Bildungsprogramm für Krippenkinder

Erdmute Partecke

Wir sind es gewohnt, Babys behutsam zu umsorgen, ihnen Liebe und Geborgenheit zu geben. Aber die kognitiven Bedürfnisse eines Kleinkindes wurden bisher weniger beachtet. Nun aber wissen wir von der neuen Forschung der Neurobiologie: Bildung beginnt mit der Geburt (Schäfer, 2003). Gemeint ist die Selbstbildung des Kindes. Das bedeutet: das Kind macht sich durch Eigeninitiative vom ersten Tag seines Lebens an ein Bild von der Welt. Dabei sind mit der sinnlichen Wahrnehmung von Anfang an komplexe Denkprozesse verknüpft, wenn nämlich bereits das ganz kleine Kind versucht, Ordnung in seine Erfahrungen zu bringen und Vorstellungen zu entwickeln. Somit stellt das Kind seine eigene Wirklichkeit her. Es nimmt auf seine Weise all das auf, was es selbst zu dem jeweiligen Zeitpunkt seiner Entwicklung hirnorganisch als passend erkennt.

Dies hat zufolge, dass der Erwachsene dem Kind nicht eigentlich etwas beibringen kann. Dennoch verlangt eine zukunftsweisende Pädagogik bereits in der Krippe eine aktive Beteiligung des Erwachsenen an dem Selbstbildungsprozess des Kindes. Denn er muss die Lebensbedingungen bereits des Kleinkindes so gestalten, dass es diesem gelingen kann, sein ganzes Potential an Fähigkeiten zu entfalten, um forschend und gestaltend seine eigene Welt zu erobern.

Gleichzeitig ist das Baby von Anfang an darauf angewiesen, dass seine Lebenspartner seinen Forschergeist mit positiver Resonanz zur Kenntnis nehmen. Ein kleines Kind versichert sich gerne im Blickkontakt mit einer aufmunternden Bezugsperson, dass es unbeschadet seine Abenteuer suchen und seine eigenen Erfahrungen machen kann. Kinder, denen diese Gewissheit fehlt, weil sie zu viel allein gelassen werden, verzagen, weil sie sich ungeschützt all dem Neuen, das mit Wucht auf sie einwirkt, hilflos ausgeliefert fühlen. Ein Rückzug, den viele passive Babys zeigen, hat neurologisch fatale Folgen. Denn das Gehirn kleiner Kinder ist hochgradig aktiv, vernetzt und flexibel. Und damit mit einem riesigen Lernpotential versehen, das es abzurufen gilt. Es nimmt hingegen Schaden, wenn das Kind nicht in einer behüteten Umgebung seinen Fähigkeiten entsprechend reichhaltige Anreize beantworten kann. Denn Nervenverbindungen, die nicht aktiviert werden, werden gekappt zugunsten solcher, die durch wiederkehrende Erfahrungen häufig benutzt werden.

Es kommt in der frühen Kindheit deswegen darauf an, dass ein Kind sich bereits als Baby möglichst umfassende Vorstellungen von der Welt macht. Denn wenn erst einmal die neuronalen Schaltkreise etabliert sind, dann ist es sehr schwer, diese wieder zu verändern und beispielsweise eine ganz andere Interpretation von der Welt zu erwerben (Gopnik et al., 2001). Damit also Kleinkinder ihre angeborene Lernfähigkeit umfassend nutzen und damit geordnete Weltbilder aufbauen können, ohne frühzeitig eingefahrene Wege zu gehen, ist es unerlässlich, dass Erwachsene präsent sind und sie umsichtig begleiten.

Denn es gilt, bereits das neugeborene Kind nicht nur entsprechend seinen Grundbedürfnissen nach Sicherheit und Geborgenheit, sondern viel weiter gefächert zu betreuen: Seelische Bindungen als geistiger Nährboden sind ebenso existentiell wie das Gewähren von Freiheit, Spiel und Spaß. Herausforderungen für Körper und Geist und die teilnehmende Freude des Erwachsenen an den Leistungen des Kindes sind genauso unverzichtbar wie die engagierte Beantwortung der instinktiven Lust des Kindes am Sprechen und Denken durch den einfühlsamen Begleiter. Wenn all diese komplexen Grundbedürfnisse möglichst weitgehend erfüllt werden, dann begünstigen sie die Selbstbildungsprozesse des Kindes und sein Streben nach einem selbstbestimmten Leben.

Das Bildungsprogramm für Krippenkinder sollte deswegen folgende globale Bildungsbereiche im Blick behalten, die einen direkten Zusammenhang mit den kindlichen Grundbedürfnissen des Kindes herstellen:

  • geistig-seelische Bindungen,
  • Kreativität, Spiel und Spaß,
  • körperliche und geistige Leistungen,
  • Denken und Sprechen,
  • Orientierung und Eigenständigkeit.

Geistig-seelische Bindungen

Ein Kind braucht Bezugspersonen, die bemerken, womit es sich gerade in diesem Moment auseinandersetzt. Denn das menschliche Gehirn lernt dann am besten, wenn es zwischenmenschliche Rückmeldungen erhält (Gopnik et al., 2001). Das Baby ist auf beglückende soziale Beziehungen angewiesen, um seine Selbstbildung in Gang zu bringen. Dies beginnt damit, dass ein Baby auf ein lachendes Gesicht reagiert, indem es ebenfalls lächelt und damit ein erneutes Lachen seines Kommunikationspartners bewirkt, das es dann erneut lächelnd beantwortet. Ein solcher Baby-Flirt ist nicht nur unterhaltsam, sondern existentiell. Denn angenehme Gefühle und soziale Resonanz auf lebensbejahende Impulse des Kindes sind der geistige Nährboden für jegliches Lernen. Kinder, denen keine freundlichen Menschen begegnen, werden in ihren Selbstbildungsprozessen behindert.

Die pädagogische Methode der Wahl in der Krippenbetreuung ist die Bodenzeit: Der Erwachsene verbringt täglich eine definierte Zeit auf dem Fußboden und zeigt damit dem Kind, dass er ausschließlich für das Kind hier und jetzt da ist. Für den Alltag ergeben sich daraus folgende Möglichkeiten, dem Kind zu helfen, tragfähige geistig-seelische Bindungen aufzubauen:

Zwiegespräch ohne Worte initiieren

Das kleine Kind braucht positive Reaktionen auf seine Lebensäußerungen, um seine Verbundenheit zu erleben. Denn nur auf der Basis tragfähiger Beziehungen erwirbt es Arbeitsmodelle für seine spätere eigenständige Lebensbewältigung. Eine solcherart grundlegende Erfahrung ist das Zwiegespräch ohne Worte. Dafür greift der Erwachsene Spielhandlungen des Kindes auf und ahmt diese nach. Das Kind, das sein eigenes Verhalten in dem Gegenüber erkennt und erstaunt aufguckt, schaut in ein lachendes Gesicht und setzt belustig fort, was es begonnen hat - beispielsweise Korken aus einem Korb zu werfen. Wenn nun die erwachsene Spielpartnerin nachahmend mitspielt, entsteht eine wechselweise emotionale Übereinstimmung zwischen beiden Partnern, die im Blickkontakt den Spaß mit einander teilen. Gleichzeitig erlebt das Kind, dass es selber im zwischenmenschlichen Kontakt etwas bewirken kann. Denn der Erwachsene richtet sein Spielverhalten weiterhin darauf aus, die Vorgaben des Kindes nachzuahmen.

Im weiteren Spielverlauf beginnt der Erwachsene kleine Veränderungen vorzugeben - beispielsweise die Korken über den Boden zu rollen. Sowie das Kind dies bemerkt, wird es nun seinerseits mit seinem eigenen Verhalten seiner freundlichen Spielpartnerin nachfolgen. Nun entsteht ein Wechselspiel von Nachahmung und Veränderung, wobei der Erwachsene besonders auf neue Spielhandlungen des Kindes achtet und gegebenenfalls diese geringfügig verändert. Dabei sucht er immer wieder den Blickkontakt des Kindes und zeigt eine lebhafte Mimik.

Krippenbetreuerinnen sollten sich ganz bewusst auf diese Weise einzelnen Kindern in ihren Spielaktivitäten anschließen und dazukommende Kinder in das Spiel mit wechselndem Material wie Tücher, Bausteine, Klangstäbe, Dosen, Papier und dergleichen einbeziehen und so ein verlässliches Bindungsgefüge aufbauen. Kinder, die sich in ein Wir eingebunden fühlen, ahmen sich gegenseitig und mit besonderer Vorliebe auch den Erwachsenen nach, erweitern dadurch ihr Verhaltensrepertoire und übernehmen im Spiel soziale Wertvorstellungen wie beispielsweise einen freundlichen und liebevollen Umgang miteinander. Dabei lernen sie beizeiten, dass alle in einem Boot sitzen.

Dies alles findet gar nicht oder nur unzureichend statt, wenn kleine Kinder sich in einer Sonderwelt selbst überlassen bleiben bzw. nur aus der Distanz heraus beaufsichtigt werden.

Gefühlswelt ausbilden

Wir gehen heute davon aus, dass bereits Neugeborene mit der ganzen Bandbreite von Emotionen ausgestattet sind (Schäfer, 2003). Sie kennen bereits Furcht, Wut, Trauer, Freude, Überraschung oder Abneigung. Wenn jedoch ein Kleinkind zu wenig eindrucksvolle zwischenmenschliche Bindungen erfährt, dann bleiben diese Gefühle verschwommen und grob. Klare und feine Abstufungen in der Gefühlswelt ergeben sich erst durch die Resonanz im sozialen Bezug. Das Erleben feiner Gefühlsabstufungen ist für die spätere Lebensbewältigung von herausragender Bedeutung, weil Gefühle in allen Lebenssituationen Entscheidungen für ein angemessenes Verhalten vorbereiten. Ein grobes Raster der Emotionen kann auch nur zu grob abgestuften Handlungen führen. Gleichermaßen ist heute bekannt, dass es einen Zusammenhang von Fühlen und Denken gibt: Gefühle befördern Intelligenz (Schäfer, 2003).

Nicht zuletzt deswegen kommt es bereits in der Krippe darauf an, dass Kleinkinder angemessene Antworten auf ihre Gefühlsäußerungen erhalten. So sollte beispielsweise eine Betreuerin gefühlsgeladene Situationen erkennen, in denen sich ein Kleinkind befindet, und sprachlich begleiten, indem sie Wie-Worte (glücklich, traurig, erschrocken, enttäuscht, ängstlich, wütend etc.) bei der Erzählung über das gerade Erlebte einfließen lässt ("Hast du dich erschrocken, als da plötzlich der Frosch hinter dem Stein hervor gesprungen kam?").

Es wäre falsch, Kinder von ihren Gefühlen abzulenken, denn bereits einem Baby sollte man mit Respekt begegnen, indem man ihm hilft, seine Gefühle differenziert zu erkennen, statt sie ihm durch Nichtbeachtung einfach abzusprechen. So ist es auch nicht ratsam, ein weinendes Kind ausschließlich und anhaltend durch Liebkosungen zu trösten. Wohl aber seine Trauer, sein Leid oder einen Schmerz einfühlsam zu besprechen ("Zeig mir, wie du mit dem Dreirad umgefallen bist und wie du dir dabei wehgetan hast; zeig mir, wie du nun wieder mutig weiterfahren kannst!" Oder: "Jetzt bist du traurig. Aber deine Mama geht jetzt einkaufen, und wenn sie dich wieder abholt, dann bist du wieder fröhlich").

Der eigentliche Trost besteht darin, dass ein Kind durch die Versprachlichung seiner Gefühle lernt, sich selber besser zu verstehen, weil es ein bestimmtes Wort für seine Innerlichkeit gibt. In vergleichbaren anderen Situationen wird es in Zukunft vielleicht schon selber sagen können: "Ich bin ängstlich" oder "Ich bin wütend" und sich auf diese Weise den Widrigkeiten des Lebens nicht mehr ganz und gar ausgeliefert fühlen. Denn Worte helfen, die Welt und das Selbst zu strukturieren und damit auch zu kontrollieren. Außerdem gibt die Betreuerin mit dem Verbalisieren von Gefühlen ein Modell für Empathie und hilft dem Kind, in nachfolgenden Situationen durch Nachahmung sich ebenso anderen Kindern gegenüber empathisch zu verhalten. Bereits Zweijährige können bei entsprechenden Vorerfahrungen Einfühlungsvermögen für andere Menschen zeigen (Gopnik, et al., 2001).

Wenn wir die differenzierte Gefühlswelt eines kleinen Kindes mehr als bisher im Blick haben, dann werden besonders auch solche Kinder zu beachten sein, die selten lachen, pflegerische Versorgung passiv über sich ergehen lassen oder auch sich nörgelnd widersetzen. Wir müssen davon ausgehen, dass solche Kinder unzureichende Bindungserfahrungen gemacht haben oder in ihren Wünschen nach Verbundenheit enttäuscht wurden. Krippenbetreuerinnen sind herausgefordert, täglich aufs Neue in der oben beschriebenen Weise mit ihnen zu kommunizieren. Besonders in der Eingewöhnungszeit sollten diese Kinder bevorzugt betreut werden, weil sie sonst zu wenig lernen und infolge dessen sich verlangsamt entwickeln.

Auf der anderen Seite ist Weinen ein normales Verhalten kleiner Kinder, wenn sie von ihren Müttern getrennt werden. Denn es ist ein Zeichen dafür, dass sie intensive Bindungserfahrungen in ihrer Familie gemacht haben und solange den Verlust beklagen müssen, bis sie neue interessante Bindungsangebote erkannt und beantwortet haben. Somit ist die Eingewöhnungszeit in der Krippe ein aktiver Prozess, der dann glückt, wenn alle Beteiligten sich so verhalten, dass es eine Bereicherung für das Kind bedeutet, seinen Erlebnishorizont über den familiären Rahmen hinaus zu erweitern.

Voraussetzung dafür ist, dass die Betreuerin sich mit seelisch-geistiger Präsenz jeden Tag regelmäßig für einige Minuten voll und ganz jedem einzelnen Kind in der Gruppe widmet. Gelingt ihr der Dialog mit dem Kind, dann entsteht sehr schnell ein Beziehungsgeflecht, welches das Kind von sich selbst aus eifrig weiterspinnt. Denn Kinder, die wahrgenommen werden, lernen sehr schnell, sich selbstbewusst an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Wir statt Du betonen

Die Verbundenheit des Kindes mit dem Erwachsenen steht auf dem Prüfstand, wenn das Kind sich in schwierigen Situationen befindet und sich in einer Weise verhält, wie es sozial nicht erwünscht ist. Wenn in einer Krippengruppe einige Kinder wiederholt andere Kinder schubsen, beißen, Spielzeug wegreißen, selber häufig hinfallen, weglaufen oder sich trotzig verhalten, dann muss die Betreuerin darüber nachdenken, was in ihrer Gruppe falsch läuft: Sind die Kinder nicht sicher gebunden? Langweilen sie sich? Werden sie nicht genügend individuell beachtet? Sind sie irritiert und gestresst durch Reizüberflutung und Unordnung? Ist der Rhythmus von Aktions- und Ruhephasen nicht deutlich? Bei jeder dieser Möglichkeiten ist Handlungsbedarf für grundsätzliche Lösungen gefragt, damit angemessene Selbstbildungsprozesse aller Kinder überhaupt stattfinden können.

Nachfolgende Ausführungen werden Hinweise geben, wie die Umgebung für ein Kind vorbereitet sein muss, damit es sich an seinen eigenen Lernfortschritten freuen kann.

In der akuten Situation einer Störung kommt es zunächst immer darauf an, dass der Erwachsene auf der Seite des Kindes bleibt und nicht als tadelnder und strafender Großer eine Gegenseite zu dem Kleinen einnimmt (Abidin, 1996). Denn in einer schwierigen Situation braucht ein Kind ganz besonders liebevolle Unterstützung. Es muss seine Gefühle und Wünsche mit einem anderen Menschen teilen können, um die Situation und sich selbst besser verstehen zu lernen. Das kann nur durch verstehendes Helfen gelingen.

Ziel muss immer sein, dass das Kind lernt, seine eigenen Gefühle in Worte zu fassen. Dafür muss der Erwachsene Hilfestellungen geben ("Bist du ärgerlich, weil du auch das Spielzeug haben willst?", "Bist du neugierig, ob Anna diesmal wieder hinfällt, wenn du sie schubst?", "Langweilst du dich und weißt nicht, was dir Spaß machen kann?"). Wenn durch Verstehen eine gefühlsmäßige Übereinstimmung mit dem Erwachsenen wieder hergestellt ist, dann kann das Kind infolge auch mit anderen Kindern wieder ein Wir-Gefühl gewinnen ("Was wollen wir jetzt tun, damit es allen wieder gut geht?"). Bleibt ein Kind jedoch von der Gemeinschaft gefühlsmäßig ausgeschlossen (weil Du "böse" bist), dann ist sein Selbstbildungsprozess unterbrochen und auch sein soziales Wohlverhalten zukünftig infrage gestellt.

Nur mit einer Haltung liebevoller Zuwendung und bewusster Präsens kann es dem Erwachsenen gelingen, dass ein Kleinkind über seine Bereitschaft der Nachahmung Wertvorstellungen des Erwachsenen mehr und mehr übernimmt. Denn es ist an Verbundenheit nachhaltig interessiert. Mit Moral und Belehrungen dagegen ist bei Kleinkindern nichts auszurichten. Denn sie verstehen zunächst einfach nicht, dass ihre Wünsche und Empfindungen von denen anderer Menschen abweichen können. Wer hingegen bereits als Kleinkind lernt, eigene Gefühle zu unterscheiden, sich einzugestehen und in Worte zu fassen ("Ich bin wütend"), der wird auch lernen, seine Aggressionen durch geistige Aktivitäten besser zu kontrollieren (Greenspan, 2003).

Heute ist bekannt, dass Erfahrungen das Gehirn verändern (Gopnik, 2001). Deswegen kommt es darauf an, dass Kinder bereits in der Krippe differenzierte Vorstellungen von sich und der Welt entwickeln. Dafür ist wichtig, dass wir kleinen Kindern nicht sagen, was sie nicht machen sollen (denn ein nicht ist hirnorganisch nicht abbildbar), sondern dass wir mit ihnen besprechen, was sie in einer schwierigen Situation tatsächlich tun können (statt Anna den Turm umzustoßen, werden wir jetzt einen zusammen bauen).

Besuche gestalten

Wir gehen heute davon aus, dass es bereits für ein Kleinkind eine Bereicherung ist, wenn es mehrere verschiedene Bezugspersonen kennen lernt. Denn unterschiedliche Menschen geben dem Kind auch unterschiedliche Rückmeldungen hinsichtlich seines Fühlens und Handelns. Damit werden entsprechend unterschiedliche Bedeutungen und Wertvorstellungen im Tiefengedächtnis des Kindes verankert, wird seine Handlungskompetenz in ganz unterschiedlichen Situationen seines weiteren Lebens vergrößert.

Allerdings sollten sich Erwachsene einem Kind für einen gewissen Zeitraum, der nicht lang sein muss, voll und ganz widmen. Sporadische und oberflächliche Kontakte mit Erwachsenen, die geistig abwesend sind, indem sie sich gleichzeitig mit etwas anderem beschäftigen (Tagesroutine, Unterhaltungen mit der Kollegin) stören das Erleben der Verbundenheit, um das sich ein Kind kontinuierlich bemüht. Kinder, die eine emotionale Übereinstimmung mit einer Bezugsperson vermissen, sind oftmals die nörgelnden Kinder, die selber nicht mehr wissen, was sie eigentlich wollen.

Deshalb sollte man in der Krippe mit Bedacht vorgehen und möglichst Besuche planvoll gestalten. Das gilt sowohl für Erwachsene (z.B. Vertretungen) als auch für ältere Kinder der Einrichtung. Wichtig ist, dass ein Besucher sich auf die augenblicklichen Interessen der kleineren Kinder auf Augenhöhe mit ihnen einlässt und in angemessener Form seinen eigenen Beitrag leistet (z.B.: Ihr spielt mit Sand und Wasser, und ich zeig euch, wo es Wannen und Töpfe gibt. Ihr spielt mit Kissen und Decken, und ich gebe auf euch Acht, wenn ihr springt. Wir erkunden die Wiese, und ich krabble mit euch auf den Knien). Wertvoll für ein Kleinkind sind besonders solche Erlebnissituationen, in denen ein Erwachsener oder ein älteres Kind mit ihm Seite an Seite gemeinsame Entdeckungen macht und sich mit ihm über überraschende Effekte ihres gemeinsamen Tuns amüsiert.

Deswegen sollte bei der Integration der Krippenkinder in die Kindergemeinschaft der gesamten Einrichtung sehr behutsam vorgegangen werden, damit die Kleinkinder sich nicht in unübersichtlichen Situationen verlieren (offene Türen). Denn die Erfahrung zeigt, dass Krippenkinder im großen Außengelände, in der Halle oder benachbarten Gruppenräumen zwar tapfer angepasst durchhalten, ihren eigenen Spiel- und Forschungsinteressen jedoch aktiver nachkommen können, wenn sie in kleineren Einheiten (Raum und Gruppengröße) selbstsicher agieren und die Kommunikation mit ihren vertrauten Spielpartnern mitgestalten können. Somit sollten wiederholt die gleichen Besucher - ob klein oder groß - auf Einladung zu bestimmten sich wiederholenden Zeiten in der Krippe auftauchen und darüber informiert sein, was dann alle miteinander vorhaben.

Kreativität, Spiel und Spaß

Wir sprechen heute von dem kompetenten Kind, das selbsttätig unterwegs ist, Erkenntnisse zu erwerben und Sinnzusammenhänge zu verstehen (Brodin, 2002). Voraussetzung dafür ist Freiheit. Denn es ist ein Grundbedürfnis, dass bereits Kleinkinder eigene Entscheidungen treffen wollen, um herauszufinden, was für sie selbst nützlich ist, um zu erforschen, zu experimentieren, zu lernen und als Erkenntnis von der Welt im Gedächtnis zu behalten.

Deswegen muss der Erwachsene sich in der Betreuung auf die Fähigkeiten des Kindes konzentrieren und Sorge tragen, dass die Lernumgebung für ein Kind von Geburt an geeignete Anreize für Neugier bereithält. Denn bereits Babys von ein paar Monaten fühlen sich gelangweilt, wenn sie sich immer mit dem gleichen Spielzeug konfrontiert sehen. Sie fühlen sich geradezu belästigt und drehen ihren Kopf zur Seite, wenn ihnen immer die gleichen Beschäftigungen abverlangt werden. Ihr Forschergeist (Gopnik et al., 2001) verlangt Handlungsspielräume, in denen Dinge und Personen überschaubar, aber gleichzeitig vielfältig sind. Dafür muss nicht eine Fülle von Spielsachen angeschafft werden, sondern Material des täglichen Gebrauchs aus Kammer und Küche präsent sein.

Für die pädagogische Praxis ergeben sich daraus folgende Möglichkeiten, dem Kind zu helfen, freie Entscheidungsmöglichkeiten zu nutzen und Lernspaß zu entfalten:

Elementare Experimente ermöglichen

Lernen ist für Kinder ein ebenso natürlicher Vorgang wie Essen (Piaget). Allerdings dürfen Erwachsene sie nicht dabei behindern, wenn sie leidenschaftlich unterwegs sind, Ursache und Wirkung von Vorgängen zu erforschen und Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten zu erwerben, wie die Welt beschaffen ist. Wir können davon ausgehen, dass Kleinkinder sich bevorzugt mit fünf elementaren Experimenten beschäftigen (Elschenbroich, 2001), die Erwachsene häufig etwas genervt zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht verstehen, wieso ein Kind immer wieder die gleichen Spielhandlungen vornimmt, die aus Erwachsenensicht Unordnung verbreiten. Wer jedoch begriffen hat, dass es sich dabei um Versuchsreihen zum Erwerb substantieller Erkenntnisse handelt, wird mit dem Kind die Begeisterung teilen und das notwendige Material zur Verfügung stellen.

Bereits Babys interessieren sich beispielsweise für die Fall-Linie ("Was passiert mit dem Löffel, wenn ich ihn über die Tischkante schiebe, kommt er von alleine wieder nach oben oder wird ihn jedes Mal jemand wieder aufheben?"). Sie schütten auch gerne etwas aus (den Korb mit Malstiften) und schubsen etwas um (den gebauten Turm, das kleinere Kind). Sie interessieren sich dabei genauso für physikalische Gesetzmäßigkeiten wie für die soziale Beantwortung ihres eigenen Tuns ("Ist die Wirkung immer so, oder diesmal vielleicht ganz anders?"). Um dieser Vorliebe der Kinder Rechnung zu tragen, sollten verschiedene Container mit Bau- und Sammelmaterial (Bausteine, Korken, Zapfen, Deckel etc.) zur Verfügung stehen (Wer das Aufräumen scheut, sollte das Material auf eine überschaubare Menge reduzieren...).

Besonders ergiebig für den Forschergeist von Kleinkindern ist auch das Einwickeln ("Sind die Gegenstände aus der Welt, wenn sie nicht mehr zu sehen sind? Sind sie noch die gleichen, wenn sie wieder zu sehen sind?"). Es werden mit Vorliebe Gegenstände unter Tüchern versteckt und wieder hervorgeholt. Wenn kleine Mädchen Puppen im Puppenwagen einwickeln, dann ist das sicher nicht vorrangig ein soziales Pflegeverhalten, sondern die experimentelle Nutzung von Tüchern, die zum Puppenwagen dazu gehören. Ein besonderer Reiz besteht auch darin, dass Kinder sich selber unter einer Decke verstecken und plötzlich wieder hervorgucken. Dazu gehört besonders die soziale Resonanz des Erwachsenen: Lachen.

Viele Kinder stellen auch gerne Versuche mit Leinen und Bändern an, weil sie wissen wollen, wie man Gegenstände mit einander verbinden kann. Somit ist Verbinden desgleichen ein elementares Experiment und sollte mit Respekt zugelassen werden, auch wenn es zunächst nicht ergiebig erscheint, wenn ein Kleinkind sich über 20 Minuten abmüht, ein Tischbein mittels eines Wollknäuels mit dem Stuhlbein zu verbinden. Schnelle Hilfe seitens des Erwachsenen ist da weniger angezeigt als teilnehmende geduldige Beobachtung. Denn das Kind will es selber wissen. Deswegen gehören in die Krippenausstattung handliche Bänder und Seile (die aus Sicherheitsgründen nur bei gleichzeitiger Nähe des Erwachsenen zugänglich sein sollten).

Ein weiteres ergiebiges Experimentierfeld eröffnet der Transport. So wie Kinder mobil sind (krabbeln, laufen), lieben sie es, Dinge von einem Ort zum anderen zu bewegen. Besonders attraktiv sind dafür Fahrzeuge. Aber auch handliche Körbe, Taschen, Beutel und Container werden häufig - anders als von Erwachsenen vorgesehen - benutzt. Sie sollten den Kindern auf jeden Fall frei zugänglich sein. Denn wer wollte den Kindern die Erkenntnis verwehren festzustellen, dass die Gegenstände immer noch dieselben sind, wenn sie sich an einem anderen Ort befinden? Und so werden die Bausteine nicht an der Stelle benutzt, wo die Betreuerin sie platziert hat (Bauteppich), sondern an einem (scheinbar) beliebigen anderen Platz. Das Transportieren mit Einsatz von Kraft und Wendigkeit ist dabei das eigentliche Spielvergnügen und nicht der definierte Zweck des Gegenstandes (Bauen).

Wer das verstanden hat, wird nicht davon ausgehen, dass bereits Kleinkinder sich dressieren lassen, Spielsachen in vorgefertigten Ecken zu benutzen. Das widerspricht ihrem ausgeprägten Hang, sich experimentell zu verwirklichen. Deswegen sollte zwar das Material zum Spielen gut sortiert in Ordnung gehalten werden, ansonsten aber den Kindern in der von ihnen selbst gewünschten Raumnutzung zur freien Verfügung stehen.

Die Vorliebe kleiner Kinder für Fahrzeuge, die sie gerne zum Transport benutzen, hängt sicher auch mit ihrem Interesse an Rotation zusammen. Alles, was sich dreht, hat einen hohen Aufmerksamkeitscharakter für kleine Kinder. Und so kann es auch sein, dass ein gekipptes Fahrzeug, das die sich drehenden Räder sichtbar werden lässt, zeitweilig mehr das Interesse des Kindes erweckt, als dieses Spielzeug in seiner eigentlichen Funktion zu benutzen. Kinder, die Rotation entdeckt haben, lieben es auch, selbst zu rotieren, nämlich im Kreis zu laufen oder sich auf Spielgeräten zu drehen. Dies ist nicht ein sinnloses Toben sondern - wie auch immer - etwas Gutes für das kindliche Gehirn!

Bei all diesen experimentellen Spielhandlungen trifft das Kind seine ganz eigenen Entscheidungen hinsichtlich der "Versuchanordnung" und der Häufigkeit der Wiederholungen. Solche Versuchsreihen ähneln durchaus denen in Forschungslabors der Erwachsenen: Es werden Hypothesen aufgestellt und durch Beobachtung bestätigt oder verworfen.

Ein kleines Kind ist häufig ganz versunken in sein Tun. Dennoch gefällt es ihm, wenn ein Erwachsener seine Anstrengungen bemerkt und ihm respektvoll zulächelt. Zusätzlich macht eine Sprachbegleitung Sinn, die mit Worten dem Kind bewusst werden lässt, dass es selber etwas ausgewählt und selber etwas bewirkt oder verändert hat ("Die Räder drehen sich jetzt ganz schnell; das hast Du gemacht, Du hast mit deinen Händen so viel Schwung gegeben"). Die Bedeutsamkeit nimmt durch Sprache zu, und der Gegenstand bekommt eine hohe emotionale Besetzung. Das Kind macht sich ihn mit seinen verschiedenen Funktionsweisen zu eigen und speichert sein Wissen in seinem Gedächtnis als komplexes Handlungsprogramm, wobei die besondere Nachhaltigkeit darin besteht, dass das Kind realisiert, dass es Lösungen auf eigene Fragestellungen selbsttätig finden kann.

Spiel mit einem interessanten Gegenstand

Der Alltag in der Krippe verlangt Höhepunkte. Denn lerneifrige Kinder fordern Abwechslungen, die ihre Neugier wach halten. Deswegen bietet es sich an, immer wieder neu einen interessanten Gegenstand in dem Gruppenraum zu platzieren. Eine Schreibmaschine, ein Wecker, eine Kaffeemühle oder ein altes Telefon eignen sich hervorragend, die Entdeckerfreude der kleinen Kinder anzufeuern. Wichtig ist dabei, dass aufgeweckte Kinder dieses Material zum Spielen selber in dem Regal ausfindig machen und selber herausfinden, was man damit anstellen kann. Das fördert die Initiative, für seinen eigenen Lernspaß aktiv zu werden.

Auch wenn kleine Kinder nicht wirklich dahinter kommen, wie ein solches Gerät, das ihre Aufmerksamkeit fesselt, beschaffen ist, so ist es doch von hohem Wert, dass bereits ein Krippenkind frühzeitig lernt, dass man lernen muss, wie man lernt, und dass es darauf ankommt, selber tätig zu sein, um herauszufinden, wie Sachverhalte zu erklären sind. Hierfür bietet sich wiederum eine Spielbegleitung an, die Bewirken und Verändern thematisiert und mit positiver Resonanz den Spieleifer des Kindes unterstützt ("Das hast du jetzt noch einmal ganz anders gemacht").

Interessant ist auch ein kleiner Koffer mit überraschendem Inhalt (Knoblauchpresse, Würstchenzange, Teesieb, Nussknacker). Denn Formen und Funktionen der bisher unbekannten Gegenstände regen die Fantasie des Kindes an und führen nicht selten zu ersten kreativen Spielhandlungen (das "Krokodil" schnappt den "Frosch"). Die Erfahrung zeigt, dass Kinder anhaltend und immer wieder mit solchen Objekten auch allein spielen, wenn diese erst einmal im Zusammenspiel mit einem älteren Spielgefährten mit Leben erfüllt wurden (Brodin, 2002).

Spiele mit Spielzeug begleiten

Wie bis hierher gezeigt wurde, meistern Krippenkinder ihr schöpferisches Spiel weitgehend ohne Spielzeug. Denn die kognitiven Fähigkeiten werden am besten angeregt, wenn das Material zum Spielen keine eindeutigen Vorgaben für den Gebrauch macht. Demnach ist Zeug zum Spielen dem Spielzeug vorzuziehen.

Dennoch lieben kleine Kinder auch traditionelle Spielsachen, die ihre Vorstellungen unterstützen und Rollenspiele vorbereiten. Geeignet ist - neben Bausteinen - das "kleine-Welt-Spielzeug", das mit Tier- und Menschenfiguren und entsprechendem Zubehör die Welt der Erwachsenen nachbildet.

Häufig werden Kinder mit ihrem Spielzeug sich selber überlassen, weil man der Meinung ist, mit einem "pädagogisch wertvollen" Spielzeuggeschenk habe man seine Pflicht und Schuldigkeit für die Förderung des Kindes getan. So sehr sich jedoch auch ein Kind über ein Spielzeug freuen mag, so ersetzt es doch nicht den erwachsenen Partner, wenn wir die Bildungsprozesse des Kindes im Blick behalten. Und so ist zu empfehlen, dass die Betreuerin auch in diesem Betätigungsfeld der Kinder eine Spielbegleitung zum Prinzip macht und in der Bodenzeit, wie bereits oben dargestellt, sich wechselnden Kindern anschließt. Denn spielen will gelernt sein. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder, die ganz verschiedene Spielabläufe im Zusammenspiel mit einem einfühlsamen Erwachsenen gespeichert haben, kompetentere Spielpartner unter Gleichaltrigen werden als solche Kinder, die stets auf sich selbst gestellt waren.

Wichtig bleibt jedoch bei der Beteiligung des Erwachsenen auch hier, dass es das Kind sein muss, das die Spielideen vorgibt. Belehrungen, wie man bestimmtes Spielzeug "richtig" zu verwenden habe, was zu tun und was zu unterlassen sei, verderben das Spiel. Vorrang hat - wider "besseren" Wissens des Erwachsenen - die Fantasie des Kindes (Die Kuh fliegt über die Eisenbahn, und die Giraffe sitzt auf dem Schornstein). Belehrungen sind destruktiv, weil sie das Kind daran hindern, seine eigene Kompetenz in der Beantwortung von Herausforderungen des Lebens zu entwickeln (Abidin, 1996). Denn im Fantasiespiel verarbeitet das Kind seine Vorerfahrungen in der realen Wirklichkeit und braucht dafür den Zuspruch des Erwachsenen. Ein geglücktes Spiel ist auch deswegen so wertvoll, weil die Geschichten, die ein Kind in seinem Fantasiespiel konstruiert, Strukturen für abstraktes Denken vorbereiten (Schäfer, 2003). Somit ist die Kreativität des Kindes, wie sie sich im Spiel zeigt, die Vorbereitung auf ein Leben, in dem ein Heranwachsender Entscheidungen treffen muss, die ihm gut tun, und nicht Problemlösungen übernehmen kann, die andere Menschen für richtig halten.

Rollenspiele aufgreifen und zu Gruppenthemen ausweiten

Im Gegensatz zu der Flut von Spielzeug in den häuslichen Kinderzimmern sollte im Gruppenraum einer Krippe nur wenig ausgesuchtes Spielzeug vorhanden sein. Denn die Selbstbildungsprozesse in einer Krippengruppe machen Spielzeug sehr schnell überflüssig, sobald die Kinder merken, wie schön es ist, wenn erste Ansätze zu Rollenspielen von dem erfahrenen Spielpartner (z.B. auch von einem älteren Kind) aufgegriffen und ausgeweitet werden. Wenn eine Betreuerin sich darin eingelebt hat, ihr eigenes Spielverhalten nach den Spielvorschlägen des Kindes nachahmend auszurichten, wenn sie also ganz auf das Kind fokussiert ist, dann bemerkt sie, wenn ein Kind kleine Ansätze zeigt, statt die Spielfigur zu führen, lieber selber in die Rolle zu schlüpfen (Hund zu sein, Auto zu fahren). Dann lassen Kinder das Spielzeug fallen, und dann geht das Spiel schnell über den ganzen Gruppenraum, und andere Kinder, die noch gar nicht recht verstanden haben, worum es eigentlich geht, fügen sich in den Spielspaß ein und spielen im Parallelspiel nachahmend ganze Handlungssequenzen mit (Flüchten vor einem gefährlichen Tier).

Auch bei Kinderliedern neigen kleine Kinder von sich aus dazu, in Rollen zu schlüpfen, und statt, dass sie im Sitzkreis (nur) mitsingen, möchten sie lieber die vom Lied vorgegebenen Handlungen (Der Bär fällt auf den Bauch) nachvollziehen. Es wäre ein Kunstfehler, nun zu disziplinieren ("Bleib sitzen! Komm' wieder her!"). Stattdessen sollte die Anregung, die von dem Erwachsenen ausgeht, dem nachfolgen, was Kinder daraus machen. Denn Spiele mit so kleinen Kindern sollten immer aus der Augenblicksituation entwickelt werden (Holt, 1997).

Da gut eingestimmte Kinder liebend gerne zusammenspielen, lassen sich aus solchen kreativen Momenten bereits in Krippengruppen über das Rollenspiel kleine Spielprojekte entwickeln, die alle Kinder einbeziehen (Pu der Bär und Kaninchen wollen sich besuchen). Auf der Basis solcher Gemeinschaftserlebnisse können täglich kleine Ereignisse dem Spielthema gewidmet werden (Höhlen bauen mit Stühlen, Tischen, Matten etc.; Möhren essen wie Kaninchen; Honig schlecken wie der Bär; Fußabdrucke machen wie die Tiere im Wald; die Nachbargruppe in der Einrichtung besuchen; Erzählen: Oma kommt zu Besuch). Auf diese Weise kann bereits die Krippengruppe in die Konzeption des ganzen Hauses hineinwachsen, die als Kernkompetenz Projektarbeit ausgewiesen hat (Partecke, 2004).

Körperliche und geistige Leistungen

In der Entwicklung von Bewegungsabläufen können wir gut erkennen, was ein Kind aus sich selbst heraus lernen kann, ohne dass Erwachsene es ihm beibringen (Holt, 1997). Und wir sehen auch, dass das Bild, das sich ein Kleinkind von sich selber macht, stark von seiner Sportlichkeit geprägt wird. Allerdings gilt auch in diesem Entwicklungsbereich, dass die Kommunikation mit bedeutsamen Erwachsenen die Gefühle bestimmt, die ein Kind sich über sich selbst macht. Somit entwickelt ein Kind ein gutes Selbstkonzept, wenn es positive soziale Rückmeldungen (Lächeln!) für seine motorischen Leistungen erfährt (wer gesehen wird, der ist wer).

Dies ist umso bedeutsamer, als Bewegungen auch das Lernen ganz allgemein unterstützen und Denkprozesse vorbereiten. Bildgebende Verfahren der neurologischen Forschung zeigen, dass beim Denken und beim motorischen Handeln die gleichen Bereiche des Gehirns tätig sind. Somit kann Denken als inneres Handeln verstanden werden. Kinder, die hirnorganisch gute motorische Muster aufbauen, können infolge auch besser planvoll denken. Denn die handelnde Auseinandersetzung mit der Welt unterstützt das Vorstellungsvermögen und die Denkprozesse (Schäfer, 2003).

Für die pädagogische Praxis ergeben sich daraus folgende Möglichkeiten, dem Kind zu helfen, Körper und Geist gleichermaßen zu trainieren:

Erste Mobilität unterstützen

Das erste Lebensjahr ist ausschlaggebend für das Bild, das sich ein Kind von sich selbst und von der Welt macht. Deswegen kommt es darauf an, dass es in einer Umgebung aufwächst, welche die volle Entfaltung seiner Mobilität in Eigeninitiative zulässt und Anstrengungsbereitschaft abruft.

Das Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP, Pulkinen, 1999) gibt viele Hinweise, wie der Erwachsene ein Baby unterstützen kann, all das zu vollbringen, was es selber anstrebt. Dafür soll das Kleinkind, wann immer ihm eine Bezugsperson dabei Gesellschaft leisten kann, auf den Teppich gelegt werden, damit es seine Bewegungsfreiheit genießen kann. Ob es in der Entwicklung seiner Mobilität um das Drehen (vom Rücken auf den Bauch und vom Bauch auf den Rücken), um das Spielen in Bauchlage, Sitzen, Krabbeln, Klettern und schließlich Laufen geht, niemals soll der Erwachsene dem Kind etwas abnötigen (beispielsweise das Kind hinsetzen oder hinstellen). Wohl aber sollen durchaus die Bemühungen, die das Kind von sich aus unternimmt, um mobil zu werden, angefeuert werden: Anregendes Spielzeug (Rasseln, Bälle, klingende Dosen nach eigener Herstellung) wird dem Kind jeweils so dargeboten, dass es selber etwas unternehmen muss, um es zu erreichen.

Motorische Basiskompetenzen

Kleinkinder, die bereits laufen können, brauchen täglich Möglichkeiten und Anregungen, ihre motorischen Basiskompetenzen auszubauen (auf dem Stühlchen sitzen und einmal wöchentlich Turnen ist zu wenig). Wenn es Kindern gestattet ist, Stühle und kleine Tische zu schieben, Spielpolster zu transportieren, Hocker und Bänke mobil zu benutzen, schiefe Ebenen und Leitern zu erklimmen, Stofftunnel zu durchkriechen und Bällen hinterher zu rennen, dann werden sie von sich aus Geschicklichkeit, Kraft, Tempo, Balance und Ausdauer entwickeln.

Mit solchen Entfaltungsmöglichkeiten bietet eine Krippe den Kindern weit mehr, als was in der Regel in privaten Wohnungen möglich und üblich ist. Somit sollte ein Gruppenraum auch nicht einem gemütlichen Kinderzimmer oder bürgerlichen Wohnzimmer gleichen, sondern das Ambiente eines Aktionsraumes haben und sich deutlich von abgetrennten Ruheräumen unterscheiden, wo die Kinder in wohliger Atmosphäre ihren Mittagsschlaf machen.

Sinnliche Wahrnehmung differenzieren

Neben Entdecken, Staunen und lustvollen Empfindungen üben Kinder ihre Konzentration, wenn ihnen besondere sinnliche Wahrnehmungen angeboten werden. Eine Betreuerin sollte die Kinder immer wieder neu mit besonderen Hör-, Seh-, Geschmacks- und Geruchserlebnissen überraschen (Bodin, 2002). Kinder lauschen gerne auf den Gesang eines Vogels, unterscheiden das Geräusch eines Autos von dem eines Flugzeuges; sie betrachten mit Vorliebe Insekten und Blumen, Maschinen und Hausratsgegenstände; sie lassen sich darauf ein, den Geschmack von Marmelade und sauren Gurken zu unterscheiden; sie erkennen ihre Mütter, Großmütter und ihr Kuscheltier am Geruch. Mit all solchen differenzierten Erlebnissen sinnlicher Wahrnehmung gehen Gefühlserlebnisse Hand in Hand. Und mit einer aufmerksamen sprachlichen Begleitung durch die Betreuerin werden gleichermaßen fundamentale Intelligenzfunktionen im kindlichen Gehirn angeregt.

Um all diese Bildungsprozesse nicht achtlos zu verschenken, sollten die Räume, in denen sich Kinder aufhalten, eine geordnete Ruhe ausstrahlen. Reizüberflutung sollte draußen bleiben (Raumschmuck! Musikkassetten irritieren und stören), damit die Begabung kleiner Kinder, ihre Wahrnehmung differenziert zu gebrauchen, nicht im Chaos verkümmert. Desgleichen sollte die Betreuerin Alltagssituationen wie Mahlzeiten oder Spaziergänge durch Haus, Hof, Garten, Feld, Wald, Wiese und Stadtteil immer wieder dafür nutzen, um den Kindern Augen, Ohren und Nase zu öffnen, indem sie darauf hinweist, was sie selber mit wachen Sinnen als faszinierend wahrnimmt.

Auch bei Erlebnissituationen wie Malen mit Fingerfarben, Spiel mit Wasser und Sand oder Trommeln und Rasseln ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Sinneswahrnehmungen mit kleinen Kindern zu thematisieren und gemeinsam in lustvollen Erfahrungen zu schwelgen. Die reine organisierende und beaufsichtigende Tätigkeit des Erwachsenen oder die Einweisung in Techniken, um definierte Bastelprodukte herzustellen, lässt solche Aktionen eher arm aussehen. Denn auch hier kommt es wieder vorrangig auf das gemeinsame Erleben mit den Kindern an, die aus sich selbst heraus kreativ sind und sich deswegen häufig anders als von Erwachsenen erwartet entfalten. Da ist gute Teamarbeit mit der Kollegin gefragt.

Spiel im Freien begleiten

Das Spiel im Freien wird hier in dem Bildungsbereich Körper und Geist eigens noch einmal hervorgehoben, weil es dabei ebenso wie bei all den anderen Programmpunkten darauf ankommt, dass der Erwachsene darin seine Mitbeteiligung wahrnimmt. Mit der täglichen frischen Luft allein ist nämlich einem Krippenkind nicht gedient. Im Außengelände kommt einmal mehr auf den Prüfstand, inwieweit kleine Kinder bereits gelernt haben, für ihr eigenes Wohl und Wehe selbst verantwortlich zu sein. Viele kleine Kinder verhalten sich im Außengelände nur notdürftig angepasst (zu weitläufig, zu unübersichtlich, zu kalt, zu warm, zu nass, zu sehr allein).

Die Erfahrung zeigt, dass im Freien das Kind seinen Erwachsenen an seiner Seite haben will, der mit ihm gemeinsam die Erfahrungen teilt. Sie brauchen sozusagen Anschwung, um dann allein loszuziehen. Besonders reizvoll kann es dann sein, mit hohem körperlichen Einsatz in einem unwegsamen Gelände unterwegs zu sein. Aber auch dann freuen sich Kinder ganz besonders an ihren Abenteuern, wenn sie sich in mitfühlender und mitdenkender Begleitung befinden. Erwachsene, die Selbstbildungsprozesse des ganz kleinen Kindes begleiten, verschenken Gelegenheiten, die unverzichtbaren guten Beziehungen aufzubauen, wenn sie nicht geistig-seelisch präsent sind, wenn Kinder neue Erfahrungen machen - wie beispielsweise in der Natur (Auszeit hat die Betreuerin eigentlich nur, wenn die Kinder in der Krippe schlafen!).

Denken und Sprechen

Wir müssen Wahrnehmen, Handeln, Denken und Sprechen als eine Einheit verstehen, wenn wir den Selbstbildungsprozess kleiner Kinder angemessen begleiten wollen. Denn ein Kind macht sich innere Bilder von beeindruckenden Erlebnissen. Solche Vorstellungen setzt es dann wiederum handelnd in seinem Spiel um. Dabei nutzt es die Freiheit, die ein Spiel auszeichnet, um eine Wirklichkeit zu konstruieren, in der es sich zurechtfindet. Somit entsteht eine komplexe eigenständige Gedankentätigkeit (Schäfer, 2003).

Je mehr ein Kind von der Welt wahrnimmt und handelnd erlebt, desto mehr Vorstellungen von der Welt kann es hervorbringen und in seinem Spiel probeweise in Verhalten umsetzen. Wenn wir also lustvolle Wahrnehmung, Handeln und Spielen des Kindes sorgsam pflegen, dann bereiten wir den Boden für eine komplexe Sprachentwicklung vor. Denn noch lange bevor das Kind in Zusammenhängen sprechen kann, werden in seinem Kopf Vorformen sprachlichen Denkens ausgebildet, die nur so reichhaltig sein können, wie die Umgebung des Kindes dies zulässt.

Mit Namen- und Tu-Worten die Welt strukturieren

Wenn ein Kleinkind sprechen lernt, dann möchte es zu aller erst die Namen von bedeutsamen Personen und von interessanten Gegenständen wissen. Es zeigt dann mit Vorliebe auf ein Objekt und sagt "da!". Es ist nun die Aufgabe des Erwachsenen, den Namen des betreffenden Objektes zu nennen und gleich darauf in mehrfacher Wiederholung diesen Namen in einen Sprachzusammenhang zu setzen ("Da ist die Lampe", "Die Lampe scheint hell", "Ja! Da ist so eine schöne helle Lampe"). Der Name wird im Sprachrhythmus hervorgehoben. Mit dieser Übertreibung und der deutlichen Lokalisation (hingehen zu dem Objekt und zeigen) nimmt das Kind den Namen auf und begreift gleichzeitig, dass diese sprachliche Bezeichnung in ein Gefüge anderer Worte gehört.

Mit Zeigen und Benennen erkennt das Kind, dass seine Wahrnehmung durch unterscheidbare Teile gesteuert werden kann und setzt mit Eifer fort, auf verschiedene Gegenstände zu zeigen. Wenn die Betreuerin des Kindes verstanden hat, dass dieses Hinweisen ("da!") jedes Mal meint "Wie heißt das?" oder auch "Heißt das wirklich so, wie du es gerade gesagt hast?" (beim wiederholten Zeigen auf den gleichen Gegenstand), dann wird sie nicht müde werden, durch klare Antworten den Lerneifer des Kindes wach zu halten.

Auf diese Weise kann ein Kleinkind einen großen Vokabelschatz erwerben, noch bevor es selber das erste Wort gesprochen hat. Kinder, deren kognitives Interesse übersehen wird, verzichten alsbald auf ihr hinweisendes Fragen ("da?") und bleiben in der sprachlichen Intelligenz weit hinter solchen Kindern zurück, die aufmerksame Kommunikationspartner haben.

Ähnlich verhält es sich mit den Tu-Worten, die ein Kind benötigt, um sein Weltbild zu formen. Denn mit Worten, die Tätigkeiten bezeichnen, erlebt das Kind sich selbst und seine Bezugspersonen als handelnde Personen. Dabei lernt es, dass es mit Worten selber etwas bewirken kann (haben wollen, selber machen, trinken, laufen). Gleichzeitig beginnt das Kind, die Grammatik seiner Muttersprache, die es mit seinem Handeln bereits verinnerlicht hat, aktiv nachzuvollziehen. Denn zu jedem Verb (holen) gehört auch ein Subjekt (Ich) und ein Objekt (Ball). Deswegen hat es eine nachhaltige Bedeutung für das Kind, wenn es kontinuierlich hört, wie jegliches Handeln versprachlicht wird.

Alltagssituationen sprachlich begleiten

Kinder, die keine Sprache hören, werden auch selber nicht sprechen. Deswegen sind Krippenkinder darauf angewiesen, dass Alltagssituationen versprachlicht werden, denn nur so können sie ihr instinktives Sprachinteresse verwirklichen. Besonders die pflegerischen Routinen (Wickeln, An- und Ausziehen, Mahlzeiten) sind bestens dazu geeignet, dem Kind ein Sprachvorbild zu geben. Denn Sprache wird von dem kleinen Kind dann am besten wahrgenommen, wenn sie mit individueller Zuwendung verknüpft ist. Und so kann es für das Kind ein vergnügliches Ereignis sein (statt einer Belästigung), wenn notwendige Verrichtungen anstehen. Die Betreuerin begleitet dafür ihre eigenen Handlungen und die des Kindes mit Sprache ("Jetzt ziehen wir die Hose an, die schöne rote Hose. Zuerst stecken wir das linke Bein hinein - wo hast du denn deinen Fuß versteckt? Ach, der ist ja unter der Jacke!"). Es werden einfache Aussagesätze gebildet, die jedoch reichhaltig mit Namen-, Tu-, Wie- und Verhältnis-Worten jonglieren.

Wenn das Kind sich gut eingebunden fühlt und im Blickkontakt mit der Betreuerin Spaß entwickelt und die Handlungen aktiv unterstützt, dann ist es auch geistig aufnahmebereit (Kinder, die schlaff auf der Wickelkommode liegen, geben zu denken, denn sie lernen nicht). Wenn ein Kind mit knapp zwei Jahren einen aktiven Wortschatz von durchschnittlich 50 Worten ausweist (Weber, 2004), dann ist dies vorrangig auf ein reiches Sprachumfeld zurückzuführen.

Mit Bilderbüchern im Dialog

Kinder lieben Bilderbücher und geben damit ihr Interesse an Sprache und Abstraktionen kund. Denn das Bild "Apfel" ist nicht wirklich der Apfel, den das Kind anfassen und essen kann. Aber man kann über den Apfel viel erzählen und dabei innere Bilder und Vorstellungen aktivieren. Das Betrachten eines Bilderbuches löst somit komplexe geistige Aktivitäten aus.

Kinder mögen jedoch nicht abgefragt ("Was ist das?") und nicht belehrt werden, denn das widerspricht ihrem Bedürfnis nach Selbstbildung. Deswegen kommt es darauf an, mit ihnen in einen Dialog einzutreten. Dafür sind Bilderbücher vortrefflich geeignet. Der Erwachsene sollte die Unterhaltung eröffnen und davon erzählen (statt vorzulesen oder das Kind zu befragen), wozu ihn die Bilder anregen. Dabei sollte eine geringfügige Überforderung (Wortwahl, Satzgefüge) praktiziert werden, damit ein Kind sich nicht langweilt, sondern zum aufmerksamen Zuhören, Raten und Fragen herausgefordert wird.

Lebhaftigkeit entsteht dann, wenn die Erzählerin deutlich zeigt, wie sie staunt ("Schau mal, wie winzig diese Ameise ist!"), rätselt ("Will der Hund ins Wasser springen, oder ist er vielleicht ängstlich?"), vermutet ("Ich glaube, es wird Regen geben, denn da oben sehe ich eine schwarze Wolke") und kritisiert ("So eine Libelle habe ich noch nie gesehen; sieht denn eine Libelle wirklich so gelb aus?"). Denn mit solchen persönlichen Stellungnahmen gibt sie dem Kind ein Vorbild dafür, wie man sich mit einem Buch auseinandersetzen kann. Das Kind lernt dabei auch, dass der Erwachsene nicht der Alleswisser, sondern genauso wie es selbst ein Lernender ist. Dies ist die beste Voraussetzung dafür, dass das Kind in diesem partnerschaftlichen Bezug selber alles aus sich herausholt, um seinen denkenden und sprachlichen Beitrag zu leisten, wofür der Erwachsene selbstverständlich viel Raum gibt (das Kind weiß zu sagen: "Libellen sind so."). Besonders beglückend sind in einem derartigen Dialog solche Momente, wo es gelingt, über das Buch hinaus einen Ausflug in die Erlebniswelt des Kindes zu machen ("Hast du in deinem Garten zuhause eine Libelle gesehen?"), oder Lieder und Reime zu singen bzw. zu sprechen, die zu der Thematik des Buches passen.

Vorstellungen entwickeln

Wenn Kinder etwas Spannendes oder Lustvolles erlebt haben (Spielen im Laub, Malen mit Fingerfarben, Besuch im Tiergarten), dann werden solche Ereignisse als innere Bilder gespeichert und beim nachträglichen Erzählen als plastische Vorstellungen aktualisiert. Der Erwachsene unterstützt solche Denkprozesse, indem er zunächst für eindrucksvolle Erlebnisse sorgt und danach im Austausch mit dem Kind Erlebtes in Worte überträgt ("Heute haben wir im Tiergarten Kaninchen beobachtet. Ich habe gesehen, wie ein weißes Kaninchen eine Karotte gefressen hat. Was hast du gesehen?").

Wenn ein Kind hört, wie ein Erwachsener lebhaft erzählt, dann wird es selber Sprache für seine eigene Innerlichkeit produzieren und damit seine eigene Welt abbilden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Kind ein Gegenüber hat, der ihm solange aufmerksam zuhört, bis er verstanden hat, was es sagen will. Denn es lohnt sich nur zu sprechen, wenn jemand da ist, der sich dafür interessiert, was das Kind bewegt (Kinder, denen nur beiläufig zugehört wird, verstummen). Somit ist Selbstbildung durch Denken und Sprechen wiederum nur in sozialer Kommunikation möglich.

Orientierung und Eigenständigkeit

Neben geistig-seelischen Bindungen und einer anregenden Umgebung ist nicht zuletzt auch die Sicherheit des Kindes Grundvoraussetzung, um Selbstbildungsprozesse zu gewährleisten. Ein Kind ist nur dann leistungsfähig und kann nur dann lernen, sein Leben selbsttätig zu gestalten, wenn seine äußere Existenz gesichert ist. Dies ist im Erleben des Kindes nur dann gegeben, wenn sich Pflege und Versorgung in einem deutlichen Gleichmaß vollziehen. Um Störungen des inneren Gleichgewichtes des Kindes zu vermeiden, ist ein sich stetig wiederholender Rhythmus von Ruhe- und Aktionsphasen unverzichtbar. Regelmäßige Zeiten für Mahlzeiten, Spielaktivitäten, Nahrungsaufnahme und Schlafen sollten unverrückbar den Tagesablauf gestalten, damit das Kind keinen unnötigen Stress erleidet, stattdessen aber einen sicheren Lebensrhythmus verinnerlichen kann.

Um die Störanfälligkeit kleiner Kinder behutsam auszugleichen, ist darüber hinaus zu beachten, dass die Lebensräume in der Krippe übersichtlich gestaltet und ausgestattet sind (Verzicht auf zu viel Raumschmuck und Spielzeug), die Gruppengröße überschaubar ist (5 bis 8 Kinder), die Mahlzeiten einfach und nicht zu variabel gehalten werden (Reis und gedünstetes Gemüse, kein Fleisch, keine Südfrüchte) und jedes Kind seinen festen Platz (Stuhl, Tisch und Bett) kennt.

Auf der Grundlage einer solchen zuverlässigen äußeren Ordnung kommt es darauf an, die Selbstbildung des Kindes in der Weise zu unterstützen, dass es lernt, Orientierung und Eigenständigkeit zu erlangen. Für den Krippenalltag ergeben sich folgende Möglichkeiten, dem Kind zu helfen, geistige Ordnungsstrukturen aufzubauen:

Ordnung herstellen

Bereits Krippenkinder beginnen, elementare mathematische Vorstellungen zu entwickeln. Sie lieben es, Dinge zu sammeln (Stöckchen, Eicheln, Käfer), zu sortieren (der Baustein gehört nicht zu den Korken) und zu vergleichen (größer/ kleiner; rot/ nicht rot; mehr/ weniger). Es kommt nun darauf an, Kinder mit solchen geistigen Interessen nicht sich selbst zu überlassen, sondern im Alltag immer wieder Gelegenheiten zu nutzen, geistige Ordnungskriterien bewusst abzurufen. Beim Spazieren Gehen, beim Spielen, beim Aufräumen oder beim Essen ergeben sich viele Vergleichsmöglichkeiten. Die Kinder lernen dabei, die Gegenstände nach definierten Merkmalen zu betrachten und zu einander in Beziehung zu setzen ("Die großen Bälle gehören in das Regal, die kleinen in das Netz", "Dein Pulli ist rot genauso wie deine Mütze", "Hier sind viele Kugeln, und da sind wenige").

Zusätzlich zu den Alltagserfahrungen können bereits Krippenkinder (ab dem 19. Lebensmonat) mit didaktischem Material zu praktischen Problemlösungen angeleitet werden, indem beispielsweise farbige Holzplättchen (rund, eckig, rot, blau, gelb, dick, dünn), Spielzeugautos oder Holzperlen als Arbeitsmaterial herangezogen werden. Dabei können neben Vergleichen und Sortieren nach vorgegebenen Merkmalen auch schon mathematische Operationen abverlangt werden, die sowohl einen Mengenvergleich (zwei Reihen von Spielzeugen: "Wo sind mehr?") als auch ein Ausgleichen von Mengen (Hinzufügen oder Wegnehmen) erfordern (Weber, 2004).

Miteinander arbeiten

Anleitungen mit didaktischem Spielzeug verlangen dem Kind eine konzentrierte Arbeitshaltung ab, denn es müssen vorgegebene Ziele erreicht werden. Deswegen machen solche Anleitungen nur Sinn, wenn sie in einer ruhigen, geordneten Atmosphäre als Beschäftigungen am Tisch durchgeführt werden und die Kinder nicht durch andere Aktivitäten im gleichen Raum abgelenkt werden. Ein didaktisches Spiel (auch Steckspiele für kleinere Kinder) ist im engeren Sinn kein Spiel, sondern Arbeit, weil das freie und selbst bestimme Agieren des Kindes mit dem Material eingeschränkt ist. Deswegen ist ein äußerst behutsamer Umgang mit solchen Arbeitsmitteln anzuraten. Denn bereits sehr kleine Kinder erleben es als demütigend, wenn sie gewahr werden, dass sie nicht in der Lage sind, das zu leisten, was der Erwachsene vorgibt (Besonders kleine Jungen meiden dann im Elementarbereich Beschäftigungen am Tisch wie der Teufel das Weihwasser.).

Auf der anderen Seite lassen sich Kinder sehr gerne auch herausfordern, ihr Können unter Beweis zu stellen. Vielleicht liegt das pädagogische Geschick darin, auch hier wie bei allen bisher vorgestellten Methoden, auf die Vorliebe des Kindes der Nachahmung zu bauen und statt eines Unterrichts im schulischen Sinne auf ein Miteinander zu setzen ("Schau mal, was ich mit den Formplättchen mache! Was kannst du damit machen?").

Und dennoch ist es für die Persönlichkeitsbildung des Kindes wichtig, dass es frühzeitig lernt, dass es einen Unterschied zwischen Arbeit und Spiel gibt. Dies bezieht sich zum einen auf die Aktivitäten des Erwachsenen ("Ich muss jetzt arbeiten; wenn ich fertig bin, können wir wieder spielen") als auch auf die Aktivitäten des Kindes selbst ("Wir haben im Laub gespielt, und jetzt arbeiten wir: Wir fegen das Laub auf diesen Haufen").

Wenn Kinder sehr klein sind, lieben sie es, dem Erwachsenen bei täglichen Verrichtungen im Haushalt zu helfen (Es fragt sich, warum das später nicht mehr der Fall ist). Wenn wir ein Kind einbeziehen und ihm einen kleinen Auftrag geben ("Trage diese Teller zu dem Tisch!"), dann kommt es darauf an, dass ein Kind nach seiner eigenen Art und Weise die notwendigen Handlungsabfolgen wählen darf und nicht unnötig korrigiert wird. Auch muss sein Arbeitseinsatz eine echte Hilfe sein und das ganze körperliche und geistige Engagement des Kindes verlangen (Wenn ein Kind der Betreuerin "hilft", einen gefüllten Wassereimer zu tragen, indem es seine Fingerspitzen auf den Henkel legt, dann ist das unsinnig und entwürdigend).

Miteinander Arbeiten (z.B. Aufräumen unter Aktivierung elementarer mathematischer Vorstellungen, vgl. oben) stellt Ordnung her und schafft Übersichtlichkeit. Dabei lernt das Kind, dass es selber etwas dafür tun muss, um Orientierung und infolge davon auch Eigenständigkeit zu erlangen. Diese Nachhaltigkeit des Lernens unterscheidet sich von oberflächlichen Dressurakten (Jedes Kind trägt seinen abgegessenen Teller zum Teewagen). Denn Arbeit verlangt ein planvolles Verhalten ("Wie willst du das machen?") als auch ein reflektierendes Beurteilen ("Was hat geklappt; was könntest du auch ganz anders machen?").

Gesichtskreis erweitern

Wenn Krippenkinder in Haus, Hof, Garten und Stadtteil unterwegs sind, dann kommt es darauf an, dass sie hell wach sind (statt zu schnullern, zu dösen, zu schlafen und zu warten, bis endlich alles vorbei ist). Die Betreuerin hilft kleinen Kindern, neue Eindrücke differenziert wahrzunehmen und zu verarbeiten, wenn sie selber durch die Kinderbrille blickt und sich (wieder) für das interessiert, was neu und beeindruckend sein könnte (die große Halle mit den vielen Türen; der Baum mit den roten Blättern; der große Bus mit den vielen Menschen; der bellende Hund; der laute Rasenmäher; die rote Ampel; die warme Sonne; der kalte Wind etc.).

Wenn ein Erwachsener zeigt, wie er an der Seite des Kindes die Welt wahrnimmt, dann beginnt auch das Kind rückwirkend mehr und mehr, die Welt mit den Augen seines Begleiters zu betrachten. Dabei verinnerlicht es neben Sachkenntnissen auch Wertvorstellungen (schön, gefährlich, geordnet, gesund etc.) und Regeln des Zusammenlebens (behutsam sein, warten, fragen, bitten, abgeben, selber machen etc.), die ihm das Hineinwachsen in die Gesellschaft erleichtern.

So stellt sich auch hier wieder der wechselseitige Austausch ein, der sich auf Nachahmung gründet und geistig-seelische Präsenz des Erwachsenen voraussetzt. Und während das Kind dabei lernt, sich an seinen eigenen geistigen Fähigkeiten zu freuen ("Da ist ein Schmetterling, der flattert"), erweitert es seinen Horizont und gleichermaßen seine geistigen Strukturen. Denn das macht insgesamt Bildung in der Krippe aus.

Angst überwinden

Ein kleines Kind setzt sich fortwährend neuen Eindrücken aus, die sein so aufnahmebereites Gehirn verarbeiten muss. Gleichzeitig befindet es sich in einem permanenten Wachstum. Für all dies zusammen benötigt es viel Energie, um kontinuierlich sein Gleichgewicht zu behalten. Wenn nun die äußeren Bedingungen seine körperliche und geistige Existenz überwältigen, verstören oder in seinen Entwicklungspotentialen blockieren, dann bedeutet dies für das kleine Kind bedrohlichen Stress. Deswegen können wir davon ausgehen, dass in allen Facetten seiner Grundbedürfnisse Angstreaktionen wahrscheinlich sind. Dies bedeutet:

  • Wenn ein Kind in seinen Wünschen nach Bindungen enttäuscht wird, ist mit nachfolgenden Kontaktängsten zu rechnen.
  • Wenn ein Kind sich in seinen Interessen behindert fühlt, die Welt der Objekte zu begreifen, dann wird es sich ängstlich gehemmt zurückziehen und damit Neugier, Handlungsimpulse und kreative Lust auf Gestaltung seiner Welt aufgeben.
  • Wenn ein Kind zu wenig Gelegenheit hat, seine Körperlichkeit zu erproben, dann wird es fortan Angst haben, sich körperlichen Herausforderungen zu stellen, und damit ein negatives Selbstbild aufbauen.
  • Wenn ein Kind in seinem sprachlichen Mitteilungsbedürfnis auf keine angemessene soziale Resonanz stößt, dann wird es Sprechangst zeigen und in seiner geistigen Entwicklung zurück bleiben.
  • Wenn ein Kind verunsichert und gleichzeitig in seiner Freiheit beschnitten wird, sich eigenständig in der Welt zu orientieren, dann wird es ängstlich vermeiden, autonom zu handeln.

Aus all dem wird ersichtlich: Betreuung und Bildung sind eine Einheit. Da wo Selbstbildungsprozesse des Krippenkindes aufmerksam, einfühlsam und organisatorisch klar und eindeutig begleitet werden, da bedeutet ein umfassendes Bildungsprogramm gleichzeitig Prophylaxe gegen Angst, Persönlichkeitsstörungen und sozial unerwünschtes Verhalten.

Literatur

Abidin, Richard R.: Early Childhood Parenting Skills, PAR, 1996

Brodin, Marianne/ Hylander, Ingrid: Wie Kinder kommunizieren, Beltz, 2002

Elschenbroich, Donata: Weltwissen der Siebenjährigen, Verlag Antje Kunstmann, 2001

Gopnik, Alison/ Kuhl, Patricia/ Meltzoff, Andrew: Forschergeist in Windeln, Ariston 2001

Greenspan, Stanley I.: Das geborgene Kind, Beltz, 2003

Holt, John: Wie kleine Kinder schlau werden, Beltz,1997

Partecke, Erdmute: Lernen in Spielprojekten, Beltz, 2004

Pulkkinen, Anne: PEKiP: Babys spielerisch fördern, GU Ratgeber Kinder, 1999

Schäfer, Gerd E. : Bildung beginnt mit der Geburt, Beltz, 2003

Weber, Christine (Hg.): Spielen und Lernen mit 0- bis 3-Jährigen, Beltz, 2004

Autorin

Erdmute Partecke, Diplompsychologin und Psychotherapeutin, ist freiberuflich tätig in der "Praxis für Psychologie, Partecke und Sandtner", Jahnstr. 18, 21465 Reinbek. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind neben Beratung, Supervision und Therapie Fortbildungen im sozialpädagogischen Kontext. Das gesamte Fortbildungsprogramm kann unter http://www.praxis-fuer-psychologie.de abgerufen werden. Email-Adresse: Mute.K.-D.Partecke@t-online.de

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