Mitchel Resnick: Lifelong Kindergarten. Cultivating Creativity through Projects, Passion, Peers and Play. Cambridge: The MIT Press 2018, 191 Seiten, EUR 19,99 - direkt bestellen durch Anklicken
Mitchel Resnick ist Bildungsforscher und Professor am MIT Media Lab in Cambridge. Als Experte für neue Bildungstechnologien arbeitet er beispielsweise seit 30 Jahren eng mit Lego zusammen und hat maßgeblich die Entwicklung von Lego Mindstorms (programmierbare Legosteine, mit denen man z.B. Roboter konstruieren, programmieren und steuern kann) vorangetrieben. Außerdem leitet er das Team von „Scratch“, einer erziehungsorientierten visuellen Programmiersprache für Kinder und Jugendliche, inklusive einer Entwicklungsumgebung sowie der eng verknüpften Online-Community-Plattform.
Sein englischsprachiges Buch „Lifelong Kindergarten“ geht von der Problematik aus, dass die meisten Schulen, Hochschulen und Universitäten Schüler/innen und Studierenden beibringen, Anweisungen zu befolgen, Regeln einzuhalten und starres Wissen auswendig zu lernen, anstatt sie dazu zu befähigen, eigene Ideen, Ziele und Strategien zu entwickeln.
Dabei sind kreatives Denken und Problemlösungsfähigkeiten Schlüsselkompetenzen in einem Zeitalter, das geprägt ist von der permanenten (Weiter-)Entwicklung von Technologien sowie digitalen Informationsquellen und sozialen Netzwerken. Diese ständigen Veränderungen bergen Herausforderungen für die zukünftige Lebens- und Arbeitswelt von Kindern, Schüler/innen und Studierenden, die heute noch gar nicht absehbar sind.
Mitchel Resnick stellt sich also die Frage, wie man Menschen dazu befähigen kann, souverän und erfolgreich mit Veränderungen, Ungewissheiten und neuen Herausforderungen umzugehen. Den Schlüssel hierfür sieht er in der Entwicklung von Kreativität und problemlösendem Denken. In seinem Buch zeigt er auf sehr anschauliche Art und Weise, wie seiner Meinung nach diese beiden Schlüsselkompetenzen am besten gefördert werden und wie sich Kinder zu erwachsenen kreativen Denkern entwickeln.
Resnick sieht in der Gründung des ersten Kindergartens von Fröbel im Jahre 1837 die bedeutendste Erfindung der letzten tausend Jahre, denn hier lernen Kinder auf spielerische und ganz natürliche Art, wie sie eigene Ideen entwickeln und mit Herausforderungen umgehen können. Sie eignen sich eigenaktiv Wissen an, indem sie sich Fragen stellen, Experimentieren, Ausprobieren, Forschen, sich irren und gemeinsam mit anderen Kindern und pädagogischen Fachkräften auf die Suche gehen.
Dabei gehen sie nach der Spirale des kreativen Lernens vor, die aus folgenden Schritten besteht: Imagine (sich etwas ausdenken), Create (etwas erschaffen), Play (spielerisch experimentieren, ausprobieren), Share (etwas miteinander teilen), Reflect (etwas reflektieren, überdenken) und wieder Imagine (aufbauend auf den Erfahrungen der vergangenen Schritte werden neue Ideen entwickelt). Dafür werden Materialien bereitgestellt, die genau dieses spielerische und kreative Lernen fördern. Resnick spricht sowohl von traditionellem Spiel- und Lernmaterial, wie Holzbausteinen, Buntstiften o.ä. als auch von den Möglichkeiten digitaler und technologischer Materialien. Er betont, dass sowohl high-tech-, low-tech- als auch non-tech-Spielzeug seine Berechtigung hat und dass es vor allem darum geht, was die Kinder damit machen und wie vielfältig sie sie nutzen können. Jedes Spielzeug sollte die Kinder in ihrem kreativen Denken fördern.
Weiterhin stellt der Autor fest, dass Kinder bedauerlicherweise ab dem Schulbeginn anders lernen, da hier ein anderes Bildungsverständnis vorherrscht. Spätestens ab der Einschulung lernen Kinder größtenteils im Sitzen und eher passiv. Sie lernen Fachwissen und Regeln auswendig, die sie von einem Lehrer oder einer Lehrerin vorgegeben bekommen. Resnick plädiert dafür, dass das kreative Lernen nicht nach dem Kindergarten endet und während der gesamten Bildungslaufbahn weiter geführt wird, im Sinne eines „lebenslangen Kindergartens“. Als die vier wichtigsten Aspekte des kreativen Lernens benennt er die sogenannten 4 Ps:
- Projects (Projekte)
- Passion (Leidenschaft)
- Peers (Gleichaltrige)
- Play (Experimentieren, Neues ausprobieren)
Diese vier Punkte werden im Hauptteil des Buches ausführlich beschrieben und mit vielen Beispielen und Anekdoten untermalt. Basierend auf seinen langjährigen Erfahrungen am MIT beschreibt der Autor neue digitale Lernprogramme, -technologien und -strategien, die Kinder in ihrem kreativen Denken fördern. Er erzählt Geschichten von Kindern, die mit solchen Programmen ihre eigenen Spiele, Geschichten, Erfindungen und Ideen umsetzen – individuell, in Projekten und in Zusammenarbeit mit anderen.
„Lifelong Kindergarten“ ist ein tolles Plädoyer für Kindertageseinrichtungen und für das lebenslange kreative Lernen. Es zeigt auf eindrucksvolle und unterhaltsame Weise, dass dies auch in der Schul-, Ausbildungs- und Studienzeit sowie in der Fort- und Weiterbildung möglich ist, wenn ein gesellschaftliches und politisches Umdenken stattfindet. Das Buch regt zum Nachdenken an und ist für alle zu empfehlen, die sich mit Kindern beschäftigen, sich für (kreatives) Lernen interessieren und in englischer Sprache lesen können. Schade, dass es das Buch nicht für den deutschsprachigen Raum gibt!