Ehe- und Familienprobleme

Martin R. Textor

Erkenntnisse über Problemfamilien und Familienprobleme werden auf vielen verschiedenen Wegen gesammelt. So wurden insbesondere bei der Untersuchung von Verhaltensauffälligkeiten, psychischen Störungen, psychosomatischen Erkrankungen und Suchtkrankheiten unterschiedliche Erklärungsmodelle entwickelt (Textor 1988, Weckowicz 1984). Dazu gehören vor allem das Krankheitsmodell, das von vielen Ärzten vertreten wird, das konstitutionelle Modell (Conrad, Kretschmer, Sheldon), das Stressmodell (Meehl, Zubin), das psychodynamische Modell (Freud, Adler, Sullivan), das Entwicklungsmodell (Erickson, Piaget), das lerntheoretische Modell (Pawlow, Skinner), das kognitive Modell (Ellis, Beck), das humanistische Modell (Rogers, Maslow), das phänomenologisch-existentialistische Modell (Frankl), das "Labeling"-Modell (Goffman), das mikrosoziale Modell (Berne, Laing) und das makrosoziale Modell (Durkheim, Marx, Parsons). Diese Modelle, die wiederum Sammelbegriffe für eine mehr oder minder große Zahl von Theorieansätzen sind, lassen sich generell auf psychische Störungen, Verhaltensauffälligkeiten usw. anwenden.

Problemursachen, die sich auf pathogene Familienstrukturen und -prozesse zurückführen lassen, werden vor allem von Praktikern der Familientherapie und -beratung herausgestellt, deren Theorieansätze dem mikrosozialen Erklärungsmodell zuzurechnen sind. Auch hier sind im Verlauf der letzten Jahrzehnte eine Vielzahl von Therapieansätzen entwickelt worden, die sich folgenden "Schulen" zuordnen lassen (Textor 1985): Strategische Familientherapie (Haley, Palazzoli, Watzlawick), strukturelle Familientherapie (Minuchin), verhaltenstherapeutische Familientherapie (Patterson, Liberman), Therapie der erweiterten Familie (Speck, Bowen), erfahrungsbezogene Familientherapie (Satir, Kempler) und psychodynamische Familientherapie (Stierlin, Boszormenyi-Nagy).

Es ist offensichtlich, dass sich alle diese Erklärungsmodelle und Therapieansätze (wie die Familientheorien) nur auf einzelne Aspekte der Gesamtproblematik konzentrieren und deshalb möglichst im Sinne einer "integrativen" Theoriebildung zu einem "Ganzen" zusammengefasst werden sollten (Textor 1985, 1988). Aus Platzgründen ist es nicht möglich, die erwähnten Modelle und Theorieansätze darzustellen und im Folgenden auf die einzelnen Familienprobleme und Problemfamilien zu beziehen, obwohl in diesem Teil oft auf ihre Erkenntnisse zurückgegriffen wird.

Eheprobleme und Familienkonflikte

Oftmals wird die Familie als belastend erlebt. In diesem Zusammenhang sind Ehekonflikte von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur die Partnerbeziehung stören und eventuell zu ihrer Auflösung führen können, sondern weil sie sich oft auch auf die Erfüllung der Funktionen von Familien negativ auswirken. Konflikte können zum Beispiel zu psychosomatischen und psychischen Erkrankungen, Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen, sexuellen Dysfunktionen und Suchtkrankheiten führen; so hat etwa jeder dritte Deutsche bereits einmal in seinem Leben irgendeine psychische Krankheit erfahren oder leidet immer noch an ihr (Bundesregierung 1975).

In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche pathogenen Familienstrukturen und -prozesse Ehekonflikte oder psychische Störungen hervorrufen und aufrechterhalten können. Zuvor ist aber noch darauf hinzuweisen, dass in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch individuelle Merkmale eine große Rolle spielen: So liegen die Ursachen häufig in ungelösten und abgewehrten intrapsychischen Konflikten, bei denen entgegengesetzte Handlungstendenzen, Antriebe und Motive aufeinander treffen oder bei denen diese in einem eklatanten Widerspruch zu Familienregeln, Werten oder gesellschaftlichen Normen stehen. In anderen Fällen wirkt sich negativ aus, dass erwachsene Familienmitglieder egozentrisch sind, sich in erster Linie mit sich selbst beschäftigen oder ohne Rücksichtnahme auf andere nach Selbstverwirklichung, Bedürfnisbefriedigung und Genussmaximierung streben. Manche grenzen sich zu stark von den anderen Familienmitgliedern ab, behalten also ihre Gedanken und Gefühle bei sich, sind abweisend und verschlossen. Andere grenzen sich hingegen zu schwach ab, überschütten die Partner und Kinder mit ihren Empfindungen und Emotionen, streben fortwährend nach deren Zuneigung und Bestätigung. Einige wechseln auch immer wieder zwischen Phasen der Abgrenzung und Verwicklung, was vor allem für (Klein-)Kinder sehr verwirrend ist.

In vielen Fällen haben sich die erwachsenen Familienmitglieder zu plötzlich oder noch nicht von ihren Eltern abgelöst. Sie leben in alten Abhängigkeiten, selbst wenn sie diese verneinen. Auch sind sie oft durch unbewusste innere Aufträge oder Delegationen ("du sollst ein erfolgreicher Arzt werden", "Aus dir wird nie etwas werden!"), durch Schuldgefühle ("Wie kann ich meinen Eltern nur zurückzahlen, was sie mir an Gutem getan haben?") oder Hass ("Meine Mutter hat von mir immer nur genommen") an ihre Eltern gebunden. Die in den beiden letztgenannten Fällen empfundene Ungerechtigkeit kann dazu führen, dass der Erwachsene entweder versucht, seine "Schulden" gegenüber den Eltern zum Beispiel stellvertretend an seinen Partner oder seine Kinder zurückzuzahlen, diese also mit Gunstbeweisen überhäuft (und eventuell erdrückt), oder von ihnen zunächst nur nimmt und so von ihnen das erhalten will, was ihm seine Eltern vorenthielten.

Viele erwachsene Mitglieder von Familien, in denen es große Eheprobleme gibt oder einzelne Personen psychisch erkranken, leiden unter Wahrnehmungsstörungen. Sie registrieren bestimmte Eindrücke nicht, klammern ganze Klassen von Empfindungen und Emotionen aus ihrem Bewusstsein aus oder verzerren Wahrnehmungen. Aber auch Denkprozesse können gestört sein; so haben viele Schwierigkeiten, zwischen unterschiedlichen Ereignissen und Erfahrungen zu differenzieren, sie zu kategorisieren, ihre Ursachen zu erfassen und Konsequenzen für das eigene Verhalten zu ermitteln. Auch mag ihr Denken zu abstrakt beziehungsweise zu konkret sein, durch irrationale Einstellungen ("Wenn du einen Fehler machst, ist das eine große Katastrophe", "Du musst immer so handeln, dass dich alle Menschen lieben") oder dogmatisch vertretene Werte verfälscht werden oder sprunghaft und regellos sein. Zudem sind viele Entscheidungen gefühlsbestimmt. Es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen auch viele Kinder Denk- und Wahrnehmungsstörungen entwickeln; die Lösung von Problemen und Konflikten wird erschwert.

Ähnliches gilt auch für Kommunikationsstörungen. So senden die Mitglieder dieser Familien häufig undeutliche, vage und unklare Botschaften, die mehrdeutige Begriffe und unvollständige Sätze enthalten. Oft werden komplexe Tatbestände, Gefühle und Gedanken nur mit ein oder zwei Worten angedeutet, da der "Sender" glaubt, dass der "Empfänger" zum Beispiel aus Liebe weiß, was er sagen will. Vielfach stehen auch verbale Botschaften im Widerspruch zur Gestik und Mimik des Senders. In derartigen Fällen ist der Empfänger verwirrt. Er macht nun seinerseits oft den Fehler, dass er nicht zurückfragt, sondern mit Hilfe seiner Erfahrungen und seines Bildes vom Sender die Botschaften zu entziffern versucht. Oder er hört ihm nicht mehr zu, unterbricht ihn oder disqualifiziert seine Aussagen. Problematisch ist ferner, wenn die Familienmitglieder unterschiedliche Kommunikationskanäle verwenden, füreinander sprechen oder über Dritte miteinander kommunizieren. Es ist offensichtlich, dass es bei einem derartigen kommunikativen Verhalten leicht zu Missverständnissen, falschen Reaktionen und Auseinandersetzungen kommt. Auch erschwert es die Lösung von Ehe- und Familienkonflikten, die durch normative (Übergänge im Lebens- und Familienzyklus) und nichtnormative Lebensereignisse (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Arbeitsplatzwechsel usw.) hervorgerufen werden können. Andere Ursachen von Konflikten können unterschiedliche Erwartungen, Einstellungen, Werte, Bedürfnisse und Persönlichkeitseigenschaften, zu hohe Ansprüche, verdeckte Machtkämpfe usw. sein. Konflikte laufen zumeist nach ganz bestimmten Interaktionsmustern ab. Sie haben vor allem dann pathogene Auswirkungen, wenn sie zur Spaltung der Familie, zu Bündnissen mit Außenstehenden (Großeltern, Freunden) oder zur Ausstoßung eines Familienmitgliedes führen. Problematisch ist ferner, wenn eine Person zum Sündenbock gemacht wird.

Vielfach können sich die Familienmitglieder nicht auf den Konfliktgegenstand und die Ursachen einigen, stimmen Problemdefinition und Problem nicht überein, werden aufgrund fehlender Informationen oder mangelnder Kreativität keine Lösungen gefunden, scheitern richtige Konfliktlösungsversuche an Inflexibilität oder zu starren Interaktionsmustern, Beziehungsdefinitionen und Regeln. So wird immer wieder über dieselben Punkte gestritten, belasten die ungelösten Konflikte das Familienleben und führen zu Gefühlen wie Unzufriedenheit und Feindseligkeit, zu Entfremdung und einem negativen Selbstbild. Vielfach kommt es dann immer häufiger zu Konflikten, werden immer schneller Drohungen, Erpressungsversuche, Schuldzuschreibungen und Gewalt eingesetzt, nimmt die Kompromissbereitschaft immer mehr ab. In anderen Fällen distanzieren sich die Mitglieder voneinander, gehen einander aus dem Weg oder internalisieren die Konflikte, die sich dann durch Symptome wie Depressionen, Alkoholismus oder Ängste äußern können. Ähnliches gilt auch für den Fall, dass Konflikte immer wieder verneint, abgewehrt, verdrängt oder verheimlicht und Verhandlungen aufgeschoben werden.

Neben Konflikten können sich auch bestimmte Beziehungsdefinitionen negativ auf das Familienleben auswirken. So gehen zum Beispiel manche Ehepartner eine symbiotische Beziehung ein, in der sie voneinander Besitz ergreifen, ihre Individualität aufgeben und miteinander verschmelzen. Jedoch mag auch eine Person eine schwächere Position (zum Beispiel als Kranker oder als "Kind") und eine andere eine stärkere (als Pfleger oder "Elternteil") einnehmen; beide sind aber ebenfalls voneinander abhängig. Zudem besitzt auch der "schwächere" Partner Macht, da er durch seine Symptome beziehungsweise sein Verhalten den anderen zu einem bestimmten Handeln zwingen kann.

Problematisch ist ferner, wenn erwachsene Familienmitglieder mit ihrer Beziehungsdefinition nicht zufrieden sind, also zum Beispiel überhöhte Erwartungen und unrealistische Vorstellungen haben; so suchen manche Partner das "Glück auf Erden", Einswerdung und die Befriedigung aller Bedürfnisse in der Ehebeziehung.

In diesem Zusammenhang spielen auch Mythen wie zum Beispiel die folgenden eine Rolle:

  • Wer liebt, weiß automatisch, was der Partner wünscht, will, fühlt und denkt. Er hält dessen Bedürfnisse für wichtiger als die eigenen, will ihn glücklich machen und immer in seiner Nähe sein.
  • Kein Partner kann ohne den anderen überleben. Er ist ohne ihn unvollständig.
  • In einer guten Ehe gibt es keine Probleme und Konflikte. Die Partner haben immer dieselben Auffassungen, Ziele und Ideale.
  • Eine gute Ehe kommt von selbst zustande, ohne dass die Partner an ihr arbeiten müssen. Sie bleibt immer gleich und verändert sich nicht im Verlauf der Zeit.
  • Der Partner kann verändert und in eine bestimmte Form gebracht werden. (6) Meinungsunterschiede sind böse und sind zu vermeiden. Wenn sie dennoch zustande kommen, kann nur einer Recht haben.

Aus derartigen Mythen resultieren so hohe Anforderungen an den Partner und die Ehebeziehung, dass sie nicht erfüllt werden können und fast schon automatisch zu Konflikten führen.

Ferner wirken Beziehungen pathogen, in denen sich Familienmitglieder voneinander distanziert haben, kaum noch Interesse für die Gedanken, Gefühle und Aktivitäten der anderen aufbringen, nur noch wenig Zeit miteinander verbringen und fast nur noch aus Gewohnheit zusammenleben. Wenn es zwischen den Ehepartnern zu einer "emotionalen Scheidung" (Bowen 1978) gekommen ist, mag auch der eine in eine symbiotische Beziehung zu einem Kind eintreten, sodass der andere zum Außenseiter wird (oder ein anderes Kind zu seinem Ersatzpartner macht). In anderen Fällen wechseln Familienmitglieder fortwährend zwischen Phasen der Verwicklung und der Abkapselung, da es ihnen nicht gelingt, ein akzeptables Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden und beizubehalten.

Ehe- und Familienkonflikte können auch dadurch verursacht werden, dass die Mitglieder bestimmte Familienrollen nicht übernehmen. So mag zum Beispiel eine Frau die Mutterrolle verabsolutieren und ihrem Mann nicht mehr als Partnerin zur Verfügung stehen. In anderen Fällen werden nur bestimmte Rollensegmente ausgeklammert - beispielsweise wenn sexuelle Bedürfnisse nicht mehr in der Ehebeziehung befriedigt werden. Vielfach werden Familienrollen auch nur teilweise erfüllt, weil sich die Mitglieder verstärkt auf außerfamiliale Rollen konzentrieren, sich durch sie in ihrer Selbstentfaltung eingeschränkt fühlen oder ihnen die notwendigen Kompetenzen und Fertigkeiten fehlen. Manchmal sind sich die Familienmitglieder nicht über ihre Aufgaben, Rechte und Pflichten im Klaren, weil die Rollen unklar definiert oder fortwährend gewechselt werden. In anderen Fällen werden sie hingegen zu starr voneinander abgegrenzt, nach nicht mehr zeitgemäßen Leitbildern gestaltet oder nicht dem Alter, dem Geschlecht und den Eigenschaften des jeweiligen Individuums angepasst.

Viele Familienprobleme resultieren auch aus der mangelhaften Erfüllung familialer Funktionen. Manche Ehepaare scheitern zum Beispiel an den Anforderungen der Haushaltsführung: So ist ihre Wohnung unaufgeräumt und verdreckt, kommt es zu Mangel- und Falschernährung, werden Besuche und Festlichkeiten zu einer Katastrophe, wird fortwährend der Haushaltsetat überzogen. Oft wird aber auch um eine gerechte und partnerschaftliche Aufteilung der anfallenden Arbeiten gekämpft. In anderen Familien wird die Freizeitfunktion nicht erfüllt. Die Mitglieder beschäftigen sich nur wenig miteinander, organisieren selten Ausflüge und Spiele, gehen kaum noch aus und verbringen viel Zeit mit nicht gemeinsamen Freunden. So sind sie häufig gelangweilt und unzufrieden. Problematisch ist aber auch, wenn eine bestimmte Art der Freizeitgestaltung (zum Beispiel Fernsehen oder Videokonsum) im Mittelpunkt des Familienlebens steht oder sehr viel Zeit einzelner Mitglieder beansprucht. Schwierigkeiten bezüglich der Reproduktionsfunktion können aus sexuellen Problemen und Dysfunktionen (bis hin zur Infertilität) oder aus Desinteresse am Partner resultieren. Manchmal ist auch ein Ehegatte stark gehemmt, lässt Zärtlichkeiten nicht zu, wehrt Lustempfindungen ab oder lässt nur wenige sexuelle Praktiken zu. Zu Problemen kann es ferner aus überhöhten Erwartungen (gemeinsamer Orgasmus als Norm) oder beim Austragen von Ehekonflikten im sexuellen Bereich kommen.

Viele Ursachen für Familienprobleme liegen auch in den die Familie umgebenden Systemen. So ist oft das Verhältnis zu den beiden Herkunftsfamilien auf eine der folgenden Weisen gestört:

  • Ein Ehepartner oder beide sind in symbiotische Beziehungen mit Mitgliedern der Ursprungsfamilie verwickelt. Sie erlauben ihnen die Einmischung in ihr Familienleben. Oft werden sie von den Eltern wie Kinder und nicht wie Erwachsene behandelt. In manchen Fällen spielt sich auch der größte Teil des Familienlebens in den Herkunftsfamilien ab. Problematisch ist insbesondere, wenn derartig enge Beziehungen durch "Bestechung", die Weckung von Schuldgefühlen, die Aufrechterhaltung von Rollenzuschreibungen u. Ä. aufrechterhalten werden.
  • Die Ehepartner haben entweder die Beziehung zu den Herkunftsfamilien abgebrochen oder stehen nur in einem oberflächlichen Kontakt zu ihnen. Sie haben oft kein starkes Selbst herausdifferenziert und leben in einer sehr engen Beziehung. Manchmal haben sie Schuldgefühle oder vermissen die Unterstützung durch ihre Verwandten.
  • Zwischen Zeugungs- und Herkunftsfamilien gibt es viele offene oder verdeckte Konflikte, welche die Beziehungen belasten und Folgen wie Rollenzuschreibungen oder Projektionen haben. Manchmal werden Kinder in die Auseinandersetzungen einbezogen und aufgehetzt.
  • Bei Ehekonflikten gehen die Partner Bündnisse mit ihren Eltern ein oder werden von diesen negativ beeinflusst, sodass es zu einer Spaltung der Zeugungsfamilie kommt.

Auf ähnliche Weise kann natürlich auch das Verhältnis zum Netzwerk gestört sein. So haben manche Familienmitglieder extrem enge Beziehungen zu Dritten, die sie der Familie entfremden (bis hin zu außerehelichen Verhältnissen). Oder sie haben so gut wie keine Freunde und Bekannte, sodass sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gänzlich auf die Familie angewiesen sind und einander oft "aussaugen". In anderen Fällen belasten konfliktreiche Netzwerkbeziehungen die Familienmitglieder oder mischen sich Freunde und Bekannte auf negative Weise in Eheprobleme ein.

Pathogene Einflüsse können auch von der Arbeitswelt ausgehen. So leiden viele Ehepartner unter Konflikten mit Vorgesetzten, Kollegen oder Untergebenen, tragen diese in die Familie hinein und reagieren sie an anderen Familienmitgliedern ab. Große Belastungen können ferner aus beruflich bedingtem Stress, ständiger Überforderung, Kündigungsgefahr oder einem Arbeitsplatzwechsel resultieren. In diesen Fällen sind die Erwachsenen oft erschöpft, gereizt, frustriert und ungeduldig, reagieren schon bei kleinsten Anlässen aufbrausend oder kommen ihren Aufgaben als Partner und Elternteil nicht mehr richtig nach. Manchmal finden sie daheim wenig Verständnis und Unterstützung. Wenn beide Ehepartner erwerbstätig sind, werden Haushaltsführung und Kindererziehung häufig zu einer großen Last, bleibt ihnen nur wenig Zeit für gemeinsame Gespräche und Aktivitäten sowie zur Entspannung. Ähnliches gilt auch für den Fall, dass eine Person regelmäßig Überstunden macht beziehungsweise Arbeit mit nach Hause nimmt. Andere Belastungen können aus finanziellen Problemen oder beengten Wohnverhältnissen, aus Wertekonflikten oder unterschiedlichen Weltanschauungen resultieren.

Literatur

Bowen, M.: Family therapy in clinical practice. New York 1978

Bundesregierung: Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland - Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der Bevölkerung. Drucksache 7/4200. Bonn 1975

Mattejat, F.: Pathogene Familienmuster. Theoretische und empirische Analysen zum Zusammenhang zwischen Familienmerkmalen und psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart 1985

Meves, C.: Typische Binnenprobleme der heutigen Familie. In: Schnyder, B. (Hrsg.): Familie - Herausforderung der Zukunft. Freiburg 1982, S. 47-60

Textor, M. R.: Familienpathologie und Familientherapie. In: Textor, M. R. (Hrsg.): Die Familie. Beiträge aus verschiedenen Forschungsbereichen. Frankfurt/Main 1984, S. 181-196, https://www.ipzf.de/fampath.html

Textor, M. R.: Integrative Familientherapie. Eine systematische Darstellung der Konzepte, Hypothesen und Techniken amerikanischer Therapeuten. Berlin 1985

Textor, M. R.: Erklärungsmodelle und Behandlungsansätze für Verhaltensstörungen und psychische Probleme. Die Notwendigkeit der Integration. Soziale Arbeit 1988, 37, S. 129-134, https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/kinder-mit-besonderen-beduerfnissen-integration-vernetzung/verhaltensauffaellige-kinder/33/

Textor, M. R.: Gestörte Familienstrukturen und -prozesse. In: Textor, M. R. (Hrsg.): Hilfen für Familien. Ein Handbuch für psychosoziale Berufe. Frankfurt/Main 1990, S. 65-90, https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/psychologie/2106/

Weckowicz, T.: Models of mental illness: Systems and theories of abnormal psychology. Springfield 1984

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