters mittels Kartenabfrage erfasst. Dabei zeigten sich hinsichtlich der Erwartungen drei große Gruppen von Äußerungen:

Alle Studierenden waren "wissbegierig", neues Wissen und neue Methoden kennen zu lernen ("Neues lernen, was in der Ausbildung kein Thema war", "Kennenlernen neuer Methoden zur Bildungsförderung von Kindern"); dabei sollte der "Unterricht praxisnah" gestaltet werden. Die zweite Erwartung richtete sich an die Gruppe ("Gemeinsames Lernen, Wahrnehmen und Helfen, um Anforderungen bewältigen zu können") und die Hoffnung auf ein gutes Gruppenklima. Zum dritten wurden von der Hälfte der Befragten besondere Erwartungen an die Lehrenden formuliert ("hohe Motivation und Kompetenz", "gute Zusammenarbeit"). Einzelne Studierende hatten besondere Erwartungen an die internationale Ausrichtung des Studiums ("Durch Auslandsemester neue Kulturen kennen lernen, sowie neue oder verbesserte Sprachkenntnisse").

Am häufigsten (81,8%) wurde die Befürchtung genannt, die mit dem Studium verbundenen Mehrfachanforderungen bzw. -belastungen (Berufstätigkeit, Präsenz im Studium, Selbststudium, Erstellen von Leistungsnachweisen, Partnerschaft/ Familie) über drei Jahre bewältigen zu können ("Schwierigkeiten, alles unter einen Hut zu bekommen", "Die Zeit für das Studium nicht aufbringen zu können").

Ähnlich viele Studierende befürchteten, den Leistungsanforderungen nicht gewachsen zu sein ("Nicht in der Lage zu sein, alle Forderungen des Studiums zu erfüllen"); dies betraf im Übrigen auch das Thema Internationalität ("Komme ich mit dem Studium im Ausland sprachlich mit").

Weitere Befürchtungen bestanden bei fast der Hälfte der Berufstätigen, dass sich Probleme am Arbeitsplatz ergeben ("Werde ich genügend Unterstützung erhalten?", "Schwierigkeiten bei der Umsetzung in den Kita-Alltag"; das Thema möglicher Konkurrenz mit Kolleg/innen oder der Leitung wurde in einer späteren Seminareinheit deutlich).

Ein Viertel der Studierenden zeigte sich skeptisch bezüglich des Werts der neu zu erwerbenden Qualifikation ("Weiterhin schlechte Bezahlung [nach dem Abschluss]", "Keine höhere Vergütung/ Anerkennung durch den Arbeitgeber").

Die Ziele der Studierenden deckten sich teilweise mit den Erwartungen - so beschrieben alle den Erwerb neuer Qualifikationen als wichtiges Ziel. Darüber hinaus wurden jedoch vielfältige persönliche Ziele und mehrfach (1/3 der Befragten) auch gesellschafts- bzw. sozialpolitische Ansprüche beschrieben: "Veränderung im Erziehungswesen mit gestalten", "In der Lage sein, Kinder besser zu verstehen und besser auf diese Welt vorzubereiten". Für 2/3 der Student/innen war es ein wichtiges Ziel, eine "bessere berufliche Qualifikation" zu erlangen, um "mehr Berufschancen" "auch im Ausland" zu haben.

Neben diesen berufs- bzw. qualifikationsbezogenen Zielen formulierten die meisten auch - z.T. sehr unterschiedliche - Ziele auf persönlicher Ebene ("Eigene Stärken entwickeln", "Persönlichkeitsentwicklung", "Persönliche Weiterentwicklung", "Spaß am Ausprobieren und Lernen", "Neue Leute kennen lernen").

Zusammenfassend wird deutlich, dass die Studierenden mit relativ hoher Motivation ausgestattet sind, große Erwartungen - und eine damit verbundene Bereitschaft - haben, sich neues Wissen und neue Methoden anzueignen mit dem Ziel, eine neue Qualifikation zu erwerben, die für die meisten eine berufliche Weiterentwicklung darstellen soll. Es bestehen bei fast allen Befürchtungen, durch die Mehrfachbelastung oder die Anforderungen im Studium überfordert zu werden. Unsicherheiten bestehen, wie weit Arbeitgeber und Kolleg/innen den eigenen Weiterqualifizierungsprozess mittragen.

Evaluationsprinzipien

Der Studiengang wird einer kontinuierlichen (Selbst-) Evaluation unterzogen. Diese erfolgt auf mehreren Ebenen und mit verschiedenen Methoden:

Beginnend mit der o.g. Erfassung der Ausgangslage und -erwartungen der Studierenden findet eine kontinuierliche Evaluation der Lehrveranstaltungen statt: Die Dozent/innen schätzen mittels eines standardisierten Fragebogens (offene und geschlossene Fragen) jede Veranstaltung ein. Die Studierenden geben ebenfalls zweimal (in der Mitte und am Ende) in jedem Semester ein schriftliches Feedback über jede Lehrveranstaltung bezüglich der Inhalte, der didaktischen Form/ Methoden sowie der eigenen Zufriedenheit.

Zu Beginn, in der Mitte und am Ende jedes Semesters finden Treffen der Dozent/innen statt, bei denen ebenfalls die Lehrveranstaltungen, aber auch die Prozesse in der doch relativ geschlossenen Gruppe systematisch reflektiert werden.

Perspektivisch soll der Transfer der Studieninhalte in die Praxis der Studierenden erfasst werden; hierzu werden z.Zt. Instrumente entwickelt. Weiterhin ist geplant, kontinuierlich den beruflichen Weg der Absolvent/innen zu verfolgen (sofern diese dazu bereit sind), um Daten über die Akzeptanz und Entwicklungsmöglichkeiten des neuen Berufsbildes in de Praxis zu erhalten.

Neben diesen Formen der Selbstevaluation wird z.Zt. ein Konzept der "Peer-Evaluation" erarbeitet, an dem die Hochschulen beteiligt sind, die im Jahr 2004 mit neuen BA-Studiengängen im Bereich der Pädagogik der Frühen Kindheit beginnen (neben der EFH Freiburg sind dies die Alice-Salomon-FH, Berlin, die EFH Hannover und die FH Emden; die beiden letztgenannten Fachhochschulen verzahnen das Studium direkt mit der Erzieher/innen-Ausbildung an kooperierenden Fachschulen). Hierbei sollen durch gemeinsame Evaluationsinstrumente Vergleichsmöglichkeiten gegeben werden. Der enge Austausch der Beteiligten soll zudem eine gewisse Kompatibilität der Studiengänge und damit den (vorübergehenden) Ortswechsel der Studierenden ermöglichen. Darüber hinaus sollen im Wechsel Studierende bei jeweils anderen Partnerhochschulen Erhebungen (v.a. Interviews) durchführen und so eine distanziertere, objektivere Sichtweise gewährleisten. Für die Studierenden selber ergeben sich daraus sehr praxisnahe Möglichkeiten des Erlernens von und Umgehens mit Methoden der wissenschaftlichen Begleitforschung - die dann auf Zusammenhänge in den Kindertagesstätten übertragen werden können.

Bezug zur Praxis: Das Beispiel Einrichtungsfragebogen

Das Konzept des Studiums schreibt den Anspruch fest, eine praxisgerechte Ausbildung auf wissenschaftlichem Niveau zu realisieren. Ein Medium hierbei sind praxis (-nahe) Projekte. Die Verwirklichung dieses Anspruchs gelingt bisher in unterschiedlicher Weise: In den eher methodisch orientierten Modulen (z.B. "Bewegungsförderung") sind einfachere Verbindungen zur Praxis herzustellen als beispielsweise im Bereich der bezugswissenschaftlichen Grundlagen. Gleichwohl werden auch hier systematische Theorie-Praxis-Verbindungen geschaffen: So erhielten in der Lehrveranstaltung "Lernpsychologie" die Studierenden die Aufgabe, die unterschiedlichen Lerntheorien so aufzubereiten und dann der Gruppe zu präsentieren, dass mit dem Inhalt ein Elternabend gestaltet werden kann. Die Student/innen lernten also gleichzeitig auf mehreren Ebenen: Sie mussten sich die unterschiedlichen Theorien aneignen, sich geeignete Präsentationstechniken erarbeiten und praxisgerecht zuschneiden und diese dann real umsetzen. Die Gesamtgruppe erhielt als Ergebnis Materialien, die im Alltag der Kita-Arbeit eingesetzt werden können.

Ein weiteres, von den Studierenden besonders positiv bewertetes Beispiel wurde im Modul "Kindertagesstätte als Lern- und Lebensort" umgesetzt: Ausgehend von Evaluationsinstrumenten in einem Forschungsprojekt wurde ein "Einrichtungsfragebogen" entwickelt, der (1) die 'Basisdaten' (Größe, Kinder/ Gruppenanzahl, Betreuungsrelation etc.) (2) Konzeption und Betreuungsstrukturen, (3) wahrgenommene Stärken, Schwächen und Entwicklungspotentiale der Einrichtungen der Studierenden erfasste. Weitere Fragenkomplexe fokussierten auf die Arbeit mit den Kindern (Tagesablauf, Einzelförderung, gezieltes Beobachten und 'Ansprechen' von einzelnen Bildungspotentialen usw.) , die Arbeit mit den Eltern (Formen der Zusammenarbeit mit Eltern, Beteiligungen, Probleme) sowie der Vernetzungen (Bestand und Ziele der Kooperationen/ Vernetzungen). Fast alle Studierenden füllten den Fragebogen zusammen mit Kolleg/innen, mit den Einrichtungsleitungen oder mit dem Team aus. Daraus ergaben sich intensive Gespräche über den 'Stand' der jeweiligen Einrichtung, und es wurden Diskussionen über mögliche Weiterentwicklungen angestoßen. In einigen Fällen bildete diese - durch den Fragebogen initiierte - Diskussion die Ausgangsbasis für länger andauernde Reflexionsprozesse auf Teamtagen etc.

Die Ergebnisse des Fragebogens wurden wieder in die Lehrveranstaltungen zurückgespiegelt - zum einen in Form gezielter Einrichtungspräsentationen, zum anderen in Form einer quantitativen Auswertung, die wiederum die Grundlage bildete für weitergehende Analysen (Vergleiche, "Best Practice"-Orientierungen...). Die beteiligten Einrichtungen erhielten ebenfalls die Untersuchungsergebnisse (Da der Einrichtungsfragebogen zu Beginn des ersten Semesters bearbeitet wurde, konnten die Studierenden aufgrund fehlender Methodenkenntnisse noch nicht systematisch in Erstellung und Auswertung einbezogen werden; das Instrument kann zu späteren Zeitpunkten unter der methodischen Perspektive erneut betrachtete und gegebenenfalls weiterentwickelt werden).

Perspektiven

Die Etablierung und Realisierung des neuen Studiengangs stellt für alle Beteiligten - Studierende, Dozent/innen, Studiengangsleiter/innen, Verwaltungsmitarbeiter/innen - eine große Herausforderung dar. Es handelt sich um ein Experiment, das besonders aufgrund der hohen Motivation, Kreativität und Fehlerfreundlichkeit aller gut gestartet ist. Dennoch bestehen viele Unwägbarkeiten, weil es sich bei dem Studiengang "Pädagogik der Frühen Kindheit" um ein neues Angebot handelt, bei dem man nicht - oder nur bedingt - auf andere Erfahrungen und Konzepte zurückgreifen kann: Vorhandene, z.B. ausländische Modelle müssen adaptiert werden; bestehende Lerninhalte aus anderen Disziplinen (z.B. der Sozialpädagogik) oder Zusammenhängen (z.B. der Erzieher/innenausbildung) müssen für das Feld weiterentwickelt werden.

Hier wäre es wünschenswert, wenn mehr zeitliche und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen würden, um diesen Prozess noch systematischer zu gestalten - die fehlenden staatlichen Zuschüsse können langfristig nur schlecht durch hohes Engagement (und entsprechende Belastungen) der Beteiligten kompensiert werden. An diesem Punkt müssen sich politische Lippenbekenntnisse zur Förderung der Elementarpädagogik in Handeln, sprich: tragfähigere Finanzierungsstrukturen für die entsprechenden Studiengänge niederschlagen.

(Bundesland-) Staatliche Handlungsnotwendigkeit besteht auch bezüglich einer komplikationsfreieren Zulassung von berufserfahrenen Erzieher/innen zu den Studiengängen "Pädagogik der Frühen Kindheit". Während in einigen Ländern (z.B. Rheinland-Pfalz) die vorhandenen Kompetenzen dieser Gruppe gut genutzt und 'ausgebaut' werden können, bleiben diese Fachkräfte in Baden-Württemberg in der großen Mehrzahl von Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschlossen - ein Zustand, der schnell verändert werden muss.

Bundesweit werden in den nächsten Jahren mehrere Studiengänge im Bereich der Elementarpädagogik entstehen. Es ist notwendig, dass sich die hierfür Verantwortlichen in einen engen und kontinuierlichen Austausch begeben, um eine Kompatibilität zu garantieren und Qualitätsstandards zu sichern. Die neu gegründete "Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit" bietet dazu eine gute Ausgangsbasis, sichert jedoch nicht eine entsprechende Verbindlichkeit von Absprachen!

Nicht zuletzt besteht nach wie vor in der Elementarpädagogik ein immenses Forschungsdefizit: Es entstehen vielfältige einzelne Projekte, die jedoch selten wirklich systematisch nach wissenschaftlichen Kriterien evaluiert sind - eine Folge hiervon ist das Nebeneinander-Bestehen verschiedenster konzeptioneller Ansätze (z.B. des so genannten "Offenen Konzepts" neben dem Klassischen Regelkindergarten), ohne dass Kriterien für die Beurteilung von Wirkfaktoren und Effekten bestehen. Gleiches gilt beispielsweise für die das Thema Qualitätssicherung: Auch hier existieren unzählige Ansätze nebeneinander, und es gibt keine validen Grundlagen zur Entscheidung über die Güte dieser Verfahren.

Dennoch stellt es einen großen Fortschritt dar, dass die "Pädagogik der Frühen Kindheit" stärkere gesellschaftliche Beachtung gefunden hat - der Studiengang an der EFH Freiburg wird einen, vielleicht kleinen, Beitrag leisten, das Thema zu vertiefen und das Feld weiter zu entwickeln.

Literatur

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Autor

Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff ist Studiengangsleiter des BA Pädagogik der Frühen Kindheit und Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung an der EFH Freiburg. Forschungsschwerpunkte im Bereich der Elementarpädagogik, der Jugendhilfe und der Kinder-und Jugendlichenpsychotherapie

Adresse

Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff
Evangelische Fachochschule Freiburg
Bugginger Str. 38
79114 Freiburg
Tel.: 0761/4781240
Email: [email protected]