Frühkindlicher Fremdsprachenerwerb in den „ Elysée-Kitas“: Schnupperstunde Französisch in den Münchner städtischen Kindertageseinrichtungen

Christine Fourcaud , Matthias Springer: Frühkindlicher Fremdsprachenerwerb in den „ Elysée-Kitas“. Schnupperstunde Französisch in den Münchner städtischen Kindertageseinrichtungen. Tübingen: Narr 2021, 269 Seiten, EUR 29,90 – direkt bestellen durch Anklicken

Frühkindlicher Fremdsprachenerwerb

Zu den Autorinnen und Autoren

Im vorliegenden Band „frühkindlicher Fremdsprachenerwerb in den „Elysée -Kitas“ erläutern die beiden Forscherinnen und Forscher der Universitäten Reims und München die Ergebnisse und das Forschungsdesign der von ihnen geleiteten Studie zum frühkindlichen Spracherwerb in institutionalisierter und gesteuerter Form – hier am Beispiel Französisch.

Die Publikation ist in einer Zusammenarbeit der LMU- München und der Universität Reims Champagne -Ardennes entstanden. Christine Fourcaud ist an den Forschungslaboren Sciences Po (Paris) und Strasbourg forschend tätig. Matthias Springer lehrt ebenfalls an der LMU -München am Institut für Deutsch als Fremdsprache.

Die Grundlage des Buches bildet eine Vereinbarung „Elysée 2020“, in der eine deutsch- französische Qualitätscharta für zweisprachige Vorschuleinrichtungen vergeben wird. (Deutsch-Französische Qualitätscharta für zweisprachige Kindertagesstätten, Berlin 2013) Nachdem die entsprechenden französischen Einrichtungen (écoles maternelles) bereits 2018 evaluiert wurden (die meisten naturgemäß im Elsass und in Lothringen) – stellt die Studie das deutsche Pendant hierzu dar.

Zur Studie selbst (Rahmenbedingungen)

 An der Studie haben neben der Stadt München als Träger der Kindertageseinrichtungen, das deutsch-französische Institut München und der DAAD mitgewirkt. Sie bildet also die Arbeit von insgesamt sechs Jahren (2014-2020) ab, stellt dabei eine Zusammenfassung von praktischen und theoretischen Arbeiten bezüglich des gesteuerten frühkindlichen Spracherwerbs am Beispiel einer in ausgewählten Einrichtungen der Stadt München durchgeführten Angebotsstunde Französisch vor.

 Dabei wurde eine Feldstudie (als Pilotprojekt) an sieben Kitas und einem Hort im Rahmen einer eigens zu diesem Zweck initiierten Zusammenarbeit der Stadt München, des dortigen deutsch- französischen Instituts, der Universitäten Reims, Strasbourg und München und der verschiedenen nationalen und binationalen Organisationen und Institutionen aus dem Bildungsbereich der beiden Länder durchgeführt.

Zentral für die praktische Umsetzung des Studienansatzes waren dabei die dokumentierten Beobachtungen  einer Stunde Französisch – konzipiert als externes „Angebot“ einer französischen muttersprachlichen Lehrkraft über die Dauer eines Kindergartenjahres hinweg. [S. 54] Die Lehrkräfte wurden über das deutsch-französische Institut München gewonnen – das Angebot war kostenlos und freiwillig. [S. 185] Die Datengewinnung und Auswertung erfolgte nach dem Mixed-Methods-Ansatz mit Hilfe von qualitativen und quantitativen Methoden. Der enorm komplexe Ansatz umfasst online-Fragebögen, Auswertung von Umfragen und Interviews sowie Beobachtungsanalysen von Video-Sequenzen. [S. 68f.]

Zum Aufbau des Buches

Das Werk gliedert sich in sieben Kapitel – die Klammer bildet einerseits eine allgemeine Einordnung in die Thematik des frühkindlichen Fremdsprachenerwerbs vor dem Hintergrund der Diskussion um Migration, Inklusion und eben der Auseinandersetzung mit der Rolle des mehrsprachigen Aufwachsens von Kindern und dem sachgerechten Umgang damit im Vorschulbereich. [vgl. Kap. 1] Andererseits geht der Anspruch deutlich über die Thematik der Förderung des Französischen durch eine „Schnupperstunde“ in der Kita hinaus. Das Buch endet denn auch konsequenterweise mit Handlungsempfehlungen für die Gestaltung und Durchführung von Angeboten des gesteuerten Fremdspracherwerbs im Vorschulbereich für entsprechende Einrichtungen, Eltern und (akademische) Begleitung entsprechender Projekte. [vgl. Kap. 7]

Im mittleren Teil [Kap. 2] werden die Rahmenbedingungen und die theoretischen Ansätze erläutert sowie die zentralen Parameter zur Analyse der empirischen Untersuchungen vorgestellt. Das Forschungsdesign und die Methodik werden beschrieben [Kap. 3] und in ihrer Aussagekraft eingeordnet. In den Kapiteln 4/5/6 werden die Thesen und Ergebnisse den zur Analyse verwendeten Fragestellungen zugeordnet und die erhobenen Daten der Studie werden ausführlich in ihrer Genese und ihrer Bewertung begründet und dargestellt.

Die Handlungsempfehlungen [Kap.7] ziehen wie erwähnt die entsprechenden Schlussfolgerungen aus der Querschnittsstudie, die sich sowohl auf den allgemeinen Umgang mit Mehrsprachigkeit in Kitas, als auch auf die Bedingungen für ein gelingendes Vorgehen bei der Implementierung von vergleichbaren Projekten im Vorschulbereich beziehen lassen.

Ein sehr umfangreicher Anlagenteil in deutscher und französischer Sprache bildet die geleistete Feldarbeit und Vorgehensweisen sehr detailliert ab. Der Anlagenteil bildet alle verwendeten Instrumentarien der Studie gut ab – ist aber auch entsprechend wenig übersichtlich und nicht unbedingt besonders einfach einzuordnen – was ein Nachteil ist, wenn der Anspruch des Buches über ein rein akademisches Publikum hinausgehen soll. [vgl. S. 205-268]

Zum Inhalt der Studie

Zentral ist bei der Feldstudie die Auseinandersetzung mit verbreiteten - und besonders in der Praxis der Kindergärten häufig vorgefundenen - Annahmen über Sprachentwicklung von Vorschulkindern unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit, die in Metropolregionen in Deutschland sicher den „Normalfall“ in der Kita-Praxis darstellt.

Diese Annahmen lassen sich in drei zentralen Fragestellungen gut zusammenfassen, die in der Studie untersucht werden:

  • Hat Mehrsprachigkeit bei Kindergartenkindern möglicherweise einen negativen Einfluss auf deren kognitive, sprachliche und soziale Entwicklung? [S. 8]
  • Sind Kinder beim Erwerb einer dritten oder vierten Sprache überfordert? [S. 29] mit einer weiteren Sprache in Kindergärten überfordert?
  • Sollten sich Kinder mit fremdsprachlichem Hintergrund nicht erst die deutsche Sprache aneignen, bevor sie sich einer weiteren Fremdsprache zuwenden. [S. 31]

Die Studie gibt nun (vorläufige-aber fundierte) und empirisch belegte Antworten auf diese Fragen. Dabei orientieren sich die Autorinnen und Autoren an folgenden Fragestellungen, die die oben genannten Annahmen, Vorurteile und Narrative einer empirisch- theoretischen Analyse unterziehen und damit sinnvoll zu beantworten helfen. Sie orientiert sich dabei an folgenden konkreten Fragestellungen, die dann zur Operationalisierung der Studie herangezogen werden:

  • Inwiefern fördert das bilaterale Pilotprojekt Elysée – Kitas die soziale und politische Teilhabe aller Beteiligten?
  • Welche entwicklungspsychologischen Erwartungen haben die am gesteuerten Fremdsprachenerwerb Mitbeteiligten?
  • Wie entwickeln Kindergartenkinder metalinguistische Bewusstheit bei nur geringem Kontakt zur Fremdsprache? [S. 66]

Zum Forschungsdesign

Wie die Autorinnen und Autoren der Studie betonen, handelt es sich um eine Querschnittstudie, deren Aussagekraft logischerweise nur bedingt sein kann. Es fehlt eine Kontrollgruppe – ebenso ist die Schwierigkeit des Methodenmix - qualitative und quantitative Verfahren wurden im Rahmen der Triangulation angewandt [S. 68]. Ein Vorher-Nachher-Vergleich musste unterbleiben, da eine Längsschnittuntersuchung nicht durchgeführt wurde. [S. 66ff.] Die Probanden (Lehrkräfte / Eltern) wurden bezüglich der Ergebnisse nach ihrer „Einschätzung“ gefragt [S. 69] und die gesamte Studie ist eher induktiv angelegt – Schlussfolgerungen sind von daher nur sehr vorsichtig abzuleiten. Die Inhalts- und Konstruktqualität erscheint aber gerade durch die bewusst gesetzte Beschränkung der Aussagekraft überzeugend und gelungen. [S. 81f.]

Zu dieser wohlverstandenen Beschränkung gehört auch, dass der gemachte Vergleich mit dem französischen Teil des Netzwerkes der Elysée Einrichtungen – den „écoles maternelles elysées 2020“ nur sehr bedingt aussagekräftig sein kann, da die Struktur und Ausrichtung des französischen Systems der Vorschulerziehung in den „écoles maternelles“ eine völlig andere ist als die auf die stark an der Betreuung und Pflege orientierte des deutschen Vorschulsystems. [S. 42-49]

So sind die Ergebnisse des Projekts dann auch eher als Handlungsempfehlungen für die Praxis der Einrichtungen im Vorschulbereich, als Orientierung zur weiteren Forschung (Längsschnittstudien) und als Anregung in Bezug auf den Umgang mit dem Phänomen der Mehr- und Zweisprachigkeit in den Kitas zu verstehen. Der Hinweis auf ein entsprechendes Forschungsdesiderat [S. 68] ist klar und eindeutig.

Zur Studie selbst (sample)

Die Laufzeit der Studie als Querschnittsstudie, die einen „Ist-Zustand“ beschreibt, war ein Kindergartenjahr (2018/19). Es wurden 233 Kinder in sieben Kitas (plus ein Hort) untersucht – 149 Eltern waren beteiligt. Insgesamt nahmen 72 pädagogische Fachkräfte an der Untersuchung teil. Fünf Lehrkräfte (native speaker) des Institut Francais München wurden jeweils in die Einrichtungen geschickt, um die „Angebote“ in den Einrichtungen durchzuführen. 55 Stunden Video-Aufnahmen wurden erstellt und ausgewertet.

Die Rücklaufquote bei den Eltern in Bezug auf die Fragebögen betrug 64%, die der pädagogischen Kräfte 84% – der Datenrücklauf kann also als gut bezeichnet werden. Ausdrücklich wurden die in deutschen Kitas üblichen Beobachtungsbögen „ SISMIK“ und „SELDAK“ in die Untersuchungen einbezogen. Der festgestellte Bildungshintergrund der Eltern (77,9% Akademiker) gibt einen Hinweis auf die sozial deutlich ungleich gewichtete Förderung von Kindern im Vorschulbereich – diese Problematik zeigt auch diese Studie wieder deutlich auf.

Zur Vorgehensweise

In den teilnehmenden Einrichtungen wurde pro Woche immersiv eine Stunde Französisch angeboten. Jeweils eine Stunde – immer mit einer begleitenden und anleitenden französisch-sprachigen Zusatzkraft (native speaker). Die einzelnen Stunden wurden nach dem gängigen Muster in Kitas mit musikalischen, bildnerischen und anderen interaktiven Methoden durchgeführt. Der Ansatz musste ein pragmatischer sein, da die unterschiedlichen Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen berücksichtigt werden mussten – z.B. auch inwiefern eine weitere Lehrkraft der Kita in französischer Sprache mitarbeiten konnte. [S. 176]

Die Stunden wurden nach dem Muster der Initiation und Response durchgeführt und waren immer kooperativ und möglichst ritualisiert in den Kita-Alltag während eines Jahres eingebaut. [S. 149-156] 

Die Sprachstandserhebungen wurden dann jeweils nach den Kriterien des Redeanteils in Französisch, der Interaktionsqualität, den entwickelten Kommunikationsstrategien und der entwickelten translinguistischen (metasprachlichen) Bewusstheit ausgewertet. Auch die förderlichen und nicht förderlichen Anteile der Lehrstrategien wurden in diese Analyse einbezogen. [S. 182f.]  

Die Eltern, das Personal der Kitas und die eingesetzten muttersprachlichen Kräfte wurden in Fragebögen im Hinblick auf den biographischen (auch bildungsbiographischen) Hintergrund, die mit dem Projekt verbundenen Zielvorstellungen, und die Einschätzung der Ergebnisse des Projektes befragt. [Kap. 4]

Ergebnisse / Handlungsempfehlungen

Entsprechend dem Forschungsdesign konnten keine Entwicklungsfortschritte empirisch messbar festgestellt werden – dies müssten Langzeitstudien leisten. Sehr wohl aber zeigt sich gut dokumentiert und belegt wie denen gesteuerter Spracherwerb gelingen kann.

Wie viele Studien belegen auch die Erkenntnisse aus der Studie, dass der Umgang mit Mehrsprachigkeit und dem Spracherwerb in den Kitas von vielen Faktoren abhängig ist, deren entsprechende Umsetzung auf die Praxis keineswegs immer gelingt. (Steinlen et alt., 2010)

Da ist z.B. die mangelnde Orientierung an komplexerem Sprachverhalten seitens der Lehrenden in der Kita – „komplexere Fragestrategien, die noch stärker zum Nachdenken und Erzählen anregen, wurden nicht beobachtet.“ [S. 155]

Eindeutig lassen sich aber aus den Sequenzen der Aufnahmen und Interaktionsanalysen die Fortschritte und die positiven Effekte bzw. Kompetenzzuwächse der Kinder nach einem Jahr „Schnupperstunde“ erkennen. Diese beziehen sich auf die metalinguistischen Fähigkeiten der Kinder [S. 176] und darüber hinaus auf die beobachteten Fortschritte in den positiven Grundhaltung gegenüber dem Erlernen von Fremdsprachen und die entwickelten Fähigkeiten zum Transfer. (ibd.)

Wichtig ist dabei festzuhalten, dass die auch von anderen Autoren immer wieder als Qualitätskriterium für erfolgreiche Sprachförderung im Vorschulbereich – die Interaktionsqualität – sich auch in dieser Studie als zentrales Kriterium für erfolgreiche Sprachvermittlung herausstellte. Das bekannte „sustained shared thinking“ stellt hohe Ansprüche an die Fähigkeiten der Lehrenden dieses als gezielte Form der Interaktion einzusetzen [S. 153]

Erkenntnisse über metasprachliche Entwicklungen durch gezielten Sprachinput lassen sich gut abbilden und valide auf die verschiedenen Variablen bei den Angeboten in der „Schnupperstunde“ zurückführen. Besonders wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass sich gerade bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern durch die Stunde Französisch auch das Bewusstsein für die Herkunfts- oder Familiensprache erweitert. [S. 160 ff.] Die eingangs erwähnte Befürchtung der Überforderung der Kinder durch die „ Zusatzsprache“ lässt sich klar widerlegen.

Ebenso deutlich wird, dass die Einführung einer weiteren Sprache offensichtlich das Interesse an der Herkunftssprache und deren Wertschätzung positiv beeinflusst. [S. 93-97]

Dabei ist die Abhängigkeit vom sozialen Hintergrund – resp. vom Bildungshintergrund der Eltern der Kinder- in der Studie stark (ca. 78% der Erziehungsberechtigten sind Akademiker) [S. 93] – insbesondere ist ein klarer Zusammenhang von Bildungshintergrund der Eltern und (freiwilliger) Teilnahme an der „Schnupperstunde“ zu erkennen. Auch die Ergebnisse und Schlussfolgerungen, was die unterschiedlichen Transferstrategien in Bezug auf die Sprachanwendung bei den Kindern anbelangt, sind zwar im Kern nicht überraschend neu – doch bilden sie in der Studie empirisch gut ab was in den Vorschuleinrichtungen Praxis zu sein scheint. Kinder mit Förderbedarf neigen eher zum Imitieren der Lehrkraft und zeigen eher Vermeidungsverhalten. [S. 170] Mädchen bitten eher um Hilfestellung als Jungen. [S. 172]

Der soziokulturelle Hintergrund bestimmt offensichtlich die Kommunikationsstrategien mit – auch hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

Die damit zusammenhängenden Einflussfaktoren bei den Einstellungen, und damit zusammenhängend dem Bildungshintergrund des Personals in Kitas, sind beim Umgang mit frühkindlicher Zweit- und Mehrsprachigkeit offensichtlich von großer Bedeutung. Dessen fremdsprachliches Potenzial „bleibt somit ungenutzt“ [S. 108]. Diese Tatsache bietet einen Hinweis auf die aus der Studie abzuleitende Forderung nach einer „ holistischen Kompetenz“ und der Umsetzung von Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung in der Praxis [S. 74].

Die an sich sinnvollen Beobachtungsbögen in Kitas (SISMIK / SELDAK – Ulich 2003 u. 2006) weisen eine doch recht starke Ausrichtung auf ein monolinguales Verständnis von Sprachentwicklung in Richtung von Deutsch als Zielsprache auf – mittlerweile gibt es deutliche Hinweise auf eine nicht an die Realität der Situation in den Kitas angepasste Vorgehensweise bzw. Einstellung. (Panagiotopoulou 2016 /Gogolin 2009 /Grosjean 2015 )

Die im Kapitel sieben des Buches gemachten Handlungsempfehlungen richten sich denn auch gezielt an die Praxis der Kitas in Bezug auf gezielte Sprachförderung, die weit über das Modellprojekt hinausgehen.

Die Feststellung „es konnte weder ein Ressourcen- Pool noch eine systematische Weitergabe der Ideen oder Materialien beobachtet werden“ [S. 186] ist ein klarer Hinweis auf Handlungsbedarf bei der gezielten Sprachförderung in Kitas. Pädagogisch-didaktische Hinweise in Richtung auf eine Abkehr von extrinsischen Handlungsstrategien bei der Sprachförderung [S. 190] sind hilfreich, wenn z.B. erkannte Geschlechterunterschiede oder unterschiedliche Transferstrategien bei Kindern in Abhängigkeit vom sozio-kulturellen Hintergrund  bei „Imitations- Kooperations- und Transferstrategien“ (ibd.) festgestellt werden konnten.

Die hier abgeleiteten und gut begründeten Handlungsempfehlungen münden in der Forderung nach einem „aufgeklärten aktiven Einwirken der Erwachsenen gegenüber der freien Entscheidung der Kinder“ [S. 191] - eine hier fundiert und nachvollziehbar belegte Schlussfolgerung.  

Der Mehrwert der Studie und des Buches liegt besonders in den Erkenntnissen, die weit über das „Frühfranzösisch“ hinausgehen.

Die aufgestellten Forderungen nach einem verbesserten Umgang mit frühem Fremdsprachenlernen weisen auf Schwachstellen in der Praxis von Kitas hin, geben aber auch Hinweise darauf wie diese zu verbessern wären:

  • Die Interaktionsqualität und damit zusammenhängend die Kommunikationsstrategien der Lehrpersonen an Kitas müssten verbessert werden – das sogenannte „scaffolding“ bzw. die Beachtung des „shared sustained thinking“ geben klare Hinweise. [S. 180f.]
  • Die Regelmäßigkeit des Angebots einer Fremdsprache und deren Verbindlichkeit sind ebenso eindeutige Faktoren für den Erfolg eines solchen Angebots [S. 185]
  • Die Fokusierung der Sprachförderung in den Kitas auf eine monolinguale Ausrichtung am Deutschen als Zielsprache ist zumindest als problematisch einzuordnen – dies trifft auch auf die gängigen Sprachstandserhebungen in den Kitas zu. [S. 74]
  • Die aus der Studie abgeleitete Forderung nach stärkerer Nutzung des bilingualen Potenzials der pädagogischen Fachkräfte ist gut belegt – die sogenannte „Interdependenzhypothese“ – also die Erkenntnis, dass eine Förderung einer Fremdsprache die Kompetenz in der Muttersprache erhöht – ist dieser Studie zu entnehmen. [S. 109] ????

Daher erscheint das Buch besonders geeignet den erfolgreichen Einsatz von immersiven Projekten in der frühkindlichen Fremdsprachenvermittlung gut wissenschaftlich zu belegen. Die Handlungsempfehlungen und die abgeleiteten Forschungsdesiderate sind nachvollziehbar und bieten eine gute Grundlage für weitere Forschungen und praktische Anwendungen im Bereich der frühen Vermittlung von Fremdsprachen.

Bibliographie

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Gogolin, Ingrid ( 2009). Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund im Elementarbereich. In: Roßbach, Hans-Günther/Blossfeld, Hans-Peter (Hgg.). Frühpädagogische Förderung in Institutionen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 79-90.

Grosjean, Francois ( 2015). Parler plusieurs langues – le monde des bilingues: Editions Albin Michel.

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Steinlen, Anja K. et alt: Results of the Elias Research Studies: A Summary. In: Kersten, Kristin / Rohde, Andreas/ Schelleter, Christina/ Steinlen, Anja K.( 2010). Bilingual preschools, Volume II. Best practices. Tier: WVT – Wisenschaftlicher Verlag, S. 35-76.

Ulich, Michaela/ Mayr, Toni (2003). Sismik – Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen. Freiburg: i.Br. Herder

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Weitz Martina (2015). Die Rolle des L2-Inputs in bilingualen Kindergärten, Peter Lang Verlag, FFM.

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