Frühkindliche Bildung voranbringen

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Jedes Kind braucht Chancen

Wir setzen auf jedes Kind - mit allen seinen Fähigkeiten und Talenten. Jedes Kind soll eine Chance haben, sich zu entwickeln und die bestmögliche Bildung zu erhalten. Dafür ist eine möglichst frühe, gezielte und individuelle Förderung entscheidend. Die erste Stufe des Bildungssystems legt die Grundlage für die weiteren Bildungsbiografien der Kinder. Wir treten daher für den weiteren und nachhaltigen Ausbau der Kindertages- zu Bildungseinrichtungen ein.

Gute Bildungssysteme zeichnen sich im internationalen Vergleich dadurch aus, dass die Förderung der Kinder weit vor der Schule beginnt. Der Vorsprung ist dabei ausgeprägter, wenn die frühkindliche Bildung früher einsetzt, die Betreuungsrelation günstiger ist und die öffentlichen Ausgaben pro Kopf in dieser Bildungsstufe höher sind (vgl. OECD 2010, PISA 2009). Der in Deutschland besonders enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg kann und muss vor allem durch eine frühe und systematische Förderung weiter entkoppelt werden. Das Ziel eines Ausbaus der frühkindlichen Bildung ist in Deutschland mittlerweile Konsens. Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiFöG) wurde der Ausbau der Angebote auch für Kinder unter drei Jahren initiiert und für 2013 die bedarfsgerechte Versorgung zugesagt; auch dabei ist Qualität gefragt. Eltern legen zunehmend Wert auf Förderung und Bildung für ihre Kinder.

Angesichts knapper Kassen besteht jedoch die Gefahr, dass über dem quantitativen der qualitative Ausbau zu Bildungseinrichtungen vernachlässigt wird. So bestehen Sprachstandsfeststellungen in fast allen Bundesländern, doch nicht immer folgen effektive Fördermaßnahmen. Gerade die Kinder erfahren gezielte Förderung zu spät, für die sie besonders wichtig wäre. Bildungspläne der Länder sind nicht flächendeckend umgesetzt, Bildungsangebote nicht in jeder Einrichtung sichergestellt. Es mangelt bereits heute an Fach- und Führungskräften in der Frühpädagogik. Eine eigene Qualifizierung für die Förderung von Kindern unter drei Jahren ist noch nicht verwirklicht. Bürokratische Detailregelungen erschweren den Ausbau, ohne Standards flächendeckend zu sichern.

Die deutsche Wirtschaft hat sich klar zum Ausbau der Kindertageseinrichtungen als erste Stufe des Bildungssystems bekannt. Diese Position ist Grundlage unseres Engagements.

Wir fordern daher:

8-Punkte-Katalog

1. Jedes Kind wird in den Kindertageseinrichtungen umfassend und individuell gefördert.

Bildung in der Kindertageseinrichtung zielt auf eine ganzheitliche individuelle Förderung der Kinder. Sie setzt an den natürlichen Ressourcen der Kinder an. Es geht um das erste Entwickeln von Lebenskompetenzen wie Eigenverantwortung und Gemeinschaftsfähigkeit, Bindungs- und Beziehungsfähigkeit und um das Anregen von Lernfreude, Kreativität und Fantasie. Sprachfähigkeit ist der Schlüssel zu allen Bildungsbereichen und daher das grundlegende Bildungsziel. Kognitive Kompetenzen und erste Bildungsinhalte kommen hinzu und stärken die Selbstwirksamkeit des Kindes und seine Bildungsfähigkeit als lernende Persönlichkeit. Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund gewinnen durch die frühe Förderung, durch Sprachkompetenz und Bildungsbefähigung neue Chancen auf einen erfolgreichen Bildungs- und Lebensweg.

2. Jedes Kind wird begleitet, beobachtet und unterstützt.

Für eine effektive, frühzeitig einsetzende Förderung ist eine umfassende systematische Diagnose die notwendige Voraussetzung. Die Entwicklungsschritte des Kindes werden in einem Portfolio dokumentiert: Spezialbegabungen unterschiedlichster Art werden ebenso dargestellt wie auffallende Fähigkeiten, Stärken und Schwächen sowie Erfolge beim Überwinden von Entwicklungsdefiziten. Die Eltern werden in die Beobachtungen und Fördermaßnahmen einbezogen. Vor allem Sprachdefizite müssen mit gezielten, auch verpflichtenden Maßnahmen angegangen werden. Die systematische Beobachtung des Kindes in der Einrichtung ist durch wissenschaftlich fundierte externe Instrumente zu unterstützen. Dafür ist insbesondere eine weiterentwickelte und vorgezogene Schuleingangsuntersuchung geeignet. Das Portfolio begleitet das Kind in die Schule, damit Kontinuität in der Förderung gesichert ist.

3. Jedes Kind hat das Recht zu lernen.

In der Kindertageseinrichtung entwickeln die Kinder vielfältige Kompetenzen. Sie werden durch die Bildungsarbeit der Einrichtung gezielt weiter gefördert. Die Kultusminister müssen daher die Verantwortung für die Kindertages- als Bildungseinrichtungen der ersten Stufe wahrnehmen. Es ist ihre Aufgabe, gemeinsam und verbindlich bundesweite Bildungsstandards zu vereinbaren, mit denen sie die den Kindern zu vermittelnden Kompetenzen beschreiben. Die Länder müssen diese Bildungsstandards über Referenzrahmen für Qualität umsetzen, die erreichten Erfolge evaluieren und die weitere Qualitätsverbesserung in den Kindertageseinrichtungen unterstützen. Wissenschaftliche Begleitforschung kommt hinzu. Die übergreifende Verantwortung der Kultusminister schafft einen kontinuierlichen Übergang in die Grundschule.

4. Jedes Kind entfaltet Basiskompetenzen.

Der Entwicklungsdrang der Kinder ist vielfältig und offen. Die Kompetenzförderung zielt daher auf grundlegende Fähigkeiten des Lernens und die Entfaltung der selbst lernenden Persönlichkeit als Grundlage des lebenslangen Lernens. Die Bildungsstandards nehmen vor allem die sprachliche Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit in den Fokus. Bestandteil der Frühpädagogik ist auch der erste systematische und nachhaltige Umgang mit mathematischen Größen und Verfahren sowie mit Natur und Technik. Die natürliche Neugier der Kinder ist da - sie soll unterstützt, weiter angeregt und in ein erstes Weltwissen eingeordnet werden, das in der Schule weiter ausgebaut und vertieft wird. Kreative Problemlösekompetenz steht dabei im Vordergrund. Einzelaktivitäten können nur in einem aufeinander abgestimmten Curriculum einen nachhaltigen Bildungseffekt erreichen. Auch die Bewegungs- und Gesundheitsförderung bleibt wichtig. Lernen geschieht in dieser Stufe altersgerecht spielerisch.

5. Jedes Kind braucht professionelle Unterstützung.

Die Mitarbeiter in den Kindertageseinrichtungen sind für die Kinder wichtige Bezugspersonen und Ansprechpartner. Sie sind entscheidend für die Betreuung, Erziehung und Bildung der Kinder in ihren ersten Jahren. Das Qualifikationsprofil des Berufsbildes orientiert sich an den veränderten Kompetenzen, die für Frühpädagogen in der ersten Stufe des Bildungssystems gefordert sind, und ist in der Aus- und Weiterbildung zügig umzusetzen. Hochschulen bieten wissenschaftlich fundierte Studiengänge mit Anschluss an die Lehr-Lern-Forschung an. Die berufliche Ausbildung muss Weiterbildungsoptionen z. B. an Hochschulen und vergleichbaren Einrichtungen einschließen. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeit müssen der anspruchsvolleren Tätigkeit entsprechend verbessert werden. Gemischte Teams aus Fachkräften und Führungskräften mit Hochschulabschluss sind notwendig.

6. Jedes Kind braucht ausreichende und vielfältige Betreuung.

Die Qualität der Kindertageseinrichtung ist nicht von einer guten Betreuungsrelation zu trennen. Dafür sind mehr Frühpädagogen und auch mehr Mitarbeiter mit vielfältigen Hintergründen gefragt. Die Aufwertung der Kindertages- zur Bildungseinrichtung und eine entsprechende hochschulische oder vergleichbare Ausbildung der Frühpädagogen werden zur Attraktivität des Berufsbildes beitragen. Die naturwissenschaftlich-technischen Anteile sowie die Professionalisierung des Berufsbildes machen dieses Arbeitsfeld auf neue Art attraktiv.

7. Jedes Kind profitiert frühzeitig von einer Kindertageseinrichtung.

Kinder brauchen die vielfältigen und systematischen Anregungen der Kindertageseinrichtung und die individuelle Förderung in dieser Bildungsstufe. Ziel muss es sein, dass alle Kinder tatsächlich ihrem Bedarf entsprechend frühzeitig die Kindertageseinrichtung besuchen, damit Chancengerechtigkeit erreicht, längeres gemeinsames Lernen ermöglicht und das Bildungssystem in seinen Ergebnissen deutlich verbessert wird. Länder und Kommunen können im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Kostenfreiheit einen Anreiz setzen, um eine breitere Teilnahme gerade von Kindern mit höherem Förderbedarf zu erreichen, insbesondere für das erste Kindergartenjahr. Dabei hat die Qualitätssicherung Vorrang vor der Kostenfreiheit. Aufsuchende Sozialarbeit wird zusätzlich bildungsferne Familien für die Teilnahme gewinnen können. Nur mit einer Beteiligung der Familien wird die frühe Förderung der Kinder wirksam und nachhaltig sein.

8. Jedes Kind braucht Qualität - je früher, desto besser.

Kinder müssen uns etwas wert sein. In der frühkindlichen Bildung lohnt sich die Investition besonders: Die Effektivität der eingesetzten Ressourcen ist höher, je früher und gezielter im Bildungssystem angesetzt wird. Statt einer Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag oder der Einführung eines Betreuungsgeldes halten wir Investitionen in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und eine Lenkung der Finanzierungsströme in Infrastruktur statt in individuelle Zahlungen für zielführender. Die mit rückläufigen Kinderzahlen frei werdende "demografische Rendite" muss vor allem in die frühkindliche Bildung investiert werden. Insbesondere in sozialen Brennpunkten ist ein Ausbau der frühkindlichen Förderung prioritär. Eine Zuweisung der Mittel pro Kind schafft ein Anreizsystem für Träger, sich um ein attraktives Angebot für Eltern und Kinder zu bemühen; dies kann mit Gutscheinen oder einem Sozialindex organisiert werden. Es schafft bessere soziale Mischungen und mehr Ehrgeiz für Qualität, insbesondere wenn die Zuweisung an Bedingungen wie z. B. einen höheren Migrantenanteil geknüpft wird. Dabei müssen Arbeitsfähigkeit der Einrichtung und Kontinuität der Betreuung für das Kind gesichert sein. Bundesweite Mindeststandards für Ausstattung und Betreuungsschlüssel sind notwendig, um eine vergleichbare Qualität der Kindertageseinrichtungen flächendeckend zu sichern.

Engagement der Wirtschaft

Unternehmen und Verbände der Wirtschaft engagieren sich bei der Aufwertung und Weiterentwicklung der Kindertages- zu Bildungseinrichtungen. Die BDA hat gemeinsam mit der Daimler AG ein Qualitätshandbuch herausgegeben, das einen Leitfaden zur Einrichtung und Führung von Betriebskindergärten bietet. Ein wachsender Teil des gesellschaftlichen Engagements der Wirtschaft sind Angebote an Kindertageseinrichtungen z.B. mit Konzepten und Materialien zur Leseförderung und zum forschenden Experimentieren sowie mit entsprechenden Fortbildungen für die Frühpädagogen und -pädagoginnen.

Kontakt

BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel: 030/2033-1500
Email: bildung@arbeitgeber.de
Website: www.arbeitgeber.de

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