Mit Kindern in den Wald - der Waldkindergarten Fuchsbau

Mit Kindern in den Wald - der Waldkindergarten Fuchsbau

Christa Rupp

Eis hacken, über selbstgebauten Steckenbrücken den Bach überqueren, die Schlucht hinaufklettern, von Holzstapeln springen... - Szenen aus dem Alltag der Kinder im Waldkindergarten Fuchsbau. So manche Besucher sind in der ersten halben Stunde stets sprungbereit, in der Angst vor stürzenden, in das Wasser fallenden Kindern - bis sie schließlich voller Bewunderung vor der großen Geschicklichkeit und Bewegungssicherheit der Kinder zur Ruhe kommen, um den restlichen Vormittag gemeinsam mit den Kindern im Wald zu genießen.

Im Waldkindergarten verbringen die Kinder ganzjährig ihren Kindergartenalltag draußen in der Natur. Hier wird gespielt, geklettert, gewerkelt, gesungen, experimentiert, gelesen, diskutiert, nach Konfliktlösungen gesucht... All das erleben wir in der Weite und Stille des Waldes und der Wiesen. Die natürliche Landschaftsstruktur und die jahreszeitlichen Veränderungen geben ständig neue Bewegungsanreize. Verschiedene Rinden, Steine, Erde - der Tast- und der Temperatursinn bekommen ständig natürliche Reize. Hörerziehung und Konzentration finden beste Voraussetzungen. Es gibt keine Enge; darum können die Kinder ohne "Verteidigungsdruck" eng zusammenrücken. In dieser entspannten Umgebung können die Kinder ihre natürlichen Grundbedürfnisse erfüllen.

Auffallend beim Spiel im Wald ist neben der großen motorischen Geschicklichkeit auch die große soziale Komponente. Die Kinder sind zusammen unterwegs; zum gemeinsamen Spiel brauchen sie sich und ihre Sprache. Denn in der "spielzeugfreien" Umgebung werden Spielpartner und Sprache nicht durch Dinge ersetzt. Die Kinder spielen in Gruppen, die sich je nach Spielthema stets neu formieren. Hier spielen Jungen und Mädchen zusammen, Groß und Klein, und dann mischt sich die Gruppe wieder anders. Sie sprechen viel miteinander, denn wer weiß denn sonst, ob der Stock gerade der Hexenbesen von Rumpelpumpel ist oder das Ritterschwert von Kunibert oder der Kochlöffel, mit dem die Blattsuppe gerührt wird, damit sie nicht anbrennt, oder... Hier werden der Phantasie keine Grenzen gesetzt!

Anna, ein ehemaliges Waldkindergartenkind (9 Jahre) beschreibt einen Tag im Waldkindergarten: "Die ersten Kinder kommen um halb acht, dann wird erst mal das Feuer im Ofen angemacht. Bald schon duftet der Tee vom Ofen her - dann geht's los mit Spielen, Bilderbüchern, Malen und mehr. Um viertel vor neun kommen alle Kinder und Mitarbeiter - das Spiel beginnt nun auch am naheliegenden Bach und auf der Wiese. Um halb zehn treffen sich alle zum Morgenkreis. Da kommt der Waldzwerg und begrüßt die Kinder. Nach dem Zählen holen alle ihre Rucksäcke, und jetzt geht es los in den Wald. Der Weg führt über verschiedene Stationen zum Waldplatz. Am Waldplatz angekommen, waschen alle Kinder ihre Hände und gehen in den Brotzeitkreis. Dann wird aus dem Zaubersäckchen ein Namensschildchen gezogen; dieses Kind darf den Waldzwerg in die Kreismitte setzen. Mit einem gemeinsamen Sprüchlein geht die Brotzeit los, und alle stärken sich. Nach der Brotzeit gibt es ein Angebot für die Kinder. Zum Beispiel am Geschicklichkeitstag bauen wir Kletterelemente auf, z.B. ein Seil-X zum Drüberklettern. Das ist ganz schön schwierig, und die Kinder müssen sich dabei gegenseitig helfen. Neben dem Angebot gibt es viele Möglichkeiten fürs Freie Spiel und zum Werken. Um zwölf treffen sich alle wieder im Schlusskreis. Wir wecken den Zwerg mit einem Lied; der Zwerg verabschiedet sich für heute von uns, und wir verabschieden uns vom Wald. Dann packen alle Kinder ihre Rucksäcke und laufen los. Am Abholplatz angekommen, stellen sich alle Kinder noch mal in den Kreis und sagen zueinander Tschüss und bis morgen. Dann kommen die Eltern, und es gibt viel zu erzählen."

Das beschriebene Angebot wechselt im Wochenplanrhythmus. Hier gibt es einen Musiktag, ein gezieltes Werkangebot, einen Forschertag mit Experimenten, einen Spieletag und einen Geschicklichkeitstag.

Zusätzlich gibt es verschiedene Projekte bzw. Projektwochen (z.B. eine Afrika-Woche). Ein fortlaufendes Projekt ist eine Biotop-Patenschaft. Die Kinder pflanzten ein Stück Waldrandhecke, pflegen und erweitern diese. Hierbei erleben sie das Wachsen, übernehmen die Verantwortung für ihr "Wäldchen" und lernen viel über ökologische Zusammenhänge. Bei unserem Kooperationsprojekt mit einem Altenheim entsteht erst gar keine Hemmschwelle zu Heim und alten Leuten, denn die große Freude bei einem Faschingsfest mit Teilnehmer/innen im Alter von zwei bis 100 Jahre ist für alle zu spüren und bleibt unvergesslich. In einem anderen Projekt erlebten wir den Weg der Wolle vom Schaf auf der Weide bis zum fertigen Filzseil...

Die Inhalte des Bildungs- und Erziehungsplans für Kindertagesstätten finden so ihre Umsetzung - stets erlebnis- und situationsorientiert, als Alltagsprinzipien, in Projekten, aus Ideen der Kinder entwickelt.

Der Waldkindergarten Fuchsbau ist täglich von 7.30 bis 14 Uhr geöffnet. 18 Kinder von drei bis sechs Jahren besuchen den Kindergarten; dazu gehören zwei Kinder mit Behinderung. Im pädagogischen Team arbeiten zwei Fachkräfte und ein Berufspraktikant. In den Ferien bieten wir Schulkindern die Möglichkeit, mit in den Waldkindergarten zu gehen. Bei extremen Witterungsverhältnissen (Sturm) gibt es Ausweichräume.

Und der Wald bietet eine Fülle von Spielanreizen für jedes Alter. Hier wird es den "Vorschulkindern" nicht langweilig, und ehemalige Waldkinder kommen uns in den Ferien gerne besuchen, denn hier finden sie immer noch eine ideale Spielumgebung. Wir haben auch Kinder, die zuvor in Gruppen im Haus waren, dort nicht mehr zurechtkamen und bei denen deshalb ein sonderpädagogischer Bedarf erklärt wurde. Mehrfach entwickelten sich diese Kinder nach wenigen Monaten im Wald zu glücklichen, gruppenfähigen Kindern. Was war jeweils geschehen? Die Kinder wälzten und warfen sich immer wieder auf den Boden; dabei erfuhren sie ihren Körper. Dann zogen sie wochenlang die schwersten Dinge, die sie alleine schaffen konnten; dies gab dem Gehirn intensivste Reize und bewirkte mitunter die Nachreifung des Gehirns. Matschen, Formen und ständige taktile Reize ohne Überreizung wirkten ebenso entsprechend auf das Gehirn. All diese natürlichen Reize sind sozusagen Alltag, bilden also keine halbstündigen Fördereinheiten, sondern sind Teil des Lebens der Kinder. Und es sind selbstgewählte Tätigkeiten. Nach den ersten Wochen mit solch intensiven Arbeiten können sich die "auffälligen" Kinder oft auf einmal völlig normal in der Gruppe einbringen und ihre normale Entwicklung fortsetzen - und nach dem Kindergarten, entgegen vorheriger Prognosen, die Regelschule besuchen!

In der Schule haben laut empirischer Untersuchungen jedoch auch die unauffälligen Kinder aus dem Waldkindergarten einen deutlichen Vorteil - sie übertreffen ihre Altergenossen aus den Regelkindergärten in allen Aspekten der Schulfähigkeit. Die allerbesten Vergleichsergebnisse in der Forschungsarbeit von Peter Häfner (2002) erzielten die Mädchen aus dem Waldkindergarten - also ist der Waldkindergarten nicht nur eine Lösung für bewegungsextensive Jungen, sondern auch für die Entwicklung von Mädchen höchst gewinnbringend.

Literatur

Häfner, P. (2002): Natur- und Waldkindergärten in Deutschland - eine Alternative zum Regelkindergarten in der vorschulischen Erziehung. Dissertation an der Universität Heidelberg. http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2003/3135/pdf/Doktorarbeit_Peter_Haefner.pdf

Autorin

Christa Rupp
Waldkindergarten Fuchsbau
Martinistr. 57
86179 Augsburg

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