Andrea Hensgen: Praxishandbuch Märchen für Kita und Grundschule. Freiburg: Lambertus 2015, 193 Seiten, EUR 19,90 - direkt bestellen durch Anklicken
Seit jeher gehören Menschen und Märchen zusammen. Oft wurden Märchen zur Kinderliteratur reduziert. Letzteres entspricht nicht dem historischen Hintergrund dieser Literaturgattung, erklärt aber, warum Märchen in unserer Zeit an Bedeutung verloren haben. So ist es erfreulich, dass Andrea Hensgen mit ihrem vorliegenden Buch das Märchen und das Erzählen aufgreift und ihnen wieder ihre verdiente Rolle in Kita (und Grundschule) zuweist.
Sprach- und Erzählkompetenz nehmen in der aktuellen Bildungsdiskussion einen bedeutsamen Platz ein, werden zu einer unverzichtbaren "Schlüsselkompetenz". Deshalb muss Erzählen wiederbelebt werden und in Kita und Schule einen "vorderen Platz" bekommen. Dazu trägt das Buch von Andrea Hensgen bei. Sie stellt die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt und erläutert das methodische Vorgehen: Übungen zur Sprache, Fragen zum Verständnis, Übungen zum Gestalten... Dabei weist sie deutlich darauf hin, dass es sich bei der Fülle von Ideen nicht um "Rezepte" handelt, die nacheinander umgesetzt werden sollen. Vielmehr fordert sie die Pädagog/innen auf: "Wählen Sie aus, welche Übungen Ihnen selbst oder den Kindern besonders viel Spaß machen würden und beschränken Sie sich ruhigen Gewissens darauf!" (S. 14) "Das Gleiche gilt für die Wahl des Märchens. Nutzen Sie auch hier dieses Buch nach Ihren persönlichen Interessen und den Erfordernissen Ihrer Kindergartengruppe! ... Sie kennen Ihre Kinder am besten!" (S. 14). Und Hensgen möchte, dass Sie dem Vorlesen nicht nur Zeit, sondern auch einen "Vorlese- bzw. Erzählraum" geben. Die Vorlese- und Erzählatmosphäre darf für den Erfolg nicht unterschätzt werden. So grenzt sich das Buch von den vielen pädagogischen Rezeptbüchern auf dem Markt wohltuend ab.
Die zahlreichen Ideen, Anregungen und Impulse sind Themen des Kindergartenalltags zugeordnet (gültig auch für die Grundschule). Wer sich von diesem Buch inspirieren lässt, braucht keine Sprachförderprogramme. Sprache und Sprechfreude entwickeln sich. Kinder üben sich, ohne Angst vor Defiziten.
Aktuelle Forschungsergebnisse zu Sprachförderprogrammen haben uns deutlich gemacht, dass für Kinder das "Sprachbad", das Erzählen, das Vorlesen, das Geschichtenerfinden und die Freude am Sprechen und Zuhören besonders gewinnbringend sind. Auch ein "künstliches" Philosophieprogramm wird überflüssig, wenn Kinder und Erwachsene ihre Fragen gegenseitig achten, sich Zeit nehmen für das Zuhören und unterschiedliche Meinungen akzeptieren.
Ein wirklich empfehlenswertes Impulsbuch!