Yvonne Atzinger, Barbara Perras-Emmer und Johanna Stigler
Kinder eignen sich Räume durch Bewegung und Tätigkeit an. Sie erleben Räume, wenn sie "lebendig" sein dürfen, sie erfahren Räume, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. "Erfahren" meint hier auch die Bedeutung von "Fahren" ... mit dem Rollbrett, mit Rollenkisten, mit Fahrzeugen - die Wahrnehmung von "bewegten Räumen", welche durch Schaukeln und Wippen nach allen Richtungen (auch kopfunter) erlebnis- und informationsreicher sind als fernsehen.
Das große Interesse an bewegten Bildern ist in unserer Vorzeit, der Entwicklungsgeschichte zu suchen: Die bewegte Annäherung bedeutete meist Gefahr ...
Wir können "Unruhe" durch Aktivität und "unfertige" Räume nicht zulassen und betrachten sie nach der Bauzeit als vollendet und kaum veränderbar: Während der Bauzeit darf das Gebäude nicht benutzt und während der Benutzungszeit darf nicht gebaut werden (Mahlke 1994). Damit gehen den Kindern viele grundlegende Erfahrungen, welche früher alltäglich waren, verloren. Veränderung von Räumen ist nicht nur sichtbar, sondern für die Kinder auch spürbar. Dieses Gefühl lässt sich durch Erfahrungen aus zweiter Hand - z.B. aus Bilderbüchern - nicht ersetzen. Die Trennung von Bauen und Benützen wird durch bloße Veränderungen der Räume nicht gemildert und ist eine der Ursachen für die Entfremdung, die unsere Kinder- und Schulbauten ausstrahlen (Mahlke 1994).
Prinzipiell soll der Kindergarten für alle Kinder einer Region und für alle Schichten sein, auch für Kinder ausländischer Familien und behinderte Kinder. Jeder Mensch kann nur an einer Stelle wohnen, deshalb sind Kindergärten, Schulen, Heime usw. stets nur Ersatzräume, die in Spannung zum eigentlichen Wohnraum stehen.
Wohnen heißt Spuren hinterlassen
Um Spuren hinterlassen zu können, muss man Kindergärten wohnlich machen. Gemeint sind Spuren, die nicht verwischt werden, wie die an der Tafel, sondern solche, die bleiben können; auch nicht Spuren der Zerstörung, die beseitigt werden müssen. "Zwischen produktiven und destruktiven Spuren besteht ein Zusammenhang: Wer die einen nicht hinterlassen darf, produziert die anderen" (Mahlke 1994). Ein unübersehbarer Zusammenhang zwischen Architektur und Pädagogik zeigt sich im allseits beklagten Vandalismus an zu groß geratenen Schulen, welche in Struktur und Ausstattung so beschaffen sind, dass individuelle Spuren nicht hinterlassen werden können.
Die Uniformität der Mehrzahl der Kindergärten in Deutschland - gleich welcher Trägerschaft - bezieht sich auf das Schmaus-Schörlsche Raumteilverfahren. Das charakteristische Merkmal dabei ist nicht die Gliederung des Raumes, sondern die Gliederung der Fläche zum Zwecke der Teilung von Kindergartengroßgruppen in Kleingruppen. Um diese Form der Teilung zu erreichen, arbeitet das Raumteilverfahren nach zwei Prinzipien, dem der Führung und dem der Freiheit:
- Führung liegt in den Voraussetzungen des Raumteilverfahrens, in Arbeiten, welche die Erzieherin leisten muss, ehe das Raumteilverfahren einsetzen kann. Dazu gehören die Unterweisung der Kinder, die Vorbereitung, Bereitstellung und Pflege der Dinge, mit denen die Kinder umgehen sollen.
- Freiheit liegt im Tun der Kinder, zu dem die Vorarbeit der Erzieherinnen hinführt: wenn möglich in ihrer selbständigen Spielwahl und Spielweise, in ihrer spontanen Gesellung zu kleinen Spielgruppen, deren Mitgliederzahl nicht von vornherein starr festgelegt wurde, und in der gelegentlichen Distanzierung zur Großgruppe.
Zweifellos entstehen durch das Raumteilverfahren verschiedene Spielzonen - Spielräume (im Sinn von Freiräumen) entstehen dadurch nicht. Die gewährten Freiheiten sind, wenn man es so recht besieht, halbherzig. Selten geht die Rückzugsmöglichkeit so weit, dass das Kind dem Blick der Betreuer entzogen wird.
Die Reformdiskussion der 70er Jahre forderte eine Frühförderung durch möglichst viele Angebote zur Betätigung, zur Erkundung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt. Die Veränderungsvorschläge überzeugten jedoch nicht; die Möblierung entsprach den Vorstellungen der Kindermöbelfirmen.
Die Kriterien für die Beurteilung der baulichen Gestaltung und Ausstattung von Kindergärten ergeben sich aus der pädagogischen Konzeption. Der eigenständige Bildungsauftrag, festgeschrieben z.B. im Bayerischen Kindergartengesetz, und der Situationsorientierte Ansatz des reformierten Kindergartens zielen darauf, Kindern im Vorschulalter zu helfen, die Lebenssituationen, in denen sie stehen, so selbstbestimmt wie möglich zu bewältigen und die körperlichen, geistigen und seelischen Voraussetzungen selbständigen Handelns zu erwerben.
Selbsttätigkeit, Wahlfreiheit und Erfahrungsgewinn in konkreten Lebenssituationen bestimmen den Zielrahmen, aus dem sich Gesichtspunkte für die räumliche Gestaltung und Ausstattung konsequent ableiten lassen. Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung werden gefördert, wo die räumliche Gliederung nach Unüberschaubarkeit, weniger Kontrollmöglichkeit und Unfallverhütung organisiert ist. Alle denkbaren Gefahrenmomente im Kindergartenbereich auszuschalten ist kontraproduktiv - wünschenswert sind kalkulierbare Gefahren, wie sie sich aus Treppen, Kanten, Niveausprüngen, dem Gebrauch realer Werkzeuge wie Scheren, Messer, Hammer usw. ergeben.
Nur Selbsterworbenes hat Wert und nichts stößt die menschliche Natur weiter von sich als fertig Dargebotenes (J. J. Bachofen).
Der Flur
"Schafft Räume zum Toben statt Garderoben" (Prof. Renate Zimmer, Osnabrück). Der Flur ist für uns ein Bewegungsraum, über den die Kinder rennen, robben, tanzen, durch den sie ihre Autos fahren lassen, wo sie sich fallen lassen und sich wieder auf eigene Füße stellen. Ein Raum, in den es Zusammenstöße gibt, bei denen sie manchmal Verletzungen davontragen und den Schmerz aushalten lernen. Hier treffen sie Kinder aus anderen Gruppen, Vertreter, Postboten, auch Erzieherinnen vom ganzen Haus. Werden die Kinder in ihrer Neugier und Spontaneität nicht beschnitten und unterdrückt, stellen sie den Erwachsenen meist Fragen: "Wie heißt du?", "Was kostet so ein neues Spiel?", "Darf ich zu euch in die Gruppe?" Es entstehen neue Freundschaften mit anderen Kindern, aber auch Konflikte.
Im Flur gibt es Ecken zum Verstecken, zum Alleinsein oder zu "konspirativen Treffen" mit der allerbesten Freundin. Es gibt Winkel zum Vorlesen, Platz für "große Baustellen" und kleine Zirkusvorstellungen. In diesem Bewegungsraum halten sich die Erzieherinnen zurück, wechseln sich mit der Aufsicht ab, ohne jedoch ständig anwesend zu sein. Dabei gewinnen sie hin und wieder wichtige Einblicke.
Der Flur ist nicht zuletzt auch Begegnungsraum für Eltern. Hier werden Fragen des Zusammenlebens mit den Kindern besprochen, und hier hören und spüren Mütter und Väter, dass sie mit all ihren Fragen und Problemen nicht alleine sind. Es werden Kontakte geknüpft und Geheimtipps verteilt.
Der Gruppenraum - ein Erlebnisraum
Gruppenräume sind Zentren für Aktivität und Kreativität, aber sie sind auch "Wohnungen" mit einer Atmosphäre, in der sich Kinder wohl und geborgen fühlen können. Diesen unterschiedlichen Anforderungen entsprechend müssen unbedingt Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder vorhanden sein: beispielsweise durch Sofas, verschiedene Ecken, Tücher, Decken usw. Hier gilt es jedoch auch, für die Kinder Leerräume zu schaffen. Für Kinder und für Erzieherinnen ist dies eine große Chance, Raum, Weite und Stille gemeinsam wahrzunehmen und zu nutzen - gerade so, wie sie es z.B. eben bei ihrer Phantasiereise erlebt haben. Haben Kinder die Möglichkeit, Räume selbst mit Leben und Kreativität zu füllen, entstehen statt der stereotypen und nichtssagenden Katalogräume schnell die phantasievollsten Wohnungen, Räuberhöhlen, Ateliers, Werkstätten usw., in denen es Spaß macht, sich zu verkleiden, zu malen, zu spielen, zu streiten und sich wieder zu vertragen. Es ist keineswegs sicher, dass darin noch kleine Ecken übrigbleiben für all die Tische und Stühle. Man kann jedenfalls darauf wetten, dass der Bauteppich deutlich größer wird ...
Der Gruppenraum muss leben und sich mit den Kindern und ihren Bedürfnissen verändern. Die Gestaltung des Raums ist ein soziales Übungsfeld für Kinder, wo auch Konflikte zugelassen sind. Wer versucht, Probleme dadurch zu lösen, in dem er sie verhindert, verlagert die Auseinandersetzung nach draußen, wo viele Kinder dann, weil sie überfordert sind, zuschlagen, sich "durchschlagen" oder sich den Konflikten einfach entziehen.
Es ist unbedingt nötig, dass Eltern den Kindergarten als kindgemäße Einrichtung begreifen lernen und entsprechende Bemühungen anerkennen und unterstützen.
Bewegungs- und Ruheraum: der Turnraum
Wo sonst können Kinder schon ihren Bewegungsdrang so ausleben, die Körperbeherrschung lernen, äußeres wie inneres Gleichgewicht finden? Das ist sicher nicht das Ergebnis einer einzelnen Turnstunde pro Woche, die außerdem noch nach strengen Regeln (etwa: Alle bewegen sich im gleichen Rhythmus!) abläuft. Das Gefühl für den eigenen Körper und die sinnliche Raumerfahrung kommen selbst Kindern heute zunehmend abhanden, da sie, was ihre körperliche und motorische Entwicklung angeht, nur selten Anregungen bekommen. Statt dessen werden sie überall eingeschränkt und aufgefordert, sich ruhig zu verhalten. Erschreckend viele Kinder trauen sich nicht zu klettern, zu springen, zu balancieren, weil ihnen alle Möglichkeiten fehlen, solches Geschick zu trainieren.
Unsere kleine Turnhalle ist im Vergleich zur Schulturnhalle zwar nur ein relativ schwacher Ersatz, aber dafür ist sie für mehrere Zwecke nutzbar: kleine Anregungen durch geeignete Materialien wie Decken, Tücher, Schminke, Kassettenrecorder und Bausteine, aber auch für Augenblicke der Ruhe und Entspannung. Kinder, die ihren Bewegungsdrang ausleben können, wann immer sie es brauchen, können meist entspannter und aggressionsfreier miteinander umgehen. Sie sind meist ausgeglichener und aufnahmefähiger.
Der Turnraum ist ein "Leer"-Raum, der gefüllt werden kann mit
... vielen Materialien wie Matten, Röhren, Seilen, Schaukeln, Bällen, Reifen, Rollbrettern, Hängematten, Pedalos, Wippen, Langbänken, Stäben, Schwung- und Rhythmiktüchern usw.
... viel Bewegung zur Raumorientierung, zur ganzheitlichen Entwicklung, für Wahrnehmungsspiele, für Gemeinschaftsspiele (gemeinsam erfinden und durchführen), zur Gleichgewichtsförderung, Material- und Körpererfahrung, Links-Rechts-Differenzierung, Form- und Farbwahrnehmung usw.
Unsere selbst gebauten Holzröhren und Rollbretter bieten den Kindern die ganzkörperliche bzw. ganzheitliche Wahrnehmung von den Grundformen der Mathematik. Bieten wir den Kindern dazu Bausteine in den jeweiligen Formen an, "erfinden" sie selbst das Spiel der Zuordnung. Gleichzeitig erleben sie die unterschiedlichen Eigenschaften von rund, quadratisch und dreieckig.
Raumgliederung durch Einbauten
Die Differenzierung von Spiel- und Betätigungsbereichen ist eine Antwort auf unterschiedliche Bedürfnisse der Kinder. Niedrigere Decken und diffuses Dunkel vermitteln Geborgenheit. Einer Gruppe, die ich von oben überblicken kann, fühle ich mich zugehörig.
Die Raumwahrnehmung der Kinder entwickelt sich von oben - unten über vorne - hinten zu links - rechts. Wie kann ein Kind Seitigkeit, also eine bevorzugte Hand entwickeln, wenn ihm der erste Entwicklungsschritt nicht ermöglicht wurde: Bäume sind nicht TÜV-geprüft, auf Tische steigen wir nicht, Treppen sind gefährlich usw.
Der Aufbau mit Treppe dient den Kindern als Gleichgewichtsübung, wenn sie sich auf die oberste Leiste legen trauen. Sie balancieren, rennen treppauf und treppab, rutschen mit lauten "ah" - Rufen auf dem Hosenboden hinunter - auch mal in einem Karton als Seifenkiste. Man beobachtet die Fuß-vor-Fuß-Bewegung, die man ein ganzes Leben lang noch machen wird. Das ist noch keine Über-Kreuz-Bewegung (diagonal im Vergleich zu lateral), jedoch eine kinästhetische Übung. Treppengeländerrutschen ist eine typische Gleichgewichtsübung.
Die Kinder hatten auch die tolle Idee, mit bunten Seilen eine Hängebrücke zu bauen, über die jeder gehen (wackeln) darf, der sich geduldig angestellt und gewartet hat.
Aufbau ohne Treppe: Die Kinder müssen eine andere Möglichkeit finden, diesen Aufbau zu besteigen, da keine Treppe vorhanden ist. Um auf die oberste Ebene zu kommen, müssen sie erst nach rechts krabbeln, dann nach links und geradeaus. Allerdings gibt es für die Kinder viel mehr Möglichkeiten wie z.B. über die Sprossenwand. So ein Aufbau fördert die Wahrnehmung von innen - außen, unten - oben, hinten - vorne und von 3-D-Sehen. Die Kinder können ihre Welt von einer anderen Perspektive betrachten. Es treibt sogar kleinere Kinder dazu, den sicheren Stand auf dem Boden aufzugeben, sich beim Klettern immer höhere Ziele zu suchen, sogar das Risiko des Herunterfallens auf sich zu nehmen.
Es gibt viele Gründe, warum Kinder gerne klettern: Höhe erobern, Aussicht genießen, Spannung und Risiko erleben, mit den eigenen Kräften spielen, die eigenen Grenzen spüren. Höher bedeutet auch immer ein Stück weiter, ein bisschen mehr, fördert somit das Selbstvertrauen. Klettern und Balancieren, Steigen und Springen stellen Grundbewegungsformen dar, bei denen Kinder wichtige Körpererfahrungen machen. Diese Bewegungen müssen aufeinander abgestimmt und koordiniert werden. Sie unterstützen die Entwicklung von Kraft und schulen das Gleichgewicht. Selbstvertrauen kommt von "Sich was trauen".
Klettern erfordert Mut; man lernt, Gefahren einzuschätzen, sich darauf einzustellen. Beim Klettern machen Kinder daher unersetzliche Erfahrungen: sich anstrengen, sich etwas zutrauen, sich einschätzen können, Angst überwinden, Lust empfinden. So machen sie die wichtige Erfahrung, nicht hilflos zu sein, sondern sich selbst helfen zu können.
Schließlich bietet dieser Aufbau wichtige Rückzugsmöglichkeiten, welche die Kinder dann oft mit Tücher, Sofateile usw. verfeinern.
Und merke: Nur einer Gruppe die man von oben sehen kann, die ein Kind überblicken kann, fühlt man sich zugehörig ...
Die Fensterbank - Aussichten bringen Einsichten
Aus dem Fenster schauen vermittelt die Wahrnehmung außen - innen. Das Kind hat Zeit zum Hinschauen, zum genauen Beobachten und Betrachten. Es kann winzige Punkte fixieren und Bewegungen verfolgen. Durch genaues Beobachten lernen wir, einen Sachverhalt zu durchschauen und besser zu verstehen.
Der Blick in den Garten bietet Entspannung für den Sehsinn, der im Alltag einer Dauerbelastung durch elektronische Medien, Computerspiele und Fernsehen bzw. einer Dauerberieselung mit optischen Reizen ausgesetzt ist.
Der Brotzeittisch
Er lädt die Kinder zum Essen ein. Im Gegensatz zu einer gemeinsamen Brotzeit im großen Kreis, z.B. bei einer Feier, ermöglicht die gleitende Zeit am Brotzeittisch, den Zeitpunkt des Essens und die jeweiligen Partner selbst zu bestimmen. Die Kinder sollen ein Gespür für ihr persönliches Essbedürfnis bekommen und in der selbstbestimmten Kleingruppe soziale Erfahrungen machen. Unser Ziel ist es, dass die Brotzeit als eine von vielen Möglichkeiten geselligen Beisammenseins erlebt wird, um Essstörungen zu verhindern.
Kindergartenneulinge benutzen die Brotzeit-Zeit häufig zum Beobachten der anderen - verschanzt hinter Rucksack und Brotzeitdose, mit einer liebevoll von der Mutter zubereiteten Brotzeit, welche Sicherheit bietet und die Erinnerung an die Mama sehr nahe bringt. Enttäuschend ist dann die Folgezeit, in der dem Kind die Spiele und Kameraden wichtiger sind als das Essen, welches lieblos wieder mit nach Hause gebracht wird.
Der Bodentisch
Er hat eine Höhe von ca. 30 cm. Durch diese Größe bietet er den Kindern vielseitige Verwendungsmöglichkeiten: Es können alle Kinder in jeder Größe daran sitzen, da keine Normgrößen durch Stühle vorgegeben werden. Jedes Kind kann zum Spielen, Essen, Basteln die Haltung einnehmen, die es gerne möchte. Dadurch werden Haltungsschäden vorgebeugt, die Muskulatur wird mehr beansprucht wird und so das Skelett am richtigen Ort gehalten. Durch die individuellen Haltungen können die Kinder ihren Körper auf verschiedene Weise wahrnehmen.
Dadurch dass zum Sitzen keine Stühle benötigt werden, können die Kinder selbst entscheiden, wie nahe man seinem Nachbarn sein möchte. Bei Stühlen ist die Grenze vorgegeben. Die Kinder haben über diesen Tisch mehr Überblick. Sie können von fast jeder Position aus sehen, was sich auf dem Tisch befindet - dies ist bei höheren Tischen erst ab einer gewissen Größe möglich. Sie können an alle Dinge, die sich auf dem Tisch befinden, selbständig gelangen.
Das Sofa
Es besteht aus einzelnen Elementen. Das Sofa bietet einen zentralen Treffpunkt zum Kuscheln, zum Reden, Diskutieren, Ausruhen, Höhlen-Bauen, Springen, zum Träumen und einfach nur mal zum Beobachten. Es verleiht eine gemütliche Atmosphäre und bietet den Kindern eine Rückzugsmöglichkeit. Die vestibulären Funktionen werden geübt durch die Auf- und Ab-Bewegungen des Körpers in der Senkrechten und in der Waagrechten, z.B. beim Federn auf elastischem Untergrund wie Matratzen, Sofas usw. Das Sofa kann jederzeit von den Kindern verändert werden, indem Laken, Decken und Tücher mit eingebaut werden oder ein Couchhaus gebaut wird. Die Kinder können sehr wohl unterscheiden, auf welchen Sofas gesprungen werden darf. Dafür gibt es bei uns Regeln genauso wie zu Hause.
Der Maltisch
Er steht im Nebenraum und bietet den Kindern Rückzugsmöglichkeit. Diese entscheiden, wer mit am Tisch sitzen darf und wer in die Aktivität einbezogen wird. Papier, Stifte und anderes Material wird selbständig ausgewählt. Und ganz nebenbei werden Sozialverhalten, Feinmotorik und Kreativität gefördert.
Die Hängematte
Sie wird in das aktive, phantasievolle Spiel einbezogen und kann vom Schiff über das Flugzeug bis hin zur Kuschelecke alles sein, was das Kinderherz begehrt. Sie kann also sowohl zum Toben als auch zum Kuscheln und Sich-Zurückziehen genutzt werden. Gerne lesen die Kinder in der Hängematte auch mal ein Buch, da ihnen dabei keiner rein schauen kann. Die Hängematte vermittelt den Kindern das Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit, Vertrautheit, da sie durch die Schaukelbewegungen an frühere, positiv empfundene Situationen erinnert werden. In diesen gleichmäßig schaukelnden Bewegungen steckt die Erinnerung an das Getragenwerden im Mutterleib und auch die an die nachfolgenden Monate und Jahre. Denn wer kennt nicht die Wörter "hoch" oder "tragen" als Aufforderung?
Die Hängematte fördert in der Gruppe auch das Sozialverhalten, da nur selten Kinder alleine in der Hängematte spielen. Um schaukeln zu können, braucht man jemanden, der die Schaukel in Bewegung hält, der anschließend natürlich auch in die Hängematte geht und so für seine Arbeit belohnt werden kann.
Das Kletternetz
Es ist variabel einsetzbar, kann über einem Aufbau oder an eigenen Deckenhaken befestigt werden. Für die Kinder ist es ein Erfolgserlebnis, das Kletternetz zu erklimmen, da es sich anders verhält als ein fester Aufbau. Das Netz ist in ständiger Bewegung und wirkt lose, das erfordert einen großen Kraftaufwand. Am besten ist es, wenn die Kinder mit Socken oder barfuss klettern, das ist wichtig für das taktile Nervensystem. Das gleiche gilt für die Hände. Schaukelnde Bewegungen fördert die vestibuläre Wahrnehmung. Kinder, die sich auf wackeligem Untergrund gut bewegen können, bewegen sich um so sicherer auf festem Boden. Oft verwenden sie auch Matratzen, bauen ein Schiff oder lassen sich einfach von anderen Kindern schaukeln. Und es stört sie in keiner Weise, wenn am oberen Teil vom Netz Tarzan gespielt wird.
Das Bällebad
Es ist halb gefüllt mit Therapiebällen in verschiedenen Farben. Hier dürfen die Kinder "tauchen" und fühlen, z.B. nach anderen Gegenständen oder Bällen aus unterschiedlichen Materialien und Größen. Sie spüren die Bälle auf der Haut und lassen sich bewerfen oder eingraben. Andere Kinder sortieren die Bälle beim Aufräumen nach Farben in Eimern, Schüsseln und Taschen. Und einfach nur die Bälle herauswerfen dient zum Kennenlernen von "oben und unten" (Schwerkraft) und "innen und außen" (Fliehkraft)! Mal liegt der halbe Gruppenraum voller Bälle - von den Kindern abgegrenzt als Meer, und eine Matratze und ein Besen werden zum Segelboot. Schiff ahoi!
Die Sweccoliege
Bei der Liege sind die Enden ca. 40 bis 50 cm vom Boden entfernt. Sie ist gebogen und liegt nur in der Mitte auf. Aufgrund der gleichmäßigen Biegung reagiert die Liege auf kleinste Gewichtsverlagerungen. Setzt man sich also zu weit auf eine Seite, stößt man im Nu mit dieser Seite auf dem Boden auf. Je weiter man sich in die Mitte setzt, desto weniger bewegt sich die Liege auf einer Seite in Richtung Boden. Sitzen zwei Kinder auf der Liege, kommt es darauf an, wer wo sitzt und wer welches Gewicht hat, genauso wie bei einer Schaukelwippe.
Die Kinder stellen also fest, dass sie mit ihrem Körper eine Lage verändern können - sowohl ihre eigene, als auch die des Spielgefährten. Spielen die Kinder alleine, können sie ihre eigene Mitte auf der Liege finden, also wo sich die Liege gar nicht mehr bewegt. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich mit dem ganzen Körper auf die Liege legt, da die Beine weniger wiegen als der Oberkörper und die Mitte der Liege nicht dem Körpermittelpunkt entspricht.
Entdeckungsraum Garten
Die Kinder brauchen Raum, nicht nur in den Räumen. Achten wir darauf, dass ihnen Lebensräume bleiben, die sie entdecken und eigenständig fühlen können. Der Garten bietet gegenüber den Innenräumen des Kindergartens viele Vorteile. Allein schon die Größe erlaubt es den Kindern, Aggressionen körperlich auszuagieren, laut zu brüllen, zu rennen, zu klettern, sich physisch zu erschöpfen. Das schafft innere Befriedigung und Ausgeglichenheit. Hier können schon drei- und vierjährige Kinder beobachten, wie aus einem kleinen Samenkorn neues Leben entsteht, wie Gemüse wächst, wie es frisch geerntet schmeckt. Lauter einfache und doch kostbare Dinge. Auch bei schlechtem Wetter bietet der Garten Bewegungsspielraum - und der sollte zumindest stundenweise genutzt werden, selbst wenn es stürmt und schneit. Eltern können darauf achten, dass die Kinder auch an solchen Tagen taugliche Kleidung dabei haben. Die innere Ausgeglichenheit des Kindes dürfte schmutzige Kleidung oder eine triefende Nase allemal rechtfertigen ...
Literatur
Dierks, Hannelore: Lass mich los, sonst falle ich. Patmos, Düsseldorf 1995
Mahlke, Wolfgang/Schwarte, Norbert: Raum für Kinder. Beltz, Weinheim, 3. Aufl. 1994
Autorinnen
Yvonne Atzinger, Barbara Perras-Emmer und Johanna Stigler arbeiten im Städtischen Kindergartens Parsberg.