Lea Westholt
Einleitung
Kindergarten und Grundschule[1] gehören heute in Deutschland zwei unterschiedlichen Systemen an: Der Kindergarten ist der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet, die Grundschule dem Pflichtbildungsbereich. Dadurch sind die Einrichtungen nicht nur „strukturell, [sondern auch] curricular und personell voneinander getrennt“ (Faust 2010, S. 43). Die Entwicklung dieser strukturellen Trennung hat ihre Wurzeln in der Anfangszeit der öffentlichen Kleinkindererziehung. An dieser Stelle sei auf die umfassenden Forschungsarbeiten von Jürgen Reyer verwiesen, in welchen die Entstehung der öffentlichen Debatte um das Verhältnis von Kindergarten und Grundschule und deren Verlauf in der Geschichte ausführlich erläutert wird (vgl. Reyer 2006, 2015).
Spätestens seit der PISA-Studie 2000 ist die Bedeutsamkeit von Bildungsprozessen in der frühen Kindheit zu neuem Leben erwacht. So ist der „Reformdruck, der [...] auf die Elementarpädagogik ausgeübt wird, [...] enorm“ (Friedrich 2005). Trotz der tiefgreifenden Trennung sind Kindergarten und Grundschule, „durch das Dauerproblem der Gestaltung des Übergangs“ (Faust 2010, S. 43) und durch die Herausforderung schulbezogene Kompetenzen zu identifizieren und somit Bildungskontinuität zwischen den beiden Einrichtungen herzustellen, zwangsläufig miteinander verbunden. So war es absehbar, dass „die Frage nach dem bildungspolitischen Standort des Kindergartens [...] neu gestellt wurde“ (Reyer 2015, S. 7). An dieser Stelle gilt es jedoch nicht nur nach dem bildungspolitischen Standort des Kindergartens zu fragen, vielmehr muss dieser in Zusammenhang mit der Grundschule als darauffolgende Bildungseinrichtung gesehen werden. Nur so wird deutlich wie es um das aktuelle Verhältnis von Kindergarten und Grundschule wirklich steht. Um dem Spannungsfeld und den damit verbundenen Hindernissen der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule auf die Spur zu kommen, werden in diesem Beitrag die gesetzlichen Grundlagen beider Einrichtungen in den Blick genommen. Dabei gliedert sich der Artikel in drei Teile. Der erste Teil stellt die gesetzlichen Grundlagen von Kindergarten und Grundschule vor (Stand 07/2019). Im zweiten Teil wird die Kooperation beider Einrichtungen aus Sicht der Kindertagesstättengesetze untersucht. Im dritten Teil geht es dann um die Schulgesetze und die Frage, wie hier die Kooperation zu den vorschulischen Einrichtungen geregelt wird. Der Beitrag schließt mit einem Blick auf die elementarpädagogischen Bildungspläne und diskutiert diese als mögliche Lösungsansätze zur Herstellung anschlussfähiger Bildungsprozesse.
1 Die gesetzlichen Grundlagen von Kindergarten und Grundschule
Die Grundschule gehört in Deutschland zum Bildungssystem, sie unterliegt der Schulpflicht und ihre inhaltliche Ausgestaltung „ist nahezu ausschließlich Angelegenheit der Länder“ (KMK 2017, S. 16). Ihr wird ein Bildungsauftrag zugesprochen, der in Curricula und schulinternen Lehrplänen detailliert ausformuliert wird (vgl. ebd.). Auftrag und Aufgabe der Grundschule sind damit festgeschrieben.
Ein Auszug aus dem Schulgesetz (SchulG) von Nordrhein-Westfalen soll das beispielhaft verdeutlichen: „Die Grundschule umfasst die Klassen 1 bis 4. Sie vermittelt ihren Schülerinnen und Schülern grundlegende Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, führt hin zu systematischen Formen des Lernens und legt damit die Grundlage für die weitere Schullaufbahn.“ (§ 11 Abs. 1 Satz 1-2 SchulG)
Der Kindergarten hingegen ist Teil der Kinder- und Jugendhilfe und wird im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt. Die jeweiligen Ausführungsgesetze der Länder sind darin eingebunden. Die Aufträge und Aufgaben des Kindergartens werden im SGB VIII wie folgt formuliert: „Der Förderauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes.“ (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII)
Curricula und kindergarteninterne Lehrpläne, die vergleichbar mit denen der Grundschule wären (insbesondere in Bezug auf ihren Verpflichtungsgrad) und in denen die Aufgaben des Kindergartens detailliert ausformuliert werden, gibt es nicht. Schaut man sich die Möglichkeiten der Einrichtungen zur eigenen Auslegung und Gestaltung der Bildungsaufträge an, wird eines sehr deutlich: Der Bildungsauftrag der Grundschule ist klar definiert, nicht verhandelbar und nicht auslegbar. Der Bildungsauftrag des Kindergartens hingegen ist weniger klar definiert und lässt sich (fast) beliebig auslegen. Wie das in der rechtlichen Umsetzung aussieht, soll im Folgenden veranschaulicht werden.
In den Kindertagesstättengesetzen[2] der Bundesländer ist besonders die Auslegung des eigenständigen Bildungsauftrags weit verbreitet. Zehn von 16 Bundesländern beziehen sich auf diesen. Der Auszug aus dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) von Nordrhein-Westfalen soll an dieser Stelle als Beispiel dienen: „Kindertageseinrichtungen [...] haben einen eigenständigen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 KiBiz; Herv. durch Verf.). Neben Nordrhein-Westfalen verstehen auch die Bundesländer Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein den Bildungsauftrag des Kindergartens als eigenständig.
Nur zwei Bundesländer betonen ausschließlich der sozialintegrativen Auslegung des Förderauftrags des Kindergartens (Hamburg und Berlin). Das Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) formuliert den Förderauftrag beispielweise wie folgt: „Tageseinrichtungen fördern, ergänzen und unterstützen als sozialpädagogische Einrichtungen die Erziehung und Bildung des Kindes in der Familie“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KibeG; Herv. durch Verf.). Neben eigenständigen und sozialintegrativen Auslegungen finden sich auch Bundesländer wieder, die dem Förderauftrag der Kindergärten keine genaue Auslegung zuschreiben, sondern diesen aus dem SGB VIII ohne eine eigene Interpretation übernehmen, wie etwa Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen.
Das Sächsische Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (SächsKitaG) sticht von allen sechszehn Bundesländern besonders hervor. In ihm findet sich weder eine Betonung des eigenständigen Bildungsauftrags noch eine Betonung des sozialintegrativen Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrags. Stattdessen wird von einem „ganzheitlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 u. 4 SächsKitaG; Herv. durch Verf.) gesprochen. Durch diese Formulierung grenzt sich das Sächsische Gesetz nicht nur durch eine andere Auslegung des Förderauftrags von allen anderen Bundesländern ab. Es spricht dem Kindergarten außerdem einen Bildungsauftrag in Bezug auf soziale, geistige und körperliche Kompetenzen zu. Welches Wissen und Können genau unter diese Kompetenzen fallen, wird jedoch nicht ausgeführt.
Neben der Tendenz zur nahezu freien Auslegung des Förderauftrags ist zu beobachten, dass immer mehr Bundesländer kooperative Abstimmungen in Bezug auf die Schule formulieren. Dabei handelt es sich um Ausformulierungen zu der im SGB VIII formulierten Aufforderung zur Sicherstellung einer Zusammenarbeit „mit den Schulen, um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern“ (§ 22a Abs. 2 SBG VIII). Wie die einzelnen Bundesländer diese Zusammenarbeit gesetzlich formulieren und ausgestalten, soll im Folgenden dargestellt werden.
2 Regulierungen zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule in den Kindertagesstättengesetzen
Wirft man einen Blick in die Kindertagesstättengesetze der einzelnen Bundesländer und untersucht diese auf Vorgaben oder Empfehlungen zur Ausgestaltung des Verhältnisses zur Grundschule, wird folgendes deutlich: In (fast) allen Kindertagesstättengesetzen befinden sich Aussagen zur Gestaltung dieses Verhältnisses, die im Detail jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. So werden in Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Thüringen) Aussagen zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule getroffen (wenn auch z. T. nur sehr knapp), diese beziehen sich jedoch lediglich auf die Zusammenarbeit beim Übergang von der einen, in die andere Einrichtung. Beispielhaft sei folgender Auszug aus dem Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) von Berlin genannt: „Der Übergang zur Schule soll durch eine an dem Entwicklungsstand der Kinder orientierte Zusammenarbeit mit der Schule unterstützt werden“ (§ 1 Abs. 4 Satz 2 KitaFöG).
Bei weiterer Betrachtung fällt auf, dass Brandenburg und Hamburg neben der Aufforderung zur Zusammenarbeit beim Übergang, einen Passus eingebaut haben, der besagt, dass Kindertageseinrichtungen die Kinder in einer geeigneten Form auf die Grundschule vorbereiten sollen. An dieser Stelle wird der schulvorbereitende Charakter der Kindertageseinrichtung anerkannt. Es ist jedoch nicht zu erkennen, in welcher Form und in welchem Ausmaß die Kinder auf die Schule vorbereitet werden sollen.
Im Gegensatz dazu treffen sieben Bundesländer (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) deutlich detailliertere Aussagen zur Gestaltung des Verhältnisses und zur Zusammenarbeit mit der Grundschule.
Dabei stechen besonders Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen hervor. Im KiBiz von Nordrhein-Westfalen wird der Kooperation von Kindergarten und Grundschule sogar ein eigener Paragraf eingeräumt (§ 14b Zusammenarbeit mit der Grundschule). Darin wird die Zusammenarbeit wie folgt beschrieben: „Zur Sicherung gelingender Zusammenarbeit und zur Gestaltung des Übergangs vom Elementar- in den Primarbereich gehören insbesondere
- eine kontinuierliche gegenseitige Information über die Bildungsinhalte, -methoden und -konzepte,
- die Kontinuität bei der Förderung der Entwicklung der Kinder,
- regelmäßige gegenseitige Hospitationen, die für alle Beteiligten erkennbare Benennung fester Ansprechpersonen in beiden Institutionen,
- gemeinsame (Informations-) Veranstaltungen für die Eltern und Familien der Kinder,
- gemeinsame Konferenzen zur Gestaltung des Übergangs in die Grundschule und
- gemeinsame Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Fach- und Lehrkräfte.“ (§ 14b Abs. 2 KiBiz)
Die Zusammenarbeit bezieht sich dabei nicht nur auf eine Kooperation im letzten Kindergartenjahr und auf die Übergangsgestaltung. Im Gegenteil, es wird eine enge, intensive und frühzeitige Kooperation mit der Grundschule empfohlen, die neben der Übergangsgestaltung auch gemeinsame Konferenzen, Fort- und Weiterbildungen und einen gegenseitigen Austausch über die Bildungskonzepte beinhalten soll. Auch eine Abstimmung in Bezug auf die Methodik und die Bildungsinhalte wird empfohlen. Ähnlich detailreiche Ausführungen lassen sich im Kindertagesförderungsgesetz (KiföG) von Mecklenburg-Vorpommern finden:
„Die Kindertagesförderung hat den Auftrag, den Übergang der Kinder in die Grundschule gezielt vorzubereiten, zu begleiten und mitzugestalten. Dazu sollen die Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen, die Tagespflegepersonen und die Lehrkräfte der Grundschulen in einem gleichberechtigten, partnerschaftlichen Verhältnis zusammenarbeiten und nach Möglichkeit in geeigneten Bereichen an gemeinsamen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen. Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen sollen Kooperationsvereinbarungen sein.“ (§ 1 Abs. 4 Satz 2-4 KiföG)
Die Kooperationsinhalte, die bereits im KiBiz von Nordrhein-Westfalen genannt werden, ergänzt das KiföG von Mecklenburg-Vorpommern um die Empfehlung einer konkreten Formulierung einer Kooperationsvereinbarung mit der Grundschule. Zuletzt sei das Sächsische Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (SächsKitaG) angeführt. Dieses sticht vor allem mit folgendem Satz hervor: „Die regelmäßige Gestaltung von Bildungsangeboten in Kindertageseinrichtungen hat dem Übergang in die Schule Rechnung zu tragen“ (§ 2 Abs. 3 Satz 1 SächsKitaG). Die Kindertageseinrichtung soll nicht nur Bildungsangebote anbieten, sondern soll diese so gestalten, dass sie dem „Übergang in die Schule Rechnung [...] tragen“ (ebd.; Herv. durch Verf.). Das heißt, dass sie die Kinder auf die folgende Bildungseinrichtung vorbereiten. Das Sächsische Gesetz spricht sogar von einem „Schulvorbereitungsjahr“ (ebd. Satz 2) und nennt Kompetenzen, die die Kinder in diesem Jahr erlernen sollen. Auch wird die Möglichkeit geboten zusätzliches Personal zur Schulvorbereitung hinzuzuziehen.
Die Formulierungen, die im Sächsischen Gesetz getroffen werden, unterstützen die Zusammenarbeit und damit die Annährung von Kindergarten und Grundschule sehr. Gleiches lässt sich über das KiBiz von Nordrhein-Westfalen und das KiföG von Mecklenburg-Vorpommern behaupten.
Durch den Vergleich der Kindertagesstättengesetze wird deutlich, dass in Deutschland je nach Bundesland die Zusammenarbeit mit der Grundschule sehr unterschiedlich geregelt wird. Eine Sache haben jedoch alle Kindertagesstättengesetze gemeinsam: Überall handelt es sich um knappe Soll-Bestimmungen, die lediglich als Empfehlung ausgesprochen werden. Kein Bundesland verpflichtet den Kindergarten zur Zusammenarbeit mit der Grundschule.
3 Regulierungen zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule in den Schulgesetzen
Auch in den Schulgesetzen der Bundesländer finden sich meist nur Empfehlungen zur Zusammenarbeit mit den Kindergärten. Ein Großteil der Schulgesetze handelt das Thema der Zusammenarbeit mit den Kindergärten eher knapp ab und beschränkt sich dabei meist nur auf den Übergang. Bei einem direkten Vergleich fällt jedoch Folgendes auf: Oftmals setzt sich ein Bundesland im jeweiligen Kindertagesstättengesetz sehr intensiv mit der Kooperationsgestaltung auseinander, während das Thema im dazugehörigen Schulgesetz mit einem Satz abgehandelt wird (z. B. Bayern). Gleiches lässt sich auch andersherum beobachten. Die Kooperationsgestaltung wird im Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes sehr ausführlich beschrieben, während das Thema im dazugehörigen Kindertagesstättengesetz nur beiläufig erwähnt wird (z. B. Saarland).
Wirft man einen Blick in das Schulgesetz (SchulG) von Nordrhein-Westfalen findet man unter § 5 „Öffnung von Schule, Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern“ eine eher ungenaue Formulierung zur Kooperation von Grundschule und Kindergarten: „Die Schule wirkt mit Personen und Einrichtungen ihres Umfeldes zur Erfüllung des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrages und bei der Gestaltung des Übergangs von den Tageseinrichtungen für Kinder in die Grundschule zusammen“ (§ 5 Abs. 1 SchulG NRW).
Hier wird die eben beschriebene Abweichung zwischen Kindertagesstättengesetz und Schulgesetz eines Bundeslandes sehr deutlich. Wie im vorangegangenen Kapitel erwähnt, beschreibt das KiBiz von Nordrhein-Westfalen die Zusammenarbeit mit der Grundschule sehr ausführlich und detailliert.
Das Schulgesetz besagt zwar, dass die Grundschule mit Kindertageseinrichtungen „bei der Gestaltung des Übergangs“ (ebd.) zusammenarbeiten soll, doch ist diese Zusammenarbeit nicht spezifiziert. Bedenkt man die Konsequenzen dieser nicht spezifizierten Aussagen (SchulG NRW) auf der einen, und der spezifizierten Aussagen (KiBiz NRW) auf der anderen Seite, ergibt sich folgende Schwierigkeit: Es wird keine gemeinsame Basis für eine Kooperation der beiden Einrichtungen geschaffen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das Thema wird mit komplett unterschiedlichen Erwartungen angegangen. Problematisch erscheint das vor allem in Bezug auf die Umsetzung der Kooperation in der Praxis. Ähnliche Differenzen lassen sich im Schulgesetz (SchulG) von Mecklenburg-Vorpommern entdecken:
„Die Grundschule knüpft an die vorschulischen Erfahrungen sowie individuellen Ausgangslagen der Schülerinnen und Schüler an [...]. Die Grundschulen gewährleisten durch eine enge Zusammenarbeit mit den Kindertageseinrichtungen den bestmöglichen Übergang in den schulischen Bildungsgang. Sie legen die Grundsätze und Maßnahmen dieser Zusammenarbeit in ihrem Schulprogramm fest.“ (§ 13 Abs. 2 SchulG M-V)
Das Schulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern erkennt nicht nur die „vorschulischen Erfahrungen“ (ebd.) der zukünftigen Schüler_innen an, sondern spricht sich auch für eine „enge Zusammenarbeit“ (ebd.) aus. Hier ist kritisch anzumerken, dass das Hauptaugenmerk nur auf der Übergangsgestaltung liegt und diese inhaltlich nicht definiert wird. Verglichen mit dem Kindertagesstättengesetz von Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich genau in diesem Punkt die Differenz der beiden Gesetze.
Während im Kindertagesstättengesetz die Kooperation über die reine Übergangsgestaltung hinausgeht und relativ genaue Formulierungen zum Inhalt der Kooperation getroffen werden, bezieht sich das Schulgesetz nur auf den Übergang ohne weitere inhaltliche Ausführungen. Ähnlich wie das Schulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern erkennt auch das Sächsische Schulgesetz (SächsSchulG) vorschulische Bildungsprozesse im Kindergarten an: „Sie [die Grundschule] setzt dabei auch die in den Kindertageseinrichtungen in Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans eingeleiteten Bildungs- und Erziehungsprozesse fort“ (§ 5 Abs. 1 Satz 3 SächsSchulG).
Darüber hinaus empfiehlt Sachsen, dass die Grundschulen „mit Kindergärten zumindest ihres Schulbezirks“ (ebd. Abs. 4) zusammenarbeiten und verpflichtet sie des Weiteren „sich gegenseitig bei der Förderung insbesondere der kognitiven, sprachlichen, emotionalen und sozialen sowie körperlich-motorischen Entwicklung der Kinder zu unterstützen“ (ebd. Abs. 5 Satz 1). Hier wird deutlich, dass Sachsen sich nicht nur auf die Übergangsgestaltung bezieht, sondern die Kooperation darüber hinaus in den Blick nimmt. Es wird nicht nur die Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung bei der Entwicklung genannter Kompetenzen formuliert, sondern es finden sich auch konkrete Vorschläge, wie diese Unterstützung aussehen könnte. So schlägt das Sächsische Schulgesetz zum Beispiel vor, dass die Grundschulen „Einsicht in die Entwicklungsdokumentation eines Kindes nehmen“ (ebd. Abs. 5 Satz 2) oder „den aktuellen Entwicklungsstand des Kindes in der Kindertageseinrichtung erheben“ (ebd.). Nun erscheinen diese Umsetzungsvorschläge nicht besonders innovativ.
Betrachtet man diese jedoch mit den Schulgesetzen aller Bundesländer, so sind sie am detailliertesten formuliert. Bei den vorgestellten Schulgesetzen handelt es sich wie bei den Kindertagesstättengesetzen um bloße Empfehlungen, wenn es um die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten geht.
Das einzige Schulgesetz, das aus diesem Schema ausbricht, ist das Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG), denn hier findet sich eine klare Verpflichtung zur Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen: „Der Bildungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet die Schulen insbesondere bei der Einschulung, [...] zu einer engen Zusammenarbeit [...] mit den vorschulischen Einrichtungen [...], die an der Bildung und Erziehung beteiligt sind.“ (§ 2 Abs. 4 ThürSchulG; Herv. durch Verf.)
Auch wenn Thüringen sich „insbesondere“ (ebd.) auf die Einschulung, also auf den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule, konzentriert, sticht es durch die Formulierung einer Verpflichtung positiv heraus. Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass auch hier Abweichungen zum dazugehörigen Kindertagesstättengesetz aufzuweisen sind. Im Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz (ThürKitaG) findet sich statt einer Verpflichtung nur eine knappe Soll-Bestimmung. Dies erscheint sehr widersprüchlich.
Fazit: Übergreifende Bildungspläne als Lösungsansatz?
Die Analyse der gesetzlichen Grundlagen von Kindergarten und Grundschule sollte verdeutlichen, dass die Zusammenarbeit beider Institutionen durch uneinheitliche Gesetzestexte gekennzeichnet ist. Während der Bildungsauftrag der Grundschule in den Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer klar – und überwiegend einheitlich – definiert ist, kann man das vom Bildungsauftrag des Kindergartens nicht behaupten. Fthenakis beschreibt die Situation des vorschulischen Bereichs als „auffallende Inkonsistenz“ (Fthenakis 2004, S. 15) und führt weiter aus: „So finden sich eine starke Regulierung, was Finanzen und Verwaltungsvorschriften betrifft auf der einen Seite und eine (fast) totale Deregulierung des Bildungs- und Erziehungsauftrags auf der anderen Seite“ (ebd.).
Auch wenn der Bildungsauftrag des Kindergartens im KJHG und damit bundesländerübergreifend festgeschrieben ist, wurde bei einer genaueren Betrachtung der verschiedenen Formulierungen des Bildungsauftrags in den Kindertagesstättengesetzen deutlich, dass jedes Bundesland diesen nach Belieben auslegen und – bei Wunsch – um weitere Aspekte ergänzen kann.
Doch auch die einzelnen Auslegungen, sind inhaltlich nicht ausreichend formuliert und erinnern eher an oberflächliche Regelungen. Das hat zur Folge, dass letztendlich jeder Träger, jeder Kindergarten, wenn nicht sogar jede Fachkraft „die letzte Entscheidung für die Qualität der Bildung und Erziehung unserer Kinder autonom [trifft] und [verantwortet]“ (ebd.). Um der Beliebigkeit entgegenzuwirken bedarf es also einer Konkretisierung des Bildungsauftrags der Kindergärten „in Bezug auf Inhalte und Qualität“ (Friedrich 2005). Neben der fehlenden Konkretisierung des Bildungsauftrags der Kindergärten und der damit fehlenden Anschlussfähigkeit zur Grundschule finden sich schnell weitere Schwachstellen in den Gesetzgebungen von Kindergarten und Grundschule. Und zwar, mit Ausnahme des Thüringer Schulgesetzes, in allen Bundesländern. Hacker betitelt die Regelungen zur Kooperation als „Notlösung“ (Hacker 2004, S. 279) und betont, dass „unterschiedliche Verbindlichkeiten zu erkennen sind“ (ebd.).
Des Weiteren fällt auf, dass alle Gesetzgebungen nur Empfehlungen zur äußerlichen Kooperation formulieren. Genau darin liegt das Problem, das Hacker sehr treffend beschreibt:
- „Empfehlungen sind nicht das geeignete bildungspolitische Instrument, um Reformen in Gang zu setzten, weil sie das Signal nicht enthalten, dass sie wirklich gewollt sind. Die Empfehlung war letztlich [und ist es immer noch; Hinzuf. L.W.] ohne Programm, das inhaltliche Schwerpunkte setzte und hinreichend konkret war. [...] Die Akteure der beiden Institutionen haben nicht nur eine unterschiedliche berufliche Sozialisation, sie agieren nach institutionseigenen subjektiven Theorien und haben daher ungünstige Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit.“ (ebd., S. 280)
Hier ist außerdem der Gedanke aufzugreifen, dass die nicht einheitliche Formulierung der Kooperationsgestaltung in Schulgesetzen und Kindertagesstättengesetzen eines Bundeslandes dieses Problem enorm verschärft und es bei der Umsetzung der Kooperationsmaßnahmen zu unterschiedlichen, gegenseitigen Erwartungen führen kann. So befinden wir uns in einer Situation, in der sich weiterhin „auf der Verwaltungsebene, der Schulverwaltung und des Jugendamtes oder noch höher des Kultusministeriums und des Sozialministeriums zwei Lager und zwei Welten [gegenüberstehen], die nur schwer zusammenfinden“ (ebd., S. 283). Daraus geht hervor, dass Kindergarten und Schule in Deutschland durch „ein tiefe[s] gegenseitige[s] Unverstehen“ (Diskowski 2009, S. 53) und scheinbar unvereinbare Strukturen geprägt sind.
Um diesem Unverstehen von Kindergarten und Grundschule entgegenzuwirken und damit auch der inhaltlichen und methodischen Beliebigkeit entgegenzuwirken, wurden alle Bundesländer durch einen Beschluss der Jugendministerkonferenz (2002) dazu aufgefordert sog. Bildungspläne zu entwerfen und zu veröffentlichen (vgl. Franke-Meyer 2016). Der Kern aller Bildungspläne liegt in Bildungsbereichen, die große Ähnlichkeiten zu den Lehrplanwerken der Grundschule aufweisen (vgl. Diskowski 2009, S. 54) und anschlussfähige Bildungsprozesse versprechen. Als Beispiel seien der Schriftspracherwerb (das Wissen über Schrift), die Mathematik (Wissen über Mengen und Zahlen) und die Sprache (Wortschatz) genannt (vgl. Foerster & Kammermeyer 2018, S. 519). Doch nicht nur die Bildungsbereiche lassen eine Anschlussfähigkeit zur Grundschule erkennen. Einige Bildungspläne beziehen sogar die Kinder im Schulalter mit ein: Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen richten ihre Bildungspläne auf Kinder im Alter von null bis zehn bzw. achtzehn Jahren aus. Damit berücksichtigen sie nicht nur den Elementarbereich, sondern auch den nachfolgenden Primarbereich. Außerdem weisen die eben genannten Bundesländer zum Teil die Besonderheit auf, dass sie nicht nur vom eigentlich zuständigen Sozialministerium erarbeitet und herausgegeben wurden, sondern auch vom jeweiligen Bildungsministerium (z. B. Hessen und Nordrhein-Westfalen).
Eine weitere Besonderheit der übergreifenden Bildungspläne liegt darin, dass Lernen als Kontinuum und die Gestaltung des Übergangs als gemeinsame Aufgabe von Kindergarten und Grundschule verstanden wird. Der Blick über den Tellerrand – also die Einbeziehung der Grundschule, die gemeinsame Gestaltung des Übergangs und das kontinuierliche Bildungsverständnis – eröffnet die Chance zur Anschlussfähigkeit.
Die Bildungspläne des Elementarbereichs scheinen damit grundlegend das Potential zur Herstellung von Anschlussfähigkeit – und damit zur Herstellung von Bildungskontinuität – zu haben:
- Die Bildungspläne gibt es in allen Bundesländern (flächendeckend).
- Die Bildungspläne richten sich an alle Kindergärten (unabhängig von Träger oder Konzept).
- Die Bildungspläne weisen inhaltlich eine breite Übereinstimmung zu den Lehrplanwerken der Grundschule auf (vgl. Diskowski 2009, S. 48ff.; Reyer 2015, S. 115; Foerster & Kammermeyer 2018, S. 519).
Damit stellen die Bildungspläne in der aktuellen Reformphase einen großen Fortschritt dar. Sie dürfen jedoch in ihrer Gestalt nicht überbewertet werden. Zu Recht warnte Detlef Diskowski bereits vor mehr als zehn Jahren, dass es „fatal“ wäre, „mit diesen ersten Schritten zufrieden zu sein, die Wirkung und Bedeutung von Bildungsplänen zu überschätzen und sich darauf zu konzentrieren, sie nur »umsetzen« zu wollen“ (Diskowski 2009, S. 51). Denn auch wenn Bildungspläne flächendeckend vorhanden sind und Ähnlichkeiten mit Lehrplanwerken der Grundschulen haben, weisen sie „eher Empfehlungscharakter auf und verstehen sich als Orientierungshilfe zur pädagogischen Gestaltung der frühkindlichen Bildungsarbeit“ (Franke-Meyer 2016). Sie sind also nicht verpflichtend und können in der Praxis beliebig umgesetzt werden. Anstatt der Beliebigkeit in Kindergärten entgegenzuwirken, bieten sie weiterhin einen großen Gestaltungsfreiraum, in dem sich jeder einzelne Kindergarten wiederfinden kann (vgl. ebd.). Damit weisen die Bildungspläne für den Elementarbereich jedoch dieselben Schwachstellen auf, wie die Gesetzgebungen von Kindergarten und Grundschule.
Literaturverzeichnis
DISKOWSKI, Detlef (2009): Bildungspläne für Kindertagesstätten – ein neues und noch unbegriffenes Steuerungsinstrument. In: Roßbach, Hans-Günther / Blossfeld, Hans-Peter (Hrsg.): Frühpädagogische Förderung in Institutionen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. 10. Jg., Sonderheft 11/2008. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S, 47-61.
FAUST, Gabriele (2010): Kindergarten oder Schule? Der Blick der Grundschule. In: Diller, Angelika / Leu, Hans Rudolf / Rauschenbach, Thomas (Hrsg.): Wie viel Schule verträgt der Kindergarten? Annäherungen zweier Lernwelten. München: DJI, S. 43-62.
FOESTER, Franz / KAMMERMEYER, Gisela (2018): Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule. In: Schmidt, Thilo / Smidt, Wilfried (Hrsg.): Handbuch. Empirische Forschung in der Pädagogik der frühen Kindheit. Münster: Waxmann Verlag, S. 507-525.
FRANKE-MEYER, Diana (2016): Geschichte der frühkindlichen Bildung in Deutschland. Internetquelle: https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunftbildung/277608/geschichte – zuletzt aufgerufen am 29.04.2019.
FRIEDRICH, Gerhard (2005): Bedarf die Elementarpädagogik der Schulpädagogik? Internetquelle: https://kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/bildung-erziehung-betreuung/1387 – zuletzt aufgerufen am 03.03.2019.
FTHENAKIS, Wassilios E. (2004): Bildungs- und Erziehungspläne für Kinder unter sechs Jahren – nationale und internationale Perspektiven. In: Faust, Gabriele / Götz, Margarete / Hacker, Hartmut / Roßbach, Hans-Günther (Hrsg.): Anschlussfähige Bildungsprozesse im Elementar- und Primarbereich. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 9-26.
HACKER, Hartmut (2004): Die Anschlussfähigkeit von vorschulischer und schulischer Bildung. In: Faust, Gabriele / Götz, Margarete / Hacker, Hartmut / Roßbach, Hans-Günther (Hrsg.): Anschlussfähige Bildungsprozesse im Elementar- und Primarbereich. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 273-284.
REYER, Jürgen (2006): Einführung in die Geschichte des Kindergartens und der Grundschule. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
REYER, Jürgen (2015): Die Bildungsaufträge des Kindergartens. Geschichte und aktueller Status. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
SEKRETARIAT DER STÄNDIGEN KONFERENZ DER KULTUSMINISTER DER LÄNDER IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (KMK) (Hrsg.) (2017): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2015/2016. Darstellung der Kompetenzen, Strukturen und bildungspolitischen Entwicklungen für den Informationsaustausch in Europa. Bonn. Internetquelle: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Eurydice/Bildungswesen-dtpdfs/dossier_de_ebook.pdf - zuletzt aufgerufen am 29.05.2019.
[1] In diesem Artikel werden hauptsächlich die Begriffe Kindergarten und Grundschule verwendet. Nur in besonderen Fällen wird auf andere, zeitgemäße Bezeichnungen zurückgegriffen (wie z. B. Kindertageseinrichtung).
[2] Der Begriff Kindertagesstättengesetze wird als Sammelbegriff für alle Ausführungsgesetze der Bundesländer benutzt.
Lea Westholt ist staatlich anerkannte Kindheitspädagogin. Sie absolvierte 2019 den Bachelorstudiengang Elementarpädagogik an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. Aktuell arbeitet sie in einer Kindertagesstätte im Ruhrgebiet. E-Mail: lea.westholt@web.de