Qualität in Kindertageseinrichtungen

Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter

(beschlossen in der 88. Arbeitstagung vom 03.-05.05.2000 in Halle/Saale; ohne Gliederung)

1. Einführung - Vorbemerkung

Instrumente und Methoden der Qualitätsentwicklung, der Qualitätssicherung und der Qualitätsmessung, also des Qualitätsmanagements ebenso wie die damit vielfach im Zusammenhang stehenden Fragen einer Zertifizierung beschäftigen Tageseinrichtungen für Kinder und ihre Träger.

Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der angebotenen Managementsysteme (vgl. die Zusammenstellung im Anhang), aber auch die für ihren Einsatz erforderlichen, z.T. erheblichen Finanzmittel - insbesondere bei Zertifizierungen - führen nicht nur zu kontroversen Diskussionen über den Nutzen eines Qualitätsmanagements in Tageseinrichtungen, sondern auch zu erheblicher Verunsicherung der pädagogischen Fachkräfte der Einrichtungen und der Einrichtungsträger.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter will mit dieser Veröffentlichung dazu beitragen, die Diskussion um das Qualitätsmanagement zu versachlichen und hierzu Informationen geben, die Einrichtungen und Trägern dabei helfen sollen, jeweils für sich zu entscheiden, ob und ggf. welches Qualitätsmanagementsystem für sie in Betracht kommt.

2. Qualitätsmanagement in Tageseinrichtungen für Kinder

2.1 Vorbemerkung

In Tageseinrichtungen für Kinder soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden. Dies umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes. Das Leistungsangebot orientiert sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien (§ 22 KJHG).

Dieser bundesgesetzliche Auftrag der Tageseinrichtungen, der in den verschiedenen Landesausführungsgesetzen weiter differenziert wird, ist Maßstab für die Qualität einer Tageseinrichtung, unabhängig davon, welches Qualitätsmanagement die Einrichtung anwendet.

2.2 Effektivität und Effizienz von Kindertagesbetreuung

Das Platzangebot in Tageseinrichtungen für Kinder hat nicht zuletzt durch die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz eine quantitative Dimension erreicht, die zu Beginn der bildungspolitischen Diskussion um den Elementarbereich des Bildungswesens in den 70iger Jahren niemand erwartet hat.

Das quantitative aber auch das finanzwirtschaftliche Volumen, das die Tageseinrichtungen für Kinder erreicht haben, wirft zwangsläufig die Frage auf, ob denn dieses Früherziehungssystem zum einen eine Qualität erreicht, die hinsichtlich der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder dem gesetzlichen Auftrag entspricht und zum anderen die für den Betrieb der Einrichtungen aufgewendeten Finanzmittel zum Erreichen der notwendigen pädagogischen Qualität wirtschaftlich eingesetzt werden.

Diese Grundfragestellungen bestimmen die derzeitige Qualitätsdiskussion auf unterschiedlichen Ebenen.

Sie wird mit dem Ziel geführt, die bestehenden Systeme und Strukturen der Kindertagesbetreuung und die vorhandenen Ressourcen zu reflektieren und zu überprüfen. Durch Qualitätsmanagementsysteme sollen die Angebote der Tageseinrichtungen effektiver aber auch wirtschaftlicher gestaltet werden.

2.3 Neue Steuerung und Qualitätsentwicklungen in Einrichtungen der Jugendhilfe - Regelung im KJHG zu den §§ 78a ff

Neue Steuerungsmodelle in der Kinder- und Jugendhilfe zielen über differenzierte Produktbeschreibungen auf stärkere Transparenz von Leistungsinhalten. Sie hinterfragen mit Kosten-Leistungsrechnungen Effektivität und Effizienz des Einsatzes finanzieller Mittel.

Angesichts der hohen Belastungen der Haushalte öffentlicher und freier Träger durch die Betriebskosten der Tageseinrichtungen werden die Einrichtungen in freier wie in öffentlicher Trägerschaft zunehmend dazu angehalten, ihre Leistungsangebote und die wirtschaftliche Führung ihrer Einrichtungen darzulegen.

Auch die für den Bereich der teilstationären und stationären Hilfen zur Erziehung geschaffenen Neuregelungen der §§ 78a ff KJHG können sich mittelfristig auch auf die Anbieter von Kindertagesbetreuung auswirken, insbesondere hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in der Jugendhilfe gehen auch Träger von Kindertageseinrichtungen verstärkt dazu über, das Profil ihrer Arbeit z.B. gegenüber den Eltern zu verdeutlichen und damit auch Qualitätsaspekte ihrer pädagogischen Arbeit mit den Kindern hervorzuheben.

2.4 Einfluss von Rahmenbedingungen und Strukturen auf die Qualitätsdiskussion

Rahmenbedingungen und Strukturen von Kindertageseinrichtungen ebenso wie die pädagogische Qualität der Kinderbetreuung haben sich in den alten und den neuen Bundesländern durch unterschiedliche Einflussfaktoren unterschiedlich entwickelt.

In den alten Bundesländern sind durch die mit dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz einhergehenden finanziellen Belastungen insbesondere der öffentlichen Haushalte die geltenden Qualitätsstandards unter Druck geraten und in einigen Bereichen abgesenkt worden.

In den neuen Bundesländern hat der Abbau des Überangebots an Plätzen in Kindertageseinrichtungen zwangsläufig auch zu einem Abbau des Personals geführt. Bedingt durch das Arbeitsrecht wurde vorwiegend jüngeren Erzieherinnen gekündigt, so dass eine deutlich einseitige Verschiebung in der Altersstruktur bei den Erzieherinnen festzustellen ist. Hinzu kommt die mit dem Abbau von Erzieherinnenstellen verbundene verstärkte Teilzeitbeschäftigung, was sich auf die Zahl der in der Gruppe tätigen Erzieherinnen und damit auf die Gestaltung der pädagogischen Arbeit auswirkt.

Diese und weitere Veränderungen haben einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Qualitätsentwicklung von Kinderbetreuung.

Die Ausführungsgesetze der Länder zu Rahmenbedingungen und Strukturen von Kinderbetreuung lassen in einigen Fällen Deregulierungen und Rücknahmen pädagogischer Standards erkennen.

In diesen Fällen werden u.a. Gruppengrößen, Gruppenzusammensetzung, Raumgrößen, sächliche Ausstattung, fachliche Anforderungen an die Leitung und das pädagogische Personal sowie Öffnungszeiten nicht mehr einheitlich vorgegeben. Das stellt wiederum Träger, Einrichtungsleitung, Fachkräfte und Eltern ebenso wie die örtliche öffentliche Jugendhilfe vor die Notwendigkeit, konsensfähige pädagogische Konzepte und Einrichtungsprofile zu entwickeln und auszuhandeln.

Die Balance zwischen dem Wunsch nach qualitativer Stabilität einerseits und den finanziellen Möglichkeiten andererseits verlangt in der Praxis auch die Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Suche wird erleichtert, wenn das Angebot der Tageseinrichtungen in der Öffentlichkeit akzeptiert wird. Ein Weg kann die Sozialraumorientierung mit einer deutlichen Integration der Einrichtung in das Gemeinwesen sein.

3. Allgemeine Qualitätsziele und Rahmenbedingungen

3.1 Qualitätsziele

Kindertageseinrichtungen haben in der Bundesrepublik eine hohe Bedeutung. Sie gewährleisten in erheblichem Umfang das Recht junger Menschen auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten (§ 1 Abs. 1 KJHG). Tageseinrichtungen fördern die individuelle und soziale Entwicklung der Kinder und tragen dazu bei, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen (§ 1 Abs.3 Nr. 1 KJHG).

Die Pädagogik der Kindertageseinrichtungen sollte konzeptionell so ausgelegt sein, dass eine ganzheitliche Erziehung gewährleistet ist, die insbesondere soziale, individuelle, kulturelle, integrative und ökologische Aspekte berücksichtigt. Tageseinrichtungen für Kinder sollen die Integration der Kinder, unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrer physischen und psychischen Leistungsfähigkeit fördern, indem sie Unterschiedlichkeit und Vielfalt aufnehmen, anerkennen und zulassen. Die Erziehung in Kindertageseinrichtungen hat auch die Aufgabe, lebendige Beziehungen zu Natur und zur Umwelt zu entwickeln.

Zusammenfassend sind die folgenden Qualitätsziele besonders hervorzuheben, die sowohl im KJHG als auch in Landesausführungsgesetzen der Länder ausdrücklich genannt sind:

  • Das Leistungsangebot der Kindertageseinrichtung soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren.
  • Die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit soll gefördert werden unter Berücksichtigung der individuell und sozialen Situation jedes einzelnen Kindes.
  • Die gemeinsame Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern soll gefördert werden.
  • Die Betreuung in Kindertageseinrichtungen soll auch dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen.
  • Die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen sollen berücksichtigt und die Gleichberechtigung gefördert werden.
  • Ganzheitliche Erziehung soll gewährleistet sein und soziale, individuelle, kulturelle und ökologische Aspekte Berücksichtigung finden.
  • In Zusammenarbeit mit den Eltern ergänzen und unterstützen Kindertageseinrichtungen die kindliche und familiäre Lebenswelt.

Kindertageseinrichtungen haben für die Umsetzung dieser Qualitätsziele einen eigenständigen Auftrag in der Jugendhilfe, der von der Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder bestimmt wird.

3.2 Rahmenbedingungen für Qualität

Die Rahmenbedingungen und die Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen werden im Wesentlichen bestimmt durch:

  • die pädagogische Konzeption,
  • die Fachlichkeit der pädagogischen Kräfte (Ausbildung und Weiter -bildung),
  • die Evaluation der Umsetzung der Konzeption sowie durch
  • die Relation zwischen Fachpersonal und Kinderzahl,
  • die Gruppengrößen,
  • die räumlichen Bedingungen und die Ausstattung den Qualitätsanspruch und die Grundrichtung der Erziehung des Trägers (Leitbild).

Die pädagogische Qualität einer Kindertageseinrichtung wird sich insbesondere daran messen lassen müssen, inwieweit sie den verschiedenen Bedürfnissen des Kindes, primär seinem Anspruch auf Förderung seiner Entwicklung sowie der Erwartung der Eltern auf Beratung und Unterstützung bei der Erziehung ihres Kindes entspricht. Dabei müssen Inhalt und Gewichtung der verschiedenen Komponenten des jeweiligen Qualitätsverständnisses im Zeitablauf überprüft, reflektiert und gegebenenfalls neu gefasst werden.

4. Überblick zu den spezifischen Begriffen

4.1 Qualität

Qualität ist eine Gesamtheit von Merkmalen eines Produktes, einer (Dienst-)Leistung, die sich auf vereinbarte und festgelegte Kriterien bezieht; sie ist keine absolute, unveränderliche Größe.

4.2 Qualitätsbereiche

Prozessqualität

Hierbei geht es darum, wie Leistungen durchgeführt werden, wie das Gesamt der Aktivitäten und Interaktionen aufeinander abgestimmt wird, also um die Qualität der pädagogischen Prozesse. Dabei werden die Interaktionen und Erfahrungen der Kinder mit ihrer sozialen und räumlich materiellen Umwelt einbezogen. Prozessqualität wird auch bezeichnet als nähere, unmittelbare Dimensionen von Qualität mit den Aspekten

  • Betreuer-Kind-Interaktion
  • Betreuer-Eltern-Interaktion
  • Betreuer-Betreuer-Interaktion
  • Betreuer-Träger-Interaktion
  • Interaktion mit anderen Diensten
  • Interaktion mit der sozialen und kulturellen Umgebung

Strukturqualität

Strukturqualität wird bestimmt durch situationsabhängige, zeitlich stabile, durch politische Entscheidungen meist veränderbare Rahmenbedingungen. Strukturqualität wird auch bezeichnet als weitere, mittelbare Dimensionen von Qualität mit den Aspekten

  • Gruppengröße
  • Personalschlüssel
  • Professionalität der Betreuer
  • Stabilität der Betreuung
  • Angebotsstruktur
  • Struktur des Betreuungsablaufs
  • Raumgestaltung und Größe der Einrichtung
  • Kulturelle Aufgeschlossenheit

Orientierungsqualität/Einstellungsqualität

Hierunter werden Vorstellungen des pädagogischen Personals über kindliche Entwicklung, über pädagogische Ziele und Normen sowie über Auffassungen von pädagogischer Qualität in der Kindertagesbetreuung verstanden.

Ergebnisqualität

Sie wird im Zusammenhang mit Bildungs- und Erziehungsprozessen eher vorsichtig erörtert. Im Allgemeinen wird darunter der durch eine erbrachte Leistung erzielte Zustand verstanden, der durch Soll-Ist-Vergleich bzw. durch Evaluation gemessen wird.

4.3 Zertifizierung

Zertifizierung ist die Bestätigung eines Qualitätsmanagements auf der Grundlage normierter Forderungen.

In vielen Bereichen der Jugendhilfe werden Zertifizierungen diskutiert. Dies gilt auch für Tageseinrichtungen für Kinder.

Bevor ein Träger sich für eine Zertifizierung entscheidet, mit der er sich von anderen Anbietern abheben will, sollte er folgendes bedenken:

Das System der Zertifizierung ist wie vieles Andere in der Verwaltungsmodernisierung der Wirtschaft entlehnt. In der Wirtschaft liegt der Vorteil einer Zertifizierung in ihrer klaren Überprüfbarkeit auf internationaler Ebene. Sie bedeutet nichts Anderes, als dass ein bestimmter Bereich, ein Betrieb nach bestimmten Managementmethoden geführt wird. Die Zertifizierung bedeutet nicht, dass die Leistungen des Betriebes auf ihre Qualität hin überprüft wurden. Der Betrieb ist über die Anwendung einer Norm zu einer bestimmten Strukturqualität verpflichtet, die sich auf seine Produktqualität auswirkt. Die Kunden wissen, dass dieser Betrieb nach einer bestimmten Norm arbeitet.

Zertifikate z.B. des ISO-Systems sind kein Nachweis der Qualität einer Einrichtung oder ihrer Ergebnisse. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Einrichtung das ISO-System korrekt unterhält (Systemzertifikat). Träger von Kindertageseinrichtungen, die eine Zertifizierung anstreben, sollten sich das Gewicht eines Zertifikats und die damit verbundenen nicht unerheblichen Kosten bewusst machen.

4.4 Qualitätsmanagement

Es gibt eine Vielzahl von Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsverfahren, Qualitätserfassungsinstrumenten, Qualitätssicherungs- und Entwicklungsinstrumentarien, mit unterschiedlichen Zielstellungen, Verfahrensweisen, Möglichkeiten zur Selbst- oder Fremdevaluation, externen Prüfungen für die Verfahren und Ergebnisse.

Qualitätsmanagement ist der Sammelbegriff für alle Führungs- und Steuerungsaufgaben zur Qualitätssicherung und -verbesserung. Grundlage sind Denk- und Verfahrensansätze des Lean Management (schlankes Management), eines Konzeptes aus Amerika und Japan, das als Element den kontinuierlichen Verbesserungsprozess in kleinen, nicht kostspieligen Schritten enthält. Im Allgemeinen umfasst Qualitätsmanagement die Entwicklung und Fortschreibung von Qualitätsstandards, die Förderung ihrer Umsetzung und die Überprüfung der Ergebnisse (HEINER 1996).

Die im Anhang im Einzelnen dargestellten Managementsysteme und -instrumente leisten Verschiedenes. Träger und Leitung einer Kindertageseinrichtung müssen sich - bevor sie sich für ein Instrumentarium entscheiden - darüber klar sein, was sie erreichen wollen. In diesem Entscheidungsprozess können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Soll ein dauerhafter Prozess in Gang gesetzt werden?
  • Will ich meine Einrichtung mit anderen Einrichtungen vergleichen, ausgehend vom aktuellen Stand?
  • Will ich meine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und mich deshalb einem europaweit gültigen Managementsystem unterwerfen?
  • Soll eine Zertifizierung erfolgen, die in regelmäßigen Abständen wiederholt werden muss?
  • Welche finanziellen Mittel bin ich bereit dafür bereitzustellen?

Es kann sich als sinnvoll und zweckmäßig erweisen, Elemente aus verschiedenen Systemen, auf die eigene Situation zugeschnitten, zu verwenden.

5. Rolle und Aufgaben der Landesjugendämter

Die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen in den Tageseinrichtungen für Kinder betrifft die Aufgaben der Landesjugendämter in mehrfacher Hinsicht.

Im Rahmen der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung (§§ 45 ff KJHG) haben die Landesjugendämter dafür zu sorgen, dass die Betreuung der Kinder durch geeignete Fachkräfte gesichert und auch in sonstiger Weise das Wohl der Kinder in der Einrichtung gewährleistet ist.

Unabhängig von der im Zusammenhang mit der Erteilung einer Betriebserlaubnis stattfindenden Beratung gehört zu den Aufgaben der Landesjugendämter die Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung (§ 85 Abs. 2 Nr. 7 KJHG) und die Fortbildung von Mitarbeitern in der Jugendhilfe (§ 85 Abs. 2 Nr. 8).

Sowohl im Rahmen der Betriebserlaubnis als auch bei den genannten Aufgaben nach § 85 KJHG geht es um Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Neu und bisher noch nicht praktiziert ist die Anwendung professioneller Qualitätsmanagementmethoden in der Beratung durch die Landesjugendämter. Die Diskussion um Instrumente und Methoden des Qualitätsmanagements in Tageseinrichtungen für Kinder gibt Anlass, auch die hierauf bezogenen Aufgaben der Landesjugendämter neu zu bedenken.

Im Prozess der Formulierung und Realisierung von Qualitätszielen und Qualitätssicherung kommt den Landesjugendämtern nicht zuletzt die Aufgabe zu, im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen - auch angesichts knapper Finanzen - das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.

5.1 Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen gem. § 45 KJHG

Die Tätigkeit der Landesjugendämter im Zusammenhang mit der Betriebserlaubnis der Einrichtungen ist im Wesentlichen auf Elemente der Strukturqualität gerichtet. Mit der Betriebserlaubnis soll ein Rahmen - im Sinne von Mindestanforderungen - gesichert werden, der das Wohl der Kinder in der Einrichtung gewährleistet. Diesem Ziel dienen auch die Regelungen in den §§ 46 ff SGB VIII (örtl. Prüfung, Meldepflichten, Tätigkeitsuntersagung).

Im Rahmen der hoheitlichen Tätigkeit nach §§ 45 ff KJHG dürfte es schwierig sein, auch die Prozess- und Ergebnisqualität in den Einrichtungen zu beeinflussen, weil der Handlungsspielraum, den dieses Tätigkeitsfeld bietet, hierfür nicht ausreicht.

5.2 Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung

Die Aufgabe der Landesjugendämter, die Träger von Tageseinrichtungen für Kinder während der Planung, insbesondere aber während der Betriebsführung zu beraten, macht sie zu Ansprechpartnern für die Einrichtungen, die Qualitätsentwicklungsprozesse planen und durchführen wollen.

Wesentliches Element dieser Beratung sollte sein, den Trägern bei der Auswahl der für ihre Einrichtungen jeweils geeigneten Instrumente behilflich zu sein, wozu auch eine Einschätzung der Tauglichkeit und Verlässlichkeit der in diesem Feld tätigen Anbieter und ihrer Dienstleistungen gehören kann.

Die Beratung der Einrichtungen sollte sich darauf richten, welche Erfordernisse mit welchen Ansätzen verbunden sind. Dies gilt auch für die Unterscheidung zwischen internen und auf die eigenen Kräfte bauenden Evaluations- und Entwicklungsprozesse und externen Beratungen und Qualitätsmessungen. Mit der Beratung soll erreicht werden, dass diese Prozesse ihr eigentliches Ziel erreichen und nicht kontraproduktiv wirken.

Deutlich ist darauf hinzuweisen, dass mit einer externen Qualitätsmessung nicht automatisch auch Qualitätsentwicklung in der Einrichtung verbunden ist. So muss eine Qualitätsmessung eingebunden sein in ein angemessenes fachberaterisches Unterstützungssystem der Einrichtung. Eine isolierte Bewertung einer Einrichtung könnte zur Demotivation der MitarbeiterInnen und damit zu Qualitätsverlusten führen.

5.3 Fortbildung der Mitarbeiter der Einrichtungen

Die Fortbildungsangebote der Landesjugendämter werden zukünftig intensiv auf Instrumente und Methoden des Qualitätsmanagements eingehen müssen. Dabei kommt es auch darauf an, die Kompetenzen in diesen Bereichen jenen MitarbeiterInnen in der Jugendhilfe zu vermitteln, die selbst wiederum Multiplikatoren- und Leitungsfunktionen ausüben. (BAGLJÄ: Leitfragen zur Qualitätsentwicklung in der Fortbildung der Landesjugendämter - Arbeitshilfe für Fortbildnerinnen und Fortbildner, Mai 1999)

5.4 Modelle

Es könnte sinnvoll sein, wenn die Landesjugendämter selbst Modellprojekte initiieren, um mit fachlich qualifizierter Begleitung Qualitätsentwicklungssysteme zu erproben und auch Länder- oder Bundesmodell zur Qualitätsentwicklung zu begleiten.

6. Schlussbemerkung

Die Qualitätsdiskussion darf nicht nur Tageseinrichtungen für Kinder betreffen. Die Mitarbeiter der Landesjugendämter sollten Qualitätsentwicklungsprozesse aus eigener Erfahrung beurteilen können. Anderenfalls könnte das Bemühen um Qualitätsentwicklung in den Tageseinrichtungen unglaubwürdig werden.

Aufgabe der Jugendämter und der freien Träger wird es sein, Qualitätsentwicklung in ihren Einrichtungen zu betreiben, indem sie angemessene Finanzmittel bereitstellen, ihre beteiligten Fachkräfte motivieren und sich selbst in den Qualitätsentwicklungsprozess einbringen.

Anhang

Instrumente und Methoden der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Qualitätsmessung:

Auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements und in dem Bereich der Zertifizierung sind vor allem folgende Systeme im Gespräch:

DIN ISO 9000 ff:

Hierbei handelt es sich um eine internationale Normenreihe, normiert wird nicht inhaltlich, es werden formale Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem gestellt (Umsetzung in fast alle Dienstleistungsbereiche möglich, aber durch hohen Grad an Universalität geht Spezifika verloren und Sprache ist sehr abstrakt);

  • Definition von Standards zum Management von Organisationsprozessen,
  • Darlegung in 20 Elementen (Qualitätsmanagementhandbuch),
  • Selbstbewertung möglich durch ein internes Audit,
  • externe Überprüfung in einem externen Audit,
  • Zertifikat für 3 Jahre, jährliche Nachprüfung,
  • Motto: "Qualität der Organisation - nicht des Produktes steht im Vordergrund".

Inzwischen ist auf dem Markt: Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen -Umsetzung eines QM-Systems nach DIN EN ISO 9002 in Kindertageseinrichtungen; QM-Elementar

E.F.Q.M. (European Foundation for Quality Management)

T.Q.M. (Total Quality Management)

  • E.F.Q.M. ist die europäische Variante von T.Q.M.,
  • geht über ISO 9000 ff. hinaus,
  • Definition von elementaren Qualitätsprozessen in einer Organisation,
  • Benennung von konkreten Qualitätskriterien (Kundenorientierung, Maßstäbe wie strategischer Erfolg, Mitarbeiterbezug und Nutzen für die Gesellschaft),
  • umfasst über ISO-Normen hinaus Aufbauorganisation, Führungskonzept und Sammlung von Arbeitsmitteln zur Verbesserung der Qualität wie z.B. "Qualitätszirkel" als Element der Mitarbeiterbeteiligung,
  • Darlegung in 9 Bereichen der Organisation,
  • Selbstbewertung möglich mittels Fragebogen und Bericht mit sehr detaillierten Qualitätskriterien,
  • Externes Assessment durch 2 Prüfer aufgrund des Berichtes der Organisation,
  • Kein Zertifikat - Teilnahme am European Quality Award möglich,
  • Motto: "Die Verbesserung der Leistungen für den Kunden mittels Qualitätsmanagement steht im Vordergrund".

Qualitätsentwicklung im Dialog

Als Instrumentarium der Qualitätsentwicklung ist vor allem der Kronberger Kreis mit seiner Methode "Qualität im Dialog entwickeln" bekannt.

Der Kronberger Kreis für Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe von Fachleuten, die aus dem Hessischen Projektring "Orte für Kinder" hervorgegangen ist. Der Kreis hat sich 1995 gegründet. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, Fragen der Reform und Evaluation von Kindertageseinrichtungen zu erörtern und ein Konzept zur dialogischen Qualitätsentwicklung zu erarbeiten. Erörtert werden vor allem folgende Bereiche: Bedarf und Nachfrage, Angebote, Ziele, Mittel und Möglichkeiten und die berufliche Praxis. Als Qualitätsbereiche werden

  • Programm- und Prozessqualität,
  • Leitungsqualität,
  • Personalqualität,
  • Einrichtungs- und Raumqualität,
  • Trägerqualität,
  • Kosten-Nutzen-Qualität und
  • Förderung von Qualität

betrachtet.

Qualität wird in drei Schritten untersucht:

  • Herausarbeitung allgemeiner Gesichtspunkte einer guten Fachpraxis (Qualitätsstandards),
  • Formulierung von erkenntnisleitenden Fragen, die die Qualitätsuntersuchung in einer Einrichtung leiten könnten und
  • Erteilen von Hinweisen auf konkrete Indikatoren, Merkmale, die gute Fachpraxis beschreiben (KRONBERGER KREIS: Qualität im Dialog entwickeln, 1998).

Die KES - Kindergarten-Einschätz-Skala:

Als ein Instrument der Qualitätsmessung ist die Kindergarten-Einschätz-Skala (KES-Skala) im Gespräch. Sie ist die deutsche Fassung der Early Childhood Environment Rating Scale (ECERS) von HARMS/CLIFFORD 1980 für Kinder von drei bis sechs Jahren.

Die KES versteht sich als ein Instrument, mit dem vor allem die Prozessqualität in einer Einrichtung gemessen werden kann und auf dieser Grundlage Verbesserungen eingeleitet werden können. Die Autoren unterscheiden als drei Qualitätsbereiche die Orientierungsqualität (Ziele, Konzepte, Vorstellungen über kindliche Entwicklung), die Strukturqualität (Erzieher-Kind-Schlüssel, Raumgestaltung, Ausstattung, Aus- und Fortbildung) und die Prozessqualität (Umgang mit dem Kind, Interaktion, Einbeziehung der Familie ...).

Die Einschätzung der Qualität erfolgt in sieben Bereichen:

  • Betreuung und Pflege der Kinder,
  • Möbel und Ausstattung für Kinder,
  • sprachliche und kognitive Anregungen,
  • fein- und grobmotorische Aktivitäten,
  • kreative Aktivitäten,
  • Sozialentwicklung und
  • Erzieherinnen und Eltern.

Der Einschätzung liegen 37 Items zugrunde, sieben fließende Beurteilungsstufen kommen zur Anwendung (1 unzureichend, über 3 minimal, über 5 gut, bis zu 7 ausgezeichnet). Die Anwendung der KES durch geschulte Beobachter an einem Tag, vormittags, verlangt ein vorbereitendes Training von ca. 1 Woche. Damit soll eine objektivere Einschätzung und neutralere Beobachtung ermöglicht werden.

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