Christina Anger, Axel Plünnecke und Michael Tröger
(Zusammenfassung der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), erstellt im Auftrag des politisch unabhängigen Unternehmensnetzwerks "Wissensfabrik - Unternehmen für Deutschland e.V.")
Die frühkindliche Bildung gewinnt in der öffentlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung. Vielfach wird gefordert, die Investitionen in diesem Bereich auszuweiten, um insbesondere die Startchancengerechtigkeit der Kinder zu erhöhen. Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, inwieweit sich Investitionen dieser Art sowohl für den Staat als auch für die gesamte Volkswirtschaft lohnen. Dazu werden die Renditen der Investitionen in den frühkindlichen Bildungsbereich aus der Sicht des Staates und aus der Sicht der Volkswirtschaft berechnet.
Grundlage dieser Berechnungen ist ein empirisches Wachstumsmodell des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In diesem Modell wird das Wachstum des BIP pro Erwerbsfähigen erklärt. In dieses Modell werden verschiedene erklärende Variablen, so genannte Wachstumstreiber, einbezogen. Darunter befinden sich auch die Humankapitalausstattung, die strukturelle Arbeitslosigkeit und die Abgabenlast. Diese drei Faktoren können durch eine Höherqualifizierung der Bevölkerung beeinflusst werden. Daher wird berechnet, wie sich durch einen Ausbau der frühkindlichen Förderung die formalen Schul- und Berufsabschlüsse und damit die durchschnittlichen Bildungsjahre der Bevölkerung verändern. Diese Veränderung beeinflusst wiederum die genannten drei Wachstumstreiber, so dass mithilfe des verwendeten Modells der Einfluss eines Ausbaus der frühkindlichen Bildung auf das Wachstum quantifiziert werden kann. Um Renditen zu berechnen ist es notwendig, diesen Wachstumseffekten die Kosten der Reformmaßnahmen im Bereich des Kindergartens und der Grundschule gegenüberzustellen. Dabei werden in der Studie zwei Konzepte von Reformmaßnahmen unterschieden: das Konzept "Quantität" und ein Gesamtkonzept der frühkindlichen Bildung, welches Investitionen in qualitativ bessere Kindergärten und Grundschulen vornimmt.
Investitionen in gegebene Strukturen aus fiskalischer Sicht nicht sinnvoll
In dem Konzept "Quantität" wird untersucht, welche Effekte allein durch Investitionen in gegebene Strukturen erreicht werden können. Im Speziellen werden die Renditen für die Investitionen in einen Ausbau der Kindergartenplätze berechnet. Die Berechnungen führen zu dem Ergebnis, dass Investitionen in gegebene Strukturen aus volkswirtschaftlicher Sicht zwar eine hohe Rendite von 11 Prozent, aus staatlicher Perspektive jedoch nur eine Verzinsung von 3 Prozent verursachen. Die Verwendung zusätzlicher öffentlicher Mittel in qualitativ unveränderte Strukturen muss als suboptimal bezeichnet werden, da die Rendite für den Staat unterhalb der langfristigen Kapitalmarktrendite seiner Anleihen liegt. Die im Bildungswesen aufgrund des demographischen Wandels und der damit sinkenden Schülerzahlen frei werdenden Mittel sollten somit nicht einfach in zusätzliche Kindergartenplätze oder zusätzliche Lehrerstellen investiert werden, ohne zuvor die Qualität des Bildungssystems zu erhöhen. Stattdessen müssten diese Mittel bei fehlenden Strukturreformen zum Abbau von Schulden verwendet werden. Die dann vermiedenen Zinslasten wären größer als die aus dem nur leicht steigenden Wachstum resultierenden höheren Steuereinnahmen.
Investitionen in ein qualitativ besseres frühkindliches Bildungssystem lohnen sich für den Staat
Die positiven Wirkungen der frühkindlichen Bildung kommen erst dann vollständig zum Tragen, wenn neben den Investitionen in den Ausbau auch qualitätssteigernde Strukturveränderungen im frühkindlichen Bereich vorgenommen werden. Im Gesamtkonzept werden daher die Renditen von Investitionen in ein effizienteres frühkindliches Bildungssystem berechnet. Dazu gehören im Bereich des Kindergartens zum Beispiel die Einführung von Mindeststandards, eine bessere individuelle Förderung und eine Höherqualifizierung der Erzieher und Erzieherinnen. Zu den Reformmaßnahmen im Bereich der Grundschule gehören die Einführung von Ganztagsschulen, ein Ausbau der Förderinfrastruktur, die Einführung von Autonomie, Bildungsstandards und Rechenschaftspflicht sowie einer zielorientierten Vergütung der Lehrer und eine bessere individuelle Förderung der Schüler.
Werden diese Investitionen von Seiten des Staates vorgenommen, so wird eine Rendite in Höhe von rund 13 Prozent für die Volkswirtschaft insgesamt und von rund 8 Prozent für den Staat als Investor erzeugt. Der Staat muss für die genannten Reformmaßnahmen zusätzliche jährliche Aufwendungen in Höhe von etwa maximal 8 Milliarden Euro bzw. durchschnittlich 6 Milliarden Euro tragen. Er partizipiert jedoch bei konstanter Staatseinnahmenquote am steigenden Wachstum des BIP, welches durch die Humankapitalinvestitionen angeregt wird. Die notwendigen maximalen Finanzmittel in Höhe von jährlich 8 Milliarden Euro können aus der demographischen Rendite des Bildungssystems gegenfinanziert werden. Aufgrund sinkender Schülerzahlen werden jährlich Finanzierungsmittel in dieser Größenordnung frei. Die Verwendung der demographischen Rendite zur Reinvestition in den frühkindlichen Bildungsbereich ist sinnvoll, da die reale fiskalische Rendite des Staates größer als die reale Rendite von Staatsanleihen ist. Eine Verwendung der demographischen Rendite im Haushalt oder zur Schuldentilgung wäre daher auch aus fiskalischer Sicht nicht optimal. Daher ist abschließend festzustellen, dass eingebettet in eine Gesamtstrategie der frühkindlichen Förderung, die auch eine Qualitätsverbesserung umfasst, die frühkindliche Bildung auch für den Staat die notwendige Renditekraft erzeugt.
Kooperation der Gebietskörperschaften notwendig
Problematisch wirkt in diesem Zusammenhang jedoch das föderale Finanzausgleichsgeflecht, da die Erträge aus den Investitionen zu einem großen Teil nicht bei der investierenden Gebietskörperschaft verbleiben. Ein besserer Kindergarten und eine bessere Grundschule in einer Region führen nicht zwangsläufig zu Wachstumseffekten und höheren Steuereinnahmen in derselben Region. Vielmehr kann die Wanderung der ausgebildeten Kräfte dazu führen, dass in anderen Regionen die Wachstumsdynamik steigt, ohne dass diese Region selbst in bessere Kindergärten und Grundschulen investiert haben muss. Andererseits führt der föderale Finanzausgleich dazu, dass selbst bei einem Verbleib der besser ausgebildeten Kräfte in der Heimatregion deren zukünftige Steuereinnahmen zu großen Teilen an andere Regionen fließen. Während also der gesamte Staat von den Investitionen profitiert, gilt dies nicht aus Sicht der einzelnen Gebietskörperschaft. Da eine anreizorientierte Neujustierung des Finanzausgleichs bisher nicht absehbar ist, sind zur Überwindung dieses Problems alternativ Kooperationen auf Länder- und Gemeindeebene nötig.
Anmerkung
Die gesamte Studie wurde im Internet veröffentlicht unter: http://www.wissensfabrik-deutschland.de/bildung/bildungsoekonomie/_downloads/03_Studie_IW_Wissensfabrik.pdf.