Natur Pur - oder ein Sommerbetrieb im Hort einmal anders

Silvia Böck-Berger

Einleitung

Psychologen haben es schon lange beobachtet, Hirnforscher bestätigen es: Das Riechen, Sehen, Schmecken und Fühlen müssen Kinder erst üben, um sich selbst und die Welt entdecken zu können. Trotz pädagogischer Lernhilfen und Computern bleibt die beste Schule der Sinne die Natur. Kinder brauchen "riskantes" Klettern und Toben um sich in ihrer Wahrnehmung zu üben und zu festigen. Denn die Aufnahmefähigkeit ihrer Sinnesorgane wächst in dem Maße, in dem sie sie fordern. Und wo könnten sie mehr Angebote zum Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken finden als draußen? Zum Beispiel: Steine auf dem Weg sind: verschiedenfarbig, rau, glatt, mit messerscharfen Kanten, rund, ... Steine spritzen kleine Sandböen auf, wenn sie zurück in ihr Wegbett fallen; klackern, wenn sie gegeneinander stoßen - manche hell, manche dumpf. Steineforschen kann einen ganzen Vormittag mühelos füllen. Bäume wachsen am Weg: geheimnisvoll, mit kühler, glatter Rinde; mit rauer, rissiger Rinde, die bucklige Straßen auf den Fingerspitzen prägt; ...

Das Hirn braucht zur Entwicklung Natur!

Die Ursachen auch schwerer motorischer Schwierigkeiten können die Folge mangelnder Verarbeitung von Sinnreizen im Gehirn sein. Erst die Begegnung mit vielfältigen Reizen - Berührungen, Klängen, Bildern - ermöglicht eine rundum gesunde, kindliche Entwicklung. Babys kommen zwar mit Milliarden von Nervenzellen auf die Welt, die auch schon in einem vorläufigen Grundmuster miteinander verbunden sind. Die "Feinabstimmung" aber geschieht erst durch die Stimulation von außen. Sämtliche Sinne müssen genutzt werden, um dem Gehirn die Möglichkeit zu geben sich zu entwickeln, eine Struktur zu bilden, die Wahrnehmung verarbeiten zu können. Zum Beispiel: Wenn Kinder schaukeln, formen die wirbelnden Bilder ihrer Umwelt, die Dinge oder Menschen, die in ihren Blickfeldern auftauchen und wieder verschwinden, zusammen mit dem Gefühl des Schwankens und der Anspannung der Muskeln, in ihren Gehirnen eines von vielen Neutronenmustern in der Abteilung "Gleichgewicht". Und je öfter ein Kind diese Erfahrung macht, desto stabiler wird die Nervenverbindung. Die selben Nervenbahnen und -verbindungen, die in der Kindheit mit allen Sinnen trainiert werden, dienen später auch bei "Kopfübungen". Je mehr Schaltstellen ein Kind entwickeln kann, um so mehr Assoziationen wird es geben. Mit der Vielfalt sinnlicher Erfahrungen werden die Menschen also beweglicher an Körper und Geist. Manche Kinder wissen mit der puren Natur nichts anzufangen. Das Problem dieser Kinder ist nicht der Mangel an Anregungen, sondern die Gewöhnung an zu Viel. Sie werden im Wohnfeld, am Computer, beim Fernsehen unausgewogen vor allem optischen und akustischen Reizen ausgesetzt und damit überflutet. Diese können sie nur aufnehmen, ohne selbst darauf Einfluss zu nehmen. Für die Entwicklung des "Selbst Bewusstsein" ist es aber wichtig, dass Kinder sich als Reaktion auf ihre Wahrnehmung ausdrücken, etwas bewirken können. Manche Kinder trauen sich nicht mehr schmutzig zu werden. Daraus kann sich ein unrealistisches Körpergefühl entwickeln. Diese Kinder wagen nichts mehr, wissen nichts mehr mit sich anzufangen, sie entwickeln Neurosen und Psychosen. Heutzutage rennen und klettern und springen die Kinder nur noch halb so viel wie vor 20 Jahren draußen herum und führen ein zunehmend verplantes "Innen-Leben"; mit handfesten Folgen: Viele Kinder haben im Kindergarten noch nicht gelernt, was sie bereits im Alter von 1 Jahr beherrschen sollten: sich beim Fallen mit den Händen abzufangen. Schulkindern misslingt es die Bewegung anderer vorauszudenken und die eigene darauf abzustimmen. Schmerzhafte Zusammenstöße sind die Folge und sie passieren immer öfter. Ganz normale Alltagsbewegungen klappen nicht mehr.

"Waldkindergarten"

Dieses Schlagwort gespensterte seit Jahren in meinem Kopf. Das wollte ich unbedingt auch einmal versuchen; nicht ganz so militant, nicht ganz so ausschließlich, aber doch konsequent jeden Tag bei Wind und Wetter hinaus in den Wald. Dann hatte ich endlich eine Vorgesetzte, die mit meinen Ideen etwas anfangen konnte, die sich auch vorstellen konnte, dass so ein Projekt für Kinder genau so wie für Erwachsene den Einsatz wert wäre, da wurde alles bis ins kleinste Detail geplant, da gab es ein Informationsgespräch mit der vorgesetzten Dienststelle, da machte ich plötzlich Karriere. Aus. Vorbei. Ich übernahm die Leitung in einem Haus im Herzen Wiens, wo das Grau von Beton und Asphalt Artenvielfalt bedeutet und das Grün der Pflanzen kunstvoll gestaltet ist. In die Wiesen dürfen nur Hunde - das gilt auch für unangenehme Lärmentwicklung, ohne Maulkorb Leute niederrennen, überall hin pinkeln und/oder sein Häufchen mitten auf dem Gehsteig machen, und Kinder sind in der Öffentlichkeit eher unerwünschte Lästigkeit, weil sie Platz und Aufmerksamkeit brauchen. Dafür bietet der 2. Wiener Gemeindebezirk, die Leopoldstadt, und besonders das Grätzel in dem ich nun arbeitete, ein kunterbuntes Völker- und Kulturengemisch. Angefangen von den orthodoxen Juden, die sonst im Straßenbild Wiens nicht in Erscheinung treten, bis über verschleierte Musliminnen und stolz ihren Turban tragende Sikhs kommen alle friedlich in diesem kleinen Dorf um den Karmelitermarkt aus. Und es ist ein Dorf mitten in der Großstadt. Herrlich!

Eine Idee wächst langsam...

Weniger herrlich war den Kindern bei ihren Spielen zuzusehen. Sie hatten kaum Möglichkeiten sich sportlich zu betätigen, und so bewegten sie sich auch. Viele von ihnen konnten nicht richtig laufen, konnten nicht rückwärts gehen, stießen ständig zusammen, weil sie die Entfernung kombiniert mit Bewegung nicht richtig abschätzen konnten, manche schafften es nicht auf einem Bein zu stehen, weil ihr Gleichgewichtssinn zu wenig ausgeprägt war. Ich traute meinen Augen nicht. Natürlich hatte ich schon Berichte deutscher Wissenschafter gelesen, die über mangelnde Fähigkeiten der Kinder klagten, die aufzeigten, wie es mit der Grob- und Feinmotorik bei Stadtkindern im Argen lag - aber doch nicht bei uns, nicht in Wien, nicht in "meiner" Hortgruppe. Aber das war ja noch nicht alles. Beim ersten Ausflug gab es Tränen, weil nirgends eine Toilette zu finden war. Bei der Jause gingen einige Kinder in die tiefe Kniebeuge, weil sie sich weigerten sich auf ihre Jacken ins Gras zu setzen. Die wilden Tiere wie Ameisen und kleine Käfer versetzten sie in Angst und Schrecken. Mein inneres Gleichgewicht geriet ins Wanken. Vor Allem aber hatte ich vor Augen dieses Zitat mit dem gesunden Geist in einem gesunden Körper. Aristoteles wusste es, Wissenschafter haben es bewiesen: ohne eine gesunde Entwicklung des Körpers, kann die geistige Entwicklung nur schwer Schritt halten. Ich war gewohnt mit 3-4jährigen Kindern am Marchfeldkanal entlang zu spazieren, und die Kinder dabei zu beobachten wie kompetent sie sich in der Natur bewegten. Sie kletterten auf Bäume und krochen durch die dichtesten Hecken ohne sich zu verletzen. Sie waren geschickt im Umgang mit Stöcken und Ästen und waren im freien Gelände immer so sehr beschäftigt, dass sie mich kaum brauchten - außer natürlich zum Trösten. Ich musste manchmal lächeln, wenn ich uns bei diesen Ausgängen zusah. Außenstehende mussten den Eindruck haben wir würden eigentlich nicht wirklich viel arbeiten für unser Gehalt. Denn welcher Aufwand hinter dieser Selbständigkeit und Kompetenz der Kinder steckte, war für Unkundige nicht leicht zu erkennen. Wollte eines der Kinder auf den Baum, so durfte es das. Hilfe von uns bekam es dabei allerdings nicht; denn wer auf den Baum hinauf kommt, kommt auch meistens wieder herunter. So halfen sich die Kinder gegenseitig. Sie entwickelten dabei Sozialkompetenz genau so wie das richtige Zusammenspiel der Muskeln und Körperkräfte. Und erst das Erfolgserlebnis das sie hatten, wenn sie es endlich, endlich auf den Baum geschafft hatten, dieses Hochgefühl, dieser Stolz auf -, und letztendlich dann das Vertrauen in - die eigenen Fähigkeiten. Ich erinnerte mich mit Sehnsucht an die guten, alten Zeiten.

Und dann setzte ich mich gerade hin, Schultern zurück und sagte dem Asphaltdschungel des 2. Bezirkes den Kampf an. Ich wollte alles haben: Kulturengemisch, Historie und gesunde Kinder. Wir machten viele Ausflüge. Zuerst noch auf die Donauinsel und in den Wasserpark, wo es Toiletten, asphaltierte Wege und die Option an Tischen Platz zu nehmen und zu jausnen gab. Das gab manchen Kindern die Möglichkeit, langsam mit der Natur vertraut zu werden. Außerdem hatten sie dort noch die Möglichkeit Sportgeräte, die hohen Aufforderungscharakter hatten (Scooter, Roller Plades, Fahrräder, Schwungseile und Bälle) zu verwenden. Dann hörte ich von der Wiener Waldschule und erstritt mir die Erlaubnis dort zu übernachten. Es wurde ein unvergessliches Erlebnis. Und plötzlich war er wieder da, der Gedanke an den Waldkindergarten. Wer sagte, dass Frau das nur mit Kindergartenkindern machen konnte, wo stand, dass dazu nicht die großen Ferien verwendet werden konnten. Es gab nur zwei Hindernisse zu überwinden: meine Trägheit und genügend Betreuerinnen zu finden, die sich nicht davor schreckten jeden Tag bei Wind und Wetter hinaus zu fahren.

Es fielen allerdings noch viele Blätter von den Bäumen bis sich dieser Gedanke konkretisierte. Im März 1998 war ich als Leiterin in die Kleine Sperlgasse gekommen, und im November 2000 sprach ich die Leiterin eines Nachbarkindertagesheimes an, ob wir nicht zusammen ein Ferienprojekt starten wollten. (Ich brauchte ein Partnerhaus, weil wir zu wenig Leute waren, um einen täglichen Betrieb von 8°°-17³° abzudecken. Das war nur möglich bei normalem Ferienbetrieb, wo eine Pädagogin und eine Helferin zu bestimmten Zeiten ausreichten. Ich fand aber auch wichtig, dass mehr als 10 Kinder an so einem Projekt teilnehmen, um Großgruppenerfahrungen möglich zu machen, die nicht das Gefühl von Enge und Platzmangel auslösten, die soziale Kompetenz erforderten, die im Spiel geübt und erlernt werden konnte; die aber jederzeit Rückzug und "mit sich allein sein" ermöglichten. Wir brauchten also auch Kinder.) Den nötigen Schubs in die richtige Richtung hatte ich durch meinen Lehrgang "Leiten - Entwickeln - Managen" bekommen. Ich musste ein Projekt durchführen. Der Titel für dieses Projekt drängte sich geradezu auf: "Natur Pur" klang teilweise nach Medizin und hatte für manche Kinder und auch Eltern doch einen leicht bitteren Beigeschmack der Ungewissheit. Es klang toll, aber so richtig Genaues wusste man nicht. Sich auf so etwas einzulassen, war Abenteuer für Kinder Pädagogen Helferinnen und Eltern. Das Abenteuer musste ich verkaufen, gut verkaufen. Denn wer mit machte, ließ sich auf ein Abenteuer ein, und nicht jedes Abenteuer bedeutet ein lustvolles, positives Erlebnis. Es war meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich jeder, egal ob Kind oder Erwachsener einbringen konnte, dass die verschiedensten Bedürfnisse gestillt werden konnten, dass jeder nach vier Wochen - und vier Wochen mussten es sein um den Kindern eine Kontinuität zu vermitteln, ihnen ausreichend Zeit zu geben um Erfahrungen zu sammeln und Sicherheit zu gewinnen - sich zurücklehnen konnte, und sagen konnte: "Schön war's".

Jetzt wird es konkret!

Frau Angetter, die Leiterin des Kindertagesheimes Obere Augartenstraße war einverstanden. Sie würde ihren Kolleginnen von meinem Vorschlag berichten und würde mir Bescheid geben, wenn einige von ihnen mitmachen wollten. Bald darauf wusste ich, dass sich einige Kolleginnen aus der Oberen Augartenstraße für dieses Unternehmen interessierten. Bei meinen Kolleginnen hatte ich es leichter. Die waren schon begeistert von der Outdoorpädagogik und souverän im Umgang mit Lagerfeuer und Zelt. Allerdings musste ich sie vorsichtig davon überzeugen, ihnen nichts "aufgesetzt zu haben" - was ich durchaus getan hatte. Ehrlich währt am längsten, dachte ich mir, und beichtete - und hatte das Glück mit tollen Kolleginnen zusammenzuarbeiten. Sie freuten sich darauf, wenn auch nicht ganz ohne Skepsis: auch bei Schlechtwetter? Bevor noch das erste gemeinsame Treffen mit den Kolleginnen stattfand, klärte ich mit meiner vorgesetzten Inspektorin die Möglichkeit eines solchen Projektes und eventuellen finanziellen Förderungen von Seiten des Amtes. Prinzipiell war alles möglich und das schneller, als ich es erwartet hatte. Offensichtlich hatten wir mit diesem Projekt ins Schwarze getroffen und nicht nur die Bedürfnisse von Eltern und Pädagogen erfüllt.

Die Planung beginnt...

Im Januar 2001 hatten wir unser erstes gemeinsames Treffen. Bei unserem ersten Treffen waren anwesend: 4 Hortpädagoginnen, 2 Leiterinnen und 4 Helferinnen. Thema war: Herantasten an Leute und Projekt, Entwicklung der eigenen Visionen zum Thema. Den Vorbereitungsplan verwendete ich bei jedem neuerlichen Treffen und achtete darauf, dass ihn jede Teilnehmerin mindestens 1 Woche vor der Zusammenkunft erhielt, um ihr die Möglichkeit zu geben sich mit den anstehenden Themen auch auseinander setzen zu können. Dabei schickte ich jedes Mal etwas aus der Natur mit. Einmal waren es getrocknete Gänseblümchen mit dem Rezept für einen Gänseblümchensalat, oder selbstgemachten Zitronenmelissensaft. Bei jedem Treffen verwendete ich andere Methoden, die ich im Seminar kennen gelernt hatte, um die Kreativität oder die Sinne, aber auch Mut und Motivation der Kolleginnen anzusprechen und zu wecken. Besonders bei den Helferinnen war mir das sehr wichtig, weil gerade sie unter wenig sich selbst bewusst Sein leiden. Sie fühlen sich und ihre Arbeit oft für nicht wahrgenommen oder wenig beachtet.

Die Reaktion auf diese sorgfältig vorbereiteten Treffen war, dass die Kolleginnen aus dem benachbarten Kindergarten uns für die letzte Zusammenkunft einluden und diese auch selbst vorbereiten wollten. Ich war neugierig; - und dann begeistert. Sie stellten mit Erde, Wurzeln, Schwarzlichtlampen und Teelichtern den schlafenden Teil der Natur dar, den wir bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht beachtet hatten. Wir waren alle beeindruckt. Nicht nur, dass die Gruppe an einem Strang zog, hatten wir durch dieses letzte Treffen die Startlinie erreicht. Wir konnten kaum erwarten, dass es los ging. Insgesamt hatte ich in der Vorbereitungsphase mit dem Team, das an dem Projekt teilnehmen würde 4 Treffen, bei denen wir unsere Zielvorstellungen konkretisierten: den Kindern die Möglichkeit zu geben mit allen Sinnen Natur erleben zu können, Spaß am Abenteuer zu haben, und aus mehreren Kindergruppen eine Gemeinschaft zu bilden in der jedes einzelne Kind Sozialkompetenz erfahren und vermitteln kann. Innerhalb dieses Rahmens hatte jede Kollegin die Möglichkeit ihre Vorlieben und Schwerpunkte umzusetzen. Das bedeutete aber auch, dass sich jede Kollegin intensiv mit diesem Thema auseinander setzen musste. Bei jedem Treffen wurde so weit wie möglich jedes kleinste Detail visualisiert. Die Protokolle wurden rasch geschrieben und ausgeschickt. Für jedes zukünftige Treffen gab es eine schriftliche Erinnerung mit Vorbereitungsplan und kleinen Dingen aus der Natur, die die Sinne und die Teilnehmerinnen ansprechen sollten. Ich wollte sie neugierig - gierig auf das Neue - auf dieses Experiment (das es für die meisten von ihnen war) machen.

In der Zwischenzeit führte ich Gespräche mit meinen Vorgesetzten um eventuelle Ressourcen und Möglichkeiten. Wir erhielten für zusätzliche Ausgaben 10.000,- ATS (Literatur, Material und Fahrtkosten). In den Osterferien unternahmen wir einen gemeinsamen Ausflug mit den Kindern und den Kolleginnen zum Ort unserer Wahl, dem Falkenberg. So konnten wir schon die verschiedenen Routen ausprobieren und uns auf die bestmögliche einigen. Außerdem konnte ich ihnen schon ein wenig zeigen, wie es sein würde, so mit Lagerfeuer und Bratwürsten; mit Kindern, die nicht sofort jeden Stock weglegen mussten, den sie in die Hand nahmen. Bei dieser gemeinsamen Aktion hatte ich schon ein wenig die Möglichkeit zu zeigen, dass Kinder in den seltensten Fällen das in sie gesetzte Vertrauen enttäuschen. Dieser Tag gab den Kolleginnen ein wenig mehr Sicherheit für die vier Wochen Abenteuer. Er ließ sie aber auch die Erfahrung machen, wie wichtig gute Ausrüstung wirklich ist. Wer nicht gut ausgerüstet war, dem war nicht nur kalt, sondern der war auch nass.

Im März fand dann auch der erste Elternabend statt in dem ich nicht nur versuchte, die Eltern für das Thema zu sensibilisieren, sondern auch die wissenschaftlichen Argumente anführte, die ein solches Projekt fast zwingend machten. Beim Verabschieden bekam jeder Teilnehmer dann eine schriftliche Zusammenfassung mit nach Hause. Einen Monat vor dem Start unseres Projektes gab es einen weiteren Elternabend, wo die Eltern genau informiert wurden: Wir stellten den genauen Zeitplan vor, gingen gemeinsam mit den Eltern die notwendige Ausrüstung der Kinder durch, machten nachdrücklich auf den bevorstehenden Ortswechsel (die Ob. Augartenstraße eignete sich verkehrstechnisch besser als Treffpunkt) aufmerksam und stellten unser gemeinsames Ziel vor. (Leider waren in unserem Haus nur 6 Eltern von 15 angemeldeten Kindern anwesend und so sah im Endeffekt auch die Ausrüstung der Kinder aus - mehr als mangelhaft. Zwar hatten alle Kinder ein Taschenmesser, aber einige keine Regenstiefel, oder keinen Regenschutz, oder keinen Pullover... Auch im anderen Kindertagesheim schaute es mit der Ausrüstung der Kinder nicht besser aus. Mit rigorosen Maßnahmen überzeugten wir die Eltern Fehlendes zu ersetzen: Wer kein Regenzeug hatte, musste zurück bleiben.)

Wir starten unser Projekt!

Am Montag, 2. Juli ging es dann endlich los. Neugierig und erwartungsvoll machten wir uns mit 20 Kindern auf den Weg. Eineinhalb Stunden brauchten wir durchschnittlich um unser Ziel zu erreichen. In den ersten Tagen war die Gruppe nicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln dicht gedrängt, sondern auch entlang des Weges, der uns zu unserem Lagerplatz brachte. Schon gegen Ende der ersten Woche wurde der Weg selbst zum Ziel. Die Kinder lebten ihre unterschiedlichsten Bedürfnisse aus: Einige rasten den Berg hinauf, mussten sich körperlich betätigen; andere untersuchten jeden kleinen Käfer, der ihnen über den Weg lief, machten "naturwissenschaftliche Untersuchungen". Und dann gab es noch Kinder, die sich durchkosteten, vom Klee zu den Brombeeren, von den Walderdbeeren zu den reifen Getreidekörner. Die ersten Kinder waren in 10 Minuten am Ziel, die letzten trudelten oft 20 Minuten später ein. Es war eine Freude den Kindern am Weg zuzusehen. Fixer Bestandteil war dann unser Morgenkreis. Wir setzten uns zusammen und besprachen die Pläne für den kommenden Tag. Jeder Erwachsene und jedes Kind äußerte sich dazu, machte Vorschläge, ergänzte Wünsche, tat seine Erwartungen kund. Der Morgenkreis eignete sich auch zur Vorstellung von Gästen, Betreuern oder neu hinzugekommenen Kindern. Wichtig war auch bei dieser Gelegenheit die Kinder gemeinsam, als Gruppe zu begrüßen und allen einen schönen Tag zu wünschen. Nach dem Morgenkreis ging es dann zum Holz sammeln. Auch das war eine tägliche - wenn auch manchmal lästige - Pflicht. Aber wer kein Holz hat, hat kein Feuer, und ohne Feuer gibt es kein Mittagessen. Und der ausgedehnte Aufenthalt im Freien machte großen Appetit. Waren die täglichen Notwendigkeiten erledigt, konnte jeder seiner Wege gehen. Ich meine das genau so, wie ich es schreibe: Wir setzten den Kindern kein ortsbezogenen Grenzen. Das einzige Verbot war: nicht ins Getreidefeld, schließlich wollen wir auch morgen noch ein Stück Brot essen. Natürlich beobachteten wir genau, wo sich die diversen Kindergruppen gerade aufhielten und was die Kinder gerade beschäftigte, aber es gab keinerlei Probleme. Das Vertrauen, das wir den Kindern nicht nur in diesem Punkt entgegenbrachten, wurde mehr als reichlich belohnt. Waren die Kinder in der ersten Woche noch relativ konzentriert auf einem Platz in der Nähe der Erwachsenen zu finden, so waren sie teilweise schon nach einigen Tagen entdeckungsfreudig und erkundeten den Wald. In der letzten Woche waren sie weder zu sehen, und, was noch faszinierender war, nicht einmal zu hören. Vorbeikommende Wanderer sahen oft nur einen Feuerplatz, eine Betreuerin, die sich um das Feuer und das Essen kümmerte und einen Haufen Rucksäcke. Die Geländespiele, die wir in dieser Zeit anboten veranstalteten wir bereits eher um den Kindern Erlebnisse in und mit der Großgruppe zu verschaffen, und um sie mit der weiteren Umgebung vertraut zu machen, aber zwingend notwendig waren sie für die Kinder nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie uns zu liebe bei diesen Aktionen mit machten. So schlecht (Regen, Wind, Kälte) oder so gut (Hitze und Windstille) konnte das Wetter gar nicht sein, die Kinder waren immer beschäftigt; in den unterschiedlichsten Gruppen, manchmal allein, selten fand sich auch die ganze Gruppe zusammen, erkundeten die Kinder die Natur. Und erst das Getreidefeld. Zuerst durften sie nicht hinein, dann konnten sie beobachten, wie das Korn geschnitten wurde, und dann gab es eine Fülle von ungeahnten Möglichkeiten. Es wurde eine Woche des Strohs. Sie konnten es riechen, fühlen, greifen, verarbeiten; gekostet hatte es schon jeder im Laufe der Zeit. Das Stroh bot den Kindern die Möglichkeit ihre Kräfte auszuprobieren, ihre Ängste zu überwinden und ihre Stärke in der gemeinsamen Aktion zu finden.

Mit unserem zusätzlichen Budget hatte ich vier Rucksäcke gekauft. Die zwei blauen Rucksäcke wurden ausgerüstet für das große Abenteuer mit Seil, Karabinern, Umweltspielekartei, Fotoapparat, Schere, Spagat, und was man noch so für das Abenteuer benötigt. Die zwei roten Rucksäcke waren der Forschung gewidmet mit Lupe, Bestimmungsbüchern, Fernglas, Tagebuch, Pinzette, Pinsel und Schaufel. Toilettenpapier, Taschentücher, Schreibzeug und Apotheke waren in jedem Rucksack vorhanden. Diese Rucksäcke bewährten sich nur in Verbindung mit Erwachsenen; für Impulse, Entdeckungsreisen und Spieleaktionen, die von uns angeleitet wurden. Im Anschluss an unser Projekt kamen Abenteuer und Entdeckung zusammen in einen Rucksack, der uns auf alle weiteren Ausflüge begleitet. Um mit diesen Rucksäcken selbständig arbeiten zu können, fehlte es den Kindern an bereits in der Natur gemachten Erfahrungen und auch ein wenig an wissenschaftlicher Anleitung, meine ich. Sie experimentierten allerdings nach Herzenslust mit dem Inhalt der Rucksäcke, schleppten sie gern mit sich und konnten so fundamentale Erfahrungen sammeln, die wir vielleicht im nächsten Jahr erweitern können. Schon beinahe trotzdem setzten wir zwischendurch immer wieder Impulse und kleine Aktivitäten. Schließlich mussten wir auch ein wenig auf unsere Bedürfnisse achten, und es fanden sich für jedes Unternehmen immer wieder ein paar Begeisterte ein: Es gab unendlich viel zu riechen, hören, sehen, fühlen, schmecken und auszuprobieren.

Der letzte Tag auf dem Berg war Krönung und Abschied zugleich. "Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören". Dieser Spruch hat etwas an sich. Mit Herzschmerzen gingen wir schon an die Vorbereitung dieses besonderen Tages. Mit einem großen, weitläufig angelegten Geländespiel nahmen wir Abschied von dem uns so vertraut gewordenen Stück Natur. Wir verabschiedeten uns von den Waldgeistern, die uns trotz allem Unbill letztendlich doch wohl gesonnen waren. Im vertrauten Kreis übergab jedes Kind und jeder Erwachsene ein mühsam gefertigtes Kunstobjekte aus Stroh den Flammen und schickte, mit dem zu Himmel aufsteigenden Rauch, Wünsche und seinen Dank mit. Anschließend wurde jeder, wie nach der ersten Ballonfahrt, in den Adelsstand erhoben - mit Haare abbrennen und Ritterschlag. Wir hatten alle unseren Spaß, wenn auch die Kinder mehr, wenn es hieß: "Knie nieder, meine Tochter!", und eine Betreuerin kniete nieder. Dann wurde Ordnung gemacht. Wir wollten die Natur so zurück lassen, wie wir sie angetroffen hatten. Bei unserem letzten Marsch hinunter zum Autobus nahm auch der Himmel von zwanzig zufriedenen Kindern und acht zufriedenen Begleitern Abschied. Der Wind blies uns nur so um die Ohren, und kurz bevor wir in den Bus einstiegen, begann es zu schütten und zu donnern und zu blitzen. Wir verließen den Bisamberg mit dem Gefühl im nächsten Jahr unbedingt wiederkommen zu wollen. Auch von jedem Kind war zu hören: "Ich möchte wieder hier her kommen".

Resümee

Manches war auch für uns neu und überraschend. Die Kolleginnen waren erstaunt , dass auch die schwierigsten Kinder ohne große Probleme betreut werden konnten. Aggressive Kinder, die im Alltag nicht aus den Augen gelassen werden konnten, hielten Frustrationen aus, die normalerweise zu tätlichen Angriffen führten. Kinder, die im Alltag nicht ohne intensive Betreuung durch eine Bezugsperson auskamen, hatten hier die Fähigkeit sich unter teilweise fremden Kindern und nicht vertrauten Betreuern zu orientieren und soziale Kompetenz zu entwickeln. Und selbst die Kinder, die sich normaler weise nur schwer konzentrieren konnten, waren im Spiel versunken und flatterten nicht ständig wie ein Schmetterling von einem Ort zum andern. "Mir ist fad. Was soll ich machen?", hörte ich nur ganz selten. Die Ängste und die damit verbundenen Unsicherheiten der Kolleginnen hatten mich veranlasst, jeden Tag mit mindestens fünf Personen abzudecken. Eine Kollegin belud ihr Auto mit Wasser, Lebensmittel, unserem Hexenkessel und Material und sorgte unterwegs für diverse Einkäufe. Zwei Pädagoginnen und zwei Helferinnen waren mit den Kindern unterwegs. Nach Abschluss des Projektes war klar, dass weder die Personenanzahl so hoch noch das Material so zahlreich sein musste. Für die Geländespiele und Entdeckungsreisen waren wir richtig besetzt, das waren aber Highlights der Woche. Auch das war für manche Kollegin eine Überraschung: Die Kinder verdienen unser Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Sie wissen es durchaus zu schätzen und gehen damit sorgsam um. Das hieß nicht, alles laufen zu lassen, wie es gerade kam, aber den Kindern die nötige Eigenverantwortung und Eigenständigkeit zu überlassen, die sie für ihre SELBSTÄNDIGKEIT brauchen, das verlangte Mut und gute Beobachtungsgabe. Ein treffender Ausspruch von Lao Tse ließ uns immer wieder zur rechten Zeit die Hände in unsere Taschen stecken:

Ich habe vergessen,
was du mir gesagt hast.
Ich kann mich erinnern an das,
was du mir gezeigt hast.
Ich weiß,
was du mich hast tun lassen.

Insgesamt betrachtet, vergingen die vier Wochen viel zu schnell. Jeden Abend kamen wir müde nach Hause. Aber es war eine andere Müdigkeit als sonst im alltäglichen Leben.(Das stellten auch viele Eltern bei ihren Kindern fest. Die Kinder wirkten ausgeglichener und zufriedener, als unter anderen Umständen - normalen Umständen.) Jeden Morgen standen wir wieder voller Tatendrang, wenn auch nicht ganz ausgeschlafen, an unserem Treffpunkt, und erwarteten die Kinder, die schon mit vielen Vorsätzen ankamen, was sie mit dem kommenden Tag alles beginnen könnten. Die vier Wochen, vor denen sich die Kolleginnen ein wenig gefürchtet hatten, wurden zu kurz. Die Ängste der Kolleginnen und ihre Bedenken hatten sich nicht bestätigt. Sie waren frei für die Arbeit in und mit der Natur. Der Begriff der Outdoorpädagogik hatte viele Inhalte bekommen. Sie hatten Lust auf Neues bekommen und neue Wege für den Aufenthalt in der Natur entdeckt. Ich wurde einmal gefragt woran ich erkennen würde, dass dieses Projekt erfolgreich abgelaufen sei. Meine Antwort war: "Wenn wir alle zufrieden müde sind, und Lust auf Neues haben". Und eigentlich war das Ende ein Anfang. Der Anfang einer übergreifenden Zusammenarbeit mit einem anderen Kindertagesheim und damit verbunden immer wieder "neuen" Kolleginnen; das Wagnis eines Gespenstertreffens im Wienerwald, wo bereits Kinder aus drei Häusern miteinander unterwegs waren; dem Vorsatz im Sommer gemeinsam mit weiteren Häusern ein Zeltlager im Waldvierten zu organisieren und vielleicht im Winter auf zwei Tage nach Pötzleinsdorf zum Rodeln zu fahren.

Durch dieses Projekt haben sich viele neue Möglichkeiten erschlossen für die ein Haus allein nicht die notwendigen Ressourcen aufbringen kann; sei es aus Personalmangel oder weil zu wenig Kinder Interesse haben. Großgruppenaktionen machen eben nur Spaß, wenn auch eine große Gruppe beteiligt ist. Mit diesem Projekt habe ich einen Traum verwirklicht, der mich schon lange durch meinen Beruf begleitet. Dieses Projekt hat aber auch meine Meinung bestätigt, die ich vielen Kolleginnen gegenüber vertrete, wenn sie immer wieder klagen, wie schwer es doch bei der Gemeinde Wien sei. Nichts könne man tun, alles sei verboten, und überhaupt gäbe es keine Möglichkeiten sich zu entfalten. Ich finde, dass bei unserer Dienststelle "alles" möglich ist wenn Frau gute Argumente hat, und bereit ist, Eigenverantwortung zu übernehmen. Ich kann nicht erwarten, dass andere für mein Handeln die Verantwortung übernehmen. Das bedeutetet auch, dass ich bereit bin ein gewisses Maß an Risiko einzugehen. Sollte, was auch immer passieren, werde ich zur Verantwortung gezogen. Da ich aber alles mir möglich unternehme, um Unfälle zu verhindern, halten sich meine Sorgen in diese Richtung in Grenzen, ein gewisses Restrisiko birgt das Leben in sich. Wer sagt außerdem, dass ich nur die Verantwortung für "das Böse" trage; ich trage sie auch für "das Gute" Ich werde zu Verantwortung gezogen, wenn etwas super gelaufen ist, wenn Eltern begeistert die Erlebnisse ihrer Kinder im Hort hinaustragen. Ich ernte die Lorbeeren, wenn Kinder nicht nach Hause gehen wollen, weil es hier und jetzt schön ist. Gerade in unserem Beruf sollte man mit gutem Beispiel voran gehen und nicht ständig nach den Defiziten, nach Negativem, suchen. Sich damit auseinander setzen, das schon. Aber auch auseinander setzen mit Ermutigendem, Schönem, ...

Ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten, die Fähigkeiten der Kolleginnen mit denen ich zusammenarbeite, und in die Fähigkeiten der Kinder. Der Lehrgang hat mir geholfen mir meiner Fähigkeiten bewusster zu werden, hat mir aber auch geholfen die Bedürfnisse und Ängste anderer eher wahr zu nehmen. Vor allem stehen mir jetzt, nach Beendigung des Lehrgangs, Ressourcen zur Verfügung mit denen ich andere dazu befähigen kann ihre Bedenken und/oder Wünsche auszusprechen, und dann gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Das wäre mein Ziel: Den Kolleginnen Spaß und Sicherheit in der Outdoorpädagogik zu vermitteln, und Sicherheit und Kompetenz im Umgang miteinander - mir selbst mit eingeschlossen.

Reflexionen der Betreuerinnen

Andrea Hörmann, Hortpädagogin:

Für mich war es das erste Mal, ein Projekt dieser Art - noch dazu zusammengeschlossen mit einem anderen Horthaus - durchzuführen, zu erleben. Der gemeinsame Probewandertag und die Besprechungen davor, zeigte, dass beide Hortteams in den Grundeinstellungen, Ideen, ... eine gute Linie fanden, sich ähnlich waren. Menschlich gesehen, verstanden wir uns auf Anhieb sehr gut. Mein Kurzbericht umfasst die letzten zwei Wochen: Entgegen meiner Befürchtungen (die Kinder würden bei heißem Wetter jammern, oder sich weigern mit zu gehen) stellte sich heraus, dass das Gegenteil eintrat. Kein Jammern - dafür Begeisterung und Faszination. Durch die täglich neuen Aktivitäten wurden sie immer wieder zur Begegnung mit der Natur motiviert. Als ich nach zwei Wochen zur Gruppe neu dazustieß, fand ich einen selbstverständlichen Tagesrhythmus vor. Die Kinder beider Hortteams verstanden sich, es gab keine Probleme. Ein Tag auf dem Falkenberg vergeht sehr schnell. Die Kinder sind viel selbständiger, motivierbarer, wissensbegieriger und entdeckungsfreudiger als im Hort. Wir konnten ihnen mehr Freiheit und Vertrauen geben, welche nicht missbraucht wurden. Alles in allem förderte dieses Projekt die zwischenmenschlichen Kontakte, das Empfinden von Idylle und Romantik - das Erleben von Freiheit machte uns alle in uns stärker. Wir haben viel gelacht und arbeiteten Hand in Hand und rückten zusammen. (Das Video von unserem Abschied am Berg bestätigt das). Natürlich sein - natürlich lernen - auch ich habe daraus geschöpft. Aus diesem Projekt habe ich einige Erkenntnisse gewonnen, habe gelernt - und werde einiges davon in meine zukünftige Hortarbeit einfließen lassen. Es hat mir großen Spaß gemacht und ich werde gern daran zurück denken.

Brigitte Plaim, Margarete Oswald, Horthelferinnen:

Das Projekt wurde im Vorfeld bei einigen Teamsitzungen gründlich besprochen. Wir waren natürlich sehr gespannt, was uns erwarten würde. Wir trafen alle Vorbereitungen. Und dann war es so weit: Abwechselnd wurde von den Kolleginnen mit dem Auto die für das Projekt nötigen Materialien, sowie Essen und Trinken, unserem tollen Grillkessel und die verschiedensten anderen Dinge zu unserem besonders idyllischen Platz gebracht. Nach der Ankunft auf dem Falkenberg fand immer unsere Begrüßungszeremonie, der Morgenkreis, statt. Dabei wurde der Tagesablauf und diverse Aktivitäten besprochen, Wünsche wurden entgegengenommen. Danach halfen immer alle Hände das Auto auszuräumen. Für das leibliche Wohl wurde bestens gesorgt. Die Kinder und auch die Erwachsenen lernten sehr viel. Es war einmal etwas anders, die Ferienzeit in der freien Natur zu verbringen. Wir genossen das alle, ob groß oder klein. Wir kamen den Menschen und der Natur sehr nahe. Beides lernten wir noch besser kennen und verstehen. Jetzt schauen wir viele Dinge mit anderen, genaueren Augen an; wir lernten einen anderen Blickwinkel für vieles kennen. Es war trotz der Anstrengung und dem nicht immer tollen Wetter ein wunderschönes Projekt.

Gabriela Hoffmann, Hortpädagogin:

Locker in der Natur bewegen - Genuss - Vertrauen - diese Schlagwörter fielen mir beim ersten Brainstorming für dieses Projekt ein. Jeder sammelte Schlagwörter, um seine ersten Vorstellungen in Worte zu fassen, um danach eigene Ziele für das Projekt "Natur pur - ein Monat mit den Kindern auf dem Bisamberg" zu setzen. Alle Mitarbeiter des Hortes Kl. Sperlgasse hatten schon Erfahrungen gemacht mit Exkursionen in der freien Natur. Wir waren ja schon oft bei unterschiedlichem Wetter im Wald, Park oder auf der Donauinsel.. Also konnte ich mir gut vorstellen, dass unser Team mit der Situation "Kinder im Freien" gut klar kommen würde. Nur, ein Monat lang fast täglich im Freien, das war neu, eine Herausforderung. Ich war neugierig, wie die Kinder reagieren würden und was daraus entstehen würde. Sorgen machte ich mir weniger. Ich war eher gespannt, was herauskommen würde, wenn Kinder konsequent Natur erleben (auf die Fotos der Aktion freue ich mich schon). Unser Team wurde mit Kolleginnen aus der Obere Augartenstraße vervollständigt. Sie schlossen sich mit ihren Ferienkindern dem Projekt an. Bei den Meetings stellte sich heraus, dass die Kolleginnen weniger Erfahrung mit Outdoorprojekten hatten. Doch bald fanden wir eine gemeinsame Linie heraus - die Vorfreude. Eine gute Planung und Vorbereitung aller notwendigen Dinge bescherte uns dann eine gute Zusammenarbeit und ein tolles Monat auf dem Bisamberg.

Reflexion: Das Beeindruckendste für mich, aus der Sicht der Hortpädagogin, war der Freiraum (der einen größeren Handlungsraum nach sich zog). Wir bewegten uns alle in einer ganz anderen Räumlichkeit als im Hort. Der Hort in der Stadt, neben der Schule mit seiner Nähe zum Schulalltag und der täglichen Routine, mit den Anforderungen und Regelungen, die viele Schranken inne haben. Viele dieser Schranken fielen dort am Lagerplatz, umringt von Bäumen, Sträuchern, Wiesen und Aussichten weg. Es kamen zwar statt dessen andere Regelungen dazu, nur der Freiraum war viel größer, für die Kinder wie für die Erwachsenen. Durch die Anzahl der Mitarbeiter konnten wir großes Vertrauen in die Kinder setzen. Sie haben das gespürt und sind damit sehr gut umgegangen. Dieses Vertrauen wurde meines Wissens nach am Berg nie missbraucht. Der Rahmen wurde immer eingehalten. Das bezieht sich auf Entfernungen, Beschädigungen, Ordnung halten oder soziales Verhalten. Das Verhalten der Kinder machte mich selber frei. Ich mag es persönlich nicht so gern ständig ermahnen zu müssen oder dauernd mit Habichtsaugen beobachtend hinter den Kindern her sein zu müssen. Außer beim letzten Nach Hause Weg kam nie Stress auf. Natürlich wurde diese Sicherheit durch die Anzahl der Mitarbeiter unterstützt. Das Andere machte das natürliche Angebot an Erfahrungsmöglichkeiten in dieser Umgebung aus - und, wie gesagt, die gute Planung. Die Kinder "krebsten" ständig in Gräben auf Bäumen oder auf der Wiese herum. Anfangs waren sie noch oft am Lagerplatz und in Sichtweite. Doch nach der ersten Woche hatten sie schon so viel Mut und Sicherheit gewonnen, dass sie meist schon nach dem Frühstück verschwunden waren. Nicht irgendwohin verschwunden, sondern außerhalb unserer Sichtweite, aber innerhalb einer imaginären Grenze - nun komme ich auf das Wort Freiraum zurück. Das alles bedeutet für mich Freiraum.

Das Vertrauen haben wir zuerst erarbeitet, und dann genossen. Dazu hat jeder einzelne beigetragen. Einen großen Anteil am Gelingen des Tagesablaufes hatten die Verantwortlichen der Nahrungsversorgung. Sie bereiteten sich täglich gewissenhaft und mit Freude auf die Grillarbeit vor, und so war immer ausreichend und rechtzeitig gekocht. Die Teamarbeit klappte auf dem Berg sehrt gut. Die unterschiedlichen Ideen wurden in das Programm integriert und verarbeitet. Das ist erstaunlich, wenn eine Gruppe gleich so gut harmoniert.

Die Kinder konnten zwischen vielen Angeboten wählen oder einfach die Natur genießen. Auch die eingefleischten Game-Boy-Spieler ließen bald von ihren "Piepsmaschinen" ab und "krebsten". Die Geländespiele wurden von den Kindern geliebt. Manche maulten anfangs, aber die Dynamik der Gruppe riss sie schließlich mit. Im Endeffekt hatten alle eine menge Spaß, wir eingeschlossen. Ich konnte auch viel besser mit einem schwierigen Kind umgehen. Weg vom Druck der Hausaufgaben konnten die Kinder auch laut sein. Sie konnten sich irgendwo verkriechen, wenn sie nicht gut drauf waren, oder maulen, wenn sie "ihren Spinner" hatten. Oder sich einfach auf einen Baum zurückziehen, wenn sie ihre Ruhe haben wollten. Trotzdem war niemand ausgeschlossen. Die Kinder konnten zu uns kommen, wenn sie umarmt werden wollten oder Aktion brauchten. Es war toll, zu beobachten, dass die Zeit da oben den Kindern meist viel zu kurz wurde. Oft wären sie noch gern länger geblieben. Ich glaube, der Abschlusstag wird jedem von uns in großer Erinnerung bleiben. Die Verabschiedung vom Berg, wurde mit großer Zeremonie beendet und als Draufgabe antwortete uns die Natur mit einem adeligen Regenguss.

Silvia Böck- Berger, Leiterin Kindertagesheim Kleine Sperlgasse 2A, 1020 Wien:

Die Reflexionen der Kolleginnen waren im Großen und Ganzen einander ähnlich; natürlich mit den unterschiedlichen Schwerpunkten, die jede für sich hatte. Vieles kann ich bestätigen, manches habe ich anders gesehen. Z.B. war die Gruppe durchaus nicht von allein harmonisch, sondern es bedeutete viel Arbeit und Aufmerksamkeit die Bedürfnisse und Vorstellungen aller Kolleginnen unter einen Hut zu bringen. Durch meinen Lehrgang hatte ich das notwendige Rüstzeug dafür. Ich hatte den Eindruck, dass die Mühsal, die immer wieder von den Kolleginnen angesprochen wurde, die Arbeit war, die sie selbst an sich vollbrachten. Sie waren prinzipiell offen für Neues, aber die intensive, ständige Auseinandersetzung mit vielen neuen und ungewohnten Situationen, den anderen Anforderungen, als den alltäglichen, die Neuregelungen der Beziehungen zwischen Kind und Erwachsenem, dieses plötzliche "In Bewegung sein", bedeutete ein großes Maß an persönlichem Einsatz und Energieaufwand. Zwar war ich mit diesen Dingen vertraut, und wusste, was mich mit den Kindern erwarten würde .Wie die Personen in diesem Team reagieren würden, wie sie agieren würden, konnte ich nicht wirklich abschätzen. Ich konnte nur versuchen, ihre Handlungsfähigkeit, ihre Kreativität, ihre Motivation so weit wie möglich zu stützen und zu fördern. So war auch mein Einsatz gefordert und auch ich musst mich Neuem stellen.

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