Der Wundergarten

Barb Rosenstock/Claire A. Nivola: Der Wundergarten. Nek Chand baut sein geheimes Reich. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2018, 44 Seiten, EUR 18,00 – direkt bestellen durch Anklicken

In dem für Kinder im Grundschulalter geeigneten Bilderbuch erzählt Barb Rosenstock die Lebensgeschichte eines berühmten Volkskünstlers: Der Inder Nek Chand (1924-2015) wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Lahore auf. Seine liebevollen Eltern, seine älteren Schwestern und fahrende Sänger erzählten ihm von weisen Königen, anmutigen Göttinnen, magischen Gänsen, wilden Tieren, verborgenen Tempeln und geheimnisvollen Dschungeln. Viele dieser Geschichten spielte er am Ufer des Dorfbachs mit Schlamm, Ton, Steinen und Stöckchen nach. Als er älter wurde, arbeitete er als Bauer - bis Indien 1947 geteilt wurde und alle Dorfbewohner aus Pakistan vertrieben wurden, weil sie Hindus waren.

Nek Chand verschlug es nach Chandigarh, eine in den frühen 1950-er Jahren nach Plänen von Le Corbusier entstandenen Stadt, für die 26 Dörfer zerstört worden waren. Hier wurde er Straßeninspektor, heiratete und gründete eine Familie. In dieser „Stadt aus fahlem Beton, mit harten Konturen und Kanten ... gab es nichts, was Neks Dorfherz berührte. Wo waren die gewundenen Wege, die quellenden Bäche? Wo waren die singenden Männer, die sich wiegenden Frauen? Wo waren die Geschichten?

Von 1958 bis 1973 baute sich Nek Chand - unbemerkt von anderen Menschen - sein kleines Paradies auf einem Stück felsigen Landes, das der Regierung gehörte. Zunächst sammelte er viele Sachen, die andere Menschen weggeworfen hatten. Dann begann er zu bauen: Mit Beton, Flusssteinen und zerschlagenem Porzellan schuf er Wege, Terrassen, Mauern und kleine Gebäude. Er türmte Wasserkrüge mit Rissen aufeinander, formte Tiere, Menschen und Götter aus verbogenen Rohren, Zement, farbigen Glasresten und Scherben, pflanzte Blumen und Sträucher. Schließlich erstreckte sich sein Reich über 12 Morgen!

Dann entdeckte ein Trupp Regierungsarbeiter sein Geheimnis. Seine illegal geschaffene Welt sollte zerstört werden, Nek Chand seinen Arbeitsplatz verlieren. „Doch dann kamen die Menschen aus Chandigarh“. Sie erforschten die Anlage, setzten sich für ihren Schutz ein und bewogen die Regierung, Nek Chand dort als Künstler weiter arbeiten zu lassen.

Das Kinderbuch wurde von Claire A. Nivola mit farbenfrohen, fein gezeichneten und detailreichen Bildern illustriert. Erst bei genauer Betrachtung entdeckt man z.B. die in der üppigen Vegetation versteckten Äffchen. Auf einer Aufklappseite und auf der Rückseite des Buches befinden sich noch 11 Fotos der Anlage.

In einem Nachwort wird die Biographie von Nek Chand dargestellt. Hier erfährt man, dass er 1976 zum Direktor des nun als „Rock Garden“ bezeichneten Areals ernannt wurde, welches er bis 1983 mit Hilfe der von Bürger/innen gesammelten Abfallmaterialien weiter ausbaute. Da viele Staatsdiener immer noch negativ gegenüber der Anlage eingestellt waren, mussten Einwohner von Chandigarh 1990 mit einer Menschenschlange die Zerstörung des Felsengartens verhindern. Von 1996 bis 1997 wurde das Areal für Besucher/innen gesperrt; viele Skulpturen wurden in dieser Zeit zerstört. Erst der von Künstlern, Konservatoren und Stadtbewohnern gegründeten „Nek Chand Stiftung“ gelang es, die Anlage auf Dauer unter Schutz zu stellen. Museen in vielen Ländern wurden auf Nek Chand aufmerksam, organisierten Ausstellungen und erwarben seine Kunstwerke. Heute ist der „Rock Garden“ laut Einband „das zweitmeist besuchte Kulturdenkmal Indiens nach dem Taj Mahal“.

Eltern, Horterzieher/innen und Lehrer/innen können Kindern mit Hilfe des Bilderbuches den Zugang zu einer faszinierenden Persönlichkeit, einem großen Werk der Volkskunst und einer anderen Kultur eröffnen. Ergänzend können sie mit ihnen Filme über den Felsengarten z.B. auf YouTube anschauen und diskutieren.

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