Aus:
GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 6/2001
Peter Blase-Geiger
Die Eingruppierungsregelungen des BAT für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst sind vor allem eines: alt; und zwar ziemlich genau zehn Jahre! Im idyllischen thüringischen Städtchen Tabarz trafen sich Ende März ehrenamtliche und hauptamtliche GEWlerInnen zum tarifpolitischen Workshop. Unter vielen anderen Fragestellungen wurden von den KollegInnen aus den sozialpädagogischen Berufen auch die Eingruppierungen von LeiterInnen von Kindertagesstätten diskutiert. In einem Punkt war frau sich einig: Die Verhältnisse sind schief, und die Eingruppierungsrichtlinien halten der Entwicklung der letzten zehn Jahre nicht schritt. Erneuerung also steht an. Doch zeigt sich schnell, dass eine vernünftige Regelung gar nicht so leicht ist ...
Da stimmt was nicht
Fritze Faul hat es geschafft. Nach drei Jahren Berufserfahrung als Erzieher bekommt er einen Arbeitsplatz als Kindergartenleiter angeboten. Endlich etwas mehr Geld. Das bedeutet für ihn, dass der Wunsch nach einer größeren Wohnung bald Wirklichkeit werden kann. Auch wird nun der Nachwuchs nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Zusammen mit dem Erziehungsgeld von Fritzes Frau wird sich die künftige Familie über Wasser halten können. Da Fritze nicht gerade auf den Kopf gefallen ist, fällt ihm die Leitung des Kindergartens nicht schwer. Hundert angemeldete Kinder zählt seine Einrichtung. Davon kommen zwischen acht und zwölf Uhr ungefähr fünfundachtzig. Nachmittags, wenn der Kindergarten nochmals für zwei Stunden öffnet, kommen nur noch zwanzig. Da bleibt Fritze genug Zeit für leitungsspezifische Aufgaben. Das geht, da kann er sich einarbeiten. Die Eingruppierung nach BAT IVb und vier Jahre später nach BAT IVa ist Fritze jedenfalls sicher.
Anders geht es da Emma Emsig. Auch sie leitet eine Kindertagesstätte. Nebenan befinden sich die Uni-Kliniken. Es sind Betreuungszeiten von sechs Uhr morgens bis halb neun Uhr abends abzudecken. Die traditionellen Altersstrukturen von drei bis sechs Jahren wurden hier schon vor etlichen Jahren aufgegeben. Es gibt vier Familiengruppen. Das Kleinste hatte gerade Geburtstag; seinen ersten. Für die Ältesten stellt sich die gerade die Frage: Wohin im Sommer? Ist die Hauptschule das Richtige, oder schaffe ich vielleicht doch das Gymnasium? Schade, die Gesamtschule ist weit weg.
Emmas Kindertagesstätte versteht sich zudem als Nachbarschaftszentrum. Ein ständiges Eltern-Café sowie ein Vermittlungsbüro, welches vom Einkauf über den Friseur bis hin zum Essen auf Rädern oder den Babysitter geradezu alles vermittelt, gelten als selbstverständlich.
An den entsprechenden Dienstplänen sind schon gestandene Informatiker gescheitert. Nicht so Emma - sie kriegt das hin. In jeder Familiengruppe werden fünfzehn Kinder betreut. Insgesamt zählen wir also sechzig Kinder. Und genau das ist Emmas Problem. Auf Grund der durchschnittlich angemeldeten Zahlen der Kinder bleibt ihr die Eingruppierung nach BAT IVb, wie sie unser Fritze ja bekommt, verwehrt. Zwar kann sie dies nach vier Jahren erreichen, der Aufstieg nach BAT IVa ist aber nicht möglich.
Es ist wohl nicht erforderlich Experte zu sein, um zu merken, dass die Verhältnisse der tariflichen Bezahlung von Kindertagesstättenleitungen nicht dem qualitativen und quantitativen Maß der Arbeit sowie der Größe der Verantwortung in der jeweiligen Einrichtung entsprechen.
Aber was soll unsere Emma auch mit einer größeren Wohnung, hält sie sich doch ohnehin fast ständig in ihrer Einrichtung auf?
Da steht's geschrieben
Geregelt ist die Vergütung für Erzieherinnen durch einen Tarifvertrag. Während der BAT (Bundes-Angestellten-Tarifvertrag) vielerorts inzwischen ein Begriff ist, so sind die diesbezüglichen näheren Verhältnisse weitestgehend unbekannt. Die Vergütungen für ErzieherInnen finden sich in Tätigkeitsmerkmale der Angestellten im Sozial- und im Erziehungsdienst, vereinbart durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 wieder. Es handelt sich also sozusagen um einen Anhang zum BAT. Das Gleiche gibt es auch für den Sparkassendienst, die Nahverkehrbetriebe, für Theater und Bühnen, für medizinische Hilfsberufe und dergleichen mehr. Es tummelt sich eben so allerlei im öffentlichen Dienst.
Von der Kindergartenleitung zum Sozialmanagement
Vor zehn Jahren war es vielleicht noch einleuchtend, dass sich die Vergütung von Kindertagesstättenleitungen nach der Zahl der angemeldeten Kinder richtete. Es gab in der Regel keine großen Unterschiede in den Strukturen der Einrichtungen, und die Zahl der angemeldeten Kinder war über das ganze Jahr konstant, da es den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz mit der Vollendung des dritten Lebensjahres noch nicht gab. Auch die Qualifikation der LeiterInnen wurde fast ausschließlich über ausreichende Berufserfahrung und die persönliche Eignung definiert. Doch hat sich das Bild stark gewandelt. So gibt es zum einen vielfache Fortbildungsangebote und Zusatzqualifikationen für LeiterInnen, welche sich in der Bezahlung allerdings nicht niederschlagen. Zum anderen sind die Anforderungsstrukturen in den einzelnen Einrichtungen, wie am Beispiel oben beschrieben, unter Umständen extrem unterschiedlich: Emma hat trotz geringerer Kinderzahl einen wesentlich schwierigeren Job als Fritze. Ohne umfassende Zusatzqualifikation kann sie ihrer Arbeit kaum gerecht werden. Sie trägt eine ungleich höhere Verantwortung als Fritze: Die Probleme sind komplexer und umfangreicher. Auch hat Emma ein wesentlich größeres Team zu leiten, dessen Erzieherinnen zudem in Schichtarbeit eingeteilt sind und sich somit seltener sehen. Während wir Fritzes Job als Kindergartenleitung definieren, dürfen wir bei Emma getrost von Sozialmanagement reden.
Eingruppierung nach Kinderzahl
Neben der Notwendigkeit, die Erzieherinnenausbildung zu reformieren und damit auch den Verdienst auf ein gänzlich anderes Niveau zu heben, ist es zwischenzeitlich aber erforderlich, von den derzeitig maßgeblichen Berechnungsstrukturen für die Eingruppierung der Leitung wegzukommen. Die durchschnittliche Kinderzahl, bezogen auf die Anmeldungen, gibt fast immer ein schiefes Bild wieder, wie eben auch in unserem Beispiel.
Ein anderes Szenario: Die langjährige Leiterin einer viergruppigen KiTa betreut mit ihren MitarbeiterInnen zwischen September und Dezember einhundert angemeldete Kinder in ihrer Einrichtung. Damit ist ihre Eingruppierung nach BAT IVa sichergestellt. Besucht allerdings auch nur ein Kind weniger ihre KiTa, so fehlt ihr die Grundlage für ihre Vergütungsgruppe. Eine veränderte Anforderung an ihren Arbeitsplatz lässt sich aber beim besten Willen nicht erkennen.
Eingruppierung nach Gruppen
Ein schlüssigeres Modell wäre da schon die Eingruppierung nach der Anzahl der Gruppen. Die Leiterin bekäme also (egal, ob neunundneunzig oder hundert Kinder) für ihre vier Gruppen auf jeden Fall die gleiche Vergütungsgruppe. Auch Fritze Faul und Emma Emsig stünden nun finanziell gleich da. Doch bei genauer Betrachtung reicht die Gleichstellung ja gar nicht aus. Emma hat, bedingt durch die Tagesstättenplätze, die langen Öffnungszeiten, die veränderte Altersstrukturen sowie die Öffnung nach außen, wesentlich mehr Aufgaben und Verantwortungsbereiche als Fritze.
Eingruppierung nach Personalschlüssel
Die unterschiedlichen Leistungsanforderungen lassen sich auch an dem erhöhten Personalschlüssel ablesen. Fritze bekommt den Regelpersonalschlüssel von 1,75 pro Gruppe, und da hat er noch Glück - seine Einrichtung liegt in Rheinland-Pfalz. Bei Emma sieht das schon ganz anders aus. Zwar hat auch sie für jede ihrer Gruppen den Regelpersonalschlüssel von 1,75. Doch zusätzlich bekommt sie eine Leitungsfreistellung zugesprochen. Des Weiteren gibt es eine Stelle mehr für die langen Öffnungszeiten, und eine weitere halbe Stelle wurde für die zu integrierenden türkischstämmigen Kinder genehmigt. Da alle Kinder Tagesstättenkinder mit Anspruch auf Mittagessen sind, erhöht sich der Personalschlüssel noch einmal. (Arbeitete das Kindergarten-Team darüber hinaus integrativ, würde sich dies unter Umständen einerseits wiederum positiv auf die Höhe des Personalschlüssels auswirken, andererseits reduzierte sich die Anzahl der Kinder in der Einrichtung). Das heißt: Am Personalschlüssel lässt sich in der Regel die geleistete Arbeit einer Einrichtung ablesen - an der Kinderzahl jedoch nicht!
So kämen wir zu der simplen Schlussfolgerung, dass die Eingruppierung sinnvoller Weise doch nach dem Personalschlüssel zu bemessen sei. Wenn es da nicht, ja wenn es da nicht die Bundesländer mit ihren jeweiligen Entscheidungskompetenzen gäbe. Es ist nämlich in der Tat so, dass die Bemessungsgrundlagen der Personalschlüssel in den Ländern höchst unterschiedlich sind. In Rheinland-Pfalz wurden die Entscheidungskompetenzen in wesentlichen Punkten sogar auf die einzelnen Kreise und Städte übertragen, was beispielsweise dazu führte, dass es mancherorts wie im Donnersbergkreis grundsätzlich keine Leitungsfreistellungen mehr gibt.
Also auch hier schlechte Karten für eine gerechte Lösung? Es ist wohl letztendlich in der Tat so, dass es eine ganz gerechte Lösung nicht geben wird. Doch in aller Regel kann davon ausgegangen werden, dass der Personalschlüssel einiges über die zu leistende Arbeit in der jeweiligen Einrichtung aussagt. Zudem förderten derartige Vergütungsstrukturen durch den finanziellen Anreiz innovative Weiterentwicklungsbestrebungen auf Leitungsebene. Eine Harmonisierung der entsprechenden Personalbemessungsgrundlagen der Länder auf hohem Niveau wäre in diesem Zusammenhang allerdings wünschenswert.