Nkechi Madubuko: Empowerment als Erziehungsaufgabe. Praktisches Wissen für den Umgang mit Rassismuserfahrungen. Münster: Unrast, 2. Aufl. 2018, 152 Seiten, EUR 12,80 Euro – direkt bestellen durch Anklicken
Kindergartenkinder, so glauben viele Erwachsene, seien von Natur aus tolerant und „hautfarbenblind“. Leider existieren aber zahlreiche Fälle, in denen Kinder wegen ihres Aussehens oder ihrer Herkunft bereits im Kindergarten Rassismus erleben.
Das Buch von Nkechi Madubuko, „Empowerment als Erziehungsaufgabe“, zeigt im ersten Teil Fallbeispiele, in denen Kinder von Gleichaltrigen oder Erwachsenen aufgrund ihrer Hautfarbe oder religiösen Zugehörigkeit ausgegrenzt, beschämt und seelisch oder körperlich verletzt werden. Ein Beispiel:
„Ein afrodeutscher Junge, 4 Jahre alt, wird von den anderen Kindergartenkindern im Spiel täglich über Stunden ausgeschlossen, ohne dass die Erzieher_innen reagieren. Sie wollen nicht mit „dem“ spielen, weil er „anders“ aussieht (gemeint ist seine Hautfarbe). Seine Erzieherinnen nehmen das Verhalten wahr, legitimieren es aber mit der Aussage, er sei eben neu in der Gruppe und das wäre am Anfang normal. So festigt sich schließlich dieses Verhalten der Kinder (mit der passiven Rückendeckung der Erzieher_innen). Der Junge leidet sehr darunter und will zum Schluss gar nicht mehr in den Kindergarten gehen (Madubuko 2018, S. 17)
Die so entstehenden Diskriminierungserfahrungen werden verstärkt, wenn pädagogische Fachkräfte ausgrenzendes Verhalten ignorieren, bagatellisieren, dem Kind einen Teil der Schuld geben oder wenn ihre Erziehungspraktiken selbst von Stereotypen geprägt sind. Madubuko betont mit Bezug auf aktuelle psychologische Erkenntnisse, wie verletzend solche diskriminierenden Erfahrungen sein können, und vertritt zu Recht den Grundsatz: Ob eine Verletzung stattgefunden hat, kann nur das Kind entscheiden.
Rassismus bezieht sich dabei nicht nur auf körperliche Gewalt oder Vorstellungen biologischer Minderwertigkeit, sondern auch auf „abwertende Einschätzungen, zugeschriebene Eigenschaften und ablehnende oder ausgrenzende Verhaltensweisen, die sich auf die Kultur, Herkunft oder Religion einer bestimmten Gruppe von Menschen beziehen“ (S. 17).
Im Zentrum des Buches stehen Strategien, von Rassismus betroffene Kinder zu stärken. „Empowerment“ bedeutet dabei, Kindern zu ermöglichen, ein positives Selbstbild als Gegenentwurf zu rassistischen Abwertungen zu entwickeln.
Es werden verschiedene Ansätze vorgestellt, die je nach Alter, Persönlichkeit der Kinder und Situation angemessen sein können; die Auswahl der Ansätze sollte sich dabei am Grundsatz orientieren „Der Schutz des Selbstwertgefühls des Kindes hat Vorrang“ (S. 83). Für Kindergartenkinder, die mit abstrakten Erklärungen über Vorurteile noch wenig anfangen können, ist „Geborgenheit und uneingeschränkte Akzeptanz“ (S. 76) wichtig, ein geschützter innerer und äußerer Raum, das Ernstnehmen seelischer Verletzungen und der Aufbau von positiv besetztem, nicht stereotypisierenden Wissen über die eigene Herkunft. Madubukos Strategien richten sich in erster Linie an Eltern, sind aber für pädagogische Fachkräfte ebenfalls sehr hilfreich. Eine Anmerkung sei erlaubt: Der kluge Rat an Eltern, Kindern Wissen über ihre Herkunft zur Verfügung zu stellen, sollte von Erzieher/innen nur mit Vorsicht gehandhabt werden. Wenn das Wissen über Herkunftsländer von Kindern nur angelesen und oberflächlich ist, kann es leicht zu Stereotypisierungen („hungernde Kinder in Afrika“ oder „Löwen, Nashörner und Strohhütten“) kommen. Hier sind eher Eltern und Integrationsberater/innen als Expert/innen gefragt.
Als problematisch im Umgang mit Rassismuserfahrungen werden von Madubuko (S. 131ff.) die Verhaltensweisen Tabuisieren, Ertragen oder Bagatellisieren dargestellt, ebenso wie pauschale Zuschreibungen wie „Alle Deutschen sind Rassisten“, die Kindern schon früh Angst einjagen können.
Das Buch, in erster Linie für Eltern geschrieben, ist auch für pädagogische Fachkräfte eine sehr hilfreiche Lektüre, für die Alltagsgestaltung wie auch die Elternarbeit. Die im Buch enthaltenen Hinweise zur Rechtslage, zu aktueller Forschung und Kinderliteratur und zu Workshops im Umgang mit Rassismus sowie ein Verzeichnis wichtiger Begriffe zum Thema sind ebenfalls sehr nützlich. In gut verständlicher Sprache hilft das Buch, pädagogisches Handeln im Umgang mit Diversität zu reflektieren, eigene Stereotype zu hinterfragen und Strategien anzuwenden, die von Rassismus betroffene Kinder (und Eltern) stärken und zugleich alle Kinder im Umgang mit Diversität sensibilisieren.