Fröbel und die Sterne

– Ein Beitrag zur Fröbel-Dekade 2013 bis 2022[1]

Werner Eitle

„Spiel ist nicht Spielerei, es hat hohen Ernst und tiefe Bedeutung“ (Fröbel o. J., S. 75)[2].

 

Dieses bekannte Zitat von Fröbel gilt auch für den Fröbelstern. Der Fröbelstern ist ein dreidimensionaler Stern, der aus Papier geflochten wird. Nicht nur im Kindergarten wird er gerne gebastelt-

Abb. 1 Der Fröbelstern

Friedrich Wilhelm August Fröbel, der am 21. April 1782 in Oberweißbach (Thüringen) geboren und am 21. Juni 1852 in Marienthal (Thüringen) verstarb, hatte Mitte des 19. Jahrhunderts (ca. 1850) also kurz vor seinem Lebensende, den sogenannten Fröbelstern entwickelt. Dieser Faltstern dient bis heute vor allem der Förderung feinmotorischer Fähigkeiten beim Kind. Neben der Erfindung des Begriffs „Kindergarten“[3], ist auch dieser Faltstern mit Fröbel untrennbar verbunden. 

Wie kam er darauf?

Man geht davon aus, dass solche Papierkunstwerke wie der Fröbelstern schon im 18. Jahrhundert (1701 bis 1800) vor allem im skandinavischen Raum bekannt waren. Wie in diesen Ländern war es auch in Thüringen zur Winterzeit kalt und dunkel, sodass sich die Menschen nach der Feld- und Waldarbeit in dieser Jahreszeit für die dann langen Winterabende eine Beschäftigung suchten und sich ein Zubrot verdienten. In Thüringen war dies zu der damaligen Zeit vor allem die Bearbeitung von Holz, das im Thüringer Wald reichlich vorhanden war und kunstvoll geschnitzt z.B. als Spielzeug oder Weihnachtsschmuck Verwendung fand. Zu dieser Zeit haben die am Nachthimmel sichtbaren Sterne sicherlich eindrucksvoll geleuchtet, da von Lichtverschmutzung noch nicht die Rede war. 

Herrnhuter Stern

Vielleicht hat sich Fröbel auch von dem in der Herrnhuter Brüdergemeine gefertigten Herrnhuter Sternen beeinflussen lassen. Durch die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten kam es in der Gegenreformation im 16. Jahrhundert zur Vertreibung von Protestanten im Habsburger Reich (vor allem in Böhmen und Mähren). Mit Habsburger Reich, auch österreichische- oder Donau-Monarchie genannt, bezeichnet man das Herrschaftsgebiet des Hauses Habsburg, das dem katholischen Glauben zugehörig war und die Anhänger des lutherischen Glaubens in ihrer Herrschaftszeit vertrieben.

In diesen schwierigen Zeiten gewährte im Jahr 1722 der Graf von Zinzendorf auf seinem Land in Berthelsdorf (lutherisches Sachsen) in der Oberlausitz an der Grenze zu Polen und Tschechien, Glaubensflüchtlingen aus dem Habsburger Reich Asyl. Hier gründeten diese Geflüchteten außerhalb des Dorfes Berthelsdorf die Siedlung Herrnhut (unter dem Schutz des Herrn). Diese Ansiedlung ist die Keimzelle der Herrnhuter Brüdergemeine[4] (seit1727).

Als der Graf von Zinzendorf im selben Jahr (1722) die Gräfin Reuß-Ebersdorf ehelichte, kamen auch Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine in das Schloss in Ebersdorf (heute Bundesland Thüringen). Da die Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine im Laufe der Zeit auf ca. 400 Brüder und Schwestern angewachsen waren, gaben die Fürsten Reuß-Ebersdorf dieser Colonie der Herrnhuter Brüdergemeine 1746 nahe dem Schloss per Dekret die Selbständigkeit. 

Als Fröbel geboren wurde (1782) und er später seinen Ideen bezüglich der Kindererziehung entwickelte, gab es in Ebersdorf bereits diese Brüdergemeine seit vielen Jahrzehnten. Vermutlich hat er sie gekannt. Die Siedlung in Ebersdorf hat den typischen Aufbau Herrnhuter Siedlungen. Um einen zentralen Platz gruppieren sich Kirchgebäude, Brüderhaus, Schwesternhaus, Witwenhaus, Gasthof und Wohngebäude. Die Gebäude der Brüdergemeine sind meist mehrstöckig und häufig mit gebrochener Dachform (sog. Mansarden-Dach) gebaut.

Es gab in Ebersdorf, wie auch in Herrnhut, Handwerksbetriebe, Wohnhäuser und auch Häuser zum Unterricht der Kinder. Ein Lehrer der Herrnhuter Brüdergemeine soll einen Stern als Vorlage für den Mathematikunterricht entwickelt haben. Kindern konnten mittels eines Sternes ein besseres Verständnis für Geometrie vermittelt werden.

Dieser Ansatz dürfte dem Lehrer und Erzieher Fröbel nicht entgangen sein. Später stand dieser Stern auch als Symbol für die Advents- und Weihnachtszeit. [5] Er symbolisiert den Stern von Bethlehem. Auch dieser Aspekt war dem gläubigen Fröbel sicher nicht unsympathisch. Die ersten Sterne waren rot und weiß und wurden immer am 1. Sonntag im Advent gebastelt. Rot stand für das Blut Jesu und weiß für die Reinheit. Später kamen Sterne in blau/weiß und grün/weiß hinzu. [6]

Abb. 2 Fröbelsterne - in blau/weiß, rot/weiß und grün/weiß. Quelle: https:// www.herrnhuter-sterne.de/Unternehmensgeschichte.html (Einsichtnahme 04.11.22)

Auch in der Colonie in Ebersdorf hat man sicherlich solche Sterne zur Weihnachtszeit gebastelt und sichtbar ausgestellt. Da Fröbels Wirkungsorte in Thüringen (z.B. die Entfernung Bad Blankeburg bis Ebersdorf lt. Maps) nur ca. 88 km entfernt waren, hatte Fröbel vermutlich Kenntnis vom Herrnhuter Stern. Vielleicht hat ihn dieser Stern zum Fröbelstern animiert.

Man kann daher sicherlich feststellen, dass Fröbel den Stern zwar nicht erfunden hat, aber die Sterne, die in Thüringen und im nahen Sachsen gebastelt wurden, ihn zu seinem eigenen Stern inspiriert haben könnten. Zweifelsfrei wurde mit dem Fröbelstern diese Falt-Flechtechnik auf der ganzen Welt populär. Im englischen Sprachraum gibt es für den Fröbelstern auch die Bezeichnungen: Fröbel Star, German Star, Advent Star, Nordic Star u.a.m. In diesen Ländern wird der Fröbel-Stern neben der Weihnachtszeit auch zu Geburtstagen oder Hochzeiten verschenkt. Der Fröbel­stern besteht aus Papierstreifen. [7] Im Internet findet man zahlreiche Anleitungen.

Abb. 3 Bastelanleitung Fröbelstern Quelle: https://bremerhaven-plus.de/kurzweiliges/froebelstern-selber-basteln/ (Einsichtnahme 04.11.22)

Heute gibt es neben dem Fröbelstern und dem Herrnhuter-Stern noch den Annaberger Faltstern (nach der Stadt Annaberg-Buchholz im Erzgebirge in Sachsen) oder nach seinem Erfinder (Kurt Friedrich) auch Friedrich-Stern (seit 1924 produziert) genannt. Den kommerziell hergestellten Herrnhuter Stern gibt es seit 1821. Daneben wird noch der Original Haßlauer Stern (seit 1985) als traditioneller Adventsstern auf der ganzen Welt verkauft. In Sachsen und Thüringen lag daher die Wiege für unterschiedlichste Sternformen, auch für den Fröbelstern.

Von der Hand in den Verstand

Da die meisten Sterne heute nicht mehr gebastelt, sondern gekauft werden, hat der Fröbelstern einen besonderen Stellenwert in der Pädagogik. Er fördert das selbständige Handeln des Kindes und fördert die feinmotorischen Fähigkeiten. Er dient dem heute zunehmend wichtigeren handlungsorientierten Lernen der Kinder.

Autor

Werner Eitle
Hangstr. 6
89547 Dettingen a.A.
E-Mail: l.u.w.eitle@t-online.de

Endnoten

[1] Die Fröbel-Dekade versucht in den Jahren 2013 bis 2022 aus unterschiedlichen Blickwinkeln Antworten auf die Frage nach der Bedeutung von Fröbel für unser heutiges Leben zu geben. 2022 geht der Frage der heutigen Bedeutung von Fröbel nach.

[2] Fröbel, Friedrich (Hrsg. Zimmermann, Hans): Die Menschenerziehung. Leipzig o. J. Ders.: Entwurf eines Planes zur Begründung und Ausführung eines Kindergartens. Leipzig o. J.

[3]  1840 gründete Fröbel den „Allgemeinen deutschen Kindergarten“ in Blankenburg (Thüringen)

[4] Die Brüdergemeine wird auch als Brüder-Unität bezeichnet. Später wird sie auch Herrnhuter Brüdergemeine genannt. Neben der Gemeinschaft steht der christliche (protestantische) Glaube im Mittelpunkt des Lebens.  Der Gottesdienst ist durch Gesang gekennzeichnet. Die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche und in der Brüdergemeine ist möglich.

[5] Pieter Hendrik Verbeek erfand 1897 das erste käufliche Modell des Sterns das sich zusammensetzen und auseinandernehmen ließ. Damit konnte es verschickt werden. Es bestand aus einem stabilen Papierstern in unterschiedlichen Farben mit 25 Zacken. Im Innern bestand er aus einem Blechkörper mit Schienen.

[6] Quelle:  https:// www.herrnhuter-sterne.de/Unternehmensgeschichte.html (Einsichtnahme 04.11.22)

[7] Quelle: https://bremerhaven-plus.de/kurzweiliges/froebelstern-selber-basteln/ (Einsichtnahme 04.11.22)

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