Michael Schnabel
Geschickte Gesprächsführung ist eine hohe Kunst, behaupten viele Autoren. Kunst hat aber sonderbare Tücken! Wenn beispielsweise ein Klaviervirtuose, ein Maler oder Schriftsteller nicht dauernd und konzentriert an seinem Können arbeitet, so werden zusehends seine Fähigkeiten verkümmern. In ähnlicher Weise verlangen die Fertigkeiten in der Gesprächsführung ein kontinuierliches Training und den Mut zum Experimentieren. Überraschenderweise sind diese Verpflichtungen kaum anstrengend und ohne Aufwand zu leisten: Jeder Mensch muss immer und überall kommunikative Herausforderungen meistern, sobald er mit anderen Menschen zusammenkommt. Und dennoch fallen Gesprächsfertigkeiten nicht jedem wunschgemäß in den Schoß, weil die ständige Übung ohne Reflexion und Plan immer auch unzulängliche und falsche Gesprächsmuster wiederholt. Daher verlangen Überlegungen zur Qualität des pädagogischen Handelns, dass jedes Handeln und Planen auch kritische Überprüfung braucht. Das Konzept der Qualitätserweiterung sieht zwei Schritte vor: die Qualitätssicherung und die Qualitätsentwicklung (Korsten/ Wansing 2000).
Qualitätssicherung
In der Gesprächsführung verlangt die Sicherung der Qualität mehr als ein Festhalten des bisherigen Standes. Wie bereits erwähnt, würde eine solche Einstellung zu einer zunehmenden Minderung der Qualität führen. Qualitätssicherung beruht zunächst auf der sorgfältigen Dokumentation der durchgeführten Elterngespräche. Daraus kann entnommen werden, welche Ansprüche bei den einzelnen Gesprächen eingelöst wurden. Aus einer Dokumentation ist auch ablesbar, ob sich das Gelingen der Elterngespräche auf gleichen Stand bewegt oder ob sich zunehmend Verbesserungen einstellen.
Ein tragendes Element der Qualitätssicherung ist die Entwicklung und Formulierung von Prinzipien für Elterngespräche im Konzept der Einrichtung. Hierfür müssen zunächst die Vorgaben und Anforderungen aus den Bildungs- und Erziehungsplänen gesichtet und diskutiert werden. Die Erarbeitung der Vorgaben und die Reflexion der bisherigen Praxis ergeben Orientierungspunkte für künftige Elterngespräche. Vorteilhaft wäre es, wenn die Konzeptionsentwicklung im Team auch für Elterngespräche konkrete und griffige Standards festschreiben könnte.
Wie eingangs aufgezeigt bewegt sich jeder Mensch beinahe ständig auf dem Übungsfeld der Kommunikation: Sei es das Treffen von Freunden, der Besuch einer Fachveranstaltung, der Erfahrungsaustausch unter Eltern, das Gespräch in der Pause oder der Austausch von Neuigkeiten in einer gemütlichen Runde. Überall sind kommunikative Fertigkeiten gefordert. Die bewusste Annahme von derartigen Gelegenheiten und Versuche, bestimmte Fertigkeiten überlegt anzuwenden, können die Sicherung der Qualität in der Gesprächsführung unterstützen. Vortreffliche Chancen bieten beispielsweise Teamsitzungen: Denn solche Besprechungen können für spannende Vorträge, faire Diskussionen, knappe Zusammenfassungen und präzise Ergebnissicherung genutzt werden.
Qualitätsentwicklung
Die vielen Anregungen zur Qualitätssicherung sind ebenfalls Impulse zur Qualitätsentwicklung. Denn die Durchführung von Elterngesprächen ist ein komplexes Geschehen, das viele Fertigkeiten erfordert. Die Qualitätsentwicklung verlangt nicht nur die Übung kommunikativer Fertigkeiten, sondern versucht, gezielt und mit einem ausgearbeiteten Plan Umgestaltungen und Verbesserungen im Bereich der Elterngespräche vorzunehmen. Die Orientierung in der Vielfalt der Einflussfaktoren und der Dynamik von kommunikativen Prozessen wird erleichtert, wenn gemäß den Prinzipien des Qualitätsmanagements zwischen Struktur-, Prozess-, und Ergebnisqualität unterschieden wird.
Die Strukturqualität umfasst Elemente, die sich auf die Rahmenbedingungen der Elterngespräche erstrecken, wie zum Beispiel: Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs, Ort und Raum für Elterngespräche, Beleuchtung, Heizung, Sitzanordnung und Distanzzonen. Weiterhin können zur Strukturqualität gerechnet werden: die Entscheidung, wer am Elterngespräch teilnehmen soll. Viele Strukturelemente lassen sich im Handumdrehen verbessern, z.B. das Bereitstellen von Stühlen für Erwachsene. Die Veränderung anderer Elemente bedarf einer Beratung im Team und zuweilen eines Beschlusses, der mit Kosten verbunden ist; z.B. die Anschaffung einer Sitzgarnitur oder die Umgestaltung des Eingangsbereichs.
Die Prozessqualität des Elterngesprächs umfasst alle Interaktionen zwischen Gesprächsleiter/innen und Eltern. Folgende Frage zielt auf das Anliegen der Prozessqualität: Von welcher Qualität sind Handlungen und Aktionen der Gesprächsleiterin bei der Durchführung von Elterngesprächen? Hier beispielsweise einige Aufgaben dazu: Wie werden die Eltern eingeladen? Wie werden sie empfangen und verabschiedet? Wie setzt die Gesprächsleiterin verschiedene kommunikative Fertigkeiten bei der Durchführung des Elterngesprächs ein? Wie werden die Gespräche strukturiert? Wie werden sie ausgewertet?
Schließlich verlangt die Qualitätsentwicklung einen kritischen Blick auf die Ergebnisse. Folgende Fragen gehen den Ansprüchen der Ergebnisqualität von Elterngesprächen nach: Was wurde im Elterngespräch erreicht? Konnten die geplanten Themen angesprochen werden? Konnte das Vorhaben des Gesprächs eingelöst werden? Konnten Vereinbarungen und Beschlüsse festgelegt werden, wenn es dafür Anlässe gab? Trug das Elterngespräch zur Verbesserung der Kooperation bei? Wie ist die Wirksamkeit von Elterngesprächen einzustufen?
Analysen von Elterngesprächen - entsprechend den genannten Aspekten von Qualität - liefern ein präzises Profil von Ressourcen und Defiziten bei der Gestaltung von Elterngesprächen. Der weitere Prozess der schrittweisen Verbesserung der Qualität von Elterngesprächen sollte sich vor allem Stärken dieser Praxis vergegenwärtigen, weil pädagogische Fachkräfte oftmals überraschende Fertigkeiten an den Tag legten, wie Beobachtungen zeigen konnten, und weil die Erweiterung von Gesprächskompetenzen äußert erfolgreich ist, wenn sie von bestehenden Stärken ausgeht. Zweifelsohne müssen auch grobe Fehler und falsche Zielsetzungen für Elterngespräche angegangen werden.
Das Konzept der Qualitätsentwicklung kennt bewährte Schritte, die auch für die Erweiterung von Kompetenzen in der Gestaltung von Elterngesprächen gute Dienste leisten können (Tietze/ Viernickel 2004, S. 41). Übertragen auf die Belange zur Durchführung von Elterngesprächen können folgende Schritte ausgewiesen werden:
1. Dokumentation und Situationsbeschreibung
Die genaue Darstellung der momentanen Praxis ist die unverzichtbare Grundlage für jede Weiterentwicklung. Je genauer es gelingt, die bisherige Praxis in all ihren Facetten darzustellen, desto effektiver und realistischer wird die Weiterentwicklung ausfallen. Wer verschiedene Dokumentationsformen für Elterngespräche einsetzt, der gewinnt ein sehr genaues Bild von der bisherigen Praxis. Dabei müssen Sie durchgehend beachten, dass die Dokumentation zwei Ebenen umfasst: Zunächst soll der Inhalt des Elterngesprächs festgehalten werden und in einem zweiten Schritt erfolgt die Einschätzung und Beurteilung, wie das Gespräch methodisch gestaltet wurde.
2. Reflexion und Beurteilung der Elterngespräche
Der Auftrag der genauen Beschreibung der Praxis greift oftmals bereits auf die Reflexion und Beurteilung über, wenn beispielsweise mit einer Kollegin zusammen das Elterngespräch dokumentiert wird, so fließen in der Regel Überlegungen darüber ein, wie erfolgreich die Gesprächsführung eingeschätzt wird. Aber erst gründliches Nachfragen und Überprüfen, was bisher vortrefflich läuft, was zufrieden stellend ist und was geändert werden sollte, liefert die Plattform für weitere Schritte. Dieses gründliche Nachfragen und Überprüfen sollte im Team erfolgen, weil dadurch umfangreiche Erfahrungen und Beobachtungen einbezogen werden können. Denn unterschiedliche Meinungen und Urteile zur bisherigen Praxis der Elterngespräche bringen Qualitätsverbesserungen auf breiter Front auf den Weg.
3. Fachliche Orientierung
Den meisten Gesprächsleiter/innen fallen aus dem Stegreif viele Anregungen und Möglichkeiten ein, wie das abgelaufene Elterngespräch noch mehr an Qualität gewinnen könnte. Dieses momentane Urteil kann noch wesentlich geschärft werden, wenn fachliche Ausführungen zur Durchführung von Gesprächen studiert werden, also beispielsweise Fachbeiträge in Zeitschriften oder Buchveröffentlichungen zum Schwerpunkt Gesprächsführung.
4. Veränderungsvorhaben
Bei den bisherigen Analyseschritten haben Sie sicherlich Verhaltensmuster, Vorgehensweisen und Handlungen herauskristallisieren können, die verändert, gestrichen, verbessert oder auch ausgebaut werden sollten. Wählen Sie zunächst diejenigen Verhaltenweisen und Gesprächsfertigkeiten aus, in denen Sie firm sind, und versuchen Sie, diese Stärken auszubauen. Dies hat mehrere Vorteile: Zunächst ist es der beste und einfachste Zugang für Verbesserungen, und meist verbessern sich dadurch auch weniger entwickelte Fertigkeiten (Mitnahmeeffekt!). In einem weiteren Schritt versuchen Sie, ganz grobe Fehler abzustellen. So ergänzen sich Ausbau von Ressourcen und Vermeidung von Fehlern.
5. Umsetzung in die Praxis
Nach der Festlegung von Verbesserungen kommt das Experiment mit der Praxis. Versuchen Sie im Elterngespräch zunächst nur einen Verbesserungsschritt anzugehen, denn umfangreiche Vorhaben sind meist zum Scheitern verurteilt. Bei einem Elterngespräch ist zunächst die gesamte Aufmerksamkeit auf die Gesprächsinhalte gelenkt; für bewusste Veränderungen in der Gesprächsführung bleiben nur geringe Energien. Die Chancen werden gesteigert, dass neue Gesprächstechniken gelingen, wenn das Elterngespräch nicht außergewöhnlich anstrengend ist. Und nicht vergessen, Vorübungen können Sie bereits mit privaten Partnern, Kollegen/innen und Bekannten durchführen!
6. Evaluation der Veränderungen
Wie ist die Verbesserung gelungen, ist die spannende Frage nach einem Elterngespräch. Bei der schriftlichen Dokumentation und Auswertung des Elterngesprächs werden Sie gerade diesen Neuversuch besonders beachten. Wenn eine weitere Kollegin am Elterngespräch teilnahm, so kann auch sie beurteilen, wie das Vorhaben der Verbesserung von Gesprächstechniken gelungen ist. So schreitet der Qualifizierungsprozess bei der Durchführung von Elterngesprächen kontinuierlich voran.
7. Externe Weiterqualifikation
Gesprächsführung darf nicht im eigenen Saft schmoren! Sie braucht dringend Impulse von außen! Auch Profis der Ehe- und Erziehungsberatung suchen immer wieder das Training auf Fortbildungen zur Gesprächsführung. Weil die Ansprüche einer gelingenden Kommunikation sehr vielseitig und anspruchsvoll sind, gelangt die Qualitätsentwicklung innerhalb einer Einrichtung schnell an Grenzen.
Regelmäßige Fortbildungen zum Thema Kommunikation und Trainings in Gesprächführung sind der unbedingt notwendige Qualitätsschub für die Durchführungen von Elterngesprächen. Fortbildungen über Kommunikation und Gesprächsführung erbringen viele Effekte, die dem gesamten pädagogischen Handeln zuträglich sind. Denn pädagogisches Handeln ist weitgehend ein Kommunikationsprozess.
Literatur
Korsten, S./Wansing, G.: Qualitätssicherung in der Frühförderung. Planungs- und Gestaltungshilfen zum Prozess der Qualitätsentwicklung. Dortmund 2000
Tietze, W./Viernickel, S. (Hrsg.): Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder. Ein nationaler Kriterienkatalog. Weinheim 2004