Helmut Heiland
I. "Spielpflege" im "Kindergarten" zwischen Familie und Schule
Wenn man sich in seinen Schriften über Fröbels Auffassung der Gruppierung im Kindergarten informieren will, stößt man auf eine Leerstelle. Schildert Fröbel seine Kindergartenpraxis, so sind seine Aussagen zur Spielgruppe, sofern überhaupt vorhanden, systematisch wenig ergiebig und bleiben daher peripher. Die Zusammensetzung der Spielgruppe ist für Fröbel kein Thema, also auch kein Problem. Der Grund dafür liegt in Fröbels Verständnis des "Kindergarten". Er ist der spezifische Ort der "Spielpflege". Und "Spielpflege" ist für Fröbel zunächst die intensive Auseinandersetzung des einzelnen kleinen Kindes mit Fröbels "Spielmaterialien". "Spielmaterialien" - das sind einfache Gegenstände wie Ball, Kugel, Würfel, Täfelchen und Stäbchen. Fröbel nennt sie "Gaben" und "Beschäftigungsmittel". Er hat sie im Wesentlichen von 1831 bis 1836 entwickelt. Diese Materialien bilden für ihn ein Ganzes. Diese Spielmaterialien sind für ihn einfache, "elementare" Naturgegenstände". Sie zeigen natürliche Strukturen, also Gesetzmäßigkeiten der Gegenstände, aller Gegenstände. Beim Spiel, beim Bauen, bei der Beschäftigung mit diesen Materialien soll das Kind diese Gesetzmäßigkeiten handelnd-anschaulich begreifen. Diese Materialien sind "autodidaktisch", selbstbelehrend. Fröbel meint mit dem Begriff des "Autodidaktischen": Das Kind soll im Spiel die Struktur des Materials, des Spielgegenstands erkennen und übt, kräftigt, bildet so seine Fähigkeit aus, die Dinge in ihrer Strukturiertheit zu begreifen. Im Spiel findet elementare Bildung statt. Und das ist ein wechselseitiges Verhältnis: Im Spiel, im Bauen erschließen sich dem Kind die Dinge in ihrer Struktur, und das Kind steigert seine strukturelle Kraft, diese strukturelle Gesetzmäßigkeit zu erfassen, zu verstehen. Man kann von "kategorialer" Bildung sprechen: Das Spiel mit Fröbels Materialien erschließt die dingliche Wirklichkeit in ihren strukturellen Grundlagen und baut zugleich beim Kind entsprechende Verstehensstrategien (Qualifikationen, Kompetenzen) auf. Das Spiel, die Beschäftigung mit Fröbels Materialien bringen also beim bauenden Kind elementare und kategoriale Bildung hervor: Einsicht in die Dingstruktur (das "Elementare") und erhöhte Strukturierungskraft ("Kategoriales"). Diese kategoriale Elementarbildung des einzelnen spielenden Kindes durch autodidaktisches Material, das selbst didaktisch, belehrend, also erzieherisch wirksam ist, - das ist das Zentrum der Spielpädagogik Fröbels, auch die Mitte seines Kindergartens. Aber das ist "autodidaktisches" Spiel.
Wo bleibt die "Spielpflege"? Hier spielt doch nur das einzelne Kind bauend mit dem Spielmaterial und gewinnt Einsicht in dessen Struktur und in seine eigene Bau- und Verstehenskraft durch sein Auf-Bauen. Also: Die Spielimpulse setzt das Material durch dessen Aufforderungscharakter, durch seine Anmutungsqualitäten. Wo aber bleibt das mitspielende Kind, wo die anderen Kinder, die Spielgruppe? Es fehlt vor allem der pädagogische Hintergrund. Es fehlen die Impulse der Erwachsenen, der Eltern, der Mutter, der Kindergärtnerin.
Die Geschichte der Spielpädagogik Fröbels beginnt in Keilhau, in seiner privaten Erziehungsanstalt, gegründet 1816/17 (vgl. Heiland 1998, S. 11 ff.), und ist hier deutlich unterrichtlich-didaktisch bestimmt ("Baustunde" als Teil des Curriculums dieser Elementarschule). Ihre autodidaktische Vertiefung und Erweiterung durch die Kreation von Spielmaterialien für die Familie erhält Fröbels Spielpädagogik in seiner Schweizer Zeit (1831-1836). Zwischen 1836 und 1844 relativiert Fröbel aber nun diesen autodiaktischen Aspekt durch den Begriff der "Spielpflege" mit einer deutlich lenkenden pädagogischen Dimension. Zugleich wird eine spezifische Institution, der "Kindergarten", mit einem professionellen Betreuungspersonal, der "Kindergärtnerin" bzw. "Kinderführerin", geschaffen. Der Kindergarten wird ferner als institutioneller Zusammenhang mit der Elementarschule konzipiert.
Fröbels Spielpädagogik des "Kindergartens" ist also "Spielpflege". Diese "Spielpflege" umfasst selbstverständlich mehr als das Einzelspiel des Kindes mit dem Material. Bekanntlich hat Fröbel drei Tätigkeitsfelder des Kindergarten konzipiert. Neben Spiel und Beschäftigung mit den Materialien stehen "Bewegungsspiel" und "Gartenpflege". Am Rande spielt ferner das "Erzählen" auch schon in Fröbels Kindergartenpraxis eine gewisse, allerdings umstrittene Rolle (positiv Middendorff 1848, s. Heiland/ Gebel 2004, S. 225, dagegen Seele 1886/88, s. Heiland 1974, S. 186), um dann nach Fröbels Tod (1852) in der Fröbelbewegung des 19. Jahrhunderts eine ganz erhebliche Bedeutung zu bekommen. Das "Erzählen" spielt bei Fröbel in der Keilhauer Erziehungsanstalt, also im Elementarunterricht, eine gewisse Rolle (vgl. Heiland 1998, S. 20). In seiner Spätzeit hat sich Fröbel unterschiedlich zum Erzählen im Kindergarten geäußert (vgl. Brief Fröbels an Luise Levin v. 15.01.1849, s. Heiland 1998, S. 287) und ausschließlich auf Eindruck beim Kind abhebendes Erzählen als "passivisch" abgelehnt. Fröbel selbst bevorzugt das gelegentliche Erzählen und dessen Nacherzählen durch die Kinder des Kindergartens. Er entwickelt eine Vorliebe für das Erfinden von Geschichten durch die Kinder anhand von Bildvorlagen (also Stärkung der individuellen Selbstkräfte), betont dann aber doch i.S. Pestalozzis die Schulung der präzisen Wahrnehmung durch klassifizierendes Vergleichen von Details (s. Heiland 1998, S. 299). Aber zur Klärung des Problems der Gruppierung im Kindergarten Fröbels liefert das "Erzählen" nichts Brauchbares.
Dies gilt auch für Fröbels "Gartenpflege" im Kindergarten, die an Keilhau anknüpft, wo die Schüler bereits Gärtchen hatten und diese pflegten. Insofern ist Fröbel im Grunde bereits um 1820 der Begründer der durch Erasmus Schwab 1870 initiierten Schulgarten-Bewegung gewesen, die dann von der "Reformpädagogischen Bewegung" in den 1920er Jahren wieder aufgegriffen und vertieft wurde (vgl. Heiland/ Sahmel 1985, S. 157 ff.). Fröbel hat sich erst 1850 mit den "Gärten der Kinder" im Kindergarten auseinandergesetzt (vgl. Heiland 1998, S. 144 ff.). In diesem Text fordert er die Einrichtung eines Gartens für jeden Kindergarten. Dieser soll zwei Teile haben. Der "allgemeine Teil" soll "Acker- und Gartenland" sein, entsprechende Feldgewächse und Blumen bzw. Gemüse tragen und von Kindergärtnerin und allen Kindern gemeinsam gepflegt werden. Der andere Teil enthält die einzelnen Beetchen für jeweils jedes Kind, wobei jedes Kind pflanzen darf, was es will. Diese individuellen Beetchen umgeben den allgemeinen Nutzgarten in der Mitte. Ist insgesamt wenig Gartenfläche vorhanden, können auch mehrere Kinder gemeinsam ein Beet betreuen. Zu dieser Regelung macht Fröbel aber keine genauere Angaben. Neben dem hauswirtschaftlichen Nutzen dieser Gartenpflege hebt Fröbel deren kategorialbildenden Aspekt hervor. Gartenpflanzen sind dem kindlichen "Geist" entgegengesetzte "Natur", die es in ihrem Gleich-Sein zu erfassen und zu begreifen gilt - das eigene kleine Beetchen und Gärtchen als Ausdruck, Bild und Spiegel der eigenen Entwicklung des Kindergartenkinds, ein "Gegenbild seiner selbst zum bessern Verständnis, richtigerm Erfassen seiner selbst" (Fröbel 1850, S. 115, vgl. Heiland 1998, S. 144). Fröbel versteht diese Gartenpflege im Kindergarten (der konkrete Garten im "Garten" der Kinder!) also als Bild und Ausdruck seiner Philosophie "sphärischer" Erziehung, jeden Menschen zu seiner optimalen Entwicklung und Bildung zu führen. (Mit "sphärisch" meint Fröbel die Verbundenheit des einzelnen Menschen, jedes Menschen, auch des kleinen Kindes, mit der gesamten universalen Wirklichkeit bzw. die Einsicht in diese integrale Universalität).
Das dritte Tätigkeitsfeld des Fröbelschen Kindergartens neben "Spielmaterialien" und "Gartenpflege" umfasst die "Bewegungsspiele". Diese wichtige Gestaltungsform des Kindergartens bietet nun doch deutliche Hinweise zur Lösung des Gruppierungsproblems, obwohl auch hier Fröbel direkt das Problem des Zusammenhangs von Alter und Gruppierung systematisch nicht klärt. Einige Berichte von Spielfesten und briefliche Schilderungen lassen aber doch ein ungefähres Bild der Gruppierungsmaßnahmen bei der Durchführung von Bewegungsspielen erkennen. - Zugleich verweisen diese "Bewegungsspiele", die ja aus dem Ballspiel entstanden sind, zurück auf das Spiel mit den Materialien, den "Gaben" und "Beschäftigungsmitteln", das eben nicht ausschließlich als Einzelspiel, als Spiel eines Kindes mit einem Material, abläuft, sondern auch Gruppierung, also gemeinsames Spiel mit den Materialien, durchaus mit einschließen könnte. Allerdings findet sich in Middendorffs Schrift "Die Kindergärten" (1848) keine direkte Schilderung des gemeinsamen Bauens von Kindern mit den "Baukästen" der Gabe 3-6 bzw. "Beschäftigungsmitteln". Und im Aufsatz zum Spiel mit der 4. Gabe, den acht "Bauklötzchen" (Quadern/ Platten) heißt es dazu: "Eben so ist es nöthig, daß wenn mehrere Kinder zugleich mit den gleichartigen Spielen spielen, also entweder mit den 8 Würfeln [3.Gabe] oder den 8 Bauklötzchen, daß dann immer je 8 Würfel oder je 8 Bauklötzchen ihr eigenes Kästchen haben, aus welchem sie beim Beginne des Spielens heraus geholt und beim Beschluß desselben wieder eingeräumt werden müssen; keineswegs aber dürfen sie einzeln aus einem gemeinsamen Kasten und Verschluß hervorgeholt werden" (Hoffmann 1982, S. 107). Dieses "gemeinsame" Tun stellt sich also als ein gleichzeitiges Einzelspiel mehrerer Kinder mit dem gleichen Spielgegenstand heraus.
Bevor der Zusammenhang von Spielfest und Bewegungsspiel genauer dargestellt wird, soll nochmals das Grundproblem der "Spielpflege" als Ort elementar-kategorialer Bildung umrissen werden: "Spielpflege" vollzieht sich im Raum des "Kindergarten", der nicht mehr Familie und Pflege und noch nicht Schule und Unterricht-Belehrung ist, sondern atmosphärisch familiennahe Pflege mit unterstützend-lenkender Belehrung in Form von Impulsen und Hinweisen verbindet. Für das Gruppierungsproblem ergibt sich dann ein Oszillieren zwischen Familiennähe (= Altersheterogenität der Gruppe) und Elementarunterricht (= Altershomogenität, Jahrgangsklassen). Allerdings bildete sich die Jahrgangsklasse als schulische Organisationsform erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus. In der Erziehungsanstalt Fröbels in Keilhau gab es noch keine Jahrgangsklassen, sondern einen Abteilungsunterricht, den "begründenden" Elementarunterricht (ab 1816/17) und darauf aufbauend den gymnasial orientierten "klassischen" Unterricht (ab 1823). Beide Curricula wurden im Wechsel angeboten, der "begründende" Unterricht für die jüngeren, der "klassische" Unterricht für die älteren Schüler. 1830, nach dem Scheitern einer "Volkserziehungsanstalt" in Helba, die curricular einer arbeitsunterrichtlich konzipierten "Volksschule" entsprach, nennt Fröbel in Briefen drei Abteilungen in Keilhau: Es bestehe dort als 1. Abteilung eine "Volkserziehungsanstalt" (Eintrittsalter 7-9 Jahre) sowie als 3. Abteilung die "Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt" mit den "klassischen" Fremdsprachen (Eintrittsalter 12-14 Jahre). 2. Abteilung sei die in Aufbau befindliche "Bildungsanstalt für höhere Gewerbe und Geschäftssinn" mit etwas Latein und Französisch und Englisch als Fremdsprachen (Eintrittsalter 10-13 Jahre) (vgl. Heiland 1993, S. 199). Das Keilhauer Internat umfasste als Maximum 1826 lediglich etwas mehr als 60 Schüler, auch Mädchen. Die Schülerzahl blieb also relativ gering und überschaubar. Der Keilhauer Abteilungsunterricht im Rahmen des familienadäquaten Internats - Fröbel war "Pflegevater" seiner "Zöglinge" - war mit Sicherheit altersheterogen und entsprach insofern der "natürlichen" Familie. Da Fröbel zunächst seine "Spielpflege" in den Familien, dann in "Familienkindergärten" und erst gegen Ende seines Lebens in der familienunabhängigen Institution "Kindergarten" ansiedelte, bildete das Alter der Kindergartenkinder für ihn kein Gruppierungskriterium.
In diesem Punkt war Fröbel also pragmatisch und fügte sich den örtlichen Verhältnissen, wie sein Bericht von seinem Blankenburger Kindergarten deutlich zeigt, den es noch darzustellen gilt. Diese Pragmatik erschwert natürlich jeden Versuch, präzise Fröbels Gruppierungspraxis analytisch zu erfassen. Fröbels Vorbild der Familie als Modell optimaler "sphärischer" Erziehung, die allerdings der Hilfe durch die Theorie bedarf, dominiert in allen Phasen seines Wirkens. Eindeutige Abteilungen lassen sich in Fröbels Kindergarten sicherlich nicht ausmachen, ebenso wenig in Middendorffs Darstellung des Kindergarten von 1848 (vgl. Heiland/ Gebel 2004, S. 222 ff.). Sein Blankenburger Spielkreis umfasste Kinder allen Alters, von 1-2jährigen bis schulreifen Kindern. Ida Seeles Kleinkinderschule in Darmstadt, die sie in den 1840er Jahren leitete, wirkt in ihrer Praxis, die Fröbel in einem Brief zusammenfasst, sehr frontalunterrichtlich-disziplinierend, wird aber von Fröbel durchaus als "Kindergarten" beurteilt. Fröbel folgte offensichtlich der Größe der Spielgruppe. War sie überschaubar, so blieb sie ungegliedert. In der späteren Fröbelbewegung, vor allem aber in den "Volkskindergärten" Marenholtz-Bülows, waren die überfüllten Klassen nur noch frontalunterrichtlich zu lenken; eine Situation, die Eigeninitiativen und individuelle Förderung ausschloss. Gerade aber die individuelle Förderung des einzelnen Kindes durch Spielpflege, - vor allem durch den autodidaktischen Kern der Materialien, den das spielende Kind im Spiel sich aneignete, - war für Fröbel gemäß seiner Philosophie "sphärischer" Erziehung entscheidend.
II. Fröbels Arbeitssituation in Blankenburg
In einem Brief an Pivany vom 20.01.1842 beschreibt Fröbel die Praxis des Kindergartens in Blankenburg und kennzeichnet die räumliche und personale Situation bzw. das Verhältnis von Betreuungspersonen und Klientel. Dabei macht Fröbel ansatzweise auch generelle Aussagen zur Gruppierung. Im Brief heißt es:
"Wie viel nun von den oben bestimmten Personen Kinder beschäftigt und beaufsichtigt werden können, läßt / (102R) sich auch schwierig voraus bestimmen, es kommt dieß sowohl auf die Individualität der Führenden als auf den Charakter der Kinder an. Die Mittelzahl darin, die bis jetzt in unsern Kindergärten von einem Spielführer beschäftigt worden sind, ist ohngefähr 25, doch hat auch wohl einer mit gedachtem Gehülfen 50 zugleich beschäftigt, und - wenn sich später aus dem Spiel- und Beschäftigungskreise durch größere Kinder und erwachsenen Teilnehmern auch noch Hülfe entwickelt, so lassen sich wohl 80 bis 100 von einem Hauptleiter beschäftigen, versteht sich alle als ein Ganzes und gleichsam im Chor; treten aber mehrere besondere Beachtungen der Kinder namentlich Trennung der Knaben und Mädchen ein, was bei etwas vorgerückterem Alter der Knaben, namentlich bei einigen ihrer Spiele und wegen der größeren Gewalt ihrer Lebensäußerungen wenigstens zu Zeiten nöthig ist, so sind zwei bestimmte Spiel- u Beschäftigungs-Führende nothwendig; und da haben die Knaben gern einen kräftigen, ein- und ganz <weithin> im Spiel gleichsam aufgehenden Jüngling oder jungen Mann zum Spielführer; doch unterordnen sie sich dabei auch sehr gern einem kräftigen, lebensgewandten im Alter nur etwas vorgerückterem Knaben, besonders wenn er die allgemeine Achtung und Liebe der Kleineren besitzt und in sein spielführendes Amt gleichsam von der Oberleitung eingesetzt ist.
Zweitens in Hinsicht auf das Locale möchte ich sagen, daß der Raum verhältnißmäßig kaum zu groß sein kann; doch kann man wohl auch so finde ich mit Beeinträchtigung des Zweckes, mit einem mäßigen Raum auskommen; doch hier handelt sich's doch wohl um Bestimmung dessen was zu einer vollkommeneren Ausführung / (103) des Ganzen nöthig ist. Hierbei und nach dieser Voraussetzung muß fest gehalten werden, daß schon bei einer mäßigen Anzahl von Kindern, sobald sie aus Knaben und Mädchen besteht, z.B. 20 bis 30 Kindern wovon 1/3 tel oder ¼ tel Knaben sind, zwei Zimmer nothwendig werden, aber weil die Knaben mehr lautere und raumfordernde Spiele lieben.
Wir in Blankenburg haben dagegen bei einer Zahl von oft 80 Kindern zum eigentlichen Spiel- und Beschäftigungs-Raume im Gebäude 3 Zimmer, 2 größere u ein kleineres. In dem mittleren Zimmer werden zuerst die mehr ruhigen und sitzenden Spiele besonders die Bauspiele und schaffenden Beschäftigungen gemeinschaftlich betrieben; doch so daß die Knaben und Mädchen, wenigstens die etwas größeren ihre besonderen Tische haben; ebenso ist es gut, daß jedes Kind seinen bestimmten Platz habe. Es erleichtert dieß die Ruhe und Ordnung gar sehr.
Bei den Bewegungsspielen, besonders bei den mehr gewaltigern, sind die Knaben von den Mädchen getrennt, und die ersteren, deren es bei uns im oben angegebenen Verhältnisse weniger sind, spielen dann in dem verhältnismäßig kleineren Zimmer. Werden nun aber wieder ganz allgemein größere Bewegungs-, besonders Geh- und Laufspiele gespielt, wo dann Knaben und Mädchen wieder geeint sind, so gehen wir unter Spielgesang in das dritte größere Zimmer. Wir finden das Zusammenspielen der Knaben und Mädchen, besonders wenn die ersteren ihr kräftigeres Leben im eigenen Kreise durchlebt haben, für beide Theile sehr wohlthätig: die Mädchen werden und fühlen sich kräftiger, und die Knaben erscheinen milder, sich leichter der Ordnung fügend. Außer-/(103R)dem haben wir in der Nähe unseres Spiel- und Beschäftigungshauses noch einen freien Raum, welcher die Gärtchen der Kinder und noch 2 Spielplätze einen für Knaben und einen gemeinschaftlichen enthält, welcher dann, wenn die Knaben für sich spielen, von den Mädchen allein benutzt wird" (Fröbel an Pivany vom 20.01.1842 / BN 398, Bl 95-105, vgl. Hoffmann 1944, S. 13 ff.).
Es ist also vor allem die Trennung bzw. das einheitliche gemeinsame Spiel (Bewegungsspiel) der Geschlechter, also von Knaben und Mädchen, das Fröbel hier in den Vordergrund rückt. Auf das Alter als Gruppierungsmerkmal geht Fröbel jedoch überhaupt nicht ein.
III. "Bewegungsspiele" beim Spielfest in Quetz (1847) und auf dem Altenstein (1850)
Mit den "Bewegungsspielen" hat sich Fröbel zeitweise intensiv beschäftigt. Neben der Abhandlung von 1840 im "Sonntagsblatt" (vgl. Heiland 1974, S. 52 ff.) sind ausführliche Darstellungen in Briefen, so u.a. im großen Brief an Gräfin Brunszvik von Januar 1842 (vgl. Hoffmann 1944, S. 20 ff.) zu nennen. Die "Bewegungsspiele" stehen in engem Zusammenhang mit dem Spiel mit dem Ball. Die Ballspiele bereiten die Bewegungsspiele vor. Denn die "Bewegungsspiele" übernehmen von den Ballspielen die Struktur der spielenden Kindergruppe, die eine Bewegungsgestalt durch ihr Ballwerfen bildet. Bei den "Bewegungsspielen" nun tritt an die Stelle des Balls als Spielgegenstand die ganze Gruppe oder ein Mitglied der Gruppe. Letztlich spielt bei den "Bewegungsspielen" die Spielgruppe der Kinder mit sich selbst, ist sich selbst ihr Spielgegenstand, der, da abstrakt, daher auch bevorzugt sphärephilosophisch interpretiert werden kann. Fröbel hat daher gängige traditionelle Gruppenspiele, meist Kreisspiele wie "Katz und Maus", aufgegriffen und sie in einen sphärephilosophischen Rahmen systematisch eingeordnet.
Am ergiebigsten für unseren Zusammenhang der Gruppierung zeigen sich die Berichte über Spielfeste der Fröbelbewegung. Fröbel selbst hat zwei Feste gestaltet, zum einen das Spielfest zu Quetz nahe Halle vom 25.07.1847 (vgl. Heiland 2000, S. 55 ff., bes. S. 97 ff.) sowie das Spielfest auf dem Altenstein nahe Bad Liebenstein vom 04.08.1850, über das Fröbel selbst in seiner "Wochenschrift" im gleichen Jahr berichtet hat (vgl. Fröbel 1850a, s. Heiland 1998, S. 146 ff.). Zum Spielfest in Quetz liegen Zeitungsberichte vor (Abdruck s. Heiland 2000, S. 97 ff.).
Die Berichte über das Quetzer Spielfest sind nicht sehr ergiebig. Man erfährt, dass der Spielkreis sich aus etwa 80 4-14jährigen Kindern aus Quetz und weiteren 50 Kindern und jugendlichen Turnern aus benachbarten Dörfern zusammensetzt, die nach gemeinsamem Einmarsch acht Spielkreise bilden, um dann die Bewegungsspiele dem mehr als 2.000 Menschen umfassenden Publikum vorzuführen. Dabei werden nun zwar Details sichtbar, aber insgesamt gelangen diese Reportagen nicht zu Aussagen über präzise Gruppierungsstrukturen. Lediglich die Trennung in 8 geschlechtshomogene (?) Gruppen und das Vorführen von - dann als geschlechtstypisch bewerteten - "Lauf- und Springspielen" durch die Jungen und typischen "lieblichen" Spielen durch die Mädchen verweist erneut auf ein deutlich betontes Gruppierungskriterium:
"Nach dem Gesange eines passenden Eingangsliedes begannen nun unter Leitung Fröbel's und einer ziemlichen Anzahl anderer Spielführer und Spielführerinnen, von denen mehrere Schüler und Schülerinnen Fröbels auf den Wunsch des alten Lehrers aus weiter Ferne herbeigekommen waren, die sorgsam vorherbestimmten und geistvoll geordneten Spiele, die in bunter Mannichfaltigkeit bald von der gesammten Kinderschaar, bald von einzelnen nach Geschlecht und Alter gesonderten Abtheilungen mit ganz unerwartetem Geschicke ausgeführt wurden. Durch die Beziehung alles Einzelnen auf einen gemeinsamen Mittelpunkt, durch den zweckmäßigsten Wechsel von Ruhe und munterer Bewegung, durch die Aufrechterhaltung der strengsten Ordnung und durch den Gesang der mannigfachsten, lieblichsten Liedchen, die alle diese Spiele begleiteten und Schwung und Rhythmus in Alles brachten, ward Alt und Jung in gleicher Weise in eine eben so harmonische als erregte Stimmung versetzt" (Heiland 2000, S. 98).
"Während die Knaben sich auf das Angemessenste vorzüglich mit Lauf- und Springspielen belustigten, [...] bewegten sich die Mädchen in zierlichen Windungen und Verschlingungen unter lieblichem Gesang, flogen bald als Täubchen in weitem Kreise umher, oder ordneten sich in langen Reihen und warfen den Ball" (Heiland 2000, S. 101).
Etwas informativer ist Fröbels Bericht vom Altensteiner Spielfest, an dem 300 Kinder teilnahmen und das von etwa 25 Erwachsenen betreut wurde. Fröbel beschreibt sehr präzise die einzelnen Bewegungsspiele. Man müsste hier eigentlich die kognitive Dimension des Bewegungsspiels aufgreifen, die Fröbel so eindeutig in einem Brief vom 21.07.1839 (KN 55,25) bestimmt (vgl. Hoffmann 1982a, s. Heiland 1998, S. 258 ff., bes. S. 261 f.) und vor allem das Training der Wahrnehmung, das exakte Anschauen und präzise Wahrnehmen postuliert hat. Aber das ist hier nicht das Thema. Fröbel beschreibt aber die Durchführung des Spielfests als das Sichtbarwerden eines Ganzen, des gesamten Spielkreises, in gleitenden Veränderungen der acht "gleichlaufenden" einzelnen Spielkreise, die nach dem Einmarsch gebildet wurden und die sich "abwechselnd in verschiedenen Richtungen, bald rechts, bald links" drehen. Die präzisen Beschreibungen der Spielgestalten demonstrieren Fröbels Wille, hier seine Sphärephilosophie, Alles in Allem und Alles in Einem, darzustellen. An Rituale des Beginns und des Abschlusses im Kindergarten knüpft Fröbels Beschreibung des "Marsches" der Spielgruppen von den einzelnen Orten auf den Altenstein an:
"So versammelten sich die Kinder an jedem einzelnen Orte, dann zunächst im Dorfe Schweina unterhalb Altenstein unter Leitung ihrer Spielführenden: Lehrer, Erzieher, Kindergärtner und Kindergärtnerinnen; und wieder äußerlich zusammengeordnet nach dem Alter, resp. Größe traten sie in Reihen zu vier und vier, wovon die Kleinsten den Anfang, die Größten den Schluß machten. So bildeten sich Kolonnen von gleichlaufenden Reihen zu je 4 und 4, zu der Linken der Kolonnen gingen leitend und führend die Spielführerinnen" (Fröbel 1850a, S. 226).
Dann die Schilderung der Konstituierung des ganzen Spielkreises und seiner acht Teilkreise:
Bis "zu diesem Momente" war "die ganze Schaar ein, nur durch äußerliche Bestimmungen Zusammengeordnetes und in sich durch die Idee, den Gedanken Geeintes. Jeder Einzelne der Teilnehmenden hatte bisher weder das Ganze überschaut, noch seine Stellung, Platz und Ort im großen Ganzen erkannt und eingenommen. Darum, wie das gesammte, das Spielfest ausführende Ganze abtheilungsweise in den Kreis eingetreten war, ordnete sich dasselbe dicht innen an dem abgrenzenden Kreise so, daß jedes Glied des Ganzen von zwei seiner Spielgenossen berührt wurde, sämmtliche Gesichter nach der Mitte des Kreises gerichtet waren und so Jeder das Ganze überschaute, seine Stellung im Ganzen und zu jedem Einzelnen. Auf diese Weise sollte jedem Theilnehmenden das Wirksamste und Höchste der Lebensanschauung werden, nämlich: 1) die der äußerlich unsichtbaren, aber doch das Ganze bestimmenden Einheit, hier die unsichtbare und doch den Kreis bestimmende Mitte; 2) die Anschauung des Ganzen und zugleich aller Glieder dieses Ganzen bis in das Einzelne; und 3) die Erkenntnis und Anschauung seiner selbst an seiner Stelle, seinen Platz im Kreis, sein Verhältniß zu jedem Einzelnen im Kreise wie zu dessen Mitte und so in Beziehung auf die an ihn zu machenden und von ihm zu erfüllenden Forderungen. Die Einheit gleicht dem Mittelpunkt, die Mannichfaltigkeit sich aussprechend in allen Gliedern, die Einzelheit in jedem Spielenden. - Auf diese Weise wurden wieder 3 Anschauungen in dieser Spieldarstellung möglich: 1) die der unsichtbaren, innerlich innersten Einheit, 2) die der sichtbaren Mannichfaltigkeit, Äußerlichkeit, 3) die der Einzelheit, Sonderheit, Persönlichkeit. - In dieser Stellung, worin natürlich die Spielführerinnen und Kinder gleichmäßig verteilt waren, sollte das Lied gesungen werden: 'Seht uns hier im Vereine usw.', man erkannte aber, daß der Kreis zu groß sei, [...] so wurden das Ganze der 300 und mehr Spielenden [...] in 8 gleichlaufende Kreise zusammen geordnet in der Mitte des Spielplatzes; und hier begann nun der gemeinsame Gesang:
Seht uns hier im Vereine, / Daß die Eintracht erscheine / In dem heiteren Spiel;
Ordnung schön uns verbinde, / Liebe in allem sich finde, / Bringe der lieblichen Früchte so viel.
Durch dieses Zusammenordnen sprach sich aus: Nicht nur ein einzig großes Ganzes kann sich durch eine Einheit, Einen Gedanken, Eine Idee verbunden sein, sondern untergeordnete Ganze oder Kreise der verschiedensten Ausbildungen können sich ganz nach dem Grad und Maße ihrer Ausbildung um einen und denselben Mittelpunkt ordnen. Das Getragenwerden von einer Idee schließt die Ausbildung untergeordneter Ganze nicht aus" (Fröbel 1850a, S. 226 f., vgl. Heiland 1998, S. 146 f.).
Fröbels Tendenz, dieses Spielfest als eine Demonstration sphärischer Erziehung zu gestalten, begründet zugleich seine unscharfe Bestimmung der Gruppierungsstrukturen im Kindergarten. Im Grunde ist diese nicht nötig. Abgesehen von der anthropologisch-biologischen Geschlechtsdifferenz als Kriterium vollzieht sich der Alltag in Fröbels Kindergarten als eine Manifestation des individuellen Spielens, des Spiel des einzelnen Kinds mit dem Material und des Beschäftigen bzw. Arbeitens im Garten. Die sphärephilosophischen Impulse kommen hier autodidaktisch durch das Material bzw. die Pflege der Pflanzen zustande. Ball- und Bewegungsspiele wie auch das Eröffnungs- und Schlussritual des Kindergartentags, Rhythmus und Bewegung, sowie das Singen und Sprechen werden pädagogisch durch Hinweise und Impulse, also pädagogische Lenkung und Führung bestimmt.
So überrascht nicht, dass Fröbel eindeutig disziplinierende Strategien bei einer "großen Anzahl von Kindern" postuliert. Im Brief an Ida Seele vom 06.09.1844 (BN 651) weist er seine ehemalige Schülerin auf entsprechende Maßnahmen hin. Neben dem kognitiven Training durch Sprech- Ton- und Zählübungen soll Ida Seele darauf achten (und dies einer Hospitantin zeigen),
"1. daß die Kinder gleich am Morgen wie die Plätze und Bänke bestimmt ihre Stelle erhalten.
2. daß namentlich die größeren und mittleren Kinder, Knaben wie Mädchen, nie ungeordnet ihre Plätze und Bänke verlassen dürfen, sondern dieß entweder 'Brust-an-Rücken' oder 'Seit-an-Seite', oder auch 'Zwei und zwei' oder 'Paar bei Paar' thun müssen; so besonders
3. Seit-an Seite und Bank nach Bank aber still ohne Wort am Morgen zum Sammeln zum Gebet und Gesang [gehen].
4. Ebenso nach demselben, das streng geordnete Rückkehren zu den Bänken und Plätzen.
5. Zeigen Sie ihr dann die Sitz- und Steh- auch Dreh- überhaupt die Körper-, Glieder- Arm- und Handbewegungen der Kinder an, auf und vor den Bänken, so das stets angemessene Halten der Füße beim Sitzen; und zeigen Sie ihr, d.h. lassen Sie ihr sehen und finden wie dadurch Ruhe, Ordnung, Anstand, Sitte, Achtsamkeit und Folgsamkeit erreicht werde [...]
16. Ist es möglich so lassen Sie die Kinder geordnet aus dem Zimmer ins Freye gehen" (Heiland 1998, S. 336 f.).
Aber sicherlich schwebte Fröbel nicht das Bild dieser Kleinkinderschule in Darmstadt mit ihrer großen Betreuungsgruppe und schulunterrichtsähnlichen Praxis vor, wenn er sich den optimalen Kindergarten als das "wiedergewonnene Paradies" vorzustellen versuchte. Seinem Spielkreis in Blankenburg entsprach diese Darmstädter Spielpraxis gewiss nicht. Aber auch die Blankenburger und später die Liebenstein-Marienthaler Verhältnisse waren noch unzulänglich. Bekanntlich befand sich Fröbel bis ans Lebensende auf der Suche nach dem "richtigen", gelungenen Kindergarten, dessen reale Gestalt ihm Entwurf, Fragment und Vorform blieb angesichts seiner Vision vom gelungenen Leben des Kindes im Spiel.
IV. Literatur
Fröbel, Friedrich (1850): Die Gärten der Kinder im Kindergarten. In: Friedrich Fröbels Wochenschrift. Bad Liebenstein, S. 113-116
Fröbel, Friedrich (1850a): Das Kinder-, Jugend- und Volksfest zu Altenstein bei Bad Liebenstein in Meiningen am 4. August. In: Friedrich Fröbels Wochenschrift. Bad Liebenstein, S. 225-227, 233-236, 241-244, 249-252
Heiland, Helmut (Hrsg.) (1974): Friedrich Fröbel. Ausgewählte Schriften. Bd. 3: Texte zur Vorschulerziehung und Spieltheorie. München-Düsseldorf
Heiland, Helmut (1993): Die Schulpädagogik Friedrich Fröbels. Hildesheim
Heiland, Helmut (1998): Die Spielpädagogik Friedrich Fröbels. Hildesheim
Heiland, Helmut (2000): Friedrich Fröbels Beziehungen zu Quetz. In: Rockstein, Margitta (Hrsg.): Anfänge des Kindergartens. Band 2. Bad Blankenburg, S. 55-105
Heiland, Helmut/Gebel, Michael (Hrsg.) (2004): Friedrich Fröbel "Das Streben der Menschen". Autobiographische, anthropologische und spielpädagogische Texte. Würzburg
Heiland, Helmut/Sahmel, Karl-Heinz (Hrsg.) (1985): Praxis Schulleben in der Weimarer Republik 1918-1933. Hildesheim
Hoffmann, Erika (Hrsg.) (1944): Friedrich Fröbel und Gräfin Brunszvik. Berlin
Hoffmann, Erika (Hrsg.) (1982): Friedrich Fröbel. Ausgewählte Schriften. Bd. 4: Die Spielgaben. Stuttgart
Hoffmann, Erika (Hrsg.) (1982a): Ein unveröffentlichter Fröbel-Brief über die Bildung der Kinder. In: Zeitschr. f. Päd. Jg. 28. Weinheim, S. 175-192
Middendorff, Wilhelm (1848): Die Kindergärten, Bedürfnis der Zeit, Grundlage einigender Volkserziehung. Blankenburg