Aus: Integrative Therapie 1998, 3-4, S. 396-438
Liselotte Müller und Hilarion G. Petzold
0. Einleitung - Projektive und semiprojektive Verfahren in der Integrativen Therapie
In der Therapie von Kindern und mehr noch der von Jugendlichen stellt sich das Problem einer angemessenen, umfassenden und aussagestarken Diagnostik in besonderer Weise, weil es an Instrumenten fehlt, die für die unterschiedlichen Altersstufen von Kindern und Jugendlichen auf solider entwicklungspsychologischer Grundlage erarbeitet und durch Forschung abgesichert wurden. Dies liegt nicht zuletzt an der ohnehin nicht so guten Forschungslage für die Diagnostik und Therapie von Kinder- und Jugendlichen (Petzold, Märtens 1995a,b), vergleicht man sie mit der Situation in der Erwachsenenpsychotherapie, und es liegt natürlich auch an den besonderen forschungsmethodischen Schwierigkeiten gerade in der Arbeit mit jüngeren Kindern (Grad der kognitiven Entwicklung, der Introspektions- und Verbalisierungsfähigkeit etc.) und ihren relevanten sozioökologischen Kontexten, die jeweils berücksichtigt und in der Regel konkret einbezogen werden müssen. Erwachsene Therapeuten stehen ohnehin vor dem Problem, das "kindliche Seelenleben" einfühlen zu müssen, in "Kinderländer" einzutreten, die sie schon lange hinter sich gelassen haben. Diese sind zwar mit ihren eignen "archaischen Persönlichkeitsschemata" in den Archiven des autobiographischen Gedächtnisses (Conway 1990) der TherapeutInnen aufgehoben, aber sie sind oft nicht vollauf zugänglich. Darüber hinaus sind die Kinderwelten der fünfziger und sechziger Jahre von anderer Art als die der achtziger und neunziger, so daß die eigene Kindheitserfahrung der TherapeutInnen, die Erinnerung an das eigene Erleben als Jugendlicher keine allzu verläßliche Leitlinie für die Empathie und das Wahrnehmen, Erfassen, Verstehen und Erklären (Petzold 1988a,b) der sozioökologischen Lebenswelten des Kindes sind, d.h. für ein integratives, gemeinsam mit dem Kind Sinn und Bedeutungen schöpfendes hermeneutisches Durchdringen seines erlebten Kontextes und Kontinuums und der von ihm darüber gebildeten alterspezifischen "subjektiven Theorien" nebst ihren Rückbindungen an die "kollektive Kognitionen" der kindlichen social world (= Werte, Normen, Weltsichten, Moden, Idole, Erlebnisweisen der relevanten altersspezifischen Bezugsgruppe, vgl. Petzold 1995a). Weil die erwachsenen Therapeutinnen und Therapeuten wohl schon immer in einer gewissen Verstehensnot der kindlichen Erlebniswelt gegenüber waren, hatten und haben die Werke von Zulliger, Bettelheim, Winnicott u.a. ihre große Popularität, weil sie diese Welt erwachsenen Lesern verständlich machen (zumindest glauben viele dieser Leser, dadurch Kinder und Kinderwelten besser zu verstehen, obwohl es in den Büchern dieser Autoren doch die Welten von Kindern vor vierzig, fünfzig oder mehr Jahren sind, in denen es weder Sesamstraße, Vanessa, die Freundin der Geister, noch die Masters of the Universe, Skeletor, Hein Blöd oder Tamagotchis gab, von Surfen im Internet einmal ganz zu schweigen).Um dieses Wissens- und Erlebensdefizit über "Kinderländer" zu füllen, reichten psychometrische Testverfahren nicht aus. Der HAWIK, der Test von Kramer, der - mit welchem objektiven, validen und reliablen Instrument auch immer - sorgfältig gemessene IQ sagt nichts über die Lebenswelt von Kindern aus, über ihr Erleben dieser Welt, d.h. über ihre Gefühle, Konflikte, unbewußten Antriebe und Motive. Für diese Situation boten sich die "projektiven Verfahren" an, besonders jene, die eine szenische Qualität hatten, und das, was Moreno (1909, 1959, vgl. Leutz 1967) in vivo inszenierte, im Psychodrama (Petzold 1972a) aufstellen und spielen ließ, in das standardisierte oder halbstandardisierte Material von Tests oder Testsituationen brachten. Die projektiven Verfahren stellten Erwachsenen und das Kind in einen gemeinsamen szenischen Raum, sei er nun symbolisch - wie bei der "Familie in Tieren" - oder episodisch in Form einer Bildgeschichte mit spezifischen, diagnostisch relevanten Themen (zumindest nach Auffassung der Erwachsenen relevant) - wie beim C.A.T. - oder sei er eine mit vorgegebenen Materialien in konkretistischer und symbolischer Art gestalteten Szene, wie beim Scenotest (von Staabs 1964), der realitätsbezogene Elemente (Auto, Baum, Kuh etc.) und Figuren (Baby, Vater, Mutter, Großmutter etc.), neutrale Materialien (Klötzchen) und Symbolmaterialien (Engelchen, Krokodil etc.) enthält. Der Sceno ermöglicht damit das Aufstellen von Realszenen aus dem Lebensalltag des Kindes und seiner Familie - der Therapeut kann damit sozusagen in das Wohnzimmer der Familie seines kleinen Patienten schauen (Hellinger 1995 bringt gegenüber Moreno oder von Staabs gar nicht so viel Neues). Der Sceno bietet aber auch Raum für das Herstellen von Symbolszenen durch Märchen- und Phantasiefiguren mit projektivem Aussagegehalt, und er ermöglicht schließlich das, was wir als semireale Szenen bezeichnen, ein semiprojektives Geschehen, in dem sich die Welt der Realität und der Phantasie, der Wirklichkeitsraum und der phantasmatische Raum vermischen bzw. durchmischen: das Kind baut die elterliche Küche mit den vorhandenen Materialien und Figuren (Vater, Mutter, Baby, sich selbst) recht realistisch auf stellt aber das Krokodil neben das Baby und setzt sich auf das Kuschelfell. Es konnotiert damit symbolisch bewußte und unbewußte Bedürfnisse und Motive. Diese Möglichkeit der von uns als semiprojektive Verfahren bezeichneten Ansätze, die emotionalen, die bewußten, die vor-, mit- oder unbewußten Konnotierungen (Petzold 1988a, b; Orth 1994) von realen Konstellationen aus dem Leben von Menschen zu erschließen, sind für die Integrative Therapie mit Erwachsenen und Kindern seit ihren Anfängen zentral gewesen. Die semiprojektive diagnostische und therapeutische Arbeit mit Puppen, Tonfiguren, Familienaufstellungen, mit dem Szeno und vielen "kreativen Medien" - Petzold (1965, 1968c, 1977c) führte diesen Begriff, das Konzept und die dazugehörige Praxeologie ein - gehört zum Kernbestand des Integrativen Ansatzes, denn hier findet sich eine methodenübergreifende Qualität von Theorie und Praxis, die psychoanalytisch-interpretatives Durcharbeiten, humanistisch-psychologische Wachstumsorientierung und behaviorale Handlungspragmatik verbindet (Petzold, Osterhues 1972), die sinnstiftende Auslegung (tiefenhermeneutische Dimension, Freud), Bedeutungen schaffende Überschau (Breitenhermeneutik, Merleau-Ponty) sowie Veränderung anstrebende Umgestaltung durch konkretes gemeinsames Tun ermöglicht (konsensgeleitete, kompetenz- und performanzorientierte Handlungstheorie und -praxis, Petzold 1991e). In der Integrativen Therapie wurde eine Fülle von semiprojektiven Verfahren für Diagnostik und Therapie entwickelt: Lebens- und Krankheitspanorama, Körper- und Souveränitätsbilder, Netzwerk- und Identitätsdiagramme (Petzold, Orth 1993,1994, 1998), Mapping- und Chartingansätze (idem 1998a) für das Erfassen der Situation von Einzelpersonen und Gruppen mit ihren Kontexten. Vor diesem kurz umrissenen Hintergrund soll die Erörterung der Möglichkeiten und Grenzen projektiver Verfahren für die Kinder- und Jugendlichentherapie stehen, Überlegungen, die nicht nur für den Kontext des Integrativen Ansatzes von Nutzen sein werden.
1. Projektive Verfahren, Projektion, intuitives Arbeiten
Obwohl die sogenannten "projektiven Verfahren" auf uneinheitlichem und teilweise sehr vagem theoretischen Untergrund stehen und ihre wissenschaftliche Relevanz seit langem und mit guten Gründen heftig in Zweifel gezogen wird, erfreuen sie sich bei klinischen Praktikern besonders in der Diagnostik für psychotherapeutische Maßnahmen nach wie vor großer Beliebtheit. Die Kritik der "Gegner" beginnt bei der unklaren Verwendung des Begriffes der "Projektion" (vgl. dazu Hörmann 1964, 1982; Rauchfleisch 1980), und endet bei den unbefriedigenden oder fehlenden Ergebnissen zu den klassischen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität oder gar bei der These, es seien bei normalen Versuchspersonen die gleichen diagnostischen Aufschlüsse durch direkte Befragung schneller zu erhalten als durch projektive Verfahren (Allport 1953). Aber gerade auch im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -therapie und der Schulpsychologie werden diese Verfahren von Praktikern weiterhin als diagnostisch relevant empfohlen (Klosinksi 1988), obwohl sie in seriösen Fachbüchern nur am Rande in Erscheinung treten (Borchert et al. 1991) und ihnen auch im Rahmen von Begutachtungen nur eingeschränkte Gültigkeit zugesprochen wird (Lempp 1980). Den projektiven Verfahren ist offenbar etwas zu eigen, das dieser ungünstigen empirischen Grundlage trotzt und sie weiterhin attraktiv bleiben läßt. Dabei muß auf eine begriffliche Unschärfe verwiesen werden: Der Begriff "projektive Verfahren" greift weiter als der des "projektiven Tests". Der Terminus "Test" stellt einen stärkeren Bezug zur psychologischen Testtheorie, zu Konzepten wie Standardisierung und Gütekriterien her, die in sehr unterschiedlicher Weise gegeben sind. Projektive Verfahren - z.B. das "Sandkastenspiel" - stehen näher an therapeutischen Vorgehensweisen mit geringerem Standardisierungsgrad. Die Unterschiede sind demnach graduell, und die theoretische Basis ist dieselbe: das Theorem eines psychodynamisch organisierten Unbewußten und ein konfliktpsychologisch ausgerichtetes Verständnis der Person, womit eine hermeneutische bzw. tiefenhermeneutische Zugehensweise in jedem Fall erforderlich ist. Eine systematischere Ausarbeitung dieses Zugangs könnte weiterführen, denn die Beurteilung und Disqualifikation der "projektiven Tests und Verfahren" nach testtheoretischen Kriterien bringt wohl keine neuen Erkenntnisse mehr. Andere Perspektiven sind erforderlich. Die Perspektive der Integrativen Therapie (Petzold 1992a) hat, wie einleitend dargelegt, sich für eine Favorisierung semiprojektiver Verfahren bei bestimmten diagnostischen Fragestellungen entschieden. Sie setzt projektive Tests und Ansätze mit der Zielsetzung der Realitätserhellung ein, um unbewußte, motivationale und emotionale Dimensionen erschließende projektive Aspekte in Diagnostik und Therapie einzubringen, um aus den Phänomenen ihrer Gestalt bzw. Form (Petzold 1990b) zu Inhalten als in Form gegossenem Gehalt zu kommen. Diese Aspekte waren einerseits mit dem Begriff der "kreativen Medien" und mit dem Kreativitätstraining, mit Kokreativität und Konflux verbunden (Petzold 1965, 1977c; Sieper 1971, Petzold, Orth 1997), zum anderen mit dem Konzept der "komplexen katathymen Imagination" (Petzold 1971c, 1972e, f; Katz-Bernstein 1990), einer Methode des Imaginierens, die das visualisierende Moment übersteigt und auch olfaktorische, gustatorische, kinästhetische, auditive Imaginationen, polyästhetische und synästhestische Phänomene (Petzold 1988n, 196; Petzold, Orth 1998) einschließt und damit den ursprünglichen Ansatz von Leuner (1970) schon früh überschritten hat. Petzold (1971k, 9) formuliert:
"Projektionen - oder besser 'projektive Prozesse' - sind eine kreative Möglichkeit des Menschen, verstanden als personales System (vgl. zum Systembegriff Luhmann 1968), die von ihm aus dem Außensystem Welt aufgenommene, d.h. nach 'innen' hinzugenommene Informationen wieder nach 'außen' zu bringen. Zum Beispiel werden Wissen und persönliche Erfahrungen in ihrer bewußten, mitbewußten (Rohracher)oder auch unbewußten (Freud) Form wieder externalisiert, in die Welt zu anderen personalen Systemen (Zuhörern, Zuschauern) gebracht, nachdem sie durch Gedächtnisinhalte angereichert und durch mentale Verarbeitungsprozesse transformiert wurden: vermittels Sprache, bildlicher Darstellungen oder anderer kreativer bzw. künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten, in medialer oder intermedialer Gestaltung und Formgebung. Projektionen werden oftmals durch Außenimpulse, aber auch durch innere Auseinandersetzungsprozesse angestoßen, die durch eine konflikthafte Struktur, diffuse Qualität, durch unklare, vage Informationen, Ungelöstheit bei Problemlagen, Aufforderungscharakter bei Aufgaben usw. in den zerebralen Verarbeitungsprozessen (processing) Ergänzungen, Amplifikationen oder schöpferische Neugestaltungen anregen, die dann auch Ausdruck finden. Projektionen sind deshalb keineswegs nur oder überwiegend als psychopathologische Phänomene oder als Abwehrmechanismen zu sehen (sie sind dies in Sonderfällen, z.B. bei der Überforderung der Problemlösungskapazität des Subjekts), sondern als gesunde Möglichkeiten der Aufgabenbewältigung, des Gestaltungspotentials, der Informationsverarbeitungsleistung von Menschen, als Artikulation emotionaler und mentaler Verarbeitungsprozesse, Ausdruck persönlicher Kreativität bzw. Kokreativität (wenn mehrere Personen daran beteiligt sind) . Ohne projektive Prozesse wäre künstlerisches Tun, wären Kunst und Kulturarbeit nicht möglich."
Damit ist ein Verständnis von Projektion umrissen, das imaginative Prozesse der Phantasie oder schöpferische Prozesse medialer bzw. intermedialer Arbeit in der ganzen Breite von bewußten und unbewußten Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Ausdrucksmöglichkeiten (vgl. Petzold, Orth 1990) einbezieht. Die "Kreativmedien" (z.B. Farben, Ton; Collagematerialien) werden, wie Petzold (1977c) in seiner Medientheorie ausführt, zu Trägern von durch den Gestalter intendierten und nichtintendierten - d.h. mitbewußten, vorbewußten, unbewußten (idem 1988 a, b) Informationen, die dann in der Betrachtung durch den Gestalter und den Therapeuten ko-respondierend in gemeinsamer Wahrnehmungs- und Interpretationsarbeit erschlossen werden. Das Anfertigen diagnostisch relevanter Bilder oder Zeichnungen mit thematischer Vorgabe wie "Lebenspanoramen", "Netzwerkdiagramme", "Identitätsbilder" oder "Body Charts" (Petzold, Orth 1991a, 1993a; 1994) ist deshalb immer darauf gerichtet, bewußt zugängliche, mit der Themenstellung verbundene Informationen zu erheben (z.B. über das Netzwerk oder den Lebensweg), aber eben auch unbewußte, durch Formen und Farben im Prozeß des Gestaltens "eingeflossene" Informationen als Botschaften des Gestalters "von sich, über sich, an sich, für sich und - im Beziehungs- und Übertragungskontext - an andere, z.B. den Gruppenleiter" (idem 1971k). Im Unterschied zu standardisierten Vorgaben projektiver Tests, die etwa mit festen Bildtafeln arbeiten, ist nur die Aufgabenstellung und ggf. Aufgabenmodalität standardisiert, z.B. bei Netzwerkdiagrammen: "Malen Sie Ihr soziales Netzwerk, die nahestehenden Personen (Verwandte und enge FreundInnen) in eine Kernzone, Bekannte und KollegInnen in eine mittlere Zone, oberflächliche oder unbedeutende Bekanntschaften in eine Randzone!" (vgl. Petzold, Orth 1994). Die Gestaltungsfreiräume sind damit sehr breit, ähnlich wie im Szenotest, wo nur das Material (Figuren, Gegenstände) standardisiert ist und sein Arrangement in den Händen des Patienten liegt (von Staabs 1948; Ermert 1997). Damit wird, besonders wenn man nicht nur die Ergebnisse oder Produkte betrachtet sondern auch die Gestaltungsprozesse eine Fülle von Material vom Patienten "produziert", "projiziert" , in Form gebracht - also sichtbar, wahrnehmbar etwa als nonverbaler Ausdruck in Mimik und Gestik, in der Wahl von Figuren und Farben, in der Aktivität und Intensität bei Gestaltungsvorgängen etc. -, daß dem "intuitiven Erfassen" des Therapeuten bzw. der Therapeutin eine Palette von Eindrücken zur Verfügung steht, die diagnostisch und therapeutisch ausgewertet werden kann. Projektive Verfahren mit einer so geringen Strukturiertheit und Aktionspotentialen wie Szeno (Zierl 1983), Puppenbord (Petzold 1983), Masken (Sommer 1991), Sandkastenarbeit (Kalf 1996) erfreuen sich wahrscheinlich deshalb einer so großem Beliebtheit bei den PraktikerInnen in der Therapie, weil sie Prozesse des "Wahrnehmens, Erfassens, Verstehens und Erklärens" (Petzold 1988a,b) ermöglichen, die der therapeutischen Arbeit und der in ihr ablaufenden permanenten "prozessualen Diagnostik" (Petzold, Osten 1998), einem weitgehend als "intuitiv" klassifizierten Geschehen "atmosphärischen Erfassens und szenischen Verstehens" (Petzold 1965, 1992a, 711; Lorenzer 1970), besonders nahekommen. Sie stehen damit auf einem tiefenhermeneutischen Boden (Freud, Lorenzer, Ricoeur u.a.), einem Ansatz, bei dem es um das Entschlüsseln unbewußter Prozesse, das Ausloten einer Tiefe, die Exploration eines Untergrundes geht und in einer breitenhermeneutischen Tradition (Merleau-Ponty, Dreyfus), die kontextuelle Bedingungsgefüge, Hintergründe und Horizonte zu begreifen sucht. Die Integrative Therapie hat beide Sichtweisen im Modell der "hermeneutischen Spiral" - wahrnehmen, erfassen, verstehen, erklären - und ihrer Theorie eines "polyvalenten Unbewußten" (Petzold 1988a,b) verbunden.
Das neue Interesse am Szenotest (Ermert 1997), an der projektiven Märchenarbeit (Coulacdlou 1996) und an der diagnostisch-therapeutischen Sandspielarbeit (Ammann 1989), an tiefenhermeneutischen Betrachtungen in der Therapie und an intuitiven, empathischen Prozessen könnte - neben einer Intensivierung der Theorienbildung und Forschungsarbeit zu qualitativen Ansätzen - einen neuen Zugang zu den projektiven Verfahren eröffnen, dies aber nur, wenn der Begriff "intuitiv" nicht als ein nebulöses Erklärungskonzept verwendet wird, um eigentlich Unerklärliches zu umschreiben, sondern als Konzept mit einer Anschlußfähigkeit an moderne psychologische Theorien eines neurowissenschaftlich aufgefaßten "Unbewußten" (Perrig et al. 1993). In einem solchen Rahmen hat in der Integrativen Therapie Petzold "Intuition" wie folgt definiert:
"Intuition ist das Zusammenwirken eines genetisch disponierten Verhaltensprogrammes mit aktualer, subliminaler und supraliminaler sozialer Wahrnehmung und ihrer mnestischen Resonanz aufgrund vorgängiger Erfahrung und antizipierender Entwürfe"(Petzold 1993a, 1181).
Verbindet man diese Definition mit der zuvor aufgeführten des "projektiven Prozesses", wird damit eine solide theoretische Grundlage für die Erklärung der (durchaus unterschiedlichen) Brauchbarkeit projektiver Tests für die therapie- und beratungsbezogene Diagnostik gegeben, wie Petzold (1971k, 9) ausführt:
"Intuitive und projektive Prozesse greifen in der Realitätsbetrachtung oft ineinander. Erlebnis-, Erfahrungs- und Wissensbestände werden durch unsere mentalen Prozesse so vielfältig konnektiviert, daß sie - das real Gegebne überschreitend - zu Visionen von Wirklichkeit werden, Prospektionen möglich machen, ein ganzheitliches und zugleich differentielles Erfassen von psychischen und sozialen Realitäten, das retrospektive Memoration, aspektive Gegenwartswahrnehmung und prospektive Antizipationen verbindet."
Projektive Tests, ganz gleich ob sie in der Arbeit mit Kindern oder Erwachsenen, Jugendlichen oder alten Menschen angewandt werden, sind unter einer solchen Sicht differenzierende Momente in der Gesamtbetrachtung eines Patienten in einem spezifischen Kontext, dem der explorativen, diagnostischen und therapeutischen Arbeit, in einer Situation, in der der Diagnostiker/Therapeut eine wichtige Größe darstellt. Aufgrund des in solchen Situationen vielfältigen beobachtbaren Materials, das der Patient zeigt und für das der Therapeut erfahrungsgegründete Interpretationsmöglichkeiten bereit haben muß, Material, das aber auch der Therapeut in seinen inneren und ggf. auch äußeren, von ihm wahrgenommenen Reaktionen empathischer Resonanz (Gegenübertragung) selbst zeigt, kommt es zu "intuitiven" diagnostischen Einschätzungen. Diese können durchaus eine hohe Stimmigkeit haben, wenn der Diagnostiker/Therapeut dicht an den durch die Phänomenwahrnehmung gegebenen Informationen bleibt und die Informationsvermittlung durch hermeneutische Interpretationsarbeit nicht durch phänomenferne Theoreme (etwa basaler psychoanalytischer Ausrichtung) überformt wird, was oft eine Verformung der Wirklichkeit des Patienten zur Folge hat. Vermieden werden kann das durch die partnerschaftliche Einbeziehung (Gröbelbaur, Petzold, Gschwend 1998) des Patienten in die Interpretationsarbeit, die damit auch die "Sinnerfassungskapazität" stützt, d. h. seine Möglichkeit, auch außerhalb der Therapie Situationen und sich selbst in diesen zu differenzieren und einzuschätzen. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen aus dem Fundus der Integrativen Therapie sollte die Verwendung projektiver Verfahren bzw. projektiver Tests in Diagnostik und Therapeutik des Integrativen Ansatzes gesehen, geprüft und für die konkrete Situation entschieden werden.
2. Zum Stellenwert der projektiven Verfahren in der Psychodiagnostik
Die Entstehung und Entwicklung von psychodiagnostischen Testverfahren entspringt einem allgemeinen, offenbar genetisch disponierten Bedürfnis des Menschen nach Ordnungsstrukturen (vgl. Linné und Darwin). Bei einer psychosozialen Perspektive und Interessenlage kann es u.a. um Zuordnung von Individuen zu "sozialen Orten" (Schmid 1978), zu Bildungsinstitutionen (Binet), zu geeigneten Arbeitsplätzen (Münsterberg) gehen oder im Falle einer klinischen Perspektive um Zuordnung zu Diagnosen, Persönlichkeitsstrukturen und -merkmalen (Bohm). Einige Forschergruppen versuchten konsequent, die menschlichen Persönlichkeitsmerkmale quantitativ zu erfassen, größtmögliche Objektivität anzustreben. Es wurden in der Folge vor allem Fähigkeitstests entwickelt (Intelligenztests; Schuleignungstest, Sprachtests, Aufmerksamkeitstests usw.), Entwicklungstests (zur Prüfung sensorischer, motorischer und anderer Funktionen) und Persönlichkeitstest, viele in Form von standardisierten Fragebögen. Gleichzeitig wurden aber auch die "projektiven Verfahren" entwickelt, welche zu einem Teil als eine Art "Gegenbewegung" zu den objektiven und objektivierenden Tests im quantifizierenden, nomothetischen Paradigma verstanden werden können (Walter 1978), denn an jenen wurde bemängelt, sie berücksichtigten die qualitative Seite des diagnostischen Prozesses zu wenig. Die formalisierte und standardisierte Testsituation lasse die Interaktion zwischen Diagnostiker und Proband gar nicht mehr zu, ohne extrem einseitig werden, indem die Testperson völlig objektiviert werde. Die projektiven Verfahren suchten - zumindest vom Anspruch her - einen anderen Zugang. Ob dieser letztlich weniger "objektivierend" ist, darf aber bezweifelt werden, besonders wenn die "Deutungsmacht" (Pohlen, Bautz-Holzherr 1994) alleinig in den Händen der Diagnostiker/Therapeuten liegt, die "das Unbewußte des Patienten" explorieren. Freud hat hier deutlich den Machtanspruch und eine machtvolle Praxis für den Psychoanalytiker formuliert: Der Patient muß sein Unbewußtes preisgeben, "denn wir wollen von ihm nicht nur hören, was er weiß und vor anderen verbirgt, sondern er soll uns auch erzählen, was er nicht weiß" (Freud 1940,413). Im Integrativen Ansatz wird das projektive Material ko-respondierend ausgelegt in einem Prozeß gemeinschaftlicher Hermeneutik (Petzold 1988a,b) und erfordert einen anderen Zugang zur Anwendung projektiver Tests, der interaktionaler ausgerichtet ist als dies vielfach geschieht.
Inspiriert durch die Entwicklung der Psychoanalyse, die sich an die Erforschung des Unbewußten machte, wurden in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts viele Verfahren entwickelt, deren Absicht es war, bei den Probanden Gefühle, Vorlieben, Abneigungen, unbewußte Konflikte und Triebregungen zu eruieren, um so Aufschluß über bestimmte Persönlichkeitszüge und die charakteristische Persönlichkeitsstruktur zu erhalten. Mit ihrer wachsenden Beliebtheit und ihrer boomhaften Ausbreitung vor allem in den 50er Jahren (Bell 1948; Frank 1948; Anderson, Anderson 1951) wuchs aber auch die Kritik (z.B. Eysenck 1955). Trotz Bemühungen um Validitätsnachweise hielten die meisten Verfahren einer kritischen Betrachtung anhand wissenschaftlicher Kriterien nicht stand, was ihren Stellenwert in der Psychodiagnostik im weiteren wesentlich beeinflußte. Dort wo sie nicht gänzlich aus den Testbatterien gestrichen wurden, hatten sie sich einzureihen als nicht ganz ernst zu nehmende Verfahren, die aber als Ergänzung zu anderen Testergebnissen doch recht nützliche Hinweise geben, bestehende Hypothesen bestätigen oder neue Hypothesen generieren konnten. Daß die Testergebnisse nie für sich allein gedeutet werden dürfen, sondern immer mit Zusatzinformation aus anderen Quellen in Zusammenhang gebracht werden müssen, war schon lange klar, mußte und ums aber immer wieder betont werden. Das hat nun wohl wieder mit dem oben genannten Zuordnungsbedürfnis zu tun, das uns dazu neigen läßt, die Dinge zu vereinfachen, etwa einer bestimmten Punktzahl im Test auch gleich eine Diagnose, eine Störung zuzuordnen. Der adäquat ausgebildete Anwender müsset sich allerdings vor voreiligen Urteilen zu schützen wissen.
So haben die projektiven Verfahren in der Psychodiagnostik vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen nur ein Mauerblümchen-Dasein. Die Praxis sieht jedoch etwas anders aus. In einer Umfrage von Grubitzsch und Rexilius (1978) zur Verwendung von psychologischen Testverfahren, wurden von den befragten Psychologen unter den 25 meistverwendeten Tests bereits an 6. und 7. Stelle ein projektives Verfahren genannt: Der Thematische Apperzeptions-Test (6.) und der Rorschach-Test (7.). Weitere häufig verwendete projektive Verfahren waren der Picture-Frustration-Test (10. Stelle), der Scenotest (14.), der Baum-Test (18.) und der Children Apperception Test (19.). Der Wartegg-Zeichen-Test und "Familie in Tieren" folgten auf den Plätzen 26 und 27. Dies mag ein Bild von der Beliebtheit dieser Test-Art in den siebziger Jahren abgeben. Die heutige Situation dürfte der seinerzeit dokumentierten nicht unähnlich sein, da seither keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte in die inhaltliche Diskussion um die projektiven Verfahren eingebracht wurden und keine überzeugenden neuen methodischen Entwicklungen in der projektiven Diagnostik für die Praxis stattgefunden haben (Schaipp 1995). Dies heißt nun keineswegs, daß diese Situation so bleiben muß oder darf. Therapeutische Verfahren, die sich projektiver Tests bedienen wollen, müssen prüfen, ob der jeweilige Test und seine theoretischen Prämissen mit den theoretischen Grundannahmen des eigenen Ansatzes kompatibel sind und er in die therapeutische Methodik eingepaßt werden kann. Ist dies nicht der Fall, sollte man von einer Verwendung absehen oder man muß den Test auf den eigenen Referenzrahmen zupassen. Für die Integrative Therapie ist dies mit dem Szenotest, der zur Darstellung von Lebenssituationen verwandt wird, mit der "Familie in Tieren", die erlebnisaktivierend exploriert wird, mit T.A.T., S.A.T. und C.A.T., deren Tafeln als Anregungen für "szenische Einstiege" in Biographie, Lebensgegenwart und Zukunftserwartungen des Patienten eingesetzt werden, durchaus möglich.
3. Projektive Verfahren in der Anwendung mit Kindern und Jugendlichen
Nur wenige der zahlreichen projektiven Verfahren (Überblicke bei Eberwein 1993 und Schaipp 1995) sind ausschließlich für eine Altersgruppe konzipiert (etwa der S.A.T. für Senioren, die Düss Fabelmethode für Kinder). Von einigen ursprünglich für Erwachsene konzipierten Tests wurden später Varianten für Kinder entwickelt (so der C.A.T. Children Apperception Test, Rosenzweig Picture-Frustration Test-Kinderform, PFT-K). In vielen Testanleitungen wird angegeben, das der Test - unter Umständen mit leicht veränderter Anweisung - sowohl für Erwachsene wie auch für Kinder geeignet sei, oft wahrscheinlich ohne im einzelnen zu bedenken, ob entwicklungsalterspezifische Kompetenzen und Leistungsmöglichkeiten angemessen berücksichtigt wurden, ganz zu schweigen von den Konsequenzen, die sich aus einem solchen Anspruch für die Auswertung ergeben.
Ursprünglich für Kinder konzipiert sind vor allem die projektiven Zeichen- und Spieltests z.B. Sceno (von Staabs), Sandspiel (Kalf) und Weltspiel (Bühler), Baumtest (Koch) und Familie in Tieren (Bremm-Gräser). Es wird hier davon ausgegangen, daß sich bei Kindern im Spiel und im Zeichnen, bei kindtypischen bzw. kindgemäßen Tätigkeiten, die sie gerne und spontan ausführen, unbewußte, vorbewußte, mitbewußte, aber auch wachbewußte (awareness) und Ich-bewußte (conscious) Wünsche, Strebungen, d.h. ihre psychische Situation und ihre Persönlichkeitsstruktur leichter zum Ausdruck kommen als mit Hilfe verbaler Techniken. Für jüngere Kinder - man müsset im Grunde genommen immer deklarieren, welches Alter man meint, wenn man von 'Kindern' spricht (siehe Kap. 5.2) - trifft sicher zu, daß der spielerische Aspekt der Testsituation (Imoberdorf 1971) das Ausführen der Testaufgabe erleichtert. Das Spiel zeichnet sich u.a. dadurch aus, daß es sich von den Regeln des Alltags unterscheidet, abhebt, distanziert. Es stellt eine neue Situation dar, welche neue Perspektiven auf das normale, 'eigentliche' Leben ermöglicht (ibid.). Dies gilt sowohl für den Beobachter und Testanwender, als auch für das getestete Kind, dem die Neuartigkeit einer Situation, ihre Umgestaltung und Entfaltung Spaß machen kann. Hier wird die Rolle des Versuchsleiters (siehe Kap. 5.3) zu einem wichtigen Faktor, da er in der Lage sein ums, eine dem Spiel förderliche und dem Alter des Probanden entsprechende Atmosphäre zu schaffen. Besonders bei Jugendlichen ums nämlich unter Umständen mit Abwehr gegenüber der Testsituation oder dem Testmaterial (zu kindisch!) gerechnet werden. Steht die Testsituation in der Initialphase einer Kindertherapie so ist sie in diese eingebettet und kann für die Entwicklung der therapeutischen Beziehung durchaus positive Wirkung haben, wenn die Testmaterialien im Sinne der "Brückenfunktion" von "Intermediärobjekten" genutzt werden können. In der Theorie der Integrativen Therapie werden bekanntlich Übergangsobjekte (Winnicott 1953), die u.a. eine substitutive Funktion für die Mutter im Ablösungs- und Entwicklungsprozeß haben, von Intermediärobjekten (Petzold 1987a), die u.a. eine kommunikationsfördernde Funktion in Beziehungsprozessen haben, unterschieden (Meili, Petzold 1998). Sceno-Spiele, projektive, diagnostisch eingesetzte Puppenspiele (idem 1983a), aber auch Stunden mit dem C.A.T. können und sollten so gestaltet werden, daß sie eine "schützende Insel" (Petzold, Goffin, Oudhof 1993), einen "safe place" (Katz-Bernstein 1996) für das Kind bereitstellen und darüber hinaus einen "Möglichkeitsraum" (Winnicotts "potential space") für Kind und Therapeut eröffnen, in dem neue Qualitäten entstehen, ein neuer "Aufforderungscharakter" und "Handlungsraum" des Settings (im Sinne von Gibsons [1979] ökologischer Affordance-Konzeption) neue Wahrnehmung-Verarbeitungs-Handlungsmöglichkeiten erschließen und konstellieren (Petzold 1995a).
In einigen für Kinder konzipierten projektiven Verfahren spielt die Identifikation mit einem Helden bzw. einer Heldin eine wichtige Rolle. Offenbar richtet man sich hier auf Kinder, die älter als vier Jahre sind, denn von ihnen müssen komplexe identifikatorische Leistungen erbracht werden. Leider werden derartige Tests nicht durch entwicklungspsychologische Forschungen zu den Bereichen "social cognition", Identitätsentwicklung, Rollenübernahme usw. abgesichert, ein Manko, das besonders bei älteren projektiven Testinstrumenten dazu führt, daß sie von entwicklungspsychologisch überholten bzw. falschen Positionen ausgehen. Auch vom Material her sind sie überwiegend total veraltet, was etwa die Darstellung von Figuren und ihre Kleidung aus der Zeit anbelangt, daß dies bei Kindern Dissonanzerlebnisse oderr Unverständnis auslöst. Um Identifikationsprozesse mit den Angeboten des Testmaterials zu erleichtern, wurden entweder kindliche Protagonisten in für Kinder relevanten Situationen dargestellt (z.B. in der Kinderform des Rosenzweig Picture-Frustration Tests) oder absichtlich die Gesichtszüge der Figuren vage gehalten, damit eine Art "Projektionsfläche" entsteht, die vom Kind im Sinne der oben gegebenen Definition von Projektion gefüllt werden kann. In mehreren Tests wurden aus dem gleichen Grund Tiere als Identifikationsfiguren gewählt (Fabelmethode, Schwarzfuss-Test, C.A.T.). Nur Leopold Bellak (1954) scheint damals schon zur Kenntnis genommen zu haben, was empirische Untersuchungen belegen (Biersdorf, Marcuse 1953; Armstrong 1954), daß nämlich die Identifikation mit Tieren keineswegs allen Kindern leichter fällt als diejenige mit menschlichen Figuren. Er hat darum neben der Version des C.A.T. mit Tieren eine weitere Bildtafelreihe mit menschlichen (human) Figuren entwickelt (C.A.T.-H.). Beim Aspekt der Identifikation wurde bei diesen Testkonzeptionen häufig von ungesicherten Annahmen ausgegangen (vgl. Hörmann 1964, 85), so daß zweifelhaft bleibt, ob die diesbezüglichen Modifikationen in den Kinder-Formen der Tests ihren Zweck tatsächlich erfüllen.
Die Auswertung der Testergebnisse bei Kindern und Jugendlichen setzt fundierte entwicklungspsychologische Kenntnisse voraus, die schon in der Testkonzeption zum Ausdruck kommen müßten, aber auch beim Anwender unverzichtbar vorhanden sein sollten (vgl. Kap. 5.2). Nur wenige Testerläuterungen weisen darauf hin (vgl. aber Langeveld 1969). Die unterschiedlichen Antworten und Reaktionen müssen altersspezifisch betrachtet und interpretiert werden. So wurden bezüglich des Rorschach-Tests bei Kindern Modifikationen für die Auswertung erarbeitet, die unter anderem festhalten, daß Farbnennungen bis zu einem Alter von 5 Jahren "normal" seien, ebenso Perseverationen und Kontaminationen bis zu einem Alter von 8 Jahren (Übersicht bei Bohm 1975). Ein dreijähriges Kind gab z.B. bei der ersten Tafel die Antwort "Rotkäppchen" und wiederholte diese Deutung bei den folgenden Tafeln (Beizmann 1975). Solche und andere Unterschiede müssen nicht nur (z.B. durch Häufigkeitstabellen) festgestellt, sondern auch richtig eingeordnet werden, denn nicht nur das Auftreten einer bestimmten Reaktion, sondern auch ihr Fehlen oder ihr Zusammentreffen mit anderen Merkmalen können Aufschluß über Entwicklungsstörungen geben.
4. Möglichkeiten und Chancen der projektiven Verfahren bei Kindern und Jugendlichen
Daß keines der projektiven Verfahren als alleiniges Instrument zur diagnostischen Datenerhebung genügen könnte, ist wohl unbestritten, und keiner der Testautoren hat dies meines Wissens je für sein Verfahren beansprucht. Meist werden die Tests als Ergänzung zur Anamneseerhebung oder anderen Methoden im Rahmen einer testpsychologischen Untersuchung empfohlen oder sie sollen zu einem bestimmten Fragenkomplex (emotionaler Entwicklungsstand, Konflikte, Aggression, Angst etc.) Auskunft geben. So verstanden lassen sich gewiß für viele von ihnen sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten und -felder finden. Aufgrund ihres Spielcharakters (Imoberdorf 1971), der vor allem kleineren Kindern sehr entspricht (bei Jugendlichen sieht es wahrscheinlich wieder anders aus), können sie dabei in vielen Fällen zur Auflockerung der diagnostischen Situation beitragen oder aber als Katalysator im therapeutischen Prozeß wirken und dem Verlauf neue Impulse geben.
4.1 Die Bedeutung der projektiven Verfahren für Indikation und Prognose
Vielfach wird, zwar eher im Sinne einer Anwendungseinschränkung, darauf hingewiesen, daß projektive Verfahren nur explorativ zur Hypothesengewinnung eingesetzt werden sollen (z.B. für den Foto-Hand-Test Borchert et al. 1991). Dies kann durchaus auch - positiv formuliert - als Stärke dieser Verfahren angesehen werden. Rauchfleisch (1991) empfiehlt sie als Ergänzung zu Screening-Tests, als Möglichkeit, Hypothesen zu gewinnen, Anregungen für eine vertiefte, gezielte Exploration und eine differenzierte Sichtweise von der Erlebniswelt der Kindes zu erhalten. Dies ist besonders in der Abklärungssituation sehr hilfreich, in der es darum geht, Indikationen für bestimmte ausgewählte Behandlungsverfahren zu stellen. Auffälligkeiten in einem Testresultat, welche auf mögliche Problemkonstellationen, Konfliktpotentiale und Entwicklungsdefizite hinweisen, können in die weitere Beratung oder die Behandlungsplanung miteinbezogen werden und erleichtern die Zielgewinnung und evtl. die Prognosestellung. Dies ist um so wichtiger, wenn das projektive Verfahren in einer akuten Situation eingesetzt wird, z.B. zur Erfassung von Suizidialität bei Jugendlichen (Lewinsky-Aurbach 1980). Inwieweit den Ergebnissen projektiver Verfahren prognostische Aussagekraft zukommt, ist unklar. Hier wären gewiß noch weitere Erfahrungen und Untersuchungen interessant. Diese wären allerdings sehr aufwendig, da verläßliche Aussagen zu Korrelationen mit weiteren Lebenslaufdaten nur aus Longitudinal-Studien (Rutter 1988) gewonnen werden könnten. Zur Frage von Entwicklungsrückständen, der Kinderdelinquenz (Wimmer 1982) oder der Berufswahl wären vielleicht auch von projektiven Verfahren interessante Befunde zu erwarten. Es sei hier aber mit Thomae (1957) darauf hingewiesen, daß die projektiven Verfahren zwar Hinweise auf Entwicklungsstruktur, Antriebsqualität, Mitschwingungsfähigkeit usw. geben können, daß aber inhaltliche Deutungen ständig am manifesten Verhalten des getesteten Kinder überprüft werden müssen. Rauchfleisch (1993) sieht aber die hier angesprochene Subjektivität in der Diagnostik nicht als Nachteil an, sondern als Chance, diese als intersubjektives Geschehen im Vorfeld psychotherapeutischer Interventionen positiv zu nutzen. Genau in dieser Funktion verwendet man in der "Integrativen Kindertherapie" (Metzmacher et al. 1996; Müller 1997; Petzold, Ramin 1987) projektive Tests (Sceno, C.A.T) und projektive bzw. semiprojektive Verfahren, wie Puppenspiel oder Malmaterialien zur Gestaltung thematischer Aufgaben mit explorativem Potential: Darstellung des Kinderlandes, des Zoos, des Spielplatzes, der Wohnung (Petzold 1995 a, b) in einem kindgemäßen Beziehungsangebot (Metzmacher, Zaepfel 1996, 1998).
4.2 Die Bedeutung der projektiven Verfahren als prozeßdiagnostisches Instrument zu Beginn und im Verlauf der Therapie
Betrachtet man die Diagnosestellung als einen "Prozeß, der so lange währt, wie ich mit dem Klienten oder Patienten arbeite" (Petzold 1988, 76), einen Prozeß also, der mit dem therapeutischen Geschehen untrennbar verbunden ist (Osten 1995; Petzold, Osten 1998), so können projektive Verfahren nicht nur im Vorfeld einer Therapie wirken und in der initialen Statusdiagnostik (z.B. mit ICD-10 oder DSM-IV) Beiträge liefern, sondern auch in der darauf folgenden Behandlung selbst und dabei in ihrem Verlauf mit verschiedenen Funktionen in diese "prozessuale Diagnostik" einwirken: Sie können, in einer Initialphase, die Kontaktaufnahme erleichtern, wie es Altmann-Herz (1990) für den Sceno-Test oder Klosinski (1988) für sein "10-Wünsche-Phantasiespiel" beschreibt. Die Beziehungsaufnahme über eine spielerische Handlung kann katalysierend wirken und einen ersten gemeinsamen Erlebnishintergrund darstellen. Außerdem können spezifische, individuell bedeutsame Themen eher "ins Spiel" gebracht werden, die ohne die Anwendung des projektiven Verfahrens vielleicht viel später aufgetaucht wären und somit unter Umständen die Dynamik und die Dauer der Therapie entscheidend beeinflussen. Nicht zuletzt das Erfassen von Komorbidität (Wittchen, Vossen 1996), für die in der Kindertherapie noch kaum gesicherte Ergebnisse vorliegen, kann durch projektive Verfahren erleichtert werden, etwa die von Petzold (1987a, 1995b) entwickelten Bildgeschichten, in denen krankheits- bzw. störungsbildspezifische Erzählungen, von Illustrationen begleitet, aus den Reaktionen des Kindes nicht nur eine Fülle von diagnostisch-therapeutisch relevanten Materialien liefern, sondern zugleich auch eine interventive, therapeutische Wirkung entfalten und sehr unmittelbar in zentrale Bereiche des Konfliktgeschehens führen. Natürlich ist es keineswegs, immer sinnvoll, im Test auftauchende problematische und konflikthafte Themen sofort anzusprechen und zu bearbeiten. Das projektive Verfahren kann selbstverständlich nicht den sorgfältigen Aufbau einer Vertrauensebene und die fachkundige Handhabung des Gesamttherapieprozesses ersetzen, aber es kann wesentliche Beiträge liefern.
Bei PatientInnen und KlientInnen, die Schwierigkeiten haben, ihre Probleme sprachlich auszudrücken, kann ein spielerisches Verfahren wie z.B. Sceno-Test (von Staabs 1948) auch als kommunikationserleichterndes Mittel eingesetzt werden (vgl. Rollett 1997) im Sinne einer für jeden Therapieprozeß wichtigen "fördernden Umwelt" (facilitating environment) (Winnicott 1974). Gerade der Sceno-Test bietet neben der diagnostischen Perspektive auch die Möglichkeit, lösungsorientiert zu arbeiten, indem z.B. eine im "Test" gestaltete Szene verändert, neu inszeniert und interpretiert werden kann (Wille 1982). Verfahren mit viel Gestaltungsfreiraum (u.a. die projektiven Zeichen- und Spieltests), aber auch strukturiertere Ansätze wie die verbalthematischen Verfahren können im weiteren Verlauf einer Therapie wiederholt durchgeführt werden mit dem Ziel, Entwicklungen in der Behandlung zu erfassen und zu dokumentieren. Sie eignen sich damit als Instrument zur laufenden Zielgewinnung (Petzold, Leuenberger, Steffan 1998) und Therapieplanung sowie zur Verlaufskontrolle, indem man differentielle Vergleichswerte gewinnen kann.
5. Grenzen der projektiven Verfahren bei Kindern und Jugendlichen
5.1 Verfahrensinhärente und methodische Grenzen
Viele Grenzen der Anwendung ergeben sich bereits aus der Testkonzeption, aus der fehlenden oder unzureichenden Standardisierung und Validierung (Eberwein 1993) und aus den oft inkonsistenten theoretischen Begründungen, einer notorischen "Theoriearmut" (Sehringer 1982). Auf diese Mängel wurde verschiedentlich eingegangen (Hörmann 1964, 1982; Rauchfleisch 1980; für die Formdeuteverfahren Spitznagel 1982; für die Thematischen Apperzeptionsverfahren Kornadt und Zumkley 1982). Sie sind auch den AnwenderInnen nicht unbekannt und sollen hier vor allem deshalb erwähnt werden, weil sie interessanterweise in der Praxis entweder kaum Beachtung finden, oder aber dazu führen, daß auf den Einsatz gewisser oder gleich aller projektiver Verfahren gänzlich verzichtet wird wegen Unzuverlässigkeit der Ergebnisse oder genereller Nutzlosigkeit (vgl. Grubitzsch, Rexilius 1978). Statt eines ideologiekritischen Rundumschlags gegen die "Testerei" als Ganzes und einer stetigen Bemängelung einzelner Details empfiehlt Rexilius (1978) eine sorgfältige Prüfung einzelner Verfahren bezüglich Inhalt, theoretischer Grundlagen, Gütekriterien, Testsituation, diagnostischem Urteil. Den Nachweis wissenschaftlicher Relevanz zu erbringen, würde auch bei großem Aufwand wohl bei vielen Verfahren nicht gelingen (manche verzichten sogar bewußt darauf [Abegg 1973]), da schon die zugrundeliegenden Theorien einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten (zum Wartegg-Zeichen-Test [Wartegg 1953] s. Rexilius 1978, 271). In der Absicht, die Glaubwürdigkeit der projektiven Verfahren zu retten, sollte laut Imoberdorf (1971) aber nicht vollständige Objektivität angestrebt werden, sondern die Testsituation sei als Kommunikationsprozeß zur verstehen (Holzkamp 1966), in welchem es gelte, die Wechselwirkungen zwischen DiagnostikerIn und ProbandIn einzubeziehen und nicht sie zu eliminieren. Dies macht eine Prüfung nach den üblichen Kriterien natürlich nicht einfacher und wirft die Frage auf, ob diese für die projektiven Verfahren tatsächlich maßgebend sind, oder ob für diese - wie von eifrigen Befürwortern schon lange verlangt - nicht ganz andere Maßstäbe entwickelt werden müßten (Hörmann 1964).
5.2. Grenzen durch die Testperson
Das Naheliegendste vorweg: Ein Minimum an feinmotorischen Fähigkeiten (z.B. zum Zeichnen beim Baum-Test und den anderen Zeichentests), an Wahrnehmungsfähigkeit (sehen und/oder hören), an Auffassungsgabe (zum Verstehen der Aufgabe, z.B. beim Satzergänzungstest, Farbpyramidentest, Scenotest usw.) altersangemessener "Sinnerfassungskapazität" (Petzold 1992a, 489 f.) und Verbalisierungsfähigkeit (C.A.T., Düss-Fabeln und andere verbal-thematische Verfahren) wird bei allen projektiven Verfahren vorausgesetzt, womit zugleich erste Grenzen gegenüber teilleistungsschwachen oder geistig und mehrfach-behinderten Kindern und Jugendlichen gesteckt werden. Diese Anwendungseinschränkungen sind sicher einleuchtend, doch es gibt ein weiteres, zu wenig beachtetes Problem der Anwendung projektiver Verfahren: Mit 'Kinder' und 'Jugendliche' werden hier zwei Alterklassen bezeichnet, welche in Wirklichkeit in mehrere kleinere Altersabschnitte unterteilt werden können und müssen. In den meisten Testmanualen projektiver Verfahren wird angegeben, das das jeweilige Verfahren sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern angewendet werden könne (meist mit Angabe einer unteren Altersgrenze), doch - wie erwähnt - sind in den seltensten Fällen diese Verfahren an entwicklungspsychologischen Befunden geeicht (Flammer 1996). Selbst wenn entwicklungstheoretische Überlegungen nicht außer acht gelassen werden (z.B. Höhn 1951; Engels 1957; Bellak 1954; Sehringer 1957; Koppitz 1972), so stützen sich diese eher auf die klinische Erfahrung der Anwender als auf gesicherte Forschungsergebnisse. Es werden zwar Häufigkeitstabellen für Antworten/Ausführungen von Kindern verschiedener Altersklassen gemacht oder Kataloge von Abweichungen von Kinderantworten gegenüber denen von Erwachsenen erstellt (für den Rorschach-Test siehe Bohm 1975), doch der Vergleich mit entwicklungspsychologischen Erkenntnissen und die Einschätzung von deren Bedeutung für die ganze Testanlage bleiben aus. Es wäre dabei zu berücksichtigen, das altersbedingte Entwicklungsschritte im kognitiven (z.B. verschiedene Denkoperationen, Symbolisierungsfähigkeit, Auffassungsgabe, Ambiguitätsverarbeitung), sozialen (z.B. Ausbildung sozialer Normen, Gewissen), emotionalen (z.B. Abwehr- und Bewältigungsstrategien) und neurophysiologischen Bereich (neurologischer Entwicklungsstand) auf das Testergebnis einen erheblichen Einfluß haben. Welche Voraussetzungen für welchen Test gegeben sein müßten, welche Altersstufe welche Testleistung zuläßt, müsset im einzelnen genau untersucht werden. D.h. ein Verfahren, das für sich beansprucht, für Kinder und Jugendliche geeignet zu sein, müsset praktisch für jede Altersstufe (mit Abschnitten von ca. 2 Jahren) eine separate Eichung und Normierung bzw. Standardisierung durchführen, welche mit entwicklungspsychologischen Erkenntnissen verglichen werden müsset. Dies insbesondere dann, wenn man im Sinne Cattells (1951) mit den projektiven Verfahren das von der Norm abweichende Verhalten (misperception test) 'messen' will.
Spezifische Eichungen wären außerdem auch für geistig behinderte Kinder und Jugendliche notwendig. Nur die wenigsten Testentwickler haben auch dazu Daten gesammelt und können etwas über die Anwendbarkeit bei solchermaßen benachteiligten Kindern aussagen (Sehringer 1957).
Dadurch, das die Persönlichkeit der untersuchten Kinder bzw. des Jugendlichen noch nicht voll ausgereift ist, sind dem Anwender auch bei der Diagnosestellung Grenzen gesetzt: Diagnosen und Urteile, welche die Persönlichkeit als Ganze betreffen, sollen grundsätzlich mit äußerster Vorsicht gestellt werden, bei Kindern erst recht, um Stigmatisierung zu vermeiden und weil die weitere Entwicklung noch viele Verlaufsmöglichkeiten zuläßt.
Weitere Einschränkungen ergeben sich aus der sich stetig verändernden Lebenswelt der Kinder. Viele projektive Verfahren sind in den 40er und 50er Jahren entwickelt worden und gehen von anderen gesellschaftlichen Strukturen und Voraussetzungen aus (Normen, Werte, Familienbilder, Genderfragen, z.B. Geschlechtsrollentypisierungen, Berufsprofile, Statusbewertungen etc.) als wie wir sie heute vorfinden. Nicht ohne Grund wirken einige von ihnen 'veraltet' (vgl. schon Grubitzsch, Rexilius 1978; Schaipp 1995). Die Familie als Einheit der modernen Gesellschaft hat strukturelle Veränderungen erfahren, die Patchwork-Familie und andere neue Lebensverbände und -formen der Postmoderne (Zaepfel, Metzmacher 1996; Beck 1994) stellen Kinder und Jugendliche vor neue Herausforderungen und rücken die Logik und die Symbolik, von der ein Testautor in den 50er Jahren ausging, unter Umständen in ein neues Licht. Die kollektiven sozialen Kognitionen, die "représentations sociales" (Moscovici 1984) ändern sich und mit ihnen ihre Symbole. Ein Kind in den 90er Jahren verbindet die vorgegebenen Symbole vielleicht mit anderen Inhalten als mit den vom Testautor erwarteten und beabsichtigten. Zeichengehalt, Symbole machen aber nur Sinn, wenn sie in der "social world" geteilt werden (Strauss 1982; Petzold 1995a). Diese Entwicklungen müssen mitverfolgt werden und sollten auch in diagnostischen Hilfsmitteln Niederschlag finden.
Die postmoderne Gesellschaft mit ihren explodierenden (Tele-)Kommunikationsmöglichkeiten trägt möglicherweise auch zu einem veränderten Spielverhalten, zu einer anderen Spielkultur bei. Auch dies müsset bei der heutigen Anwendung v.a. der projektiven Spieltests längerfristig berücksichtigt werden. Anpassungen des Testmaterials und der -auswertung müßten zumindest geprüft werden. Es ums also - um es etwas salopp zusammenzufassen - gefragt werden, ob die projektiven Verfahren mit dem Kind, dem Jugendlichen der 90er Jahre noch 'kompatibel' sind.
5.3 Anwenderbedingte Grenzen
"Die wenigsten Testanwender wissen, was sie da eigentlich tun. Sie wissen nicht so genau, was ein Test wirklich mißt; ob er es mißt, ob er überhaupt mißt, ob er testtheoretischen Ansprüchen genügt, welches die besten sind; sie beherrschen die Testsituation, aber sie kennen ihren eigenen Einfluß auf das Testergebnis nicht, wissen nicht um die Voraussetzungen, die der Getestete in die Testsituation mitbringt und ob sie irgendwie berücksichtigt werden müssen [...]; sie wissen auch nicht, welche Informationen ihnen die Testergebnisse wirklich liefern, was aus ihnen zu schlußfolgern ist, wie sie zu beurteilen und wie ein Urteil, eine Entscheidung umzusetzen sind". Diesen wenig schmeichelhaften Kommentar geben Grubitzsch und Rexilius (1978,10) zum Umgang der AnwenderInnen mit projektiven Verfahren. Aus ihrer oben bereits erwähnten Umfrage geht hervor, daß in der Praxis oft elementare Grundregeln der Testanwendung unbeachtet bleiben und z.B. ein Verfahren nach eigenem Ermessen auch in anderen Bereichen eingesetzt wird als in denjenigen, für die es konstruiert worden ist (ibid. 198). Die Freude und Begeisterung an den projektiven Verfahren scheint auch - zumindest zu einem Teil - darin zu liegen, daß sich hier ein 'Tummelfeld' für die Applikation von eigenem klinischen Erfahrungswissen, für 'intuitives Know-how' eröffnet. Die Gefahr diverser Einschätzungs- und Denkfehler, welche Quellen von Diagnosefehlern (Wottawa, Hossiep 1987) darstellen, müßten dem Anwender eigentlich bekannt sein (z.B. Halo-Effekt, Error of Central Tendency, Logical Error, fundamentale Attributionsfehler usw.), haben aber offenbar keine oder nur wenig Auswirkungen auf die Praxis.
Die meisten Unzulänglichkeiten von seiten der Versuchsleiter sind wie die methodischen und theoretischen hinreichend bekannt und unterscheiden sich nicht in Abhängigkeit vom Alter der Testperson, weshalb sie hier nicht weiter ausgeführt werden.
Bei einzelnen Testbeschreibungen (Eberwein 1993) wird unter Durchführungsvoraussetzungen gefordert, daß der Testleiter in der Lage sein müsse, eine geeignete Atmosphäre zu schaffen, die kindliches Spiel, kreatives Zeichnen und Gestalten überhaupt ermöglicht. Dieser banal wirkende Hinweis ist gewiß nicht zu unterschätzen, da auch dem jüngeren Kind die Ernsthaftigkeit oder zumindest die Außergewöhnlichkeit der Test-Situation bestimmt nicht entgeht, vor allem dann, wenn es als "gestörtes" Glied einer Familie bereits im Brennpunkt der Aufmerksamkeit steht. Die Testsituation kann Blockierungen fördern, die von einem steifen, undurchschaubaren oder gar unfreundlichen Versuchsleiter noch verstärkt werden können. Dies macht aber noch einmal deutlich, wie groß der Einfluß des Testers eben ist (McFarlane 1942) und wie sorgfältig eigentlich darauf geachtet werden müßte.
5.4 Ethische Grenzen
Zur Diskussion um Grenzen von projektiven Verfahren im speziellen und von testpsychologischen Methoden und Diagnostik im allgemeinen gehört auch immer ihre ethische Hinterfragung. Diagnostik ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie die "Würde des Menschen" nicht verletzt (Wottawa, Hossiep 1987). Dazu bestehen rechtliche Bestimmungen, die allerdings in der Praxis schwer zu fassen sind (Blanke, Sterzel 1978). In jedem Fall ist von dem ethischen und rechtlichen Prinzip des "informed consent", der informierten Übereinstimmung (Petzold, Rodriguez-Petzold 1997; Beauchamp, Childress 1989) auszugehen. Das ist schon in der Arbeit mit Erwachsenen für den testdiagnostischen Kontext schwierig - der Tester müßte den zu Testenden über Art, Funktionsweise, Ergebnismöglichkeiten und Verwendung der Testergebnisse vollauf informieren, was aus Unwissenheit der Tester oder aufgrund ihrer methodischen Bedenken bislang kaum geschieht. Bei Kindern ist eine solcher informed consent in der Regel kaum zu erreichen. Hier wäre rechtlich ein Informieren der Erziehungsberechtigten erforderlich, was in praxi keineswegs immer eine gute Lösung ist. Bei Jugendlichen ist die informierte Übereinstimmung zwingend. Daß Getestete sich hintergangen fühlen können, weil sie z.B. sich zu peinlichen Aussagen haben verleiten lassen oder weil die Auswertung und damit der wirkliche Hintergrund des Tests zumindest während der Durchführung nur dem Anwender bekannt ist, nicht aber dem Betroffenen, zeigen Bücher wie "Der Testknacker" (von Paczensky 1976) u.a. Sie sind zwar gegen eignungsdiagnostische Tests und Auslesetests gerichtet, und die Kritik trifft für die Anwendungsbereiche projektiver Verfahren sicherlich weniger zu, weil hier das Testergebnis häufig Gegenstand eines anschließenden Gesprächs, einer Behandlung oder Beratung ist. Dennoch: von Paczensky wehrt sich für andere Erwachsene gegen eine undurchsichtige Auslese, Qualifikation und Beurteilung. Wer wehrt sich für die Kinder? Wer definiert und schützt die Würde des Kindes? Da Kinder und Jugendliche unter der elterlichen Verantwortung leben, ist die Frage nach ethischen Richtlinien sicher besonders berechtigt, denn sie können in den meisten Fällen gar nicht mitbestimmen, ob sie diesen oder jenen Test machen wollen (Blanke, Sterzel 1978, 186). Außerdem werden Testergebnisse von Kindern meist mit Drittpersonen (Eltern, Lehrkräfte) besprochen. Das Potential projektiver Verfahren zu Fehldeutungen ist erheblich. Durch die besonderen Reizdarbietungen besteht die Gefahr, das Kind emotional aufzuwühlen oder zu manipulieren. Der so versuchte Zugriff auf bisher Verschwiegenes, Disponiertes, Verdrängtes kann unter ethischen Gesichtspunkten tatsächlich angezweifelt werden, auch und gerade wenn die Erziehungsberechtigten vielleicht sogar froh sind, daß die Psychologin das verstockte Kind "aufknackt", der Lehrer nun endlich die Hintergründe der Lern- und Verhaltensstörung seiner Schülerin kennt und es dabei unwichtig zu sein scheint, ob die Testprozedur das Kind bewertet oder - liegen traumatische Erfahrungen vor - auch retraumatisiert (van der Kolk 1994).
6. Das Erfassen von Komorbidität und "relationaler Komorbidität" - Vignette einer "semiprojektiven" Exploration in der Therapie eines Jugendlichen und seines Bezugssystems
Wenn Diagnostik im Rahmen einer longitudinalen Betrachtung (Robins, Rutter 1989) von Biographie erfolgt, wie dies für den Integrativen Ansatz charakteristisch ist (Petzold, Goffin, Oudhoff 1993), kommt das Problem der "Komorbidität" (Maser, Cloninger 1990) in den Blick, definiert von Feinstein (1970, 456f) als "any distinct additional clinical entity that has existed and that may occur during the clinical course of a patient who has the index disease under study." Man spricht auch von "co-occurence". Patienten haben eine generalisierte Angststörung und diese wird - wie häufig der Fall - von einer Depression als Komplikation begleitet (Wittchen, Essau 1993a) oder von verschiedenen Phobien, auch das ist charakteristisch (Kessler et al 1994). Vielleicht kommt eine Substanzabhängigkeit hinzu und auch das ist nicht ungewöhnlich, wie die National Comorbidity Study (N= 8057) und die Münchener Follow-up-Studie (N= 1366) zeigen (vgl. Wittchen, Vossen 1996, 222). "Eine Krankheit kommt selten allein!" könnte man den Volksmund paraphrasieren, und oft genug ist sie auch noch ansteckend. In der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wie auch in der Familien- und Paartherapie läßt sich immer wieder feststellen, daß Belastungsreaktionen oder Störungs- und Krankheitsbilder bei relevanten bzw. affektiv stark gebundenen Bezugspersonen gleichfalls Wirkung zeigen, z.T. mit einer klaren pathologischen Qualität und das nicht nur im Bereich der Koabhängigkeit, etwa bei Suchtmittelmißbrauch. Die von Wittchen und Vossen (ibid. 217) gegebene Definition von Komorbidität als das "Auftreten von mehr als einer spezifisch diagnostizierbaren psychischen Störung bei einer Person in einem definierten Zeitintervall" weiten wir aus zu einem Konzept "relationaler Komorbidität" mit der Formulierung: "bei einer Person und ihren affektiv stark gebundenen Bezugspersonen...". Bei der netzwerkorientierten Ausrichtung der Integrativen Therapie (Hass, Petzold 1998) ist eine solche Betrachtungsweise stringent. Sie führt damit immer wieder zu einer systemischen Sicht, die für die therapeutische und diagnostische Arbeit gerade mit Kindern und Jugendlichen unverzichtbar ist. Das "Netzwerk" wird damit "Patient" und zum Ziel der Diagnostik. Es wird als "convoy" (Petzold 1995a; Kahn, Antonucci 1980a, b) in seinen Risiko- und Belastungsdimensionen und in seinen Ressourcen und Potentialen betrachtet und dies durchaus mit longitudinal ausgerichtetem Blick, denn eine durch ein imponierendes aktuelles Beschwerdebild - z.B. eine Depression - überdeckte Angststörung, kann, wenn sie nicht erkannt wird, durchaus zu Problemen in der Behandlung führen. Für die altersstufendifferentielle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stehen standardisierte Interviews, wie sie für die Exploration von Komorbiditäten von Erwachsenen vorhanden sind (z.B. CIDI oder SKJD vgl. Wittchen, Essau 1993 a,b), nicht zur Verfügung - sie müßten dringend erarbeitet werden. Deshalb muß nach anderen Wegen gesucht werden. Für die Integrative Therapie haben wir in diesem Zusammenhang auf die "semiprojektiven" Ansätze zurückgegriffen: insbesondere das "projektive soziale Atom", eine mit Farben, Bildern und Symbolen erstellte "Kartographie" des sozialen Netzwerkes und der darin enthaltenen "social worlds", d.h. kollektiver Kognitionen und Emotionen, Werte und Weltsichten (Petzold 1995a, 206ff; 1994e), und auf das "Lebenspanorama" mit seiner klinischen Spezialformen des "dreizügigen Karrierepanoramas" und des "Krankheitspanoramas" (Petzold, Orth 1993), einer bildnerischen Übersichtsdarstellung des Lebensverlaufes des Patienten mit seinem relevanten Netzwerk als "Weggeleit", als "Konvoi" (Petzold 1995a). Die in diesen Ansätzen gegebenen Möglichkeiten, die Lebenswirklichkeit des Patienten szenisch zu konkretisieren und damit zu explorieren, gleichzeitig aber durch Symbolverwendung, Formen und Farben projektives Material zu generieren, macht diese semiprojektiven Wege für die Diagnose und Behandlung von Komorbidität, relationaler Komorbidität und Koabhängikeiten (Steinglass 1988; Estes 1974) vielfältiger Art sehr geeignet im Sinne einer "developmental" family and network systems perspective (Jameson, Alexander 1993), die bei Kindern und Jugendlichen besonders betrachtet werden muß (nicht nur bei Drogenabhängigen, obwohl dort in besonderem Maße, vgl. Fitzgerald et al. 1993; Feineis 1998). Da Komorbidität "nach den vorliegenden Befunden fast immer einen größeren Schweregrad und multiple sekundäre Beeinträchtigungen" bedeutet (Wittchen, Vossen 1996, 231), wird auch von der therapeutischen Strategienbildung, der Zielfindung und Umsetzung "anstelle eines Therapieprogramms für eine der Hauptsymptomatiken eine individuell abgestimmte Kombination verschiedener Therapiemodule sinnvoll sein" (ibid.). Diese Vorgehensweise liegt ganz im Konzept der Integrativen Therapie zu "multimodalen" Behandlungen (Petzold 1974j, 302) mit variablen Foci (idem 1993p) im Rahmen eines offenen bzw. halboffenen Behandlungscurriculums (idem 1988n, 208), für das entsprechende diagnostische Vorinformationen zur Indikationsstellung und Zielformulierung vorhanden sein müssen (Petzold, Leuenberger, Steffan 1998; Petzold, Osten 1998). Die intensivere Fokussierung integrativer Diagnostik auf Komorbidität aber auch auf Netzwerkressourcen und auf gesundheitsfördernde, protektive Faktoren (Petzold, Goffin, Oudhoff 1993; Amann, Wipplinger 1998) unterstreicht die breite Sicht ätiologischer Modelle im Integrativen Ansatz (Petzold 1992a, 551ff).
Beispiel:
Frederik S., 17 Jahre, lebt seit seinem vierten Lebensjahr mit seiner alleinerziehenden Mutter, einer Schreibkraft im Postdienst, in sehr beengten Wohnverhältnissen und einer ökonomisch bescheidenen Situation. Als Kind war er oft kränklich, im Alter zwischen vier und sechs sehr scheu und ängstlich. Nach der Einschulung, bei der es anfänglich Schwierigkeiten gab, entwickelte er sich sehr "unkompliziert", gut in der Schule, freundlich vom Wesen und integriert in der Klasse. In die Behandlung kommt er wegen eines erheblichen Leistungsabfalls im letzten Schuljahr, Antriebslosigkeit, starken Depressionen, Dauerfernsehen. Von seinen Klassenkameraden und Freunden hatte er sich sehr zurückgezogen. Er fühlt sich nicht wohl, wenn er das Haus verlassen muß. Die Mutter wurde zu einem Gespräch mit dem Lehrer gebeten, als dessen Ergebnis es zu einer schulpsychologischen Beratung kam und auf Drängen seiner Mutter zu einer anschließenden Jugendlichenpsychotherapeutischen Konsultation. Es findet zunächst mit der Mutter auf ihren Wunsch ein kurzes Vorgespräch statt, in dem sie ihre belastete Lebenssituation darstellt und auch mitteilt, daß sie immer wieder an schweren Depressionen leide. An anamnestischen Daten erscheint wichtig, daß die Scheidung und die ihr vorausgehende turbulente Zeit nach einer sehr dramatisch verlaufenen Ehe mit einem immer wieder auch gewalttätig entgleisenden Alkoholiker bei ihrem vierjährigen Sohn sehr viele Ängste ausgelöst habe. Das sei aber mit der Einschulung vorübergegangen. Zum ersten Termin kommt Frederik mit seiner Mutter. Er ist sehr zurückhaltend, fast verschlossen. Seine Schwierigkeiten führt er auf "Schulstreß" zurück, außerdem seien seine Freunde jetzt in einer anderen Szene, die ihm nicht passe. Das alles mache Frust und einfach depressiv. Seine Mutter meine, er brauche Therapie. Das sehe er nicht so, aber wenn sie damit glücklich sei, könne er das ja machen. Die bis dahin im Gespräch wenig aktive Mutter, sagt da klar: "Ja, damit wäre ich glücklich. Ich finde, das ist für Dich notwendig!" - Die Antwort des Sohnes: "Na wenn Du meinst ... !" Das ist der Beginn einer diagnostisch-therapeutischen Exploration: lustlos kooperativ. Sie soll darüber entscheiden, ob und in welcher Form eine therapeutische Intervention erfolgen kann. In der nächsten ohne die Mutter erfolgenden Sitzung mit Frederik steht zunächst die depressive Symptomatik im Vordergrund. Der Patient berichtet, daß er sich immer irgendwie depressiv gefühlt habe. Die Mutter sei ja auch immer ziemlich bedrückt gewesen. "Viel zu lachen gab es bei uns nicht! Ohne meine Freunde hätte ich das schwer gepackt, aber mit denen bin ich jetzt nicht mehr zusammen ... Ist auch egal!" Das Gespräch zentriert auf die Freunde, auf die Klasse, auf Federiks zunehmende Außenseiterposition. "So draußen war ich früher nicht." Es wird angeboten, eine Übersicht über seinen Freundeskreis und seine Beziehungen zu erstellen, sein "soziales Netzwerk" darzustellen. Es wird dabei das "soziale Atom im Dreizonenprofil" (Petzold 1979c) zugrundegelegt.
In der Kernzone, dem persönlichen Nahraum, der sozialen Intimzone, werden die Personen eingezeichnet, die für Frederik "total wichtig" sind - es sind nicht viele: die Mutter, in dunklem Blau, ist ganz unabgegrenzt neben ihm. Eine Patentante [dunkelbraun] ist da noch wichtig: "Die kommt. Früher hat sie auf mich aufgepaßt, jetzt hilft sie meiner Mutter noch, weil die arbeitet nicht." - Der Onkel, der Bruder der Mutter, bekommt eine kräftige, rote Farbe. "Er war für mich so was ein Vater, Ersatzvater oder so. Der wohnt jetzt nur ziemlich weit weg. Bei dem hatte ich nie Angst! Das ist ein echt starker Typ. Meine Mutter war immer total ängstlich. Das nervt, kannse auch nichts für, aber das nervt total!" Das Thema Angst scheint durch, wird aber nicht weiter vertieft. In der Kernzone ist noch Henk, Frederiks bester Freund [kräftiges Dunkelgrün] mit seiner Freundin Mara [hellgrün]. "Die Mara ist echt nett, aber Henk hat nur noch Mara auf dem Schirm. Das nervt!" Alles scheint zu nerven. In der Mittelzone werden die Personen eingezeichnet, die für die Lebenswelt eines Menschen in den Alltagsvollzügen bedeutsam sind. Da ist die Schulklasse [graue Schraffur], die einen wichtigen Lehrer und eine Lehrerin [beide schwarz] umgibt. "Die Leute sind total öde." Es gibt ein Grüppchen von Schulfreunden [dunkelrot], die Frederik in Ordnung findet, eine Fußballgruppe [braun/dunkelgrün/schwarz], von der er sich getrennt hat. "Die sind zu blöd geworden. Waren mal gute Freunde, echt. Saufen nur noch, kiffen, blöde Sprüche. Das stinkt mir und auch ... die prügeln sich auch zu viel rum mit den Scheiß Türken, das bringts doch nicht. Die haben alle Messer. Das gibt mal 'nen Unglück." Frederik wirkt hier sehr beunruhigt. Die Randzone umfaßt Personen, die in der Lebenswelt einem Menschen nur peripher bekannt sind und als Individuen für das "soziale Atom" nur wenig direkte Bedeutung haben, außer der, daß man sich in seinem Quartier, in seiner Gegend nicht fremd fühlt - bekannte Gesichter. Frederik und seine Mutter leben in einem Quartier, das in den letzten Jahren mehr und mehr Zuzug von ausländischen Mitbürgern erhielt. "Ausländer ... man sieht ja nur noch Ausländer [schwarzbraune Schraffuren], da kann man ja nicht mehr sicher rumlaufen. Ich mag schon gar nicht mehr raus. Meine Mutter ist schon belästigt worden. Mich hamse schon paarmal verprügelt. Meine Mutter will wegziehen, ist aber nicht. So billig wie die Wohnung kriegen wirs nicht mehr. Wo sollen wir blos hin?!" Wieder taucht Angst in Mimik und Stimme auf. T: "Hast Du bei Euch im Quartier und sonst auch manchmal Angst?" Die Frage wird mit einem unsicher wirkendem Kopfschütteln verneint. Die Farbgebung des Dreizonenprofils ist durchweg düster, wirkt bedrohlich und depressiv. Die Randzone wird einseitig und mit selektivem Blick (wie sich in der explorierenden Nachfrage ergibt) praktisch ausschließlich mit Ausländern besetzt, was vom Erleben her nicht zu relativieren ist und damit in die therapeutischen Aufgaben für eine Behandlung aufgenommen wird. T: "Das Bild sieht schon depressiv aus, oder?" - F: "Klar doch. Da ist ja nicht viel, was lustig ist, gar nichts eigentlich!" - T: "Du hast ja auch nicht viele Freunde, und offenbar hast Du ja auch einige verloren". F: "Nee, ich hat' auch keinen Bock mehr auf die. Früher war ich mehr drin, stimmt schon. Aber die sind mir zuviel, ehrlich, die nerven mich nur noch." T: "Mich interessiert aber doch, wie viele Freunde oder Kameraden Du - sagen wir - vor einem Jahr oder so noch hattest und wieviel vor drei Jahren." Im Gespräch wird deutlich, daß die Verluste im aktiven convoy von Frederik schon erheblich waren. Vor zwei Jahren war er noch in einer kirchlichen Jugendgruppe, war viel mit seiner Fußballgruppe zusammen und hatte noch einige gute Freunde, mit denen er sich oft auch nachmittags oder abends traf, "reihum, aber bei uns nie. Meiner Mutter war das zuviel und wir haben ja auch kaum Platz und mich hat das auch immer mehr genervt. Ich wollt das nicht mehr. Ich habs dann gelassen." Auf die Frage nach dem Bekanntenkreis der Mutter: "Die hat nicht viel. Von der Arbeit vielleicht, weiß ich nicht so ... Die sitzt doch immer allein rum zu Haus und nervt mich."
Netzwerkanalye (Röhrle et al. 1998) ist immer auch Convoyanalyse (Hass, Petzold 1998), und damit kommt die Entwicklung des Netzwerkes in den Blick, die verbal, wie in dem vorliegenden Beispiel, erhoben werden kann oder durch die bildnerische Darstellung von Netzwerken zu verschiedenen Zeitpunkten aus der Erinnerung oder die im Rahmen longitudinaler Netzwerkanalysen durch systematische Erhebungen exploriert werden kann (vgl. für alte Menschen Petzold 1979c; 1994e, für jugendliche Drogenabhängige idem 1982v). Mit der "Sprechblasentechnik" wird nun versucht, Aufschluß über die "social worlds" (= units of shared perspectives, Unruh 1983), d.h. die im Netzwerk von Frederik vorfindlichen Weltsichten der verschiedenen Subgruppen zu erhalten. T: "Wenn wir zu den einzelnen Leuten oder Gruppen mal eine Sprechblase machen und da was reinzeichnen oder reinschreiben, oder wenn Du mehr Platz brauchst, auch auf das Blatt da was schreiben kannst, was die über die Welt und das Leben denken ..." - Nach einigen Nachfragen von Frederik kommt er mit der Fragestellung klar, zeichnet zu einigen Gruppen Sprechblasen, koloriert einige und erzählt dann zu den einzelnen Blasen oder schreibt einen Satz oder ein Wort dazu. Die Sprechblase der Familie (Mutter blau, Patentante braun, Onkel rot): "Wir gegen alle, wir können uns nur auf uns selbst verlassen. Das Leben ist nicht einfach!" - Bei Henk und Mara: "Muß Liebe schön sein. Wir zwei auf der Welt und sonst nix." - Die Fußballgruppe: "Macht die Türken alle. Saufen ist geil!" (koloriert mit den deutschen Nationalfarben, die die ideologische Orientierung der Jugendlichen aufweist) - Die Gruppe der ehemaligen Freunde: "Wir sind gut drauf. Wir kaufen uns Spaß". Die Lehrer: "Lernen, Lernen, Lernen, biste blöd bist!" - Die Klasse: "Leere, die ham nix im Kopf, öde, die Schule irgendwie hinter sich bringen, `ne geile Party, Streber, öde." - Die Ausländer (Farbe der türkischen Flagge): "Scheiß Deutsche, wir sahnen hier ab ..." Kommentar: "Die sollen doch nach Hause gehn, die nehmen uns die Arbeit weg, die Scheiß Türken."
Insgesamt zeigt das Netzwerk eine düstere, depressive Charakteristik. Es dokumentiert die fortschreitende Isolation, d.h. der convoy verliert für Frederik an Ressourcen und an supportiver Valenz. Die social worlds sind überwiegend mit negativ getönten Kognitionen und Emotionen gefüllt, d.h. das Netzwerk generiert negative Atmosphären, die einerseits aus seinen faktischen Qualitäten eines belasteten und belastenden sozioökologischen und emotionalen Feldes (Petzold 1992b, 810) herrühren, wesentlich aber in der emotionalen Bewertung (valuation) und der kognitiven Einschätzung (appraisal) des Netzwerks und seiner Ressourcen (Petzold 1997p) durch Frederik resultieren. Hier muß in der Therapie die Möglichkeit von Umwertungen, positiveren Attribuierungen erschlossen werden. Außerdem sieht Frederik sich und seine Mutter von Feinden, den Ausländern, umgeben. Beide erleben hier Ohnmacht. Sie können nicht wegziehen - "erlernte Hilflosigkeit" (Seligman 1978). Der locus of control wird überwiegend fremdbestimmt erlebt und die Möglichkeiten zum "Erleben eigener Wirksamkeit" im Sinne von Bandura (vgl. Flammer 1990) erscheinen beschnitten. Durchgehend zeigen sich Anzeichen für eine Angststörung, die unter der Depression liegt, und die bei Mutter und Sohn gleichermaßen zu finden ist. Bei der Mutter tritt sie aber offener zutage und kann in einem Beratungsgespräch mit ihr auch eindeutig diagnostiziert werden, wobei auch noch eine seit Jahren bestehende Medikamentenabhängigkeit "auf Rezept" von Benzodiazepinen festgestellt wird. "Ich kann ohne Schlafmittel einfach nicht mehr schlafen. Ich muß doch arbeiten. Sie können sich gar nicht vorstellen, mit welchen Ängsten ich jeden Tag bis zur Arbeitsstelle komme. Da geht es dann, wenn ich angekommen bin." Die Angststörung wird bei näherer Exploration deutlicher erkennbar und imponiert gegenüber den im Vorgespräch geklagten "immer wieder aufkommenden Depressionen". Die Mißhandlungen durch ihren Mann hatten durchaus traumatische Qualität. Zu den Ängsten sei dann die Depression gekommen, und die überwiege jetzt. Die agoraphobische und sozialphobische Komorbidität zur Generalisierten Angststörung (die zudem ein 6,8fach erhöhtes Depressionsrisiko mit sich bringen kann) und der ebenfalls gegebene Substanzmißbrauch paßt in das durch die Komorbiditätsforschung deutlich gewordene Bild (Wittchen, Essau 1993b). Zu den ätiologischen Zusammenhängen kann hier nur kurz Stellung genommen werden. Die Angststörung ist deutlich primär und eventuell ursächlich mit traumatischen Belastungen verbunden, die häufig ja Depressionen in Form eines generalisierten "numbing" zur Folge haben (van der Kolk et al. 1996). Die Dauerüberlastungen als Alleinerziehende führen zu chronifizierenden Streßzuständen, einer "stress physiology" (van der Mei, Petzold, Bosscher 1997), in deren Folge es zunächst zu Erschöpfungsdepressionen und Demoralisierungen kommen kann, die in der Gefahr stehen, in einer negativen Synergie mit den übrigen Belastungserfahrungen die bestehenden oder eingetretenen Vulnerabilitäten zu verstärken und zu einer komplexen Komorbidität zu führen, wie es das Modell multifaktorieller Pathogenese in der "Integrativen Therapie" (Petzold 1992a, 566; 1996f) deutlich macht. Bei Frederik findet sich, blickt man auf seine Symptomatik offenbar gleichfalls eine Komorbidität. Neben der Depression und den Schulleistungsstörungen, ist die Entwicklung sozialer Phobien und agoraphobischer Züge festzustellen. Das soziale Milieu bietet überdies durchaus eine Suchtgefährdung, denn in seiner alten Fußballclique sind Alkohol und Marihuana-Konsum üblich, und es ist nicht klar, ob sich Frederik von dieser Gruppe prinzipiell zurück gezogen hat. Seine Komorbiditätskonstellation zeigt eine auffällige Parallele zu der seiner Mutter, auch wenn seine Symptomatik noch nicht so ausgeprägt ist, so daß man eine relationale Komorbidität annehmen kann und deshalb werden präventive Maßnahmen ins Auge zu fassen sein (Mittag, Jerusalem 1998).
Die Realitätsmomente des "sozialen Atoms" haben einen sehr genauen Einblick in die Lebenssituation des Jungen gegeben. Die "Sprechblasen" ließen emotionale Wertungen seines Milieus erkennbar werden. Die projektive Qualität in der so dominierenden düsteren Farbwahl ließen seine Depressionen, seine Ängste und seinen Frust deutlich werden. T: "Und was ist hinter dem Frust und der Depression?" - F: "Weiß ich doch nicht! Was soll dahinter sein?" T: "Naja, man macht im Leben schon was durch. Das 'nervt einen an', wie Du sagst, und da hast Du auch recht." - Es wird in der nächsten Stunde nochmals auf das Netzwerk eingegangen, um dann ein Lebenspanorama vorzuschlagen.
T: "Wir malen einfach die Lebensstrecke, die Lebensstraße, die man so entlanggefahren ist. Da gab es 'gute Zeiten, die bringen Gesundheit', 'schlechte Zeiten, die bringen Streß und Krankheit' und 'Sachen, die fehlten', und die können einen auch krank machen." Es handelt sich also um ein "dreizügiges Karrierepanorama" (Petzold, Orth 1993). Frederik nimmt die Anregung auf und das in sehr origineller Weise. Er malt keine Straße oder keinen Lebensweg, wie man das sehr häufig findet (ibid.), sondern er malt einen Sportwagen, der auf "der Lebenspiste" entlang rast (zum Lebenswagen vgl. Petzold, Sieper 1998). Die Jahre zeichnet er an. In der Besprechung diese Bildes erzählt Frederik wichtige Abschnitte und Ereignisse aus seiner Lebensgeschichte. "Die ersten Jahre, nehm ich mal an, die waren O.K.. Meine Mutter sagt das, und die wirds wohl wissen! Dann hat's mit meinen Vater wohl tierisch Streß gegeben. Ich erinner mich mehr an nette Sachen, Spazierengehn im Wald und so. Da das Grün und Gelb. Mit dem Schwarz, da ist er ausgeflippt. Meine Mutter war immer total fertig. Nach der Scheidung [schwarzer Balken in Wagenmitte] war dann die Luft raus. Da war sie meistens traurig. Mich hatte das auch fertig gemacht, denk ich. Ich war auch oft nicht gut drauf. Hab' ich natürlich meiner Mutter nicht gezeigt." Auf die großen schwarzen L in der Wagenmitte angesprochen, berichtet er über Leeregefühle und Ängste. "Ich hab schon immer auch mal Angst gehabt, nicht lang, aber immer wieder. Wenn ich mit meinen Freunden war, war das nicht. Wenn ich allein war, dann kams!" Bei Nachfrage nach den großen schwarzen Flächen an der Kühlerhaube. Werden seine derzeitigen Depressionen genannt und auch Ängste, vor allem vor den Ausländern. T: "Na, denen bretterst Du ja mit dem Wagen doch davon." Frederik lacht: "Deswegen hab ich die Kiste wohl auch gemalt, nicht!" Die blaue Farbe wird als die Farbe der Mutter bezeichnet, die rote als die des Onkels. Beide sind immer dabei. "Meine Mutter bremst und mein Onkel startet durch, bis die Reifen qualmen. Immer wenn der kommt, peppt der uns auf, echt. Bei der hälts nur nicht lang und dann zieht se mich auch runter." Eine Stunde später wird das Thema Drogen angesprochen. T: "Deine Fußballfreunde saufen, wie Du sagst, und sie nehmen auch Drogen. Du sagst, Du hast Dich von ihnen zurückgezogen. Wegen der Drogen?" F: "Nee, weiß ich nicht. Ich find Drogen nicht in Ordnung. Manchmal, wenn ich so platt bin, hab' ich schon mal gedacht, ich könnt' was zum aufpeppen brauchen. Meine Mutter, die könnt' das brauchen, aber die nimmt ja Beruhigungspillen! Nee, Drogen ist nicht." Ein Gefährdungspotential ist deutlich. Die Komorbiditätskonstellation Angst/Depression birgt - wie die Forschung zeigt - als weiteres Risiko den Substanzmißbrauch und darauf haben therapeutische Maßnahmen zu achten, zumal in der "relationalen Komorbidität", der Abusus der Mutter manifest ist. Ätiologisch ist einerseits die frühe Belastung durch die Trennung der Eltern und die Ausbrüche des Vaters zu sehen, aber auch die Angst- und Depressionssymptomatik der Mutter, die durch die permanente Generierung bedrückender Atmosphären eines negativen "emotionalen Feldes" (Petzold 1992b, 810) im Sinne eines psychischen "emotionalen Ansteckungseffektes" (ibid.) auf Frederik depressionsfördernd gewirkt haben kann und seine Ängste nicht durch eine Sicherheit gebende, elterliche Stütze im Sinne eines Schutzschildes (idem 1995a) abpuffern konnte. Die vitalen Antriebe des Jungen (symbolisiert durch den Sportwagen) wurden vielmehr eingebremst und selbst die kräftigen Impulse des Onkels (der wie der Vater die Leitfarbe rot erhält) laufen ins Leere. Der Motorraum mit den Antriebskräften des "Lebenswagens", und die vor ihm liegende Lebensstrecke ist mit der Farbe schwarz für die Zukunft düster getönt Schwarz hat Frederik für Angst, Frust und Depression gewählt - das wird in den Gesprächen mit ihm deutlich von ihm so benannt. Aber da ist auch noch das Rot, das für Kraft und Vitalität steht, und das wird Frederik in der Bearbeitung des Bildes auch bewußt.
Ein Therapieplan bzw. ein therapeutisches Curriculum mit bei der vorliegenden Komorbidität und besonders bei ihrem relationalen Charakter muß "umfassend und differenziert auf die verschiedenen Facetten der Störung eingehen" , wie Wittchen und Vossen (1996, 231) betonen, wobei eine "individuell abgestimmte Kombination verschiedener Therapiemodule sinnvoll" sein kann (ibid.) bzw. eine differentielle Fokalsuche erfolgen muß (Petzold 1993p). Hier wird die Mutter eine Behandlung beginnen müssen. Dem Verfall der Netzwerksituation von Frederik und seinen sozialen Ängsten wird durch soziotherapeutische Maßnahmen, gesundheitsfördernde Netzwerkinterventionen (Röhrle 1998; idem et al. 1998; Backes, Hemme 1998) gegengesteuert werden müssen. Die Teilnahme an einer Aikidogruppe wird vorbereitet, denn er zeigt für Kampfsport Interesse. Es ist zu hoffen, daß in diesem Kontext die xenophobische Problematik (die Türken stehen für die projezierten Ängste) angegangen werden kann. Für die Angststörung ist therapeutisch eingebetteter Judo-Sport ein guter Ansatzpunkt (Roth 1993; Bettinaglio 1993) und auch für die depressive Symptomatik bieten sporttherapeutische Interventionen erfolgversprechende Perspektiven (van der Mei, Petzold, Bosscher 1997). In der therapeutischen Beziehungsdynamik wird voraussichtlich eine klare und vitale Väterlichkeit eine Rolle spielen müssen. Die Beziehung zur Mutter muß als ein weiterer Fokus (Petzold 1993p) gesehen werden, der sehr sorgfältig bearbeitet werden muß, um nicht die positiven Momente dieser Lebens- und Schicksalsgemeinschaft zu gefährden und doch ihre problematischen Aspekte gezielt anzugehen. Die starke Anwesenheit der (sowohl im "sozialen Atom" als auch im Lebenspanorama) für die Mutter stehenden blauen Farben im Zentrum des Sportautos verweist darauf.
Die beiden eingesetzten mediengestützten Diagnosetechniken (Petzold, Orth 1994; Petzold, Osten 1998) haben mit ihren realitätsbezogenen und projektiven Momenten, d.h. durch ihre semiprojektive Charakteristik eine Fülle von wichtigen Informationen über das Familiensystem, die Netzwerksituation, die Komorbidität und das sich entwickelnde Krankheitsgeschehen geboten, die für eine differenzierte Planung einer multimodalen Therapie mit gezielter Fokussetzung (Noll 1998) wesentliche Grundlagen bietet. Das Beispiel hat, so hoffen wir, gezeigt, daß es durchaus interessante Wege und Möglichkeiten geben kann, das projektive Moment in diagnostischen Prozessen zu nutzen.
7. Schlußfolgerungen
Unter der nach wie vor immer wieder zu stellenden Frage: "Ist die Psychodiagnostik verantwortbar?" (Pulver et al. 1978) scheinen bei einer Bilanzierung der Möglichkeiten und Grenzen von projektiven Verfahren bei Kindern und Jugendlichen die kritischen Einwände zu überwiegen, welche allerdings zu einem großen Teil in den Unzulänglichkeiten der einzelnen Verfahren gesehen werden müssen und weniger altersspezifisch begründet werden können. Die gesammelten, seit langem bekannten Probleme einer nach testtheoretischen Maßstäben hinreichenden Auswertung werden über die Jahrzehnte mitgeschleppt und weiterhin mit Erfolg ignoriert. Es ist anzunehmen, daß das Diagnostizieren mittels projektiven Tests den Anwendern auch einfach Spaß macht, da es nicht nur der spielerischen Natur des Kindes entgegenkommt, sondern vielleicht auch der der Anwender. Die "Seele" des Probanden, die "Wildnis seines Unbewußten" mittels mehr oder weniger geheimnisvoll anmutenden Verfahren zu erforschen, entspricht vielleicht einem romantisierenden Geist (Berlin 1998) des Forscher- und Entdeckerdranges, der Explorationslust oder der (magischen) Heilernatur des Testanwenders und Therapeuten. Weiterhin tragen projektive Verfahren in besonderer Weise zur "Reproduktion" theoretischer Vorannahmen und Fehlannahmen bei. Auf der Grundlage von zumeist sehr vagen tiefenpsychologischen Theoremen (Wyss 1977) konzipiert, bestätigen diese Tests häufig die Vorstellungen und Konzepte ihrer Verwender, geben ihnen eine Sicherheit, die bei weniger "interpretativen", objektiveren Verfahren schon lange zu Revisionen des Instruments geführt hätten, weil die Diskrepanzen zur klinischen Wirklichkeit und der Lebenswirklichkeit der Patienten zu offensichtlich geworden wären.
Die positiven bzw. vermeintlich positiven Erfahrungen der KlinikerInnen und anderer PraktikerInnen scheinen bislang jedenfalls stark genug, dem Einsatz projektiver Verfahren in der Diagnostik und Therapie weiterhin eine wichtige Rolle zukommen zu lassen.
Um den endlosen Streit um ihre Gültigkeit und Objektivität zu beenden, müßte vielleicht dazu übergegangen werden, die projektiven Test-Verfahren von ihrem ursprünglichen Test-Anspruch zu befreien, um ihnen als projektive Techniken in der Diagnostik und vor allem in der Therapie einen passenderen Platz zu verschaffen, wie dies in der Kinder- und Erwachsenentherapie des "Integrativen Ansatzes" mit dem Konzept "semiprojektiver" Vorgehensweise schon seit langem der Fall ist (Ramin, Petzold 1987; Osten 1995, 1997; Petzold, Orth 1994). Von vielen Anwendern werden alternative Vorgehensweisen schon praktiziert (Stadler, Witte 1991). Projektive Techniken (z.B. projektives soziales Atom, Lebenspanorama, body charts) werden seit vielen Jahren 'unbehelligt' von Rufen nach Validität, Reliabilität, Objektivität in den kreativen Therapiemethoden angewendet (Orth 1994; Petzold, Orth 1990), und diese werden gerade bei Kindern und Jugendlichen als Möglichkeit nonverbalen Kommunizierens und Verarbeitens häufig eingesetzt. Ähnlich wie die Musik in der Musiktherapie (Müller, Petzold 1997), Zeichnungen und Bilder in der Kunsttherapie (Osten 1997) können Testvorlagen als Rahmen für Projektionen zu realen szenischen Ereignissen dienen, deren Interpretation und "Deutung" zusammen mit dem Patienten, der Klientin, das Therapiegeschehen mitprägt und bereichert. Eine wissenschaftliche Auswertung dieser Verwendung ist damit nicht ausgeschlossen, sie müßte allerdings nach anderen Kriterien, z.B. hermeneutischen und inhaltsanalytischen Zugehensweisen, erfolgen.
Um nicht den Fehler der Übergeneralisierung zu machen, muß hier noch betont werden, daß die Stärken und Schwächen jedes Verfahrens (jeder Technik) im einzelnen beurteilt werden müßten, um ein vollständiges und angemessenes Bild der Möglichkeiten und Grenzen projektiver Verfahren mit semiprojektiver Vorgehensweisen gewinnen zu können. Viele Testautoren und -autorinnen oder die Testbenutzer und Praktiker geben sehr spezifische Anwendungsmöglichkeiten an, die sich in der Praxis zum Teil offenbar gut bewährt haben sollen. Dem müßte durch Dokumentation und Forschung näher nachgegangen werden. Einen solchen umfassenden Überblick zu geben, lag nicht in der Intention dieser Arbeit, die vor dem Hintergrund einiger theoretischer Überlegungen Perspektiven für die therapiebezogene diagnostische Praxis für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geben wollte. Vielleicht gibt sie auch Anregungen für eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Praxis projektiver und semiprojektiver Verfahren.
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Anmerkung
Aus der Abt. Klinische Bewegungstherapie und Psychomotorik, Freie Universität Amsterdam. Dem Text liegt das Arbeitspapier von L. Müller "Möglichkeiten und Grenzen projektiver Verfahren bei Kindern und Jugendlichen" zugrunde und ein Text von H. Petzold über Integrative Diagnostik und Komorbidität, die für die Veröffentlichung von den Autoren überarbeitet und ergänzt wurden.