Aus: beziehungsweise 2003, Nr. 7, S. 33-34
Christina Luef
In Westdeutschland ist der Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen noch lange nicht gedeckt. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Verminderung der Einkommensarmut ist aber ein gut ausgebautes Netz an institutioneller Kinderbetreuung notwendig. Mehr erwerbswillige Mütter könnten einer Beschäftigung nachgehen, und durch das zusätzliche Personal für die Kinderbetreuung würden neue Arbeitsplätze entstehen. Ein Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen würde sich somit positiv auf die Einnahmen- und Einspareffekte der öffentlichen Haushalte und der Sozialversicherungsträger auswirken. Das bescheinigt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Aufgabe war es, die (Brutto-) Einnahmeneffekte öffentlicher Haushalte und Sozialversicherungsträger bei einem Ausbau von Kindertageseinrichtungen für Westdeutschland abzuschätzen. Als Basis dafür wurden nicht erwerbstätige Mütter herangezogen, die einen Erwerbswunsch äußerten und deren jüngstes Kind zum Untersuchungszeitpunkt nicht älter als 12 Jahre alt war. Die Stichproben stammen aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) für das Jahr 2000. Das SOEP erfasst auch die genaueren Umstände einer arbeitslosen Person wie zum Beispiel den Erwerbswunsch von Müttern.
Wenn erwerbswillige Mütter arbeiten gingen
Durch den Ausbau von Kindertageseinrichtungen könnten erwerbswillige Frauen dem Staat sowie den Sozialversicherungsträgern Geld einbringen bzw. Kosten ersparen. Würden alle arbeitslosen Mütter und alle Mütter, die für eine absehbare Zeit zu Hause beim Kind bleiben möchten (stille Reserve bis zu 5 Jahre), einer Erwerbstätigkeit nachgehen (etwa 1,7 Millionen Frauen), so käme das zusätzliche Einkommenssteueraufkommen auf bis zu 6 Mrd. Euro und das zusätzliche Beitragsaufkommen für die Sozialversicherungsträger auf bis zu 9 Mrd. Euro im Jahr. Wären 1.000 arbeitslose Mütter erwerbstätig, so würden der öffentlichen Hand pro Jahr Steuereinnahmen von durchschnittlich ungefähr 3,5 Mio. Euro zukommen sowie den Sozialversicherungsträgern 5,5 Mio. Euro.
Als weiteres Beispiel wurden Mütter mit einer akademischen Ausbildung herangezogen. Diese haben die höchste Wahrscheinlichkeit, wieder einen Job zu bekommen. Die Erwerbstätigkeit von 1.000 arbeitslosen Akademikerinnen würde dem Staat im Schnitt über 8 Mio. Euro einbringen, die Beitragseinnahmen beliefen sich auf 10 Mio. Euro im Jahr. Alle Akademikerinnen gemeinsam (Arbeitslose und stille Reserve) würden ein zusätzliches Einkommenssteueraufkommen von bis zu 1,2 Mrd. Euro im Jahr bzw. ein Beitragsaufkommen für die Sozialversicherungen von bis zu 1,5 Mrd. Euro aufbringen.
Mehr Arbeitsplätze durch mehr externe Betreuung
Unter Annahme, dass alle Kinder von Müttern mit Erwerbswunsch in einer Kindertageseinrichtung untergebracht werden, kann abgeschätzt werden, wie viele zusätzliche Fachkräfte in einer Kinderbetreuungseinrichtung benötigt werden. Wenn nun alle noch nicht ganztags betreuten Kinder bis 12 Jahre von erwerbswilligen Müttern in einer Einrichtung wären, so würde dies einen Fachkräftebedarf von weiteren 430.000 bis 450.000 Personen bedeuten. Dies wiederum würde zu zusätzlichen Einkommenssteuereinnahmen von bis zu 1,3 Mrd. Euro und zu Beitragseinnahmen für die Sozialversicherungsträger von bis zu 4,5 Mrd. Euro im Jahr führen.
Weniger Sozialhilfekosten durch mehr Arbeit
Nicht alle Sozialhilfe beziehenden Mütter können mit gleicher Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz finden. Deshalb wurden bei der Abschätzung potenzieller Einsparungseffekte über eine Erwerbstätigkeit unterschiedliche Varianten berechnet. Diese speziellen Daten stammen aus einer Sozialhilfestichprobe aus dem Jahr 1997.
Wenn 1.000 alleinerziehende Mütter, die 1997 Sozialhilfe bezogen haben, aufgrund bedarfsgerechter Kinderbetreuung erwerbstätig werden könnten, hätten die Sozialhilfeträger ungefähr 6,5 Mio. Euro einsparen können. Bei der selben Anzahl alleinerziehender Mütter mit Hochschulabschluss, deren jüngstes Kind im Schulalter ist, würden weniger Kosten von bis zu 10,8 Mio. Euro entstehen, gingen diese einer Erwerbstätigkeit nach.
Die Ergebnisse des Gutachtens zeigen, dass ein Ausbau von Kindertageseinrichtungen von volkswirtschaftlichem Nutzen ist. Neben der Frage nach den Kosten eines Ausbaus sollten daher auch die Multiplikatoreffekte - Einsparungen und Einnahmen bei der öffentlichen Hand - eines solchen Vorhabens mitberücksichtigt werden.
Literatur
C. Katharina Spieß et al.: Abschätzung der (Brutto-) Einnahmeneffekte öffentlicher Haushalte und Sozialversicherungsträger bei einem Ausbau von Kindertageseinrichtungen. Gutachten des DIW Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 2002.
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