Sören Arlt
Vorbemerkungen
Hamburg hat sich auf den Weg gemacht, das System der Hamburger Kindertagesbetreuung grundlegend zu reformieren. An die Stelle der "klassischen" zentralistischen Angebotsplanung seitens des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe und der institutionellen Finanzierung des Angebotssystems (Objektfinanzierung) soll künftig eine Subjektfinanzierung der Tagesbetreuungsleistungen und damit korrespondierend eine Feinplanung der Angebote dezentral "vor Ort" in Zuständigkeit und Verantwortung der Leistungsanbieter (Träger) erfolgen ("Kita Gutschein-System"). Ausdrücklich nicht vorgesehen ist es jedoch, dass Eltern in Hamburg künftig in völlig beliebiger Weise auf das Leistungsangebot aller bestehenden Hamburger Kindertageseinrichtungen zugreifen und Tagesbetreuungsleistungen im Stundentakt schlicht "abrufen" können; insoweit rief der im Kontext der bisherigen Überlegungen zum Systemwechsel in der Hamburger Kindertagesbetreuung oftmals verwendete Begriff der "Kita Card" teilweise unzutreffende Assoziationen hervor.
Vor diesem Hintergrund sind noch einige weitere Vorbemerkungen notwendig: Nicht selten steht die Konzeption eines Nachfrage orientierten Gutscheinsystems unter dem Generalverdacht, dass hiermit ein "Markt radikales-Modell" implementiert werden soll und deswegen zu befürchten stehe, dass in der Folge die Zielvorstellungen der Kinder- und Jugendhilfe letztlich auf der Strecke bleiben könnten. Oder aber es werden von anderer Seite möglichst vollständige Deregulierungen und umfassende "Markt-Freiheiten" gefordert - bis hin zu einem völligen Rückzug des Staates aus dem Bereich der sozialen Dienstleistungen.
Leider sind solche in dieser polarisierten Form geführten Diskurse nicht allzu hilfreich, da in diesem Rahmen nicht selten suggeriert wird, dass ausschließlich ein dichotom strukturiertes Entscheidungsproblem auf Grund diametral gegensätzlicher Prämissen gegeben sei: Entweder sei für eine umfassende Deregulierung einzutreten oder aber für das vollständige Gegenteil zu votieren.
Die Befürworter der Option, die sich am Status quo orientiert, sehen nur den Staat als den Garanten für Verlässlichkeit und Sicherung des erreichten Qualitätsniveaus und warnen deswegen vor den Folgen des "freien Spiels der Kräfte". Die Apologeten der anderen Handlungsalternative verweisen ihrerseits auf Erstarrungen, Ineffizienz und mangelnde Kundenorientierung der bisherigen Mechanismen und können sich eine stärkere Ausprägung von Kreativität, Zielgenauigkeit und Wirtschaftlichkeit nur im Kontext eines strikt wettbewerblichen Bedingungsrahmens - bei prinzipiellem Verzicht auf staatliche Einflussnahme - als realisierungsfähig vorstellen.
Ziel der Darlegung des Hamburger "Kita-Gutschein Systems" und seiner integralen Elemente ist es daher auch, aufzuzeigen, dass es im Kontext der Einführung der Nachfrageorientierung als wirkungsvolles Gestaltungsprinzip in der Kindertagesbetreuung möglich ist, beide vorgenannten Sichtweisen sowie die hiermit jeweils verbundenen Stärken und berechtigten Intentionen in produktiver Weise miteinander zu vereinen.
Ausgangslage in Hamburg
Bevor die Beweggründe für den in Hamburg beabsichtigten Wechsel im System der Kindertagesbetreuung und der derzeitige Entwicklungsstand aufgezeigt werden, soll zunächst noch auf einige bedeutsame quantitative Aspekte der Ausgangslage in Hamburg eingegangen werden.
In den 90er Jahren ist der Ausbau des Angebotssystems der Kindertagesbetreuung in Hamburg mit großem Einsatz vorangetrieben worden: Zwischen den Jahren 1990 und 2000 wurden insgesamt über 19.000 Kindertagesbetreuungsplätze neu geschaffen, obwohl die Zahl der Kinder im Alter von 0,5 bis 12 Jahren in der gleichen Dekade nur um rd. 6.800 anstieg.
Zum Stichtag 31.12.2000 konnten in Hamburg die folgenden Versorgungsgrade für die Kindertagesbetreuung erreicht werden:
- 17,6% der Kinder im Krippenbereich (0,5 bis unter 3 Jahre) können mit einem teil- oder ganztägigen Angebot versorgt werden.
- 93,3% aller Elementarkinder (3 bis unter 6 Jahre) können eine Tagesbetreuungsleistung in Anspruch nehmen. Ca. 52% der Plätze im Elementarbereich sind dabei als teil- oder ganztägige Angebote konzipiert; den Kapazitäten mit halbtägigen Betreuungsumfang werden auch die im Zuständigkeitsbereich der Schulverwaltung eingerichteten Vorschulklassen zugeordnet.
- 19,2% der 6 bis unter 12 Jahre alten Schulkinder können mit einem Hortangebot versorgt werden.
Insgesamt stand zum Stichtag 31.12.2000 in Hamburg ein Leistungsangebot von rd. 67.000 Betreuungsmöglichkeiten (Plätze in Kindertageseinrichtungen, bei Tagespflegepersonen sowie die Kapazitäten der Vorschulklassen) zur Verfügung. Für das gesamte Aufgabenfeld der Kindertagesbetreuung in Hamburg, d.h. inklusive der investiven Ausgaben, sind für das Haushaltsjahr 2002 seitens des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe insgesamt rd. 300 Mio. EUR vorgesehen.
Im Vergleich zu den übrigen westdeutschen Großstädten nimmt Hamburg mit dem nunmehr bestehenden Angebotssystem - insbesondere bei sachgerechter Gewichtung der Ressourcen intensiven teil- und ganztägigen Angebote - eine Spitzenstellung in der Versorgung mit Leistungen der Kindertagesbetreuung ein.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt der Ausgangslage ist die mittelfristig zu erwartende demographische Entwicklung in Hamburg: Nach den aktuellen amtlichen Bevölkerungsprognosen ist in den nächsten 4 Jahren von einem Rückgang
- bei den Krippenkinder (0,5 bis unter 3 Jahre) von rd. 2.900
- bei den Elementarkinder (3 bis unter 6 Jahre) um rd. 2.500 sowie
- bei den bis zu 12 Jahre alten Schulkindern von rd. 1.600 Kindern
auszugehen. Angesichts des bereits erreichten hohen Versorgungsniveaus - vor allem im Elementarbereich - steht das Kindertagesbetreuungssystem in Hamburg vor großen Herausforderungen, die planerisch und organisatorisch bewältigt werden müssen.
Situations- und Bedarfsanalyse
In diesem Kontext ergeben sich für die behördliche Angebotsentwicklungsplanung, die derzeit in Hamburg noch für die Festlegung aller Details bezogen auf die Angebotsstrukturen der insgesamt über 800 öffentlich finanzierten Hamburger Kindertageseinrichtungen zuständig ist, hohe Anforderungen; zugleich steht der öffentliche Träger der Jugendhilfe aufgrund der gegebenen Planungskomplexität vor einem schwierigen Dilemma. Im Rahmen der von Seiten der zuständigen Fachbehörde zu betreibenden Planung der Kindertagesbetreuungsangebote wären idealtypisch zum einen alle antizipierbaren - regional durchaus unterschiedlichen - demographischen Entwicklungen zu berücksichtigen. Ebenso wären jedoch parallel die Bedarfe und Präferenzen der Nachfrager, also der Eltern und ihrer Kinder, in kleinräumiger Hinsicht zu erheben und gleichfalls allen planerischen Überlegungen zugrunde zu legen. Alle erfahrenen Jugendhilfeplanerinnen und -planer wissen jedoch, dass die Erhebung von Bedarfsdaten mit erheblichen Daten technischen und methodischen Schwierigkeiten verbunden ist, zudem weist die Validität der gewonnenen Daten nur eine recht geringe "Halbwertzeit" auf.
Eine systematisch betriebene Angebotsplanung in Hamburg hätte die Erhebung der oben genannten Planungsparameter letztlich bis auf die Ebene der 883 Hamburger statistischen Gebiete zu organisieren, die jeweils räumlich zusammenhängendes Areale umfassen und eine weit gehend homogene Sozialstruktur aufweisen. In einem darauf folgenden Schritt wäre - gemäß dem theoretisch vorgesehenen Jugendhilfeplanungszyklus - für jeden dieser Planungsräume ein regionaler Versorgungs-Zielwert zu bestimmen. Im letzten Schritt wäre dann gemeinsam mit den betroffenen Leistungsanbietern und den zuständigen Gremien einrichtungsbezogene Angebotsstrukturen zu entwickeln und abzustimmen.
Dass ein solches Vorgehen sich schon wegen der rechnerischen Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten in jedem Fall kompliziert und langwierig gestaltet und daher auch nicht selten bereits im Ansatz stecken bleibt, erfordert nicht allzuviel Fantasie. Im Ergebnis sind aufgrund der überhohen Komplexität der Planungsaufgabe die folgenden Steuerungsdefizite des herkömmlichen Planungs- und Steuerungssystems festzustellen:
- Die Familien müssen sich an die gegebene, sich nur sehr schwerfällig weiterentwickelnde Angebotsstruktur anpassen und eben nicht die Struktur an den Bedarf.
- Die Angebotsstruktur kann durch zentral betriebene Planungs- und Vereinbarungsverfahren nicht zeitnah und zielgenau an die tatsächlichen Bedarfe angepasst werden.
- Eine Umschichtung von untergenutzten oder leerstehenden Betreuungskapazitäten zu Gunsten von Bedarfsregionen ist kaum möglich.
Erschwerend kommt hinzu, dass im derzeitigen Finanzierungssystem nicht die Nutzer finanziert werden, sondern die Institutionen. Eine rückläufige Nachfrage führt daher im institutionell ausgestalteten Finanzierungssystem zunächst zu keinem oder nur einem unterproportionalen Minderbedarf, so dass im Ergebnis die Finanzmittel für einen bedarfsgerechten Ausbau an anderer Stelle entsprechend fehlen.
Der Hamburger Lösungsansatz: Der Kita Gutschein
Angesichts der oben dargelegten Situationsdiagnose hat Hamburg bereits seit 1999 eine weit reichende Reform des Gesamtsystems verfolgt. Ziel war und ist es hierbei, eine fundamentale Neuzuordnung der Aufgaben, Verantwortungen und Strukturen im Kontext der Planung und Finanzierung von Leistungen der Kindertagesbetreuung zu vollziehen und die bisherige an Details ausgerichtete behördliche Angebotsplanung aufzugeben.
Der anstehende Paradigmenwechsel wird zu tief greifenden Änderungen führen: Nach Einführung des neuen Nachfrage orientierten Gestaltungs- und kindbezogenen Finanzierungssystem ("Kita Gutschein-System") im Laufe des Jahres 2003 werden sich die Hamburger Leistungsanbieter bei der Strukturierung ihres Leistungsangebots weiter gehender als bisher - sowohl in organisatorischer als auch pädagogischer Hinsicht - an den Bedürfnissen der nachfragenden Familien auszurichten haben (vgl. § 22 Abs. 2 SGB VIII), da eine Refinanzierung der Tageseinrichtungen von den Trägern grundsätzlich nur noch über die von den Eltern eingereichten Kita Gutscheine sichergestellt werden kann.
Grundkonzept
Im Kita Gutschein-System
- werden die Bürger durch geldwerte Gutscheine mit Nachfragemacht ausgestattet;
- erfolgt die Finanzierung der Betreuungsleistungen kindbezogen auf Basis einheitlich kalkulierter Leistungsentgelte;
- werden zwischen der Stadt Hamburg und den Verbänden der Leistungserbringer landesweit geltende Grundsatzvereinbarungen abzuschließen sein, um einen klaren und verlässlichen Regulierungsrahmen für den künftig zu erwartenden Qualitätswettbewerb zu gewährleisten:
- In den Leistungsvereinbarungen werden die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale der zu erbringenden Leistungen, insbesondere auch die pädagogische Personalausstattung pro Kind (Erzieher-Kind-Relation), verbindlich festgelegt.
- In der Qualitätsentwicklungsvereinbarung geht es darum zu bestimmen, auf welche Art und Weise die Träger die fachliche Qualität der Arbeit sichern können, und welche Maßnahmen getroffen werden können, um sie kontinuierlich weiter zu entwickeln.
- In der Grundsatzvereinbarung Leistungsentgeltberechnung sollen schließlich die Grundsätze der kindbezogenen Kostenkalkulation und die ggf. pauschal zu entgeltenden Kostenelemente festgelegt werden.
Im Zusammenhang der kindbezogenen Leistungsentgeltberechnung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass mit einer vollständig pauschalierten Finanzierung - also mit für alle Träger einheitlich geltenden Pro-Kind-Kostensätze - nicht geringe Probleme und Risiken verbunden sein können: Hintergrund ist, dass für das pädagogische Personal fast überall der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) oder eine weitgehend entsprechend ausgestaltete Vergütungsgrundlage anzuwenden ist. Dieses Regelwerk sieht jedoch in Abhängigkeit von Lebensalter und sozialer Situation der Erzieherinnen und Erzieher je nach individuellen Gegebenheiten deutlich unterschiedliche Vergütungen vor. Mithin können in der Praxis in gleichem personellen Umfang ausgestattete Tageseinrichtungen Finanzbedarfe in sehr unterschiedlicher Höhe aufweisen, die ggf. nicht mehr durch die einheitlich vorgegebenen Pro-Kind-Kostensätze bzw. Finanzpauschalen gedeckt werden. In Hamburg wird daher auf die Kalkulation individueller Leistungsentgelte - auf Basis einheitlicher Ausstattungsstandards - gesetzt. Auf diese Weise kann der oben skizzierte Tarif bedingte Personalkostenstruktureffekt zuverlässig kompensiert und eine andernfalls mögliche Wettbewerbsverzerrung zwischen den Trägern vermieden werden.
Nach Einführung des Kita Gutschein-Systems wird die bisherige Zuständigkeit des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe für die Angebotsplanung, mithin die Feinstrukturierung der vorzuhaltenden Leistungsstruktur bis auf die Ebene der einzelnen Plätze in den Hamburger Kindertageseinrichtungen, in der bisher wahrgenommenen Form entfallen. Die Leistungsanbieter können und sollen stattdessen ihre Angebotsstrukturen künftig dezentral und flexibel gemäß den von den nachfragenden Familien artikulierten Bedarfen - ohne Vorgaben einer behördlichen Planungsinstanz - weiterentwickeln.
Der Leistungskatalog im Kita-Gutscheinsystem soll folgendermaßen ausgestaltet werden: Grundsätzlich werden in den für alle Hamburger Leistungsanbieter einheitlich geltenden Leistungsvereinbarungen die Leistungsarten nach den Merkmalen Altersgruppe, also Krippe, Elementar und Hort, sowie dem Betreuungszeitumfang festgelegt werden:
- Leistungsarten im Krippen- und Elementarbereich: 4, 6, 8, 10 und bis zu 12 Stunden pro Betreuungstag.
- Leistungsarten im Hortbereich: 2, 3, 5 und 7 Stunden pro Betreuungstag (in den Schulferien ist zusätzlich die dann entfallende 5-stündige Zeit in der Verlässlichen Halbtagsgrundschule bzw. der Sekundarstufe I am Vormittag mit abzudecken).
Es wird des Weiteren möglich sein - insbesondere mit Blick auf behinderte Kinder - zusätzlichen Förderungsbedarfen mit entsprechenden Zusatzleistungen Rechnung zu tragen.
Bestimmte ergänzende Angebote kann der öffentliche Träger der Jugendhilfe auch direkt im Wege eines so genannten "Zukaufs von Leistungen" bei den Leistungsanbieter fördern, z.B. die Bereitstellung von zusätzlichem pädagogischen Personal in sozial belasteten Quartieren oder besondere Sprachförderungsmaßnahmen.
Das fachliche Steuerungssystem
Der öffentliche Träger der Jugendhilfe hat das fachliche Steuerungssystem und damit die Vorgaben für die Bewilligung der Gutscheine, die von ihm finanziert werden, verbindlich auszugestalten:
- Er hat hierfür in einem ersten Schritt die grundsätzlich zu versorgenden Ziel- und Bedarfsträgergruppen und die dabei zu beachtenden Bewilligungsprioritäten festzulegen. Zum Beispiel kann seitens des öffentlichen Trägers und der politischen Entscheidungsträger ein sozialpolitischer Akzent gesetzt werden, indem die höchste Priorität bei der Leistungsbewilligung für die dringlichen sozial bedingten und pädagogischen Bedarfe sowie für die Eltern, die sich in Ausbildung befinden oder aus wirtschaftlichen Gründen arbeiten müssen, vorgesehen wird (vgl. Urteil des BVerwG vom 27.1.2000 - 5 C 19.99 -).
Die Prüfung eines Bedarfs ist allerdings nur bei den Leistungsarten möglich und auch erforderlich, auf die kein Rechtsanspruch besteht (§ 24 Satz 2 und 3 SGB VIII). Entsprechend ist, soweit Eltern für ihr 3-jähriges und noch nicht eingeschultes Kind den Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens (§ 24 Satz 1 SGB VIII) geltend machen, in jedem Fall ein Kita Gutschein auszustellen.
- Er muss organisatorische Vorkehrungen für die Bedarfsprüfungen treffen, da angesichts grundsätzlich knapper öffentlicher Haushaltsmittel nicht nur allein auf die artikulierten Wünsche der Nachfrager abgestellt werden kann. Eine solche Bedarfsprüfung ist schon heute in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin im Kontext der Bewilligung von Förderungen in Tageseinrichtungen und in Tagespflege von den bezirklichen Jugendämtern vorzunehmen.
In den übrigen Bundesländern führen diese Prüfungen - soweit sie überhaupt vorgesehen sind - in aller Regel die Leitungen der Tageseinrichtungen selbst an Hand von "Aufnahmerichtlinien" o.Ä. durch. Der hiermit verbundene Nachteil ist jedoch, dass in dieser Konstellation eine Priorisierung und damit Auswahlentscheidung nur über die bei einer bestimmten Tageseinrichtung gemeldeten Nachfrager erfolgen kann. Eine Rangreihung der Antragsteller aus einer ganzen Stadt oder Region gewährleistet dem gegenüber eine gleichmäßigere und damit auch sozial gerechtere Bewilligungspraxis; allerdings ist hierzu in der Regel eine geeignete technische Unterstützung erforderlich.
- Schließlich hat der öffentliche Träger der Jugendhilfe dafür zu sorgen, dass das Elternbeitragssystem sachgerechte Steuerungswirkungen entfaltet. Für einen größeren Leistungsumfang sollte entsprechend dem Äquivalenzprinzip grundsätzlich auch ein höherer Elternbeitrag vorgesehen werden.
Steuerungs- und Interaktionsprozesse im Kita Gutschein-System
Im Folgenden soll im Rahmen einer Grobskizze dargestellt werden, welche Steuerungs- und Interaktionsprozesse zwischen den einzelnen Akteuren im Kita Gutschein-System nach gegenwärtiger Konzeptionsstand gegeben sein werden.
Zunächst zu den institutionellen Rahmenbedingungen und den grundsätzlichen Steuerungsvorgaben im Kita Gutschein-System:
- Die gesetzlichen Grundlagen für die Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg werden durch die Bürgerschaft beschlossen, ebenso die Höhe der für die Kindertagesbetreuung jährlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
- Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg erlässt Vorgaben, die das Verwaltungshandeln der Jugendämter vor allem hinsichtlich der Bedarfsprüfung und der Gutscheinvergabe (Leistungsbewilligung) steuern.
- Die zuständige Fachbehörde ermittelt die Kindertagesbetreuungs-Budgets für die einzelnen Hamburger Bezirke.
Für die Eltern und Träger stellt sich der Ablauf im Kita-Gutschein System wie folgt dar:
- Zunächst stellen die Eltern einen Antrag auf Kindertagesbetreuung bei ihrem zuständigen Jugendamt.
- Soweit die Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf den Kindergartenbesuch vorliegen bzw. bei Bedarf für ein anderes Betreuungsangebot noch ausreichend Budget im Bezirk verfügbar ist, bewilligt das bezirkliche Jugendamt einen Kita Gutschein für eine bedarfsgerechte Leistungsart und ermittelt den von den Eltern zu zahlenden Elternbeitrag. Der zuständigen Fachbehörde wird auf elektronischem Weg eine Budgetinformation für Controllingzwecke zugeleitet.
- Die Leistungsanbieter sind gehalten, den landesweit geltenden Grundsatzvereinbarungen beizutreten und mit der zuständigen Fachbehörde Träger bezogene Entgeltvereinbarungen abschließen, um Kita Gutscheine entgegen nehmen und abrechnen zu können.
- Die Eltern lösen den Kita Gutschein bei einer Tageseinrichtung ihrer Wahl ein; sie schließen mit dem Träger der Tageseinrichtung einen privatrechtlichen Betreuungsvertrag und entrichten den Elternbeitrag.
- Die Tageseinrichtung übernimmt im Gegenzug die Betreuung des Kindes.
- Der Träger der Tageseinrichtung reicht den Kita Gutschein zur Abrechnung ein.
- Die zuständige Fachbehörde zahlt dem Träger das für die bewilligte Leistung vereinbarte Leistungsentgelt abzüglich des Elternbeitrags aus.
Vorteile des Kita Gutschein-Systems
Die Einführung eines Nachfrage orientierten Gestaltungs- und kindbezogenen Finanzierungssystems kann erfreulicherweise grundsätzlich als eine "win-win-win-Konstellation" angesehen werden, da alle am System der Kindertagesbetreuung beteiligten Akteure - die Familien, die Leistungsanbieter und der öffentliche Träger der Jugendhilfe - gegenüber der Ausgangslage Gestaltungs- bzw. Auswahlmöglichkeiten hinzugewinnen und eine Verbesserung der Angebotsqualität zu erwarten ist.
Vorteile für die Familien:
- Das Leistungsangebot orientiert sich auf Grund des Qualitätswettbewerbs verstärkter pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien.
- Die Familien können nach eigenen Vorstellungen das für sie optimal passende Angebot auswählen.
- Transparenz und Vergleichbarkeit der angebotenen Leistungsarten sind abgesichert.
- Qualitätssicherung/ -entwicklung ist ein zentrales Element der Angebotsstrukturentwicklung.
Vorteile für die Leistungsanbieter:
- Das Leistungsangebot kann völlig eigenständig nach den konzeptionellen Vorstellungen des Trägers (weiter-) entwickelt werden; damit entfallen zugleich die bisherigen Träger bezogenen Verhandlungen über Ausstattungen und Angebotsstrukturen, die oftmals langwierig und nicht selten auch frustrierend waren.
- Es besteht für die Leistungsanbieter Planungssicherheit auf Grund des klaren und verlässlichen Regulierungsrahmens (einheitliche Ausstattungsstandards und Entgeltkalkulationsverfahren).
- Es bestehen erhebliche wirtschaftliche Anreize und Gestaltungsoptionen: Eine Abschöpfung der von den Trägern ggf. erzielten Überschüsse unterbleibt, so dass Rücklagen gebildet werden können. Für alle interessierten Nachfrager können von den Leistungsanbietern über den durch den Kita Gutschein finanzierten Leistungsumfang hinaus gehende, zusätzliche Leistungen angeboten werden.
Vorteile für den öffentlichen Träger:
- Erweiterte Steuerungsfähigkeit: Die vorrangig zu berücksichtigenden Bedarfsträger können zielgenau mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln versorgt werden. Eine nach Regionen differenzierte Umstrukturierung des Leistungsangebots auf Grund demographischer Entwicklungen und/ oder neuer gesellschaftlicher Trends (z.B. verstärkte Berufstätigkeit von Müttern jüngerer Kinder) kann zeitnäher und bedarfsgerechter gewährleistet werden.
- Es besteht Planungssicherheit durch transparente Finanzierungsverfahren.
- Der Aufwand für die Jugendhilfeplanung reduziert sich durch die konsequente Dezentralisierung der einrichtungsbezogenen Detailplanung der Leistungsangebote.
Weiteres Arbeitsprogramm
Die konzeptionelle Entwicklung und die Ausgestaltung der einzelnen Elemente des Kita Gutschein-Systems sind im Wesentlichen bereits bewältigt worden. Auch wichtige technische Vorbereitungen, die für den Systemwechsel erforderlich sind, konnten ebenfalls weit vorangetrieben werden: Schon Anfang 2001 wurde ein speziell auf die Nachfrage nach Kindertagesbetreuung ausgerichtetes Informationssystem im Internet zur Nutzung zur Verfügung gestellt (http://www.kitainfo-hamburg.de). Die Familien sollen mit diesem technischen Angebot, das die Beratung der Jugendämter ergänzt, bei der Suche nach einem geeignetem Betreuungsangebot effektiv unterstützt werden und insbesondere auch die Möglichkeit erhalten, Informationen über Kindertageseinrichtungen nach regionalen Gesichtspunkten, speziellen Auswahlkriterien und gewünschten Leistungsarten abzurufen. In den bezirklichen Jugendämtern ist die erste Stufe eines IuK-gestützten integrierten Controlling-, Abrechnungs- und Bewilligungssystem eingeführt worden, das eine sichere und effiziente Sachbearbeitung und Steuerung auf Seiten der Verwaltung gewährleistet.
An den noch offenen Fragen arbeiten zahlreiche Beteiligte und Betroffene: die Projektverantwortlichen bei der fachlich zuständigen Behörde und ihre in Arbeits- und Gesprächskreisen beteiligten Partnerinnen und Partner auf Seiten der Verbände, Träger und Tageseinrichtungen sowie die Mitwirkenden anderer Fachbehörden und der Bezirksverwaltung.
Zu den bereits zwischen den Projektbeteiligten abgestimmten Schritten gehören Verabredungen über die temporäre Verstärkung der Fachberatungskapazitäten, eine breit angelegte Anpassungsfortbildung für das pädagogische Personal im Erziehungs- und Leitungsbereich der Tageseinrichtungen sowie die Komplettierung der IuK-technischen Ausstattung der Träger.
Ziel aller Beteiligten ist es, die Implementierung des neuen Systems im Jahr 2003 sicherzustellen. Das bedeutet, dass alle Klärungen, die einer landesrechtlichen Rahmengesetzgebung vorausgehen müssen, in der ersten Hälfte des Jahres 2002 zu Ende zu bringen sind.
Der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg soll entsprechend zur Mitte des Jahres 2002 ein Entwurf für ein Hamburgisches Kindertagesbetreuungsgesetz zugeleitet werden.