Jutta Hinke-Ruhnau
In Zeiten von Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und sich stark verändernden Ausbildungsprozessen spielt das Thema Bildung wieder eine große Rolle. Was Bildung im Allgemeinen und speziell in der frühkindlichen Phase von null bis drei Jahren ist, was sie sein sollte und wie gute Qualität für Bildung in der Krippe und der Kindertagespflege in einer so schnelllebigen Zeit wie der unseren durch Fachkräfte entwickelt werden kann, wird uns in diesem Artikel beschäftigen. Dabei stellt sich die Frage, ob Bildung und Qualität absolute oder relationale Begriffe sind. Gibt es einen allgemeinen Konsens, was Bildung ist, oder ist Bildung etwas in Relation zu der Person, die ihn verwendet?
Eine begrifflich eindeutige Zuordnung von "Bildung" gibt es nicht. Die Summe aller Bildungsverständnisse könnte doch Bildung sein und Qualitätsentwicklung in diesem Bereich könnte sich dann mit der Auseinandersetzung und Verständigung der unterschiedlichen Qualitätsvorstellungen beschäftigen, um sich für gemeinsame und vereinbarte Ziele, Strukturen und Prozesse im frühkindlichen Bildungsbereich einzusetzen.
Für den frühkindlichen Bereich sind Kontinuität der Betreuung und eine resilienzfördernde Bildungsbegleitung eine wichtige Grundlage, um den Selbstbildungsprozess und die Lernmotivation zu fördern. Der Geist und die Handlungen einer Person folgen immer ihren tief verwurzelten Vorstellungen von Bildung und Qualität, denen wir nun ein wenig auf die Spur kommen wollen.
Was Bildung ist und was Bildung sein sollte
Bildung ist ein sogenannter "Umbrella-Begriff", unter dem sich viele verschiedene Formen von Bildung finden. Die meisten Ansätze lassen sich sicherlich in den Geisteswissenschaften finden. So haben Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Philosophie sehr verschiedene Ansätze des Bildungsverständnisses und ihre jeweils fachbezogenen Ausrichtungen der Bildungsforschung. Die neuesten Erkenntnisse der Neurobiologie und Gehirnforschung erweitern mit ihren bildgebenden Verfahren das Bildungsverständnis um eine naturwissenschaftliche Komponente, die für das Thema Bildung nicht mehr fortzudenken ist.
Die Diskussion und Kontroverse zwischen dem Anglisten Dietrich Schwanitz, der 1999 das Buch "Bildung" veröffentlichte, in dem er zusammenstellte, was ein gebildeter Bürger in Deutschland alles wissen muss, und dem Naturwissenschaftler Ernst Peter Fischer, der "Die andere Bildung" verfasste, zeigt wie unterschiedlich das Verständnis von Bildung aus geistes- und naturwissenschaftlicher Sicht sein kann. Beide haben für ihre Ansätze triftige Argumente und stehen zudem jeweils in einer historischen Tradition, die ihnen gute Argumente für ihre Sichtweise liefert. Interessanterweise beantworten sehr viele Naturwissenschaftler die Frage nach "Bildung" mit Errungenschaften der Geisteswissenschaft. Letztendlich stellen beide Ansätze lediglich zwei Seiten ein und derselben Medaille dar. Für ein erfolgreiches 21. Jahrhundert müssen beide Seiten ausgewogen und ergänzend erforscht und betrachtet werden.
"Man kann sagen, dass Bildungsforschung als Orientierungsforschung immer dann Konjunktur hat, wenn Symptome sozialer Probleme wahrgenommen werden: Schulmüdigkeit, Leistungsschwäche, resignativer Rückzug aus Organisationen, Motivationsprobleme, politische Unsicherheit, Gesundheitsprobleme u.a. Eine entsprechende Bildungsforschung entsteht also aus einem besonderen Informationsbedürfnis einer interessierten Öffentlichkeit. Bildungsforschung kann in diesem Sinne auch Aufklärung leisten, weil stereotypen Urteilen und Vorurteilen sachliche Information entgegengesetzt werden kann" (Tippelt/ Schmidt 2009, S. 12).
Was Kinder als Bildung mit auf den Weg bekommen sollen, hängt demnach nicht nur von der wissenschaftlichen Fachrichtung ab, die sich durchsetzen kann, sondern von den sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnissen einer Gesellschaft. Die historische Arbeit der Bildungsforschung hat eine seit dem 18. Jahrhundert andauernde Tradition, die zum Ende des 20. Jahrhunderts ihre Tendenz zu Defizitdiagnosen endgültig aufgeben musste. Es entstand eine theoretische und reflektierte Ausrichtung, die Methoden der Selbstbildung entwickelte, um die Energie der Lernmotivation des Einzelnen zu erhalten und zu fördern.
"Die alte etwas betuliche, zugleich stark praxis- und professionsfixierte Geschichte der Pädagogik hat sich erheblich geändert, sie ist zur historischen Bildungsforschung geworden und innerhalb und außerhalb der Erziehungswissenschaft in ihren Fragestellungen theoretischer und in ihren Methoden reflektierter" (Tenorth 2009, S. 135). In der Bildungspraxis sind sowohl ressourcen- als auch defizitorientierte Ansätze des Lernens zu finden. Spätestens seit den Erkenntnissen der Gehirnforschung im ausgehenden 20. Jahrhundert sollte sich der ressourcenorientierte Ansatz durchgesetzt haben, da Bildung für eine ungewisse Zukunft nur mit ressourcenorientierten Lernmethoden erfolgreich sein wird.
Wie Hänschen lernt, so lernt Hans immer wieder
Wenn wir von Bildung reden, kommen wir um die Begriffe "Wissen" und "Lernen" nicht herum. Die Art und Weise, wie ein Kleinkind sich in den ersten Lebensjahren Wissen aneignet, entscheidet sehr darüber, wie Lernen in der individuellen Biographie eines Menschen verstanden wird. Konnte ein Kleinkind sich seine Motivation zum Lernen erhalten, kann man durchaus von einer gelungenen frühkindlichen Bildung sprechen. Wichtiger als das "Was" ist das "Wie" des Lernens. Bereits Babys eignen sich ihr Umfeld sehr eigenständig an. Die Forschung spricht hier von dem Selbstbildungsprozess des Menschen "von Anfang an". Das Bild vom Kind hat sich dadurch sehr verändert. Die Bildungspraxis für Kleinstkinder hinkt diesen Erkenntnissen noch sehr hinterher und bedarf der Aufmerksamkeit und Umsetzungsbereitschaft aller an diesem Prozess beteiligten Personen.
Das "neue Bild" vom Kind ist allerdings so neu nicht, da bereits Rousseau, Pestalozzi und Fröbel den Selbstbildungsaspekt des Kindes formuliert haben. Keiner hat diesen Aspekt des Lernens jedoch so deutlich herausgearbeitet und für die Praxis umsetzbar gemacht wie Maria Montessori. Ihr sehr bekannt gewordener Satz: "Hilf mir, es selbst zu tun" zeigt bereits ein Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kind, welches man als "Bildungsbegleitung" bezeichnen kann. "Heute sind es weniger einzelne Personen als Forschungseinrichtungen wie die kognitive Entwicklungspsychologie, die Tiefenpsychologie, die Säuglings- und Wahrnehmungsforschung - vor dem Hintergrund eines sich ändernden Wissenschaftsverständnisses: Wissenschaft sagt uns nicht mehr, wie die Welt ist; sie bietet uns lediglich Denkmodelle an, wie wir bestimmte Facetten der Wirklichkeit besser begreifen. Man nimmt Abschied von der Wahrheit und begnügt sich mit Vorstellungen von brauchbaren Annäherungen" (Schäfer 2007, S. 21).
Da in unserer Informationsgesellschaft Wissen sehr schnell veraltet, ist für den Bereich der Betreuung, Erziehung und Bildung in den ersten drei Lebensjahren die Lernmethodik wichtiger als die Wissensvermittlung. Deshalb: Wie Hänschen lernt, entscheidet darüber, wie Hans lernen wird. Die Lernmotivation, die ein Kleinkind mitbringt, kann in den ersten drei Lebensjahren gefördert oder beträchtlich gestört werden.
Kinder sind voller Motivation zum Lernen
"Kinder wollen dazugehören und sie wollen wachsen", wie Gerald Hüther immer wieder betont. Daraus ergibt sich, dass ihr Lernen in den ersten drei Jahren stark durch soziales und exploratives Lernen geprägt ist. An den sie umgebenden Erwachsenen haben sie Vorbilder für ihr eigenes soziales Verhalten. Eine gute Bindung zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen ist eine der besten sozialen Lerneinheiten, die ein Kind bekommen kann. So wie Erwachsene sich gegenseitig behandeln, so erscheint es dem Kind normal und angemessen. Je besser die soziale Integrität der Erwachsenen, die ein Kind umgeben, ist, desto eher kann ein Kind seine eigenen sozialen Interaktionen positiv entwickeln. Dafür brauchen Kinder: Vertrauen, Begeisterung, Aktivität und Verantwortung (Hüther/ Nitsch 2008).
Das explorative Lernen geschieht durch die Neugier jedes Kindes. Die Entwicklungsstadien, die Kinder durchlaufen, sind gleich. Wann sie das tun und vor allem wie sie das tun ist dagegen sehr individuell. Jeder Entwicklungsschritt geschieht zu einen Zeitpunkt, an dem das Kind dazu innerlich bereit und neugierig genug ist. Wann das der Fall ist, zeigt es seinem Umfeld durch sein Verhalten. Diesen Zeitpunkt zu erkennen und durch Aufmerksamkeit zu unterstützen, hilft dem Kind, seiner Neugier und dem Aneignen neuer Fähigkeiten in Ruhe und erfolgreich nachzugehen. Je entspannter Erwachsene das Kind in seinem selbst gewählten Spiel beobachten können, desto deutlicher wird ihnen, welchen Fragen das Kind gerade nachgeht. Bei einem solchen Nachgehen eigener Fragen ist die vollständige Motivation des Kindes aktiv. Diese zu erhalten und zu fördern ist für den Bereich des explorativen Lernens enorm wichtig und sollte unabhängig von einer Betreuungsform für jedes Kleinkind gewährleistet werden können.
Beispiel: Das Untersuchen der Kinderwagenräder kann einer ganz technischen Fragestellung folgen, während das Versorgen der Puppe im Kinderwagen sozialen Bildern folgt, die das Kind in seinem Umfeld erlebt. Im ersten Fall erwirbt sich das Kind Kenntnisse über die Dinge und Gegenstände in seinem Umfeld durch exploratives Lernen, im zweiten Fall erwirbt es soziale Kompetenz durch Nachahmen. Beide Situationen sind in den ersten drei Jahren sehr wichtig. Kinder brauchen dazu Erwachsene, die individuelle Vielfalt zulassen können und dem Kind so die Entwicklung seines Potentials und den Erhalt seiner Motivation gewähren können (Hinke-Ruhnau 2009).
In diesen ersten Jahren entscheidet sich auch, ob Lernen Spaß macht und Freude bringt. Kinder alleinig auf punktuelle Ziele hin zu erziehen - wie beispielsweise: Wann kann es alleine essen? Wann ist es auch nachts sauber? - ist nicht sinnvoll, weil dabei eine ganze Menge an Eigenenergie des Kindes abhanden kommt. Kinder werden durch ihr Dazugehörenwollen lernen, alleine zu essen und auch selber auf Toilette zu gehen. Sie wollen es meist nur nicht zu einem von außen festgelegten Zeitpunkt. Die Motivation und Freude am Lernen zu erhalten, sollte das vorrangige Ziel der frühkindlichen Bildung sein.
Die Fachkraft in der Krippe wird zum Bildungsbegleiter des Kindes, welches mit seiner Aufmerksamkeit und Neugier ein Thema, welches es aktuell fesselt, erforscht. Die Fachkraft unterstützt das Kind in diesem Prozess, indem sie es ermuntert und bestätigt, beobachtet, unterstützt und passende Angebote macht. Ermüdung und Abwenden des Kindes signalisieren, wann es genug ist und das Kind eine Pause braucht. Diese Signale sind unbedingt ernst zu nehmen, weil gerade bei kleinen Kindern durch eine Reizüberflutung die natürliche Neugier eher gebremst wird und die Motivation zur Selbstbildung abnimmt.
Das Kind wird dadurch zum Bildungsbegleiter des Erwachsenen, der sich auf diese Weise die Sprache der Kinder aneignet und ihre Sicht auf die Welt kennen lernen darf. Bildung ist hier im gegenseitigen Sinne ein Selbstbildungsprozess von Menschen, die sich in ihren individuellen Ausdrucksformen begegnen.
Eine gute Basis für die Zukunft
Deutschland ist ein föderalistisches Staatensystem; damit fällt den einzelnen Bundesländern das Thema Bildung politisch, organisatorisch und fiskalisch zu. Es gibt für die 16 Bundesländer keine einheitlichen Regelungen für den frühkindlichen Bereich von null bis drei Jahren. Die Qualität des gesamten Bildungssystems hängt entscheidend von der Qualität der frühkindlichen Förderung und Bildungsbegleitung ab. Der Anteil der Kinder mit Sprachschwierigkeiten, mit Beeinträchtigungen und schlechten Startchancen in der Schule ist erschreckend hoch. Um diesen Zustand zu ändern, ist es nötig, für den frühkindlichen Bereich gute Qualität unter der Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu definieren, zu planen, verbindlich zu vereinbaren und umzusetzen.
Qualität
Der Begriff "Qualität" wird sehr unterschiedlich verstanden; dabei ist er so neutral wie Wasser. Wasser kann heiß, kalt, mineralstoffreich oder verunreinigt sein und noch viele weitere Zustände einnehmen. Je nach Anwendung für das Wasser muss es entsprechende Eigenschaften haben, um als brauchbar angesehen zu werden. Mit der Qualität ist das nicht sehr viel anders. Sie ist nicht automatisch als "gut" einzustufen. Qualität gewinnt erst durch eine Bewertung an Aussagekraft. Qualität ist in diesem Sinne eine Messlatte, auf der bewertende Beschreibungen wie beispielsweise "angemessene", "gute" oder "schlechte" Qualität dargestellt werden kann. Um sich verbindlich in Bezug auf die Qualität einer Sache ausdrücken zu können, ist es deshalb erforderlich, Merkmale und Eigenschaften, welche die vorhandene und die zu erzielende Qualität abbilden, in Bezug auf ein Qualitätsziel hin zu beschreiben. Wenn von "Qualitätssicherung" gesprochen wird, ist das der aktuelle Zustand von Qualität, der gehalten werden soll. Wenn von "Qualitätsverbesserung" gesprochen wird, ist das der Weg zu einer noch zu erzielenden Qualität. Drei Aspekte spielen hier eine entscheidende Rolle, um sich auf dem Weg zu besseren Qualität zurechtzufinden:
- Ergebnisqualität
- Strukturqualität und
- Prozessqualität
Die Ergebnisqualität fragt nach den Zielen, die erreicht werden sollen, während die Strukturqualität das Umfeld, in dem die vereinbarten Ziele umgesetzt werden, beschreibt. Die Prozessqualität beschäftigt sich mit den täglichen Abläufen, die das Erreichen vereinbarter Ziele in dem vorhandenen Umfeld unterstützen sollen.
Perspektiven von Qualität
Aus der Sicht des Kindes, der Eltern, der Fachkräfte in einer Krippe oder Kindertagespflegestelle und der Gesellschaft können sich die Merkmale und Eigenschaften für gute Qualität der Ergebnisse, Prozesse und Strukturen durchaus sehr unterscheiden. Für Zielvereinbarungen zwischen den beteiligten Personen eines frühkindlichen Bildungsprozesses müssen Ergebnis-, Struktur- und Prozessvorstellungen der jeweiligen Parteien deutlich sein. Einige Ziele sind für alle Beteiligten interessant, andere nur für eine Person oder zwei Beteiligte. Der Wichtigkeit und Dringlichkeit von Zielen müssen dann Prioritäten zugeordnet werden.
Qualität für das Kind
Ergebnisqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für das Kind, wenn:
- das Kind eine sichere Bindung und eine vertrauensvolle, stabile und sichere Beziehung mit der Erzieherin eingehen kann.
- die Grundbedürfnisse des Kindes nach Versorgung (Sauberkeit, Sättigung und Schlaf), Sicherheit, Geborgenheit, Schutz, Berührung, Wahrhaftigkeit sowie Wärme und Zärtlichkeit gestillt werden.
- das Kind eine kontinuierliche Betreuung erhält.
- das Kind sich in seinem ganz individuellen, persönlichen Zeitfenster entwickeln kann.
- das Kind sich in seinen Umfeld authentisch erleben und dieses zunehmend mit gestalten kann.
- Bildung in einer Mischung aus Angebot und explorativem Lernen möglich ist.
Strukturqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für das Kind, wenn:
- die Räume kindgemäß gestaltet sind ohne sie programmatisch zu überfrachten.
- die Räume, in denen sich das Kind aufhält, Möglichkeiten bieten, ungefährdet und eigenständig zu experimentieren.
- der Tagesablauf auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt ist und doch ein ganz natürlicher Rahmen bleibt, in dem nicht alles durchgeplant ist, sondern der auch Freiraum für neue und unerwartete Erlebnisse und Erfahrungen schafft.
- die Erzieherin und Kindertagespflegeperson entspannt und authentisch auf das Kind reagieren kann, einen natürlichen und selbstverständlichen Umgang mit Kindern, Freude an Kindern und den gemeinsamen Bildungsmöglichkeiten hat, zwischen Nähe und Distanz den richtigen Zugang zu dem zu betreuenden Kind findet sowie bindungsfähig und feinfühlig ist.
Prozessqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für das Kind, wenn:
- der Tagesablauf den Bedürfnissen aller Beteiligten entspricht.
- der Tagesablauf eine Struktur aufweist, die Möglichkeit zur Orientierung bietet.
- die Struktur des Tagesablaufes nicht starr ist und den Bedürfnissen der Beteiligten widerspricht.
- der Gesamtablauf des Betreuungsverhältnisses für alle Beteiligten transparent ist.
- Eingewöhnungsphase, Betreuungsverhältnis und Abschiedsphase deutlich erkennbar und klar sind.
- die Bring- und Abholzeiten für alle Beteiligten verständlich und verbindlich sind.
- die Essens-, Ruhe-, Schlafens- und Pflegezeiten verhältnismäßig klar und regelmäßig sind - Ausnahmen bei Ausflügen und besonderen Anlässen müssen möglich, sollten aber nicht die Regel sein.
- ein angemessener Wechsel von Spielangeboten und Freispiel während der Betreuungszeit möglich ist.
- Absprachen zwischen Fachkräften und Eltern mit dem gemeinsamen Ziel, für das Kind die jeweils bestmögliche Lösung zu wählen, stattfinden.
Qualität für die Eltern
Ergebnisqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Eltern, wenn:
- das Kind glücklich, gesund und zufrieden ist.
- die Betreuung zuverlässig und kontinuierlich ist.
- die Betreuung als entlastend empfunden wird.
- das Kind gemäß neuen Erkenntnissen in seiner Persönlichkeitsentwicklung unterstützt wird.
- die Aufwendungen für die Betreuung in einem Verhältnis zu dem eigenen Einkommen stehen.
Strukturqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Eltern, wenn:
- ausreichend Betreuungsverhältnisse angeboten werden.
- politische Versprechen und reale Möglichkeiten identisch sind.
- die Elternrechte deutlich, verbindlich und bekannt sind.
- eine gute Fachberatung auf das Betreuungsverhältnis in der Krippe und Kindertagespflege vorbereitet.
- bei auftretenden Problemen eine Fachbegleitung als neutrale Stelle eintritt.
- ausreichend qualifizierte Fachkräfte in der Krippe und Kindertagespflege vorhanden sind.
- das Betreuungsverhältnis klar und transparent ist.
- Sonderfälle leicht zu lösen sind (Überstunden, Urlaubszeiten, Krankheiten etc.).
- eine transparente Vertretungslösung existiert.
- die Hygiene- und Ernährungsvorstellungen in der Krippe und Kindertagespflege für die Eltern akzeptabel sind und einem allgemeinen Grundverständnis entsprechen.
- Elterngespräche und Elterneinsatz zu günstigen Zeiten geschehen können.
- die Fachkraft flexibel auf die individuellen Bedürfnisse und Erfordernisse des Kindes und der Familie reagieren können.
- zwischen Eltern und Fachkräften der Krippe und Kindertagespflege die Vorstellungen von Betreuung, Erziehung und Bildung zu einem gemeinsamen Vorgehen für das Kind führen.
Prozessqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Eltern, wenn:
- beim Ablöseprozess zwischen Eltern und Kind die Unterstützung durch die Fachkraft sensibel genug geschieht.
- die Eingewöhnungs- und Abschiedsphase für Kind und Eltern angenehm, natürlich und entspannt gestaltet werden.
- das Betreuungsverhältnis die individuellen Arbeits- oder Abwesenheitszeiten berücksichtigt.
- Elterninitiativen frühzeitig geplant und bekannt gemacht werden.
Qualität für die Fachkraft
Ergebnisqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Fachkraft, wenn:
- die Arbeit angemessen entlohnt wird.
- das Erfahrungswissen mit Kindern aus anderen Erfahrungszusammenhängen der Fachkraft als genauso professionell verstanden wird wie ihr Ausbildungswissen.
- ausreichend Weiterbildungsmaßnahmen bestehen.
- Weiterbildungsmaßnahmen an dem Arbeitsprozess der Fachkraft orientiert sind.
- eine weitere berufliche Perspektive besteht.
- die Kooperation mit den Kollegen, welche die alltägliche Arbeit erleichtert und einen kollegialen Austausch ermöglicht, gut ist.
Strukturqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Fachkraft, wenn:
- das Vertragsverhältnis mit der Einrichtung oder den Eltern für beide Seiten gewinnbringend ist.
- ein Vertretungssystem der Fachkraft ein Sicherheitsnetz für Krankheit und Fehlzeiten gibt.
- die Informationsstrukturen im Arbeitsbereich deutlich, verbindlich, klar, gut zugänglich und widerspruchsfrei sind.
- eine funktionsfähige und qualifizierte Fachberatung sie unterstützt und eine zeitgemäße an den aktuellen Erfordernissen orientierte Qualifizierung möglich ist.
- die gesetzlichen Regelungen klar, unmissverständlich und stets aktuell zur Verfügung stehen.
- die kommunale Politik die Arbeit in der Krippe und Kindertagespflege aktiv unterstützt.
Prozessqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Fachkraft, wenn:
- Zielvereinbarungen zwischen Eltern und Krippe oder Kindertagespflege im gegenseitigen Einverständnis und unter Einbeziehung der Fachkraft stattfinden.
- eine hohe Informationstransparenz zwischen Eltern, Krippenleitung und Fachkräften oder Kindertagespflegeperson besteht.
- der Tagesablauf mit Kollegen abgesprochen werden kann.
- Teamsitzungen oder -treffen die Lösung von Problemen möglich machen.
- eine qualifizierte Fachbegleitung in Problemfällen den Mittler machen kann.
Qualität in der Krippe und Kindertagespflege
Ergebnisqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Gesellschaft, wenn:
- quantitativ ausreichend qualitativ gute und individuelle Betreuungsplätze existieren.
- Baby und Kleinkinder nicht verwahrt, sondern in liebevollen, stabilen und fruchtbaren Bindungen heranwachsen.
- Kinder einen guten Start ins Leben bekommen.
- Kinder, Eltern und Fachkräfte in stabilen und sicheren Verhältnissen miteinander auskommen und liebevoll miteinander umgehen und damit eine gesunde Basis für den sozialen Umgang in der Gesellschaft legen.
Strukturqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Gesellschaft, wenn:
- die unterschiedlichen Bedürfnisse von Familien individuell durch heterogene und flexible Betreuungsformen befriedigt werden.
- die Betreuungsauswahl für Kinder unter Drei in allen Bundesländern qualitativ gleich gut ist.
- die Struktur von Fachberatung, Vermittlung, Begleitung und Qualifizierung bundesweit homogen und vergleichbar ist.
- eine wissenschaftliche Anbindung an Forschungsinstitute und Hochschulen eine stets aktuelle Qualitätsentwicklung gewährleistet.
Prozessqualität entsteht in der Krippe und Kindertagespflege für die Gesellschaft, wenn:
- die Qualitätsstandards inhaltlicher und nicht rein formeller Natur sind.
- die Abläufe für eine gute Kinderbetreuung in der Krippe allgemein bekannt sind.
- Antragsverfahren für eine Kinderbetreuung in der Krippe oder Kindertagespflege einfach, verständlich und transparent sind.
- die Nutzung der Infrastruktur der Krippe oder Kindertagespflege niedrigschwellig angeboten wird.
- die Prozesse in der Krippe oder Kindertagespflege verbindlich aber nicht starr sind und sich einem gesellschaftlichen Wandel anpassen lassen.
Qualitätsentwicklung im frühkindlichen Bildungsbereich
Um die Bedürfnisse der einzelnen Personen im Betreuungsbereich zu berücksichtigen, ist eine Qualitätsgesinnung nötig, die der Ergebnisqualität in der Betrachtung von Qualitätsmaßnahmen den Vorrang gibt und Qualitätsentwicklung ermöglicht. Es gilt aus der Praxis heraus gute Qualität zu definieren und Strukturen und Prozesse für dieses Ergebnis zu gestalten und nicht umgekehrt für eine formale Überschaubarkeit Strukturen und Prozessen den Vorrang über vereinbarte Ziele zu geben. Für eine individuelle Betreuung von individuellen Menschen bedarf es individueller Betreuungsangebote, deren Rahmenbedingungen Standards folgen sollten, deren Inhalte aber explorativen Freiraum für neues Potential lassen. Für heterogene Probleme und Sichtweisen sind heterogene Angebote nötig, die zur Lösung der Probleme beitragen.
Kinder in die Hände einer Betreuungsperson zu geben ist immer eine Vertrauenssache. Die Beziehung und Bindung der Erwachsenen spielt deshalb in mehrfacher Hinsicht eine bedeutende Rolle für die gute Qualität der Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern. Wie die Bindungsforschung nachweist, ist "Kontinuität" eine wichtige Voraussetzung, um dem Kind eine stabile Bindung und damit eine gute Ausgangsposition für seine Experimente zu geben. Es ist strukturell durchaus möglich, die Kontinuität als ein Qualitätsmerkmal in den Bereich der Qualität anzusiedeln. Inhaltlich ist allerdings die Kontinuität die Voraussetzung für Kinder unter zwei Jahren, um überhaupt Qualität in der Bindung und Bildung von Kleinstkindern zu gewährleisten. Da die bestehenden Betreuungssysteme für den Kleinstkindbereich keine Garantie für eine kontinuierliche Betreuungsform geben können, wird unter dem Aspekt der Qualitätsentwicklung des U3-Bereichs die Kontinuität der Betreuungsperson eine der zukünftig wichtigsten Zielvereinbarungen sein.
Qualität fängt immer bei der einzelnen Person an. Qualitätsentwicklung beginnt und endet mit der Ausbildung des Bewusstseins für gute Qualität. Eine Art Doppelmoral bezüglich der Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung besteht immer dann, wenn bei möglichst niedrigem Einsatz und Aufwand die bestmögliche Qualität gefordert wird, man selber allerdings für niedrige Qualität möglichst hoch und gut entgolten werden möchte. Wer beispielsweise einen guten Betreuungsplatz mit wenig Geld bezahlen möchte, müsste demnach damit rechnen, dass seine qualitative Arbeit an seinem Arbeitsplatz ebenfalls nicht leistungsgerecht bezahlt wird. Ein Blick darauf, was für die einzelne Person qualitativ gut ist und wie man für jeden am Prozess Beteiligten eine vorteilhafte Situation schaffen kann, hilft diese widersprüchliche Sichtweise aufzulösen und passgenaue Zielvereinbarungen untereinander zu schließen.
Fälschlicherweise werden Qualitätswerkzeuge immer wieder ausschließlich zur Kontrolle eingesetzt. Kontrollierbar ist jedoch nur etwas Festgeschriebenes, sodass Qualitätssicherung eines bestehenden Zustandes möglich ist. Qualitätsentwicklung aber braucht einzelne Personen, die sensibel genug sind, zu merken, wenn bestehende Strukturen und Prozesse es nicht mehr möglich machen, die definierten Ziele zu erreichen, oder wenn Ziele sich überholt haben und neue gesetzt werden müssen.
Qualitätswerkzeuge für den frühkindlichen Bildungsbereich sollten die Selbstreflexion anregen und sowohl die Prozesse als auch die Strukturen immer wieder darauf hin durchleuchten, ob sie den Zielvereinbarungen weiterhin dienlich sein können. Wenn Qualitätswerkzeuge diese Anforderungen erfüllen, leisten sie einen nicht unerheblichen Anteil an der Qualitätsentwicklung.
Literatur
Esch, Karin/Klaudy, Elke/Micheel, Brigitte/Stöbe-Blossey, Sybille: Qualitätskonzepte in der Kindertagesbetreuung. Ein Überblick. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlag 2006
Fried, Lilian/Roux, Susanna (Hrsg.): Pädagogik der frühen Kindheit. Handbuch und Nachschlagewerk. Weinheim: Beltz-Verlag 2006
Hinke-Ruhnau, Jutta: Bildung unter drei in der Kindertagespflege. Seelze-Velber: Kallmeyer in Verbindung mit Klett 2009
Hinke-Ruhnau, Jutta: Qualitätsentwicklung in der Kindertagespflege. Kronach: Carl Link Verlag 2010
Hüther, Gerald/Nitsch, Cornelia: Wie aus Kindern glückliche Erwachsene werden. München: Gräfe und Unzer Verlag 2008
Opp, Günther/Fingerle, Michael (Hrsg.): Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resillienz. München: Ernst Reinhardt Verlag 2007
Rietmann, Stephan/Hensen, Georg (Hrsg.): Tagesbetreuung im Wandel. Das Familienzentrum als Zukunftsmodell. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlag, 2. Aufl. 2008
Schäfer, Gerd E.: Bildung beginnt mit der Geburt. Ein offener Bildungsplan für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor, 2. Aufl. 2007
Schiffer, Eckhard: Wie Gesundheit entsteht. Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung. Weinheim: Beltz-Verlag 2001
Tenorth, Heinz-Elmar: Historische Bildungsforschung. In: Tippelt, Rudolf/Schmidt, Bernhard (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlag, 2. Aufl. 2009, S. 135-154
Tippelt, Rudolf/Schmidt, Bernhard: Einleitung der Herausgeber. In: Tippelt, Rudolf/Schmidt, Bernhard (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlag, 2. Aufl. 2009, S. 9-19