Herbert Renz-Polster: Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte und wie wir ihn aufhalten können. München: Kösel-Verlag 2019, 314 Seiten, EUR 20,00 – direkt bestellen durch Anklicken
Der renommierte Kindheitsexperte Dr. Herbert Renz-Polster, der sicherlich vielen Leser/innen vor allem durch seine sehr beachtenswerten Publikationen „Menschenkinder“, „Kinder verstehen“, „Wie Kinder heute wachsen“ und „Die Kindheit ist unantastbar“ bekannt ist, hat nun ein neues Buch auf den Markt gebracht, das ein viel diskutiertes und aktuelles Thema sehr tiefgründig beleuchtet: die Zunahme des Rechtspopulismus, deutschland-, europa- und weltweit, verbunden mit der Frage, wie diese Tendenz entstehen und an Gewicht zunehmen konnte / kann und was dafür Sorge tragen kann, dass dieser Entwicklung Einhalt geboten wird.
Der Autor legt politisch interessierten Leser/innen und (nicht nur) pädagogisch tätigen Fachkräften eine Veröffentlichung vor, bei der es schwerfällt, diese auch selbst für kleinste Pausen aus der Hand zu legen. Renz-Polster verdeutlicht, dass es nicht die „Außenfeinde“ in Form bestimmter externer Außeneinwirkungen sind, die für die Entstehung einer rechtspopulistischen Einstellung verantwortlich gemacht werden können. Ein Externalisieren wäre hier zu kurz gegriffen. Vielmehr bildet sich in der Kindheit der Maßstab für die >Gesinnung< eines Menschen, ob er später Macht und Überlegenheit oder Solidarität und Vertrauen zu seinem Gedankenfundament erklären wird. Emotionale und bestimmte soziale Einflüsse prägen dabei ebenso den späteren politischen Hang zum Autoritarismus bzw. zu einer demokratisch-sozialen Haltung. Bei einer rechtspopulistischen Tendenz setzt sich das Weltbild wie folgt zusammen: „Entweder ich gewinne oder ich greife an.“
Renz-Polster führt dabei vor allem Gewalt- und Noterfahrungen in bestimmten Ausprägungen bei Kindern ins Feld, durch die in Kindern z.B. eine Perspektivlosigkeit entsteht und dabei zeigen entwicklungspsychologische Gesetzmäßigkeiten, dass sich erlebte Ohnmachtserfahrungen in Machtansprüche wandeln, Gewalterfahrungen in übersteigerten Aggressionshandlungen ausdrücken, eigene Schwächen in massiven Stärkedemonstrationen widerspiegeln. Dieses pädagogisch-politische Buch zeigt unter anderem deutlich auf, welchen Nerv die Populisten bei ‚anfälligen’ Personen treffen, wie die Landkarten kindlicher Nöte aussehen und wo durch autoritäre Abhängigkeiten keine Beziehungssicherheit entstehen kann, wie ein ‚vergiftetes Innenleben’ zu einer Einschätzung einer feindlichen Außenwelt führt, wie eine autoritäre Innenwelt aussieht, welche Merkmale und Folgen die Erziehungsfronten ‚begleiten oder begrenzen’ beinhalten, wie eine Furcht vor der Freiheit entsteht, wie Beziehungssprachen funktionieren, dass zerbrochene Bindungen den Kern einer autoritären Haltung bilden, wie in Ost und West gewählt wird sowie welche Erziehungsgrundsätze dort in einer entsprechenden Häufigkeit vorzufinden sind, wie es mit bestimmten Kindheitsmustern in unterschiedlichen Staaten aussieht, ob Bildungsoffensiven ein Mittel gegen Rechts sind, wie die Herausforderungen unserer Zeit (Migration, Religion, Integration) gelöst werden und welche Ziele anvisiert werden (soll[t]en). Viele Beispiele lockern dabei die ungezählten, quellenbelegten Aussagen (es gibt 320 Anmerkungen und Quellennachweise) auf. Die deutliche, jederzeit klare Sprache des Autors bringt alles Wesentliche auf den Punkt. Damit ist die fachliche Spurensuche des Autors rundum gelungen.