Christina Schwer
1. Einleitung
Große Teile menschlicher Kognitionen sind verbal semantische Kognitionen, denen meistens noch umfangreichere Teile nicht sprachlicher Kognitionen zugrunde liegen. Sowohl mentale Prozesse als auch erlebte Situationen können bewirken, dass sich die Struktur von sprachlichen und nicht sprachlichen Kognitionen im Verlaufe des menschlichen Lebens verändern. Die Struktur individueller Kognitionen (einschließlich sprachlicher) ist abhängig von den Erfahrungen und Inhalten aus vergangenen Situationen und Kommunikationen (Tomasello 1992b) sowie von der Fähigkeit, sensorisch und sprachlich aufgenommene Informationen zu repräsentieren und in verschiedene Modalitäten abzubilden, wobei die Abbildungsprozesse von individuellen Verarbeitungsprinzipien des Subjekts abhängen.
Menschliche Sprache ist deshalb nicht als eine formale Theorie anzusehen, z.B. im Sinne der Generativen Grammatik, die autonom existiert, sondern als Ergebnis mentaler Repräsentationen und sozialer Kommunikation (Akhtar et al. 1996; Tomasello 1992a,b, 1998a). Kognitionen und natürliche Sprache entstehen in natürlichen Interaktionen und basieren auf Kontextinformationen der Situationen, in denen sie stattfinden und durch die sie erzeugt werden (Bruner 1993).
Da die Nutzung von Sprache von zugrunde liegenden individuellen Repräsentationen bestimmt wird, ist erklärbar, dass sich Kindersprache in Inhalt und Struktur von der Sprache Erwachsener unterscheidet, aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen und differierender Informationsaufnahme- und -verarbeitungsmechanismen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich speziell die verbal semantischen Bestandteile erst nach und nach - durch die Erweiterung und durch das Ordnen des individuellen (mehrmodalen) Erfahrungsschatzes - und vermutlich parallel zum Erwerb des Sprachverständnisses und zur Verbalisierungsfähigkeit konstituieren. Daher ist anzunehmen, dass die bei Kindern mental präsenten Begriffe im Vergleich zu denen Erwachsener seltener und zu geringeren Anteilen in sprachähnlicher Form vorliegen, sondern vielmehr in den verschiedenen sinnlichen Repräsentationsmodalitäten.
2. Mentale Grundausstattung für die Entwicklung des Denkens und für den Spracherwerb
Einer Konzeptualisierung des NLP (Neurolinguistisches Programmieren, eine Psychotherapiekonzeption) folgend besteht die gesamte aktuelle und vergangene menschliche Erfahrung aus erinnerten (er) und konstruierten (k) Erfahrungsinhalten, die im Laufe des Lebens entweder aus internen (i) oder externen (e) Quellen sowohl des sensorischen Systems - d.h. durch Vision (V), Audition (A), Kinästhesie (K) und Olfaktion/ Gustation (O) - als auch durch Sprache erzeugt werden (Dilts et al. 1994). Diese Teilklassen liefern auch die strukturellen Parameter menschlicher Erfahrung. Sie lässt sich entsprechend mittels des folgenden Quadrupels darstellen (ebd., S. 39):
Kinder verhalten sich bereits, wenn sie auf die Welt kommen, relativ zu Objekten und sind in der Lage, zuerst prärationale und dann rationale Konzepte auszubilden, die auf Objekte, später auch auf (eigenes) Verhalten und dessen Eigenschaften referieren (Piaget 1975). Babys und Kleinkinder repräsentieren Merkmale von Objekten, Personen und Tätigkeiten zumeist in sensorischen Modalitäten (Piaget/ Inhelder 1972). Sie haben die Fähigkeit, durch ihre Stimme und durch nonverbale Reaktionen Informationen zu evozieren. Sie können interagieren, später auch andere Personen imitieren (Carpenter et al. 1998; Trevarthen 1979) und zunehmend intentional agieren (Piaget 1969; Piaget/ Inhelder 1972; Tomasello 1998b). Psychisch gesunde Kinder sind generell prädisponiert, Symbole zu erlernen und selbst zu kreieren, vokal-auditive Informationen schnell zu verarbeiten (Tomasello 1995) und Kategorien (im Sinne von Begriffsklassen) und Konzepte zu formieren.
3. Konzepterwerb
Der Erwerb von Konzepten ist deshalb möglich, weil Kinder in alltäglichen Interaktionen nicht mit einer Reihe ungeordneter Zufallssequenzen konfrontiert werden, sondern mit Folgen einander regulativ ähnelnder und sich wiederholender Situationen (Baldwin/ Tomasello 1998; Bruner 1977, 1993), die einer endlichen Anzahl von Situationstypen angehören (Barwise/ Perry 1987; Devlin 1993).
Konzepte sind mentale Propositionen mit unterliegender Struktur, die sich auf einzelne (also subjektiv individuierte) Objekte oder Ereignisse beziehen (Alisch 1996). Sie sind zeitlich überdauernd im Langzeitgedächtnis abgelegt (ebd., S. 176). Im Unterschied zu Worten stehen Konzepte nicht in unmittelbarer Denotationsrelation mit der Erfahrung. Konzepte müssen nicht sprachlich belegt sein. Individuelle Konzepte werden determiniert durch ihren intensionalen, extensionalen und modalen Bezug.
Inhalt erster - anfangs noch nonverbaler - Konzepte eines Kindes sind Dinge und Personen sowie Prozesse, insbesondere auffällige Zustandsveränderungen, wie "geben" und "nehmen" oder "weg" und "da" (Bruner 1993), die später mit Erwerb erster sprachlicher Ausdrücke durch Verben bezeichnet werden können. Sie sind die Grundbausteine für die weitere kognitive Entwicklung und den Spracherwerb.
Insbesondere die Untersuchung und Beschreibung der von Kindern benutzten Verben und deren zugrunde liegende Struktur eröffnet vermutlich Erkenntnisse über kognitive und sprachliche Kompetenzen eines Kindes, ohne dass linguistische Begriffe Erwachsener unbedingt zum Vergleich heran gezogen werden müssen.
4. Vokale vorsprachliche Äußerungen
Bevor Kinder Sprache erwerben, kommunizieren sie mit anderen Personen mehrere Monate lang durch Gestik und stimmlich (nicht sprachlich), sowohl im Imperativ, um Dinge zu erbitten, als auch deklarativ, um auf Dinge zu zeigen (Bates et al. 1979). Kinder erlernen es dabei sehr bald, Dinge interrogativ zu erbitten und zu deklarieren (Tomasello/ Brooks 1999). Diese Interaktionsverhaltensweisen oder -handlungen unterscheiden sich dann vor allem durch Merkmale der Intonation, Mimik und Gestik (ebd., S. 164).
Vokale vorsprachliche Äußerungen kommen meist in ähnlichen Situationen vor. Sie werden vermutlich durch spezielle Merkmale in Situationen oder durch mentale Zustände des Kleinkindes, die sich häufig auf seine Bedürfnisse (wie z.B. Hunger) beziehen, hervorgerufen.
Situationen, in denen stimmliche vorsprachliche Äußerungen erzeugt werden, sind häufig gekennzeichnet durch
- auffällige Prozesse, bei denen ein vom Kind wahrgenommener (Ist-) Zustand durch ein Ereignis verändert wird oder durch
- Handlungen oder Verhalten von Personen, und durch
- das Vorhandensein von Objekten oder/ und Personen oder/ und Tieren.
Erste sprachliche Äußerungen werden erlernt und verwendet im Kontext dieser ersten nicht sprachlichen Formen von Kommunikation (Bruner 1993).
Bei der Analyse vorsprachlicher Äußerungen ist auch zu berücksichtigen, dass viele frühe stimmliche Äußerungen von Kindern (noch) keine Wörter darstellen, weil sie nichts bezeichnen. Sie sind also vermutlich noch keine Symbole, die eine oder mehrere zugrunde liegende Repräsentationen wiedergeben (Bates 1976).
5. Einwortsätze
Ungefähr im Alter von einem Jahr, wenn Kinder beginnen, die Sprache zu nutzen, haben sie aus ihrem alltäglichen Leben bereits eine Reihe von Situationen und Prozessen - einschließlich Verhalten und Handlungen von Personen - konzeptualisiert, beispielsweise das Bewegen oder Zerbrechen von Gegenständen (Slobin 1985). Entsprechend bezeichnen Kleinkinder mit ihren Initialsprechakten in allen Sprachen der Welt meistens Dinge und/ oder Prozesse wie z.B.
- das Vorhandensein und das Nicht-Vorhandensein sowie das (Wieder-) Erscheinen von Dingen und Personen,
- das Austauschen und Besitzen von Dingen,
- das sich Bewegen und Ortsveränderungen von Personen und Objekten,
- verschiedene Veränderungen von Objekten und Personen sowie
- körperliche und mentale Aktivitäten von Personen (Brown 1973).
Besonderes Merkmal der Initialsprechakte ist es, dass sie nur aus einem Wort bestehen. Die Kinder sind also in der Lage, mit einem Wort
- Dinge und Personen zu deklarieren und zu verlangen, z.B. indem sie benannt werden, kombiniert mit einer verlangenden oder neutralen Intonation,
- das Erscheinen von Objekten oder Ereignissen zu beschreiben und zu verlangen, z.B. durch die Wörter mehr oder da,
- Geschehnisse zu beschreiben, in denen Objekte oder Personen involviert sind, z.B. durch die Wörter hoch, runter, an, aus, zu, auf,
- körperliche und mentale Aktivitäten von Personen zu bezeichnen, z.B. mit den Wörtern essen oder malen etc.,
- den Ort, an dem sich Personen oder Objekte befinden, zu beschreiben, z.B. mit den Wörtern da oder hier,
- einfache Fragen zu stellen, z.B. mit den Wörtern Was?, Weg? oder Da?,
- Objekten oder Personen Eigenschaften zuzuschreiben, z.B. mit den Wörtern groß oder schön,
- soziale Ereignisse und Situationen zu strukturieren, z.B. durch die Wörter hallo, ja oder nein (Tomasello/ Brooks 1999).
Weshalb die Initialäußerungen von Kindern zunächst Einwortäußerungen sind, ist nicht bekannt. Man könnte diesbezüglich vermuten, dass ihre Aufmerksamkeit nur auf bestimmte Ausschnitte von Situationen gerichtet ist und dass sie nur wenige Informationen in einer Situation linguistisch verarbeiten können.
5.1 Bedeutung der Substantive beim Spracherwerb und ihre Repräsentation beim Sprachgebrauch
Substantive werden von Kindern als sehr bedeutungsvoll erlebt und gebraucht. Sie sind Bestandteile von Propositionen und werden in einzelnen Äußerungen verwendet, um Objekte, Personen oder Tiere zu bezeichnen.
Etwa parallel zur Äußerung von Substantiven werden bestimmte abstrakte oder konkrete semantische Einheiten repräsentiert (Hopper/ Thompson 1984; Langacker 1987b), d.h. ein Sprecher repräsentiert zu der Äußerung eines Substantivs das bezeichnete Objekt, die Person, das Tier oder den Sachverhalt. Mit Substantiven werden Objekte, Personen, Tiere oder Sachverhalte in ebenfalls repräsentierten und/ oder repräsentierbaren Situationen bezeichnet. Dabei müssen auch einzelne Merkmale des Bezeichneten, d.h. Strukturmerkmale (Anglin 1983) und vermutlich auch variable Merkmale, repräsentiert werden, da es andernfalls nicht oder nur zufällig möglich wäre, Objekte und Personen in Situationen mit Substantiven korrekt zu bezeichnen.
Substantive müssen in einzelnen Äußerungen nicht unbedingt explizit genannt werden, sie können auch präsupponiert werden. Das ist häufig in Einwortäußerungen der Fall.
5.2 Bedeutung der Verben beim Spracherwerb und ihre Repräsentation beim Sprachgebrauch
Frühe Ein- und Zweiwortäußerungen von Kindern enthalten nicht nur Wörter, die sich auf Objekte und Personen beziehen, sondern auch solche, die auf Aktionen referieren (Barrett 1983). Aktionen bezeichnende Wörter sind in der Regel Verben.
Verben stellen sprachliche Symbole dar, die benutzt werden zur Bezeichnung von Prozessen und Ereignissen. Die Prozesse, die Verben zugrunde liegen, können aus einem oder mehreren Unterprozessen bestehen, d.h. sie können eine oder mehrere Veränderungen in Situationen beinhalten.
Im Gegensatz zu Objekt- und Personenkonzepten, die mit Substantiven bezeichnet werden, verfügen Verbkonzepte über eine temporale Dimension (Langacker 1987a; McShane et al. 1986). Das Verb "geben" bezeichnet beispielsweise einen Prozess, der eine spezifische Veränderung in Situationen beinhaltet, in den wenigstens drei Referenzobjekte bzw. -subjekte involviert sind, (1) eine Person, die gibt, (2) die annehmende Person und (3) der Gegenstand, der gegeben wird.
Konzepte, die sowohl auf Objekte als auch auf Ereignisse referieren, müssen zum Zweck des Spracherwerbs und -verstehens als Invariante aus alltäglichen Interaktionskontexten, in die das Kind involviert ist, extrahiert werden (Tomasello 1992a, S. 12).
Die strukturelle Spezifik von Verben gilt ebenso als invariant, d.h. die situationsspezifischen Veränderungen, die beispielsweise dem Verb "geben" zugrunde liegen, und die Bestandteile dieser Situationen werden von Nutzern eines Verbs (z.B. von "geben") voraus gesetzt oder präsupponiert. Andernfalls wäre das Erkennen und korrekte Bezeichnen eines Prozesses, der "geben" entspricht, nicht möglich.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Wortverwendung durch Erwachsene für korrekte Wortverwendungen durch Kinder, die Sprache erlernen, relevant ist (Huttenlocher et al. 1983b; Tomasello 1992a; Tomasello/ Brooks 1999; Tomasello et al. 1997). Korrekte Wortverwendungen Erwachsener erleichtern Kindern vermutlich u.a. das Identifizieren, Wiedererkennen und Bezeichnen invarianter Konzeptmerkmale. Erwähnenswert ist außerdem, dass das Verstehen von Verben, die spezifische Aktionen bezeichnen, sich bei allen Kindern in ähnlicher Weise entwickelt (Huttenlocher et al. 1983a).
Die Situationen, die Verben zugrunde liegen, sind Bestandteil der Bedeutung eines Verbs und stellen eine Art Rahmen dar, der als Voraussetzung für die Bildung umfangreicherer linguistischer Strukturen (z.B. von Zwei- und Mehrwortsätzen) angesehen werden kann (Tomasello 1992a). Die Bedeutung, die Verben in Situationen zugrunde liegt, determiniert zu einem großen Teil die grammatische Struktur einer Sprache (ebd., S. 6). Viele grammatische Regeln ergeben sich aus den spezifischen strukturellen Merkmalen von Prozessen (die mit Verben bezeichnet werden).
6. Wortkombinationen
Die meisten sprachlichen Äußerungen, die Kinder in alltäglichen Situationen hören, bestehen aus mehreren Wörtern. Daher verwenden Kinder auch bald Zwei- und Mehrwortäußerungen. Die Inhalte erster Wortkombinationen ähneln dabei denen von Einwortäußerungen. Sie bezeichnen im Einzelnen:
- das Vorhandensein, das Verschwinden und Wiedererscheinen von Objekten und Personen,
- das Austauschen und Besitzen,
- Bewegung und Ortsveränderung sowie
- Identifikationen (Tomasello/ Brooks 1999).
Erste Wortkombinationen erscheinen bei Kindern vieler verschiedener Weltsprachen ungefähr im Alter von 18 Monaten (Tomasello/ Brooks 1999, S. 167). Sie weisen folgende Merkmale auf (Braine 1976):
- Verschiedene Worte bezeichnen gewöhnlich verschiedene Komponenten einer Szene. Beispielsweise bezeichnet die Äußerung "mehr Saft" beides, das Ereignis und das Objekt, das involviert ist.
- Ein Ereigniswort wird mit zahlreichen unterschiedlichen Objektbezeichnungen benutzt (z.B. mehr Saft, mehr Milch ... etc.).
- Es existiert ein konsistentes Ordnungsmuster für Ereigniswort und Objektbezeichnung.
Wenn Kinder Zwei- und Mehrwortäußerungen sinnvoll verwenden können, dann sind sie in der Lage, verschiedene Details in Situationen zu erkennen und zu benennen (in Abhängigkeit von der Wortanzahl in ihren Äußerungen). Tomasello und Kolleg/innen zeigen, dass Kinder dazu Kommunikation mit anderen Personen benötigen, denn sie müssen zuvor erfahren haben, mit welchen linguistischen Details eine Szene zu beschreiben ist (Tomasello et al. 1997).
Tomasello fand in Studien zum Spracherwerb seiner Töchter heraus, dass frühe Mehrwortäußerungen während des zweiten Lebensjahres spezifische, häufig wiederkehrende, Verben oder prädikative Terme enthalten (Tomasello 1992a). Diese Beobachtung führte zur so genannten Verb Island Hypothese, weil jedes dieser Verben als eine Art Insel erscheint, d.h. als eine organisierte Komponente, in einem ansonsten unorganisierten Sprachsystem.
7. Grammatische Formen
Während des zweiten Lebensjahres beginnen (zumindest englischsprachige) Kinder auf der Basis ihrer Einwortäußerungen und Wortkombinationen umfassender über Ereignisse und involvierte Objekte und Personen zu sprechen, manchmal sogar aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Ereignis (Tomasello/ Brooks 1999). Verbbedeutungen bezeichnen nämlich nicht einfach nur Ereignisse, sondern offenbaren auch die Perspektive des Sprechers im Bezug zu Ereignissen (Fisher et al. 1994; Slobin 1985). Beispielsweise bezeichnen die Wörter "geben" und "nehmen" zwar nur ein Ereignis, aber unterschiedliche Perspektiven auf dasselbe. Sprecher können zur Beschreibung von Ereignissen meist eine Perspektive unter mehreren wählen. Die individuelle Wahl bestimmt dann syntaktische Merkmale einer Äußerung und charakterisiert die zugrunde liegende (individuelle) Bedeutung, die sich aus mehrmodalen Informationen zusammen setzt. Jene Informationen, die zu Verben repräsentiert werden, spielen daher eine wichtige Rolle bei der Interpretation von Äußerungen (siehe z.B. Fisher 1996; Tomasello 1992a).
Neben der Fähigkeit zur Perspektivenwahl lernen Kinder syntaktische Symbole zu nutzen, z.B. Morphologie, Wortfolge und Präpositionen, um die Rolle der in Ereignisse involvierten Personen und Objekte noch näher zu beschreiben (Tomasello/ Brooks 1999). Im Alter von 23 Monaten verstehen Kinder, dass Substantiven - die sie bereits einige Zeit in ihren Einwortäußerungen oder in Wortkombinationen als Präsupposition oder sogar als Worte verwenden - beim Sprachgebrauch eine syntaktische Funktion zukommt (Tomasello/ Olguin 1993), d.h. sie wissen, mit welchen Wörtern man neue Substantive kombinieren kann. Dies ermöglicht es ihnen, neue Sätze zu bilden, indem einfach Objektbezeichnungen ausgetauscht werden.
Alle Satzkonstruktionen haben gemeinsam, dass sie auf einer individuellen Verbbasis beruhen. Bemerkenswert ist jedoch, dass Kinder im Alter von 25 Monaten Verben noch nicht als syntaktische Einheit auffassen (Olguin/ Tomasello 1993), d.h. dass sie in diesem Alter in der Regel noch nicht genau wissen, welche Worte sie zu (neuen) Verben kombinieren können.
Durch Erweiterung ihrer Verb Island-Konstruktionen versetzen sich die Kinder in ihrem zweiten und dritten Lebensjahr in die Lage, über mehr und mehr Szenen in immer differenzierterer Weise sprechen zu können. Da viele Äußerungen Erwachsener ebenfalls einzelne häufig vorkommende Wörter beinhalten, erlernen Kinder wortspezifische Konstruktionen, die wiederum verschiedene Konstruktionsleerstellen enthalten können, die in späteren Situationen konstruktiv ausgefüllt werden können, z.B. indem einfach Objektbezeichnungen ausgetauscht werden.
So kommt es, dass sich die Sprachkompetenz von 3- bis 5-jährigen Kindern deutlich über die ihrer Verb Island-Konstruktionen hinaus entwickeln kann und dass sie in diesem Alter zu deutlich komplizierteren linguistischen Konstruktionen in der Lage sind (Tomasello 1992a; Tomasello/ Brooks 1999) als im Verlaufe ihrer voraus gegangenen Entwicklung.
Es ist zu resümieren, dass Sequenzen gesprochener Ausdrücke durch semantische und grammatische Merkmale determiniert werden. Slobin (1982) zufolge können kognitive Voraussetzungen für den Erwerb sowohl sprachlicher Bedeutungen als auch grammatischer Formen unterschieden werden. Ein Kind wird verbale Bezeichnungen und deren Bedeutung vorzugsweise dann aus Interaktionen extrahieren, wenn es in der Grammatik der zu erwerbenden Sprache bereits Relationen zwischen ihnen erworben hat sowie Merkmale sprachlicher Formen analysieren und voneinander unterscheiden kann. Allerdings treten auch Rückwirkungen der grammatischen auf die semantische Sprachnutzung auf, denn schon Zweijährige können syntaktische und morphologische Informationen nutzen, um die Bedeutung neuer Wörter zu erschließen (Markman/ Hutchinson 1984).
Der Erwerb von Sprache ist Voraussetzung für die Entwicklung Subjektiver Theorien. Wichtige Bestandteile Subjektiver Theorien sind verbal semantische Einheiten und grammatische Relationen, die inhaltliche und strukturelle Merkmale Subjektiver Theorien determinieren.
Anmerkung
Der Text ist ein Auszug aus der Dissertation: Schwer, Christina (2002): Zur Rekonstruktion des Freundschaftsverständnisses von Kindern als Subjektive Theorie. Dresden: Technische Universität Dresden (elektronisch verfügbar unter: www.gbv.de oder unter http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/dissts/Dresden/Schwer2002.pdf).
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