Internationale Vereinigung der Waldorfkindergärten e.V., Region NRW
Die Finanzverwaltung hat bei Betriebsprüfungen nicht nur darauf aufmerksam gemacht gestellt, dass Mahlzeiten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Einrichtung erhalten, als "Sachbezug" zu bewerten und als "geldwerte Vorteile" steuerlich zu behandeln sind. Ein Träger wurde auch zu erheblichen Nachzahlungen aufgefordert.
Dies bedeutet: Sachbezüge sind als Bestandteil des Arbeitslohnes anzusehen. Dieser Sachbezug muss als individuelles Einkommen oder durch den Arbeitgeber pauschal versteuert werden, wenn durch die Beschäftigten keine Erstattung zumindest in der Höhe des maßgeblichen Sachbezugswertes erfolgt ist.
Die Regelungen sind für alle Einrichtungen bedeutsam, in denen Mitarbeiterinnen Mahlzeiten erhalten.
Leider konnte, trotz erheblicher Bemühungen und vieler Unterstützungen, über das Fach- und Finanzministerium in NRW keine bundesweit einheitliche Klärung dahingehend erreicht werden, dass das Essen der Beschäftigten mit den Kindern als im "überwiegenden betrieblichen Interesse" liegend anzusehen ist und daher keine Verpflichtung zur Versteuerung besteht. Die Regelungen des Einkommensteuergesetzes sind insofern maßgeblich.
Es wird mit dieser Handreichung versucht, eine Übersicht zur geltenden Rechtslage, die sich aus dem Einkommensteuergesetz ergibt, und auf die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu geben.
Diese Hinweise sind als Orientierung zu verstehen. Für die Ausführungen wird keine Haftung übernommen. Da bei der Bearbeitung deutlich wurde, dass verschiedene Finanzverwaltungen sehr unterschiedlicher Interpretationen zu einzelnen Regelungen des Einkommensteuergesetzes vornehmen, kann es durchaus sein, dass im Einzelfall eine "günstigere" Interpretation vorgenommen wird (Der Geschäftsstelle liegt eine solche Interpretation auch schriftlich vor. Dieser Auffassung wird von anderen Finanzverwaltung heftig widersprochen).
A. Grundlagen
- Einkommen eines Arbeitnehmers/ einer Arbeitnehmerin sind alle Einnahmen, die durch das Dienstverhältnis entstehen. Dies gilt neben dem Gehalt auch für Sachleistungen, wie Mahlzeiten und Unterkunft, die kostenlos oder verbilligt zur Verfügung gestellt werden (Quelle: § 8 Einkommensteuergesetz).
- Die jährlich neu erlassene Sachbezugsverordnung regelt, mit welchen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Werten Sachbezüge zu bewerten sind.
- Für das Kalenderjahr 2003 ist bei der Verpflegung z.B. für das Frühstück 1,43 EUR (kalendertäglich) bzw. 42,80 EUR (pro Monat) und für das Mittag- und Abendessen 2,55 EUR (kalendertäglich) bzw. 75,50 EUR (pro Monat) anzusetzen (Quelle: Sachbezugsverordnung).
B. Notwendige Differenzierung zur Bewertung der Situation
Es ist eine Differenzierung nach den verschiedenen Mahlzeiten erforderlich, da nicht alle Mahlzeiten in gleicher Weise als "Sachbezüge" zu bewerten sind.
Diese Differenzierung muss der Finanzverwaltung u.U. im Einzelfall deutlich werden, da einzelne Finanzverwaltungen bei Prüfungen sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten haben.
B.1 Frühstück
- Beim Frühstück, soweit dies mit den Kindern selbst zubereitet wird, z.B. Hirsebrei, und ihrem spezifischen Ernährungsbedarf entspricht, handelt es sich nicht um eine Ernährung für Erwachsene. Es handelt sich vielmehr um eine pädagogische Maßnahme, die steuerrechtlich in anderen Bundesländern auch als "pädagogisches Häppchen" bezeichnet wird. Erwachsene begleiten in diesem Fall vielmehr die Kinder bei der Einnahme des Essens. Erwachsene werden dabei selber nicht gesättigt. Sie verzehren ansonsten eigene mitgebrachte Speisen.
- Ein Frühstück, bei dem Speisen gereicht werden, die auch dem Ernährungsbedarf der Erwachsenen entsprechen, z.B. im Rahmen eines Frühstückdbüffets, muss als "geldwerter Vorteil" erfasst und berücksichtigt werden. Da in der Regel in Waldorfkindergärten kein separates Mitarbeiterinnen-Frühstück angeboten wird, ist insofern auch nicht von einem "geldwerten Vorteil" bei der Teilnahme am gemeinsamen Frühstück mit den Kindern auszugehen! Sollte in Einzelfällen ein separates und spezielles Mitarbeiterinnen-Frühstück angeboten werden, sind nähere Informationen in der Geschäftsstelle erhältlich.
B.2 Mittagessen
- Ein geldwerter Vorteil entsteht bei Mittagessen, dass in der eigenen Einrichtung produziert oder von Dritten bezogen wird.
- Soweit es sich damit tatsächlich um einen direkten Vorteil handelt, sollte in diesem Fall eine tatsächliche Erstattung durch die Mitarbeiterin - mindestens in Höhe des Sachbezugswertes = 2,55 EUR pro Mittagessen - erfolgen ("Wird eine Mahlzeit an den Arbeitnehmer ... verbilligt abgegeben, so gehört die Differenz [z.B. 1,00 EUR] zwischen dem amtlichen Sachbezugswert [2,55 EUR] und dem vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelt [z.B. 1,55 EUR] - zu dem auch die Umsatzsteuer gehört - zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. ... Ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil entsteht bei der verbilligten Abgabe einer Mahlzeit in keinem Fall, wenn der Arbeitnehmer einen Essenspreis mindestens in Höhe des Amtlichen Sachbezugswertes bezahlt".) (aus: PC-Lexikon für das Lohnbüro 2002).
B.3 Getränke
"Getränke, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern außerhalb von Mahlzeiten zum Verzehr unentgeltlich oder verbilligt überlässt ... gehören als Aufmerksamkeiten nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn" (aus: PC-Lexikon für das Lohnbüro 2002).
C. Handhabungs-Vorschläge
- Um nachweisen zu können, in welchem Umfang Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt Verpflegung erhalten haben, müssen im Einzelfall Nachweise vorhanden sein! Damit kann das Bestehen oder Nichtbestehen und der Umfang des evtl. steuer- und sozialversicherungspflichtigen Sachbezugs bei Prüfungen der Finanzverwaltungen oder Sozialversicherungsträger belegt werden.
- In einer Liste sollte erfasst werden, welche Mitarbeiterin in welchem Umfang ein Mittagessen erhielt, dass als steuerpflichtiger Sachbezug anzusehen ist. Aus der Addition der Mahlzeiten (Wert für ein Mittagessen: 2,55 EUR), ergibt sich die Gesamtsumme. Dieser Betrag sollte von der Mitarbeiterin erstattet werden. Ansonsten müsste der "Vorteil" individuell als Zurechnung bei der einzelnen Arbeitnehmerin zum Einkommen oder durch den Arbeitgeber mit dem Pauschalsteuersatz von 25% versteuert werden. Bei der individuellen Zurechnung zum laufenden Lohn fallen Lohnsteuer und auch Beiträge zur Sozialversicherung an.
- Wenn keine unmittelbare Erstattung erfolgt, ist der Arbeitgeber nach § 4 Absatz 2 Nr. 3 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung verpflichtet, gewährte Sachbezüge bei jeder Lohnabrechnung im Lohnkonto der Arbeitnehmerin aufzuzeichnen.
Empfehlung
Um jedoch in keinem Fall "Risiken" im Zusammenhang mit der Anerkennung als finanzschwacher Träger nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen einzugehen, sollte in jedem Fall eine Erstattung durch die Mitarbeiterinnen realisiert und von einer Berücksichtigung als zu versteuernde Sachbezüge abgesehen werden.
Eine andere Handhabung könnte zu einem Problem im Zusammenhang mit der Anerkennung als "finanzschwacher Träger" in NRW führen. Finanzschwache Träger dürfen ihre Beschäftigten nicht besser stellen als vergleichbar Beschäftigte im öffentlichen Dienst (sogenanntes: "Besserstellungsverbot"). Die Bereitstellung eines Essens und die Übernahme im Rahmen der Pauschalierung der Steuerpflicht könnte als Verstoß gegen dieses "Besserstellungsverbot" bewertet werden.
Quelle
Hand-Reichung Nr. 32/2003, Stand: 4.2.2003.
An der Erstellung dieser Handreichung haben viele Personen mitgewirkt, die den Zusammenhang aus steuerrechtlicher, juristischer, betriebsverfassungrechtlicher und jugendpolitischer Sicht betrachtet und Anregungen für die Formulierung gegeben haben. Diesen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Herausgeber
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Gerhard Stranz