Qualitativ gute Kinderbetreuung

Aus: Kinderzeit 1996, 47 (2), S. 16-18

Martin R. Textor

In einer Zeit des Bevölkerungswachstums durch Zuwanderung und der hohen Arbeitslosigkeit ist es schwer vorstellbar, dass die heutigen (Klein-)Kinder als Erwachsene in einer Zeit des rasanten Bevölkerungsrückgangs, der Überalterung und (wahrscheinlich) der Arbeitskräfteknappheit leben werden. Von ihrer Qualifikation und beruflichen Leistung wird es abhängen, ob Deutschland im Jahr 2020 oder 2030 noch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist und vor allem ob das Aufkommen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zur Finanzierung der "Alterslast" ausreichen wird. Die derzeit nachwachsende Generation wird es verantworten, ob der Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten bleiben und insbesondere ob der Sozialstaat überleben wird.

Aufgrund der hier nur angedeuteten Bevölkerungsentwicklung gewinnt die Aussage, dass Kinder unsere wichtigste Ressource sind, eine zusätzliche Bedeutung. Für das Bildungssystem ist zu folgern, dass es größte Anstrengungen vornehmen sollte, um die nachwachsende Generation auf die extrem hohen Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Da Kinder immer häufiger, immer früher und immer länger fremdbetreut werden, gilt diese Aussage auch für Kindertageseinrichtungen: Die Qualität der von Erzieher/innen geleisteten Arbeit bestimmt nicht nur stärker den Verlauf der Entwicklung des einzelnen Kindes mit, sondern wirkt sich auch darauf aus, inwieweit die nachwachsende Generation die zukünftigen Herausforderungen bewältigen wird.

Insbesondere amerikanische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Qualität der dort geleisteten Arbeit sehr unterscheiden (siehe z.B. Cost, Quality, and Outcomes Study Team 1995). Zugleich wurde deutlich, dass jede Kindertageseinrichtung einzigartig ist - wie jeder der dort arbeitenden und zusammenlebenden Menschen. Das bedeutet, dass jede Krippe, jeder Kindergarten und jeder Hort ein gestaltbares Ganzes ist. Die dort zusammenwirkenden Personen haben im Kontext der vorgegebenen Rahmenbedingungen ihr Schicksal selbst in der Hand - sie können mitbestimmen, welches Profil die jeweilige Einrichtung bekommt, wie in ihr gelebt und gelernt wird, wie hoch die Qualität der dort geleisteten Arbeit ist, wie positiv die Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder sind. Die große Bandbreite von Formen und Möglichkeiten verweist auf einen weiten Gestaltungsspielraum.

In diesem Artikel sollen nun Merkmale einer qualitativ hochwertigen Fremdbetreuung beschrieben werden, bei der sich Kinder wohlfühlen, sich positiv entwickeln und wenig Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Die meisten der im folgenden genannten Charakteristika wurden in wissenschaftlichen Untersuchungen ermittelt oder in einschlägigen Veröffentlichungen beschrieben. Das bedeutet, dass vor allem die Perspektive von Wissenschaftlern und Fachleuten wiedergegeben wird. Es ist durchaus denkbar, dass diese zum Teil andere Vorstellungen über die Qualität von Kindertagesstätten haben als z.B. Erzieher/innen, Eltern oder Kinder (s.u.). Zudem werden bei Untersuchungen, die in der Regel mehrere Einrichtungen umfassen, die Unterschiede zwischen diesen nivelliert. Die im folgenden beschriebenen Qualitätsmerkmale dürften also nicht vollständig und umfassend bzw. die einzig richtigen sein. Sie liefern aber Anhaltspunkte, welche Faktoren wichtig sind und bei Bestrebungen zur Qualitätsverbesserung berücksichtigt werden sollten - in der Politik und vor Ort.

Gruppengröße

Ein zentrales Kriterium für eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung ist die Gruppengröße. In den USA - wo es zumeist altershomogene Gruppen gibt - werden folgende Standards z.B. von der National Association for the Education of Young Children, der Child Welfare League of America, den Federal Interagency Day Care Requirements und Wissenschaftlern (vgl. Clare-Stewart in Vorb.; Hayes/Palmer/Zaslow 1990) vertreten: Die Gruppe sollte bei Säuglingen maximal sechs bis acht, bei Ein- und Zweijährigen sechs bis 12, bei Dreijährigen 14 bis 20 sowie bei Vier- oder Fünfjährigen 16 bis 20 Kinder umfassen. Auf eine Fachkraft sollten maximal vier Kinder unter zwei Jahren, sechs Zweijährige bzw. zehn Drei-, Vier- oder Fünfjährige kommen. Forschungsergebnisse zeigten, dass bei zu großen Gruppen die Qualität der Interaktionen zwischen den Kindern abnahm und diese sich weniger gut entwickelten. Bei sehr jungen Kindern erwies es sich als besser, wenn sie in einer kleinen Gruppe mit einer Fachkraft als in einer großen Gruppe mit zwei Fachkräften waren: Im erstgenannten Fall wurde das Bedürfnis nach einer zentralen Bezugsperson eher befriedigt, die auf das einzelne Kind eingeht und sich seiner Welt anpasst (Pramling in Vorb.).

Raumgestaltung und -ausstattung

Nach verschiedenen Forschungsergebnissen spielte die Größe des Raumes keine Rolle hinsichtlich der Qualität der Fremdbetreuung, sofern die Einrichtung nicht total überfüllt war - was natürlich negative Auswirkungen hatte (Clarke-Stewart in Vorb.). Ähnliches galt für die bloße Menge von Spielsachen. Viel wichtiger waren eine kindgemäße Raumgestaltung und die Qualität vorhandener Spielmaterialien. Kinder entwickelten sich besser in Einrichtungen, die geschmackvoll, sauber und ordentlich wirkten, den kindlichen Interessen adäquate Spielecken hatten und über viele Arten von altersentsprechenden und entwicklungsfördernden Spielsachen und Materialien verfügten. Gab es z.B. eine gut ausgestattete Verkleidungskiste, wurden komplexere und längere Rollenspiele beobachtet. Auch sollten Erfahrungsräume im weiteren Umfeld der Kindertagesstätte erschlossen werden.

Pädagogische Arbeit

Beziehungen zwischen dem Verhalten der Fachkräfte und der kindlichen Entwicklung lassen sich mit wissenschaftlichen Methoden nur sehr schwer erfassen. So beruhen die folgenden Aussagen eher auf reflektierten Erfahrungen als auf Forschungsergebnissen (siehe insbesondere Braun 1993; Clarke-Stewart in Vorb.; Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Laevers in Vorb.; Marsh 1995). Übereinstimmend wird berichtet, dass in qualitativ hochwertigen Kindertageseinrichtungen die Fachkräfte jedes Kind gut kennen (einschließlich seiner Lebens- bzw. Familiensituation) und sich an seinen Bedürfnissen und Interessen, an seinem Entwicklungsniveau, an seinem Wahrnehmen, Erfahren, Erleben, Fühlen und Denken orientieren. Sie beobachten es genau, hören ihm gut zu, sind sensibel, empathisch und verständnisvoll. Ihre Subjektorientierung ermöglicht es, auf jedes Kind einzugehen, auf sein Verhalten angemessen zu reagieren und vor allem seinen Entwicklungsbedürfnissen entsprechende Angebote zu machen (Individualisierung). Die Fachkräfte übernehmen die Verantwortung für seine Erziehung, sein Wohlergehen und seinen Lernerfolg, fördern aber zugleich seine Selbständigkeit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Durch ihre Einstellung und ihr Verhalten entsteht eine Atmosphäre von Vertrauen und gegenseitiger Akzeptanz, von Zuneigung und Menschlichkeit, Geborgenheit und Sicherheit.

In "guten" Kindertageseinrichtungen gibt es in der Regel einen Jahres- und Wochenplan. So wird sichergestellt, dass alle pädagogischen Ziele berücksichtigt werden und das pädagogische Angebot reichhaltig und vielfältig ist. Auch hat sich eine gewisse Strukturierung des Tagesablaufs mit einem ausgewogenen Verhältnis von Freispiel und Beschäftigungen bewährt. Auf der einen Seite können die Kinder dann in einer angereicherten erzieherischen Umwelt ihre Bedürfnisse und Interessen ausleben, haben genügend Freiraum, etwas selbst zu erforschen, für sich oder mit anderen zu spielen und zu lernen. Sie können mit anderen Kindern interagieren, die als Verhaltensmodelle wirken sowie zum Messen und damit zur Entwicklung der Kräfte reizen. Auch können sie einzeln, zu zweit oder zu dritt mit den Fachkräften sprechen; Häufigkeit und Qualität dieser Interaktionen gelten als sehr wichtig für die kindliche Entwicklung. Auf der anderen Seite nehmen die Kinder an bildenden Aktivitäten teil, wobei ihnen auch hier Wahlmöglichkeiten gegeben werden können (Kleingruppen, Projektarbeit, offene Gruppen). Diese Beschäftigungen werden von den Fachkräften kindgemäß angeboten und sollten weder zu schwer noch zu leicht sein, so dass sie die Kinder nicht frustrieren bzw. langweilen. Sie sprechen alle Sinne an und umfassen alle Entwicklungsbereiche. So gibt es angeleitete Aktivitäten, die der kognitiven Stimulierung, dem Wissenserwerb und der Schulvorbereitung dienen, die (fein-)motorische Kompetenzen und kreative Fähigkeiten fördern, die Malen, Tanzen, Musizieren und Rollenspiel umfassen. Auch wird dem Erwerb kommunikativer Fertigkeiten und der interkulturellen Erziehung Bedeutung beigemessen.

In "guten" Kindertageseinrichtungen werden sowohl im Freispiel als auch bei angeleiteten Aktivitäten Forschungsdrang, Selbsttätigkeit und entdeckendes Lernen gefördert. Die Welt wird dadurch für die Kinder aus eigener Anschauung und Erfahrung, durch Experimentieren und Probehandeln begreifbar. Die Fachkräfte "überwachen" das Spielen und Lernen der Kinder, so dass sie in geeigneten Augenblicken Lernfortschritte bekräftigen und verstärken (Feedback), Ermutigung und Hilfestellung geben, (z.B. bei Langeweile oder Beherrschen einer Tätigkeit) neue Lernanreize vermitteln und Interesse an anderen entwicklungsfördernden Aktivitäten wecken können. Sie lassen die Kinder ihre Erfahrungen und Erkenntnisse verbalisieren und reflektieren. Durch Nachfragen führen sie sie zu einem besseren Verständnis der beobachteten Phänomene und steuern dazu weitere (fehlende) Informationen oder Anregungen bei. Ferner wird der Sozialentwicklung eine große Bedeutung beigemessen. Die Fachkräfte verstärken positive Verhaltensweisen und fördern die Zusammenarbeit zwischen Kindern, nichtaggressive Formen der Konfliktbewältigung und die Entwicklung von Problemlösefertigkeiten. Sie bemühen sich um die soziale Integration aller Kinder und greifen frühzeitig ein, wenn ein Kind auffällig reagiert. Im Kontext einer demokratischen Erziehung bieten sie den Kindern viele Mitbestimmungsmöglichkeiten - auch hinsichtlich der für die Gruppe geltenden Normen und Regeln.

Ob die pädagogische Arbeit von hoher Qualität ist, erweist sich nach Laevers (in Vorb.) vor allem an zwei Phänomenen: "Der Grad des Wohlbefindens zeigt uns, inwieweit die erzieherische Umgebung dem Kind hilft, sich zu Hause zu fühlen, es selbst zu sein, in Kontakt mit sich selbst zu bleiben und seine emotionalen Bedürfnisse (nach Zuwendung, Anerkennung usw.) zu befriedigen. 'Involviertheit' ist eine besondere Qualität der menschlichen Aktivität, die an Konzentration und Durchhaltevermögen erkannt werden kann. Sie ist gekennzeichnet durch Motivation, Interesse und Faszination, durch Offenheit für Reize und Erfahrungsintensität sowohl im Sinnes- als auch im kognitiven Bereich sowie durch tiefe Befriedigung und einen starken Energiefluss auf körperlicher und geistiger Ebene" (ohne Seitenangabe).

Zusammenarbeit mit den Eltern

Ferner ist eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung durch eine intensive Kommunikation, häufige Kontakte und eine gute Kooperation zwischen Fachkräften und Eltern gekennzeichnet (Marsh 1995; Podmore 1993). Da der Einfluss der Familie auf das Kind sehr groß ist, müssen die Erzieher/innen möglichst viel über seine Herkunft wissen. "Gute" Kindertageseinrichtungen legen viel Wert auf die wechselseitige Öffnung, einen intensiven Informationsaustausch, die Abstimmung des Erziehungsverhaltens und die Beeinflussung der Familienerziehung. Auch eröffnen sie Eltern Möglichkeiten der Mitarbeit und Mitbestimmung. Schließlich haben sie ein offenes Ohr für die Fragen und Probleme der Eltern und vermitteln sie bei Hilfebedürftigkeit an psychosoziale Dienste weiter.

Qualifikation des Personals

Den hohen Anforderungen an die pädagogische Arbeit und Kooperation mit den Eltern sowie an die eigene Person (Verhaltensmodell) kann nur Genüge getan werden, wenn die Fachkräfte entsprechend qualifiziert sind. Amerikanischen Untersuchungen kann entnommen werden, dass eine mittlere Berufsausbildung und -erfahrung am besten ist (Clarke-Stewart in Druck): Beispielsweise wurde bei einer besonders hohen Qualifikation eine zu akademische Orientierung (Betonung schulischer bzw. kognitiver Aktivitäten, Vernachlässigung der sozialen Entwicklung) und bei mehr als zehn Jahren Berufserfahrung eine Verschlechterung der Qualität der Arbeit festgestellt. Ferner zeichnen sich "gute" Tageseinrichtungen durch einen seltenen Personalwechsel und ein funktionierendes Team aus. Die Fachkräfte identifizieren sich mit dem pädagogischen Konzept (Werte- und Zielkonsens), sind sich über ihre Aufgaben im klaren, planen gemeinsam die pädagogische Arbeit und besondere Aktivitäten, nutzen individuelle Kompetenzen der einzelnen Kollegen/innen, haben eine positive Arbeitshaltung und streben nach Verbesserung der eigenen Leistungen. Sie fühlen sich im Team und in ihrer Gruppe wohl und sind mit ihrem Beruf zufrieden (Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Marsh 1995).

Schließlich haben "gute" Kindertagesstätten eine herausragende Leitung, die über Führungs- und Managementfähigkeiten verfügt sowie gut mit anderen Menschen zurecht kommt. Sie wählt Personen als neue Mitarbeiter/innen aus, die qualifiziert sind und in das Team passen. Sie würdigt die Arbeit der Kollegen/innen, hilft ihnen und berät sie, hat eine demokratische Grundhaltung, ist offen für neue Ideen, initiiert Innovationen und schafft eine positive Atmosphäre.

Auffassung der Fachkräfte

Wie bereits erwähnt, ist es denkbar, dass das Personal von Kindertageseinrichtungen, Eltern oder Kinder andere Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Fremdbetreuung haben als die bisher zitierten Wissenschaftler und Fachleute. Leider gibt es hierzu kaum Befragungsergebnisse. Eine Ausnahme ist eine Umfrage bei 548 Leiter/innen von Einrichtungen für unter-achtjährige Kinder in England und Wales (Blenkin et al. 1995). Als wichtig für ein gutes frühpädagogisches Programm wurden genannt:

  1. Qualitäten des Personals: 74,2 %
  2. effektive Partnerschaft mit Eltern: 72,1 %
  3. Bereitstellung einer effektiven Lernumwelt: 63,2 %
  4. gute Fachkraft-Kinder-Relation: 43,4 %
  5. qualitativ hochwertige Ressourcen für frühkindliches Lernen: 32,9 %
  6. Bandbreite der Erfahrung des Personals: 27,8 %
  7. Qualifikationen des Personals: 25,6 %
  8. Vorkehrungen zur Weiterentwicklung des Personals: 25,3 %
  9. angemessene Menge von Ressourcen für frühkindliches Lernen: 25,2 %
  10. Beobachtung der Kinder: 24,7 %
  11. Führen von Unterlagen über Lernfortschritt der Kinder: 22,5 %
  12. Management der Einrichtung/Gruppe: 19,1 %
  13. angemessene räumliche Lernumwelt: 13,6 %
  14. unterstützende soziale Umwelt: 13,4 %
  15. Evaluation des Angebots: 11,1 %
  16. Länge der Berufserfahrung des Personals: 7,2 %

Als besonders wichtig für die Arbeit der Fachkräfte galten Kenntnisse über die kindliche Entwicklung, Beobachtungsfähigkeiten, Organisationsfertigkeiten, eine partnerschaftliche Haltung gegenüber Eltern und Offenheit für Veränderungen. Die befragten Einrichtungsleiter/innen nannten also ähnliche Kriterien für eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung wie die Wissenschaftler.

Eine neuseeländische Umfrage bei 223 Familien, 32 Mitarbeiter/innen von 11 vorschulischen Einrichtungen und 47 Experten erbrachte ein ähnliches Ergebnis (Farquhar 1991). Sie verdeutlichte aber auch, dass die drei befragten Gruppen einzelnen Kriterien eine etwas andere Wertigkeit zusprachen. Für die Eltern waren z.B. folgende 12 von insgesamt 56 genannten Faktoren besonders wichtig:

  1. Personal ist sensibel für Kinder (3,96 von maximal 4 Punkten)
  2. Personal zeigt Wärme und Fürsorge (3,92)
  3. Personal zeigt Kindern, dass es sich um sie sorgt (3,88)
  4. Personal arbeitet als ein Team zusammen (3,85)
  5. Kinder werden immer beaufsichtigt (3,85)
  6. Spielsachen und Materialien sind in Ordnung und ungefährlich (3,83)
  7. Gebäude, Räumlichkeiten und Spielsachen sind sauber (3,80)
  8. entwicklungsgemäße Aktivitäten (3,79)
  9. stimulierende/interessante Aktivitäten (3,77)
  10. familienähnliche, angenehme Atmosphäre (3,76)
  11. persönliche Hygiene wird betont/gelehrt (3,75)
  12. Gruppe ist nicht zu groß (3,75)

Hier fällt auf, dass auch der Sauberkeit und Gesundheitserziehung eine große Bedeutung beigemessen wird.

Schließlich ist auf eine noch nicht veröffentlichte Umfrage von Fachkräften in Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu verweisen, die ähnliche Ergebnisse erbrachte (Fthenakis et al. 1995). Hier wurden die fachliche und persönliche Kompetenz der Erzieher/innen, die Gruppengröße, das Betriebsklima, die Zusammenarbeit mit den Eltern, die pädagogische Konzeption sowie ausreichende Zeit für die Vor- und Nachbereitung als besonders wichtig für die Qualität der pädagogischen Arbeit angesehen. Ferner wurden interessante Unterschiede in den Auffassungen der befragten Gruppen von Fachkräften (Kindergartenleiter/innen, Gruppenleiter/innen und Fachberater/innen, aber auch Träger) sowie je nach Bundesland ermittelt.

Zur Notwendigkeit von Verbesserungen

In diesem Artikel wurden verschiedene Kriterien für eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung beschrieben. Es wurde deutlich, dass Forschungsergebnisse, die Meinungen von Fachleuten, die Auffassungen von Fachkräften und die Haltungen von Eltern weitgehend übereinstimmen - wenn auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen. Wichtig ist nun, diese Standards in der pädagogischen Praxis zu erreichen. So ist festzustellen, dass trotz gleicher Rahmenbedingungen Qualitätsunterschiede zwischen Kindertagesstätten bestehen. Dies verweist auf große Gestaltungsspielräume, die es zu nutzen gilt.

Letztlich hat die jeweilige Einrichtung um ein Vielfaches mehr Einfluss auf die Qualität der geleisteten Erziehung, Bildung und Betreuung als das Bildungssystem. So kommt es vor allem darauf an, dass das Team immer wieder die Zeit findet, die eigene pädagogische Arbeit zu überprüfen, an den genannten Standards und den Erziehungszielen (Einrichtungskonzeption) zu messen und sinnvolle Veränderungen in die Wege zu leiten. Ein Reflexionstag, an dem sich das gesamte Team zur Situationsanalyse und Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten zurückzieht, kann hier mehr bewirken als der Besuch mehrerer Fortbildungen.

Informationen über die Standards einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung sind in unserer Gesellschaft noch nicht weit verbreitet. Hier können Fachkräfte, Verbände und Wissenschaftler als Multiplikatoren wirken. Ein Ziel sollte sein, insbesondere bei Politikern und in den Medien Verständnis für die Notwendigkeit und die Kriterien einer guten Fremdbetreuung zu wecken. Nur so kann in einer Zeit der Sparbeschlüsse erreicht werden, dass Rahmenbedingungen verbessert oder zumindest aufrechterhalten werden.

Ein weiteres Ziel sollte sein, "schlechte" Betreuungsangebote vor Ort auszumerzen, da sie die kindliche Entwicklung beeinträchtigen, wenn nicht gar schädigen. Hier kommt der Aufklärung der Eltern über die kindlichen Bedürfnisse und die Standards einer "guten" Fremdbetreuung eine besondere Bedeutung zu. Die Geburtenrate lässt erwarten, dass es in wenigen Jahren zumindest im Kindergartenbereich bundesweit zu einem Überangebot an Plätzen kommen wird. Dann haben informierte Eltern die Möglichkeit, für ihre Kinder solche Einrichtungen auszuwählen, die qualitativ hochwertige Arbeit leisten sowie den Bedürfnissen von Familien und Kindern entsprechen. Wenn sich die Fachkräfte in den anderen Kindergärten nicht umstellen, werden sie dann mit der Schließung ihrer Einrichtung mangels Anmeldungen rechnen müssen.

Literatur

Blenkin, G.M./Hurst, V.M./Whitehead, M.R./ Yue, N.Y.L.: Principles into practice: Improving the quality of children's early learning. Phase one report. London: Goldsmiths' College 1995

Braun, R.: Eine gute Kinderbetreuung. In: Devivere, B. von/Hentschel, C./Irskens, B. (Hg.): Forum Kinderpolitik: Mindeststandards in der Kinderbetreuung - Qualität contra Quantität? Frankfurt/Main: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 1993 (ohne Seitenzählung)

Clarke-Stewart, K.A.: Qualität der Kinderbetreuung in den Vereinigten Staaten von Amerika. In: Fthenakis, W.E./Textor, M.R. (Hg.): Qualität von Kinderbetreuung: Internationale Perspektiven. In Vorb. (inzwischen erschienen)

Cost, Quality, and Outcomes Study Team: Cost, quality, and child outcomes in child care centers: key findings and recommendations. Young Children 1995, 50 (4), S. 40-44

Farquhar, S.-E.: Quality is in the eye of the beholder: the nature of early childhood centre quality. Dunedin: University of Otago 1991

Fthenakis, W.E./Nagel, B./Strätz, R./Sturzbecher, D./Eirich, H./Mayr, T.: Neue Konzepte für Kindertageseinrichtungen: eine empirische Studie zur Situations- und Problemdefinition der beteiligten Interessengruppen. Endbericht. Band 3, Teil A: Tabellarische Ergebnisdarstellung für die geschlossenen Fragen. Manuskript. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik 1995

Hayes, C.D./Palmer, J.L./Zaslow, M.J. (Hg.): Who cares for America's children. Child care policy for the 1990s. By Panel on Child Care Policy, Committee on Child Development Research and Public Policy, Commission on Behavioral and Social Sciences and Education, National Research Council. Washington: National Academy Press 1990

Laevers, F.: Qualität frühkindlicher Erziehung: Was wir von Praxis und Forschung in Flandern lernen können. In: Fthenakis, W.E./Textor, M.R. (Hg.): Qualität von Kinderbetreuung: Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich. In Vorb. (inzwischen erschienen)

Marsh, C.: Quality relationships and quality practice in the nursery school. International Journal of Early Years Education 1995, 3 (2), S. 29-39

Podmore, V.N.: Education and care. A review of international studies of the outcomes of early childhood experiences. Wellington: New Zealand Council for Educational Research 1993

Pramling, I.: Die Qualität der Kinderbetreuung aus schwedischer Sicht. In: Fthenakis, W.E./Textor, M.R. (Hg.): Qualität von Kinderbetreuung: Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich. In Vorb. (inzwischen erschienen)

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