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Zitiervorschlag

Aus: Wassilios E. Fthenakis/ Martin R. Textor (Hrsg.): Qualität von Kinderbetreuung: Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich. Weinheim: Beltz 1998, S. 137-146

Zu Bau und Ausstattung von Kindertageseinrichtungen

Angelika Schäffer-Gabler

 

Schlagwörter wie Familienwandel, Verinselung der Kindheit oder strukturelle Gewalt an Kindern zeigen es deutlich: Die Lebensbedingungen unserer Kinder verändern sich und dies nicht immer zum Besten. Aus vielen Lebensräumen werden Kinder verdrängt, die Erwachsenenwelt ist von der Kinderwelt getrennt, der Straßenverkehr wird immer dichter, Entfaltungsmöglichkeiten fehlen ... nun ist es an der Zeit, Ersatzräume für Kinder zu schaffen. Denn: Ist es nicht legitim, Steuern für die nachwachsende Generation auszugeben, um ihnen Reservate zu schaffen, weil sie sowieso eine vom Aussterben bedrohte Spezies sind?

Zauberwort "Verwaltungsvereinfachung"

"Nicht nur dass wir für Kläranlagen, Straßenbau und Feuerwehrhäuser Geld ausgeben sollen, jetzt müssen wir auch noch Kindergärten bauen und unterhalten", sagen die Bürgermeister. Seit der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz in aller Munde ist, sind Kommunen, die oftmals jahrelang den Bau benötigter Kindertageseinrichtungen "auf die lange Bank geschoben haben", nun unter Zugzwang. Plötzlich sind die Kinder da - die zwar schon vor drei bis sechs Jahren geboren wurden, deren Existenz aber keinen kümmerte. Und nun muss z.B. auf den Druck der Eltern hin eine Kindertagesstätte geschaffen - nein, nicht geschaffen, sondern aus dem Boden gestampft werden: Zeit für Planungsgespräche, für eine konstruktive Zusammenarbeit aller am Kindergartengeschehen Beteiligter bleibt kaum. Die gesetzlichen Richtlinien sind ja vorgegeben (die im Zuge der Verwaltungsvereinfachung auf ein Minimum reduziert wurden), und der ganze Bau läuft unter der Prämisse: Wir haben kein Geld - und jeder, der eventuell bei der Planung ein Mitspracherecht haben sollte (wie z.B. Pädagogen), stellt sicherlich unbezahlbare zusätzliche Forderungen. Hat sich beispielsweise ein Pädagoge dennoch auf einer Gemeinderatssitzung eingeschmuggelt und beantragt vielleicht bei der Gestaltung des Außenspielgeländes einen Wasser-Matsch-Bereich für die Kinder, wird dies von erfahrenen Gemeinderatsmitgliedern (die in der Regel das Kindergartengeschehen nur vom Hörensagen kennen) mit der Begründung vom Tisch gewischt, dass sich da Kinder zu schmutzig machen würden.

Am liebsten würden viele Bürgermeister neuerdings auf die Angebote der Fertigbauhersteller zurückgreifen - ein eingruppiger Kindergarten für 300.000 DM und in Kürze aufgestellt, klingt verlockend. Schaut man sich diese Prospekte genauer an, kommt einem der Vergleich mit einer Massentierhaltung. Meist hat die Diskussion um einen Fertigbaukindergarten glücklicherweise ein schnelles Ende - denn der Architekt, der im Gemeinderat sitzt, will ja einen Auftrag bekommen. Und genau hier sind wir bei der Quadratur des Kreises - bekanntermaßen richten sich Architektenhonorare nach der Bausumme: Die Gemeinde bekommt teure Architektur geliefert, die nicht einmal zweckmäßig ist. Kinder profitieren nicht von solchen Fehlplanungen, also wenn z.B. ein sündhaft teurer Kindergarten erstellt wurde, der leider zu klein ist (30 Kinder stehen auf der Warteliste), dafür aber mit massiven Eichentüren und einem komfortablen Keller ausgestattet wurde, den niemand nutzt.

Das Zauberwort "Verwaltungsvereinfachung" hat dem Unfug, der im Sektor Kindergartenbau getrieben wird, noch die Krone aufgesetzt: Beurteilten früher noch - so in Bayern - die Regierungsfachberater die Planung und berücksichtigten dabei pädagogische Vorstellungen, so hat seit der Reform nur noch die Kreisverwaltungsbehörde den Kindergartenbau zu genehmigen. Unglücklicherweise haben die dort beschäftigten Beamten keine pädagogische Ausbildung und geben selbst zu, überfordert zu sein. So existieren staatlicherseits fast nur noch Empfehlungen zum Kindergartenbau, die man berücksichtigen kann oder eben nicht (und selbst diese sind noch diskussionsbedürftig - so stellt sich z.B. die Frage, ob ein Handwaschbecken im Leiterinnenzimmer wirklich erforderlich ist).

Natürlich steht hinter dieser Verwaltungsvereinfachung auch ein guter Gedanke: das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen, die ja die Hauptlast des Baus finanziell zu tragen haben. Doch leider ist dies ähnlich wie das Recht auf Selbstbestimmung bei Kindern: Hier muss man hineinwachsen; plötzliches Autark-Sein kann Überforderung bedeuten. Der Kindergartenbau der 90er Jahre steht unter der Not, Plätze schaffen zu müssen, während die öffentlichen Kassen leer sind bzw. bei der Verteilung der Mittel andere Prioritäten gesetzt werden. Eine Folge davon ist, dass die Standards bezüglich des Baus weiter sinken.

Heutige Richtlinien

Beispielsweise im Freistaat Bayern gelten heute u.a. folgende Standards:

  • Für 25 Kinder sind 50 qm für den Gruppenraum vorgegeben, d.h. 2 qm pro Kind. Wird die Stellfläche abgezogen, bleibt vielleicht noch etwas mehr als 1 qm je Kind.
  • Ein Mehrzweckraum rentiert sich erst ab 75 Kindern, für 50 Kinder ist er gerade noch finanzierbar, bei 25 Kindern rechnet sich die Ausgabe nicht.
  • Die vorgeschriebene Mindestfläche des Freispielgeländes wurde wegen zu hoher Grundstückskosten gestrichen - was sich vor allem für Stadtkinder sehr negativ auswirkt.

Neben der Verwaltungsvereinfachung wurde auch noch die "Mehrfachnutzung" eingeführt: Aufgrund von Gesetzeslockerungen kann der Kindergarten als Treffpunkt für andere Initiativen genutzt werden (z.B. Damengymnastik am Abend). Vom Ansatz der Gemeinwesenorientierung her ist dies durchaus als positiv zu bezeichnen, sofern Kindergärten dann nicht ausschließlich unter der Prämisse der Mehrfachnutzung gebaut werden und ihre eigentliche Funktion in den Hintergrund rückt. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass der Mehrzweckraum so dezentral angelegt wird, dass er wohl für andere Aktivitäten gut zugänglich ist, aber wegen seiner Lage schlecht in den Kindergartenalltag integriert werden kann.

Reise in die eigene Kindheit

Bauträger sollten sich einmal fünf Minuten Zeit nehmen, um eine "Reise in die eigene Kindheit" zu unternehmen. Die Spielorte und Spielarten, die damals interessant waren, sollten im Kindergarten wieder aktiviert und angeboten werden - denn Kinder damals und heute haben (fast) die gleichen Spielbedürfnisse. Allerdings findet Kindheit heute überwiegend in Institutionen statt - und genau in diesen Einrichtungen müssen deshalb auch Spiele möglich gemacht werden, die schon früher für Kinder attraktiv waren. Dabei ist auch an Spiele in und mit der Natur, an Spiele ohne Erwachsene, an "Banden"-Bildung, Versteckspiele, Höhlenbauen und an das Erkunden der Umgebung zu denken.

Qualitativ hochwertige Standards

In den folgenden Abschnitten wird nun beschrieben, was bei der architektonischen Gestaltung der einzelnen Innen- und der Außenräume von Kindertageseinrichtungen berücksichtigt werden sollte.

Die Lage: Beispielsweise im bayerischen Kindergartengesetz ist verankert, dass Kindergärten in der Nähe der Wohnbezirke der Eltern und womöglich in der Nähe der Grundschule errichtet werden sollen. Die Lage sollte also zentral - vom Wohnfeld der Kinder möglichst zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar - sein, damit eine Busbeförderung oder Autofahrten nicht nötig werden. Größere Kindergartenkinder könnten so im Sinne der Erziehung zur Selbstständigkeit ihren Kindergartenweg alleine bewältigen. Deshalb sollten die Kommunen für ihr Gebiet eine soziale Infrastrukturplanung machen. In der Praxis zeigt sich häufig sehr deutlich, dass Grundstücke für öffentliche Institutionen bei der Ausweisung neuer Baugebiete einfach vergessen werden - neue Kindergärten stehen dann am Ortsrand, an der Peripherie. Eine weitere Konsequenz der geforderten Wohnortnähe ist, dass die Kindergärten nicht zu groß konzipiert werden dürfen - ein viergruppiger Kindergarten hat zwangsläufig ein größeres Einzugsgebiet als eine zweigruppige Einrichtung. Gegen diese "sozialpädagogischen Massenbetriebe" spricht nicht nur der lange Anfahrtsweg, sondern auch, dass sich die Kinder in einer solch unüberschaubaren Einrichtung nicht mehr wohl fühlen - jegliche Individualität geht verloren.

Eine auf die Bedürfnisse von Familien zugeschnittene Einrichtung ist also mit der Wohnortnähe schon grundgelegt - es erleichtert zweifelsfrei das Alltagsleben einer Mutter, wenn z.B. das ältere Kind alleine den Kindergartenweg bewältigen kann, als wenn sie das Kind begleiten muss - und der Säugling alleine zu Hause ist oder mitgenommen werden muss. Bei dieser Thematik "Mütter mit mehreren Kindern" taucht noch eine weitere Problematik auf: Der Weg zum bzw. durch das Gebäude ist oftmals ein Hindernislauf für Mütter mit Kinderwagen, Buggys etc. Viele Treppen sind zu bewältigen - oder können eben nicht bewältigt werden.

Einige Forderungen für die architektonische Gestaltung ergeben sich also hinsichtlich der Erschließung des Gebäudes: Für den Zugang zum Kindergarten sollen nach Möglichkeit keine Treppen nötig sein - u.a. auch wegen einer behindertengerechten Gestaltung. Die Eingangstür sollte für Kinder, die alleine zum Kindergarten kommen, leicht zu öffnen sein. Vor dem Kindergarteneingang sollten Fahrradständer für die Kinderräder angebracht werden. Autostellplätze (für das Personal oder für die Eltern) sollten so angelegt sein, dass die Kinder nicht gefährdet sind.

Gebäude: Das gesamte Gebäude der Kindertageseinrichtung sollte bespielbarer kindgerechter "Gebrauchsgegenstand" sein: Unter der Zielperspektive "Die Architektur dient der Pädagogik" soll eine "Behausung" für Kinder geschaffen werden. Zugleich ist es sinnvoll, Bauelemente so einzuplanen, dass sie pädagogisch genutzt werden können. Folgende Beispiele werden dies verdeutlichen:

  • Der Aufbau einer Wand kann an einem Wandausschnitt sichtbar gemacht werden.
  • Die Niederschlagsmenge kann anhand eines Regenmessgefäßes gezeigt und dann für den Sand-Matsch-Bereich im Freien genutzt werden.
  • Die Funktion von Solarenergie kann mit Hilfe eines solarbetriebenen Brunnens verdeutlicht werden.
  • Auf die Stützfunktion von Eisen bei Holzbalken kann die Aufmerksamkeit der Kinder durch eine farbige Markierung gelenkt werden.
  • Das Haus sollte unterschiedliche Materialerfahrungen für die Kinder möglich machen (verschiedenartige Bodenbeläge, Wandbeschichtungen etc.).
  • Was sichtbar bleiben kann, soll sichtbar gelassen werden, damit dessen Zweckmäßigkeit den Kindern einleuchtet. Natürlich kann man nicht dafür plädieren, beispielsweise statt einer Zentralheizung einen Holzofen einzubauen - aber genau solche Zusammenhänge wie die Entstehung der Wärme sind für Kinder nicht mehr erfassbar.

Eine ökologische Bauweise sollte im Sinne der Gesundheitsfürsorge bzw. -vorsorge oberste Priorität haben. Grundsätzlich geht es dabei um einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur und dem Gebäude - und vor allem um einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Bewohnern dieses Gebäudes. So zählen aus architektonischer Sicht eine kompakte Baukörpergestaltung, wenig Flächenverbrauch, thermische Raumorientierung, sparsame Verwendung von Ressourcen und Minimierung von Verunreinigungen sowie Verwendung von schadstofffreien Baustoffen mit positiver Ökobilanz zu einer ökologischen Bauweise. Für die Pädagogen ist letztlich das Ergebnis wichtig: ein gesundes Raumklima (ohne Formaldehyd oder andere Schadstoffe), eine gute Akustik (was eine ausreichende Schalldämmung beinhaltet), ein guter Lichteinfall, kurze Wege usw. Ein Kindergarten der kurzen Wege ist sowohl für die Kinder als auch für das Personal günstig: Überschaubarkeit fördert die Raumnutzungskompetenz der Kinder. Die Erzieher/innen können besser ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und ermüden nicht so schnell.

Eingangsbereich: Ein Windfang ist aus energiewirtschaftlichen Gründen eine zweckmäßige Sache, und auch als Schmutzschleuse ist er dienlich - er wird aber oftmals als "Elternabstellplatz" missbraucht. In einer familienfreundlichen Einrichtung muss vielmehr ein Foyer vorhanden sein, das als Elternwarte- und Kontaktraum dient. Dieser Raum hat eine wichtige gemeinwesenorientierte Funktion und sollte mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet sein - die wiederum multifunktional nutzbar sein sollten. Während der Bring- und Abholzeiten können sich dort Eltern treffen, um miteinander ins Gespräch zu kommen; während der übrigen Zeit können dann Kinder das Mobiliar nutzen.

Übrigens: Multifunktionalität ist ein wichtiges Schlagwort im Kindergartenbau - nein, nicht das ganze Gebäude soll multifunktional nutzbar sein (obwohl dieser Aspekt durchaus bei der Planung mitberücksichtigt werden sollte, da sich in 30 Jahren ein Kindergarten in einem Wohngebiet mangels Bedarf erübrigen kann und dann die Räume für eine andere Bevölkerungszielgruppe geeignet sein sollten), sondern viele Räumlichkeiten sollten mehrfach zu nutzen sein - beispielsweise der Waschraum auch als Matschraum, der Gangbereich als zusätzlicher Spielort, der Mehrzweckraum nicht nur als Turnraum. Der Altersgruppe der Kindergartenkinder ist das fantasievolle Spiel eigen, bei dem verschiedene Gebrauchsgegenstände einfach umbenannt werden - dem Sinn des Spiels entsprechend. So wird aus einer Kiste ein Auto, aus einem Brett ein Flugzeug - genau dieser fantasievollen Umgangsweise mit Gegenständen entspricht eine multifunktionelle Nutzung der Räumlichkeiten im Kindergarten.

Zurück zum Eingangsbereich im Kindergarten: Manche Kindergärten bieten eine Kaffeecke an, damit die Eltern sitzen bleiben, sich gegenseitig kennen lernen, Erfahrungen austauschen können etc. Und das ist gut so für viele Mütter: Beispielsweise sind neu hinzugezogene oder Frauen im Erziehungsurlaub oft hungrig auf neue Sozialkontakte.

Gangbereich: Wegen der knapp bemessenen Fläche der Gruppenräume ist es theoretisch möglich, den Gangbereich auch zum Spielen zu nutzen. Die Möglichkeiten reichen z.B. von einem Essplatz in der Halle bis hin zu verschiedenen Spielbereichen (Kaufladen etc.). Dies setzt aber voraus, dass der Schallschutz in den Gängen nicht vergessen wird. Lange Gänge, wenig Licht und "laute" Fußböden hemmen eine zusätzliche Nutzung. Der Flur wird ungemütlich und kommunikationshemmend.

Der Gang dient oftmals auch als Ausstellungsfläche für kreative Kinderarbeiten - leider wird vielfach übersehen, dass die Kunstwerke in Kinder(augen)höhe anzubringen sind. Garderoben sollten nicht einfach entlang der Gänge angeordnet sein, sondern möglichst als Nischen gestaltet werden. Diese bieten mehr Rückzugsmöglichkeiten, z.B. für eine persönliche Verabschiedung von Kind und Eltern, die bei einer herzzerreißenden Abschiedsszene nicht von vielen anderen Eltern beobachtet werden möchten.

Gruppenräume: Grundsätzlich sollte jeder Gruppenraum ein Erlebnisraum für Kinder sein, mit dem sie produktiv umgehen und den sie selbst mitgestalten können (auch schon beim Bau, z.B. durch selbst bemalte oder getöpferte Fliesen für die Kinderküche). Im Gruppenraum sind sowohl Aktions- als auch Ruhezonen erforderlich. Zudem brauchen die Kinder Rückzugsmöglichkeiten (durch Nischen, Podeste, Höhlen, Ecken), aber auch die Gelegenheit, sich als größere Gruppe zu treffen.

Der Raum kann durch Einbauten gegliedert werden - Schränke und Regale dienen als Raumteiler, Spielpodeste oder Spieletagen erweitern die Grundfläche und lassen die Kinder eine andere Raumperspektive erleben. Spielpodeste grenzen zudem den einen Spielbereich gegenüber dem anderen ab (so kommen sich 25 Kinder nicht so schnell in die Quere). Die horizontale und vertikale Raumgliederung soll es ermöglichen, dass die Kinder in verschiedenen Kleingruppen spielen können, ohne sich gegenseitig zu stören. Sie muss aber auch Variationen in der Raumnutzung erlauben (sodass z.B. Höhlen noch selbst gebaut werden können, Rollen- und Theaterspiele möglich sind). Sehr hohe Räume (ohne Zwischendecken, mit Galerien) sind zwar vom Luftvolumen her positiv zu beurteilen, jedoch besteht eine große Diskrepanz zwischen der Raumhöhe und der Kinderperspektive. Dies erschwert die Raumorientierung der Kinder und ist zudem im Galeriebereich oftmals gefährlich.

Zwar sollte im Gruppenraum für jedes Kind eine Sitzmöglichkeit vorhanden sein, es sollte aber nicht "übermöbliert" werden - viel Mobiliar nimmt den Kindern viel Bewegungsfreiraum weg. Leider zeigt die Erfahrung, dass bei der Einrichtung des Kindergartens manchmal ein wahrer Kaufrausch ausbricht und viel zu viel Möbel geordert werden (wahrscheinlich aus der Angst heraus, dass später kein Geld mehr für Neuanschaffungen vorhanden ist). Statt vieler Stühle und Tische erweisen sich in der Praxis kleine Spielteppiche als zweckmäßig: Die Kinder holen sie bei Bedarf her, spielen am Boden und räumen sie nachher wieder weg. So kann man auch Haltungsschäden durch zu langem Sitzen auf dem Stuhl vorbeugen. Es ist wichtig, Bewegung zu ermöglichen, denn nicht umsonst wird die Kindergartenzeit als eine "bewegte Zeit" für Kinder definiert - und so sollte es nicht nur im übertragenen Sinne sein.

Auf dem Hintergrund der Altersmischung (bzw. der Öffnung des Kindergartens für Unter-Drei- oder Über-Sechsjährige) sollte man auch daran denken, unterschiedliche Tisch- und Sitzhöhen anzubieten. Tische können eingespart werden, wenn man die Fensterbänke etwas breiter als üblich macht - so dienen sie als Arbeits- und Spielfläche für die Kinder. Der Lichteinfall des Tageslichts wird zudem positiv ausgenutzt. Auch auf unterschiedliche künstliche Lichtquellen im Gruppenraum ist zu achten - die Räume sollten differenziert ausgeleuchtet werden, einzelne Lichtkreise separat schaltbar sein. Eine zu helle Neonbeleuchtung tut den Augen weh und schadet der Atmosphäre des Gruppenraumes.

Natürlich brauchen die Kinder Utensilien für Rollenspiele, Konstruktionsmaterial, Handwerkszeug zum Basteln und Werken, Materialien zum Experimentieren, Bücher, Spiele, eine Kuschelecke oder eine Kinderküche. Allerdings sollte der Gruppenraum nicht mit vorgefertigtem Spielmaterial "vollgepfropft" sein, denn letztendlich geht es darum, im Kindergarten Raum für Fantasie und Kreativität, also Entfaltungsmöglichkeiten für Selbstbetätigung zu schaffen. "Weniger ist mehr", heißt die Devise; so wird einer Konsumhaltung vorgebeugt, können eigene Spielideen geboren werden und last but not least müssen nicht so viele Sachen aufgeräumt werden. Zudem haben die Kinder zu selbst gestaltetem Spielzeug mehr Bezug - wie wäre es also mit einem selbst gefertigten anstatt eines gekauften "Memory-Spiels"? Oft bringen auch Bretter, Reifen, Schläuche usw. mehr Aktivität in das Spiel als vorgefertigtes Konstruktionsmaterial.

Ein Zugang vom Gruppenraum ins Freie bringt die Natur näher - nicht umsonst heißt die Einrichtung "Kindergarten". Fenster in Kinderhöhe, um die Natur beobachten zu können, sind ebenso wichtig - unzweckmäßig dagegen sind bemalte Fenster oder Stores, die die Sicht behindern.

Intensivräume: Zu jedem Gruppenhauptraum gehört ein Nebenraum, der Intensivraum. Legt man z.B. das in Bayern geltende Raumprogramm zugrunde, so wäre für zwei Gruppenhaupträume ein Intensivraum ausreichend. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass sich für einen Raum, der keiner Gruppe direkt zugeordnet ist, niemand verantwortlich fühlt und ihn letztendlich keiner nutzt. Der Intensivraum soll der Kleingruppenarbeit dienen und kann unterschiedlich, je nach Schwerpunktbereich, ausgestattet sein. Oftmals dient er der kreativen Beschäftigung und sollte deshalb einen pflegeleichten (Keramik-) Boden und einen Wasseranschluss haben. Manchmal wird er auch mit verschiedenen Spielecken ausgestattet und bietet so eine Rückzugsmöglichkeit von der Großgruppe. Und hier schließt sich der Kreis zur Reise in die eigene Kindheit: Sich unbeaufsichtigt von Erwachsenen Spiele (und auch Streiche) auszudenken oder mit Freunden zusammen zu sein, war damals wie heute am schönsten.

Waschräume: Bei mehrgruppigen Einrichtungen können die Waschräume dezentral angeordnet werden. So kann der Kindergartenneuling sehr schnell "seine" Räume ausfindig machen und lernt innerhalb kürzester Zeit, sich zu orientieren. Weite Wege bleiben ihm erspart, und der Gang zur Toilette wird nicht zum angstbesetzten Abenteuer. Bei der Planung des Waschraumes darf nicht vergessen werden, dass ausreichend Platz für Handtücher oder auch für Zahnputzbecher benötigt wird, dass Spiegel vorhanden sein sollten, damit die Kinder ihr Aussehen kontrollieren können, und dass man die Dusche eventuell auch für kreative Arbeiten (Tonen) nutzen kann.

"Restaurant": Eine Nische im Gangbereich - beispielsweise gegenüber der Küche - kann als Essplatz zur Einnahme des Mittagessens dienen. Ein gut gewählter Begriff hierfür ist "Restaurant", da hierdurch die Alltagsvollzüge der Kinder aufgewertet werden. Wichtig ist ein schöner Platz im Restaurant - ein Blick ins Freie, ein bequemer Stuhl und eine gute Unterhaltung mit dem Freund sind gute "Rahmenbedingungen".

Die Küche sollte gleich neben dem Eingangsbereich liegen, oder - wenn das nicht möglich erscheint - einen zweiten Zugang haben, damit die Anlieferung der Mahlzeiten oder Nahrungsmittel problemlos erfolgen und der Abfall leicht entsorgt werden kann.

Mehrzweckraum: Wie der Name schon sagt, sollte dieser Aktionsraum für mehrere Zwecke genutzt werden können - und nicht nur einmal wöchentlich für die Turnstunde. Im Sinne einer "Bewegungsbaustelle" können Materialien bereitgestellt werden, um die Eigenaktivität der Kinder zu fördern - Kästen, Bretter, Balken, Bänder, Reifen, Rollen, Stangen usw. Aber auch Matten und Matratzen sollten nicht vergessen werden. Kinder bauen sich dann ihre Bewegungswelt selbst: Es wird gerutscht, gesprungen, geklettert, gekrochen, gerannt - und das wichtigste daran ist: Kinder werden spielerisch zur Bewegung und zur Bewältigung "handfester" Probleme angeregt. Aufgrund dieser wichtigen Funktionen sollte der Mehrzweckraum täglich für die Kinder geöffnet sein.

Von der Architektur des Mehrzweckraumes wird erwartet, dass der Boden leicht schwingt und so eine stoßdämpfende Wirkung hat, dass die Fenster ballwurfsicher sind und dass die neuerdings oft verwendeten Stützen der Deckenkonstruktion genutzt werden können, d.h., dass man z.B. Seile oder Ringe daran befestigen kann. Auch ein Zugang ins Freie ist nützlich - die Materialien der Bewegungsbaustelle können nach draußen transportiert werden, und der Übergang von drinnen nach draußen wird fließender.

Personaltrakt/Leiterinnenzimmer: Personalraum und Leiterinnenzimmer sollten räumlich nebeneinander liegen und womöglich eine Verbindungstür haben, damit für Teamgespräche notwendige Unterlagen schnell verfügbar sind. Für Teambesprechungen braucht man einen großen (runden) Tisch, an dem alle Mitarbeiter/innen und auch Praktikanten sitzen können.

Der Arbeitsplatz der Leiterin ist in der Regel gut ausgestattet: ein Schreibtisch, Telefon, Schreibmaschine und manchmal schon ein Computer, Schränke für Fachliteratur und Akten, ein Besprechungstisch für Elterngespräche - alles ist vorhanden. Bei der Ausgestaltung des Zimmers sollte aber nicht vergessen werden, dass das Leiterinnenzimmer ein Büro und kein zweites Wohnzimmer ist. Ob es direkt neben dem Eingang liegen muss - mit der Begründung, die Leiterin brauche einen Überblick über das Kommen und Gehen in der Kindertageseinrichtung - ist zumindest so lange diskussionswürdig, wie die meisten Leiterinnen nicht vom Gruppendienst freigestellt sind.

Die Leiterin hat somit in der Regel einen ansprechenden Arbeitsplatz - das restliche Personal wird aber eher stiefmütterlich behandelt. Auch hier sollte man daran denken, dass jeder - genau wie die Kinder - seinen persönlichen Raum braucht. So fehlt es beispielsweise oftmals an Ablagemöglichkeiten für die Garderobe der Mitarbeiter/innen (so genannte Spinde sollten vorhanden sein), ist kein persönlicher Arbeitsplatz vorhanden, wo man seine Verfügungszeit verbringen kann.

Sonstiges: Abstellräume sollten möglichst den Gruppenräumen zugeordnet sein, damit die Kinder selbstständig Zugriff auf das dort gelagerte Material haben und den verantwortlichen Umgang mit ihm üben können. Für müde Kinder sollten Schlafkojen vorhanden sein - eine kuschelige Ecke, wo man sich zurückziehen kann, aber keine Schlafsäle. Schließlich sind ein Hauswirtschaftsraum für die Putzfrau (mit Wasserzapfstelle, Waschmaschine, Trockner), übergeordnete Abstellräume und ein Gartenhäuschen zweckmäßig.

Außenspielbereich: Leider bleibt bei teuren Kindergartenbauten meist kein Geld mehr für die Gestaltung der Außenspielfläche übrig. Dabei gibt es hier viele sinnvolle Möglichkeiten: Natürliche Gestaltungselemente sind in erster Linie Böschungen (zum Klettern), Hügel (zum Rutschen), Wiesen, Büsche (zum Verstecken), Hecken (zum Abgrenzen), Bäume bis hin zu einem Wäldchen, geteerte oder gepflasterte Flächen, Tunnel (Verbindungsröhren), Mäuerchen und Findlinge (zum Beklettern). Grundsätzlich gilt, dass das Freigelände so gestaltet sein sollte, dass die unterschiedlichen Räume vielfältige Bezüge zueinander haben (Integration einer Rutsche am Hang, Balancierbalken als Weg, Taststraße als Verbindungsweg zwischen zwei Spielmöglichkeiten) und dass die Kinder diese Freiräume entdecken und gebrauchen. Auch sollte beachtet werden, dass Kinder die Mehrdeutigkeit lieben, d.h., sie wollen ihre Umgebung selbst definieren: So wird beispielsweise aus einem Kriechtunnel ein Wohnhäuschen. Der Sand- und Wasserbereich ist ebenso von elementarer Bedeutung.

Die Spielgeräte und Spieleinrichtungen sollten die vielfältig gestaltete Umgebung ergänzen. Sie sollen Spielimpulse geben, sinnliche Erfahrungen ermöglichen und der "körperlichen Ertüchtigung" dienen. Als Faustregel sollte gelten: Je spezifischer die Erfahrung, je präziser die Funktion, desto kleiner ist im Allgemeinen der Anregungswert des Spielgeräts. Kritisch zu beurteilen sind auch die so genannten Kombinationsgeräte, wo auf einer Spielfläche von wenigen Quadratmetern eine Vielzahl von Spielmöglichkeiten (und somit auch Kindern) gegeben ist, was erheblich unfallträchtig sein kann.

Zum Schluss: ein Wort an die Architekten

Anhand nachfolgender "Checkliste" können Architekten prüfen, ob ihre Planung pädagogischen Anforderungen genügt:

  • Gesundheitserziehung, Erziehung zu Umwelt- und Naturverständnis, Wahrnehmungsförderung und Transparenz der Technik sind neben anderem pädagogische Zielperspektiven von Kindertagesstätten. Unter der Prämisse "Die Architektur dient der Pädagogik" sollte überprüft werden, ob diese Ziele beim Bau berücksichtigt werden.
  • Kindgerecht ist nicht gleich kindertümlich. Mit Kindgerechtheit wird oftmals die unreflektierte Erwachsenenfantasie über das, was den Kindern gefallen könnte, verwechselt: Der als Clowngesicht gestaltete Eingang zum Kindergarten ist kindertümlich, kindgerecht ist hingegen ein Eingang mit einem Türgriff in Kinderhöhe und einer leicht zu öffnenden Tür. Für Fantasie und Gestaltungswünsche der Kinder sollte Raum gelassen werden.
  • Durchblicke für Kinder ermöglichen Einblicke. Ein architektonisch gut gestaltetes Gebäude erleichtert der nachwachsenden Generation das Lernen am Modell. So wird es in Zukunft Bauherren geben, die an kreativen Entwürfen Gefallen finden und nicht in 08/15 Wohnungen leben wollen - gute Berufsaussichten für Architekten und interessante Voraussetzungen für ihre Arbeit!