Aus: Was + Wie. Kinder religionspädagogisch begleiten 2005, Heft 1, S. 11-14
Michael Schnabel
"Da ist ganz oben eine bunte Scheibe. Die Scheibe dreht sich in der Lampe. Und der Goldmond schaut aus, wie wenn er leuchtet. Meine Augen drehen sich, und er streichelt mich." - "Im Spiegelhaus sehe ich mich hundertmal. Weil man von oben ganz tief sieht, und ich schau runter. Da habe ich Angst." - "Wenn wir in der Mondschaukel sind, so gefällt es mir besonders, wenn die Marille vorliest." So erzählen Kinder aus dem Kindergarten St. Georg in Ast (bei Landshut) von ihrem Meditationsraum. Es gibt auch Vorschläge der Umgestaltung. Anna meint: "Da könnt man die Leseecke in ein Meer umbauen und einen Himmel mit lauter Engelein in der Weihnachtszeit machen."
Entstehungsgeschichte
Die Errichtung des Meditationsraums "Mondschaukel" begann vor ca. zehn Jahren. Es trafen gleich zwei glückliche Umstände zusammen, erzählt die Leiterin des Kindergartens, Frau Heidi Simon. Zunächst stand ein Erweiterungsbau des Kindergartens an und damit verbunden Überlegungen, wie die Räume genutzt und gestaltet werden sollten. Denn eigentlichen Anstoß zur Errichtung eines Meditationsraumes gab der Besuch einer Behinderteneinrichtung in einer nahe gelegenen Stadt. Dort gibt es ein so genanntes Traumland: Räume, die für alle Sinne ein Übungsfeld bieten.
Dieser Besuch entfachte so starke Visionen, dass die Errichtung eines Meditationsraumes nicht mehr aufzuhalten war. Spontan und intuitiv erfolgte die Namensgebung: Mondschaukel. Mit dieser Bezeichnung war ein Vorstellungsbild geboren, das Leitlinien zur Gestaltung absteckte: Um den Mond sollten sich Elemente des nächtlichen Firmaments gruppieren: Sterne, diffuses Licht, Wolkenschleier, Meeresleuchten und Ruhemöglichkeiten. Die ganze Szenerie dominiert der goldene Mond.
Die Landschaft der Mondschaukel
Wer die Treppen aus den unteren Räumen des Kindergartens hochsteigt und die Mondschaukel betritt, sieht vorerst nicht sehr viel. Denn der ganze Raum ist in ein leichtes Silberleuchten gehüllt, das nur sehr behutsam die Sicht auf die verschiedenen Gegenstände frei gibt. Nur aus zwei kleinen Bullaugen an der Seite und durch ein kleines Oberlicht schiebt sich ein spärliches Tageslicht in den Raum. Sanftes Mondlicht gibt der Strahler an der Decke ab, der mit einer Farbscheibe gedämpft ist.
Eine weitere Lichtquelle ist die Wasserblubbersäule, die ebenfalls gedämpftes Licht in verschiedenen Farben in den Raum ergießt. Sie steht auf einem tiefblauen Podest, das die Illusion von Untiefen des Meeres aufsteigen lässt. Vielleicht sind es die Energiebahnen des Mondes, auf denen große und kleine Blasen tanzen und blubbern können? Die Illusion vom Meeresgrund wird durch einen Spiegel hinter der Säule gesteigert, weil die Spiegelungen den Betrachter mit Wassersäulen umgeben.
Abgesetzt davon befindet sich wie unter einem großen Baldachin das Vorlesesofa. Es wird abgeschirmt durch weitläufige blaue Tülltücher, die ein sphärenartiges Zelt entstehen lassen. Dort werden den Kindern Geschichten erzählt oder vorgelesen.
Geradewegs gegenüber in einer Nische befindet sich das Spiegelhaus - ein Dreieckhäuschen, das innen mit Spiegeln ausgekleidet ist. Es ist ein Wahrnehmungserlebnis, in diesem Haus zu sitzen. Durch die vielen Spiegeln sehen sich die Kinder von verschiedenen Seiten, und Anna meint: "Man sieht sich hundertmal."
Etwas abgesetzt vom Spiegelhaus dürfen die Kinder mit Muggelsteinen und Naturmaterial spielen oder Mandala legen. Polster, Ruhesessel, Hängeschaukel, Polsternest und Matten laden ein zum Ausruhen, Träumen, Nachsinnen und zur Bilderbuchbetrachtung.
Der gesamte Raum ist mit Teppichboden ausgelegt. Dadurch wird eine warme und geruhsame Stimmung verbreitet. Ruhige klassische Musik bzw. Meditationsmusik unterstützt die Traumreisen und Phantasiewelten.
Wie bewegt sich die Mondschaukel?
Die Stimmung in den Bildern und die Beschreibung der Ausstattung ziehen die Linien der pädagogischen Konturen klar durch: Im Meditationsraum sollen Abschalten, Aussteigen aus dem Getriebe des Alltags, Entspannung und Besinnlichkeit möglich sein.
Wohl überlegt wurde der Meditationsraum abgehoben von den anderen Beschäftigungsräumen ganz oben unter dem Dach eingerichtet. Daher sind die Unruhe und der Lärm aus den Gruppen ins Abseits gedrängt, und Abschalten ist für Kinder und Erwachsene leichter möglich.
Auf einem eigenen Poster sind die Ziele für diesen Raum sichtbar aufgezeichnet: Entspannung und Erholung soll der Raum bieten. Abschalten und Versinken in bunte Träume sollen möglich sein. Auf den Flügeln der Fantasie soll man durch eine bunte Welt fliegen können. Es soll möglich sein, Stress abzubauen und in eine umfassende Ruhe einzutauchen.
Solch sensible Ziele verlangen Achtsamkeit, Schutz und Zurückhaltung. Damit es möglich wird, in eine umfassende Ruhe einzutauchen, müssen sich die Besucher/innen an einige Grundregeln halten. Ein Plakat erinnert an diese Regeln: Es dürfen sich aus jeder Gruppe nur zwei Kinder in der Mondschaukel aufhalten. Insgesamt sind dann maximal acht Kinder in der Mondschaukel. Im Raum werden die Hausschuhe ausgezogen und auf einen bestimmten Teppich gestellt. Die Polster des Raumes dürfen nicht herumgetragen werden. Andere Kinder sollten beim Spielen nicht gestört werden.
Durch Ziele und Regeln geschützt, kann der Meditationsraum mehrfach genutzt werden: Erzieherinnen bieten für Kleingruppen regelmäßig meditative Übungen in diesem Raum an. Somit lernen vor allem die neuen Kinder den Charakter dieses Raumes kennen.
Jeden Tag steht der Raum von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr als freies Angebot den Kinder zur Verfügung. Eine Erzieherin begleitet die Kinder in diesem Raum und erzählt Geschichten, wenn es die Kinder wünschen.
Weiterhin wird der Raum auch für die Elternarbeit genutzt. So können die Eltern ähnliche Erfahrungen wie ihre Kinder machen.
Für die Pflege und Betreuung des Meditationsraumes ist eine Erzieherin verantwortlich, die selbst Expertin in meditativen Übungen ist. Sie sorgt dafür, dass der Raum in der vorgegebenen Weise funktionsfähig ist und dass eventuell beschädigte Materialien und Gegenstände ausgewechselt werden.
Der Meditationsraum ist bei den Kindern sehr beliebt und hinterlässt tiefgehende Eindrücke. Ein Beweis dafür ist nach Auskunft der Leiterin Frau Simon, dass die Kinder allen Besuchern zuerst den Meditationsraum zeigen. Ja, jede Oma - auch wenn sie noch so gehbehindert ist - bedrängen die Kinder, dass sie hochsteigt, um den Raum zu besichtigen.