Aus:
KiTa-aktuell HRS 1998, Heft 7/8
Peter Blase-Geiger
Das offene Konzept als Entdeckungsreise
"Nennt es offenes Konzept, Erziehung im Dialog, erlebnisorientiertes Lernen, Aktions- oder Bewegungskindergarten, für uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Albert-Schweitzer-Kindergarten ist es schlicht und ergreifend der Schritt zum stressfreien Kindergarten - und zwar für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen."
Der Albert-Schweitzer-Kindergarten ist eine viergruppige Tagesstätte in Göllheim, einem größeren Dorf in der Nordpfalz. Als Träger fungiert die protestantische Kirchengemeinde. Seit einiger Zeit wird nach einem offenen Konzept gearbeitet.
So wie es ist, kann es nicht bleiben
Hilfe! Es begann mit einem stillen Aufschrei. Immer wieder: Hilfe! Was war geschehen? Nichts ungewöhnliches: Tee umgekippt - zwei weinende Kinder, eins mit Beule - Kollegin krank - eine Mutter will Teegeld bezahlen - eine andere am Telefon - ein Vater möchte seinen Sohn anmelden - gleichzeitig warten Kinder in der Bau- und der Puppenecke auf mich, da es einen Streit zu schlichten gibt - zwei Mädchen sitzen brav seit zehn Minuten am Tisch, denn ich versprach, mit ihnen zu spielen - währenddessen toben unsere drei Ältesten frisch-fröhlich im Raum herum. Hilfe!
Wer kennt diese Situation nicht? Sie ist ganz normal und wiederholt sich so oder ähnlich jeden Tag. Frust, Motivationsverlust, Abkehr vom Beruf - das sind die Folgen, die sich fast schon zwangsläufig nach ein paar Jahren im Beruf einstellen. Natürlich versucht die engagierte Mitarbeiterin, der engagierte Mitarbeiter mit Massagen, autogenem Training, Trennkost oder einfach auch viel Kaffee gegenzusteuern und so den Stress zu bewältigen. Dies mag ja alles auch schön und gut so sein, insbesondere für Seele und Figur, aber das Problem ist damit nicht gelöst.
In unserem Kindergarten jedenfalls war die Sache irgendwann für alle klar: So, wie es ist, kann es nicht bleiben! Noch erheblich nachdenklicher machte uns aber die Vorstellung, dass es den Kindern in dieser Situation wohl auch nicht viel besser als uns gehen kann. Sind wir schon unzufrieden und gestresst, wie müssen sich dann erst die Kinder fühlen? Allerorts wird es von sozialpädagogischen Fachkräften beklagt: Unsere Kinder werden immer schwieriger. Und immer häufiger wird die Feststellung getroffen, ein Kind sei nicht fähig oder reif, den Kindergarten zu besuchen.
Aber ist unter den angegebenen Umständen die Frage nach der Kindergartenreife eines Kindes überhaupt fair? Ist sie legitim? Wir kehrten die Frage um: Müssen unsere unter enormen Kostendruck geratenen Kindertagesstätten nicht zusehends als kinderfeindlich gelten? Sind es wirklich die Kinder, die da nicht funktionieren oder sind es die mangelhaften Bedingungen in den Kindertagesstätten, die zu den Problemen führen? Und weiter gefragt: Gibt es die nette Kindergartengruppe von nebenan, wo zwei liebe Tanten mit ein paar netten Kindern spielen, überhaupt? Oder müssen wir nicht inzwischen davon sprechen, dass verzweifelte Pädagoginnen und Pädagogen sich redlich mühen, fünfundzwanzig Individualisten in einem gerade mal vierzig Quadratmeter großen Raum zu kasernieren? Nicht weil sie das toll finden, wohlgemerkt, sondern weil die gesetzlichen Vorgaben es so wollen. Liegt es also wirklich an den Kindern, wenn sie bei uns nicht funktionieren?
Janusz Korczak (zur Person s.u.) schrieb einmal: Wir kennen das Kind nicht, es ist ein Geheimnis. Wir im Albert-Schweitzer-Kindergarten wollten auf Entdeckungstour gehen.
Aufbruch zu neuen Ufern
Wir begannen, etwas zu verändern. Wohin der Weg uns führen würde, war uns so ganz klar nicht. Aber alle Mitarbeiter/innen hatten diesen einen gemeinsamen Gedanken: So, wie es ist, kann es nicht bleiben! Zu diesem Zeitpunkt wurden wir durch unsere Praktikantin im Anerkennungsjahr mit dem offenen Konzept konfrontiert. Sie hatte zusammen mit ihrer anleitenden Fachkraft in einer nach diesem Konzept arbeitenden Einrichtung hospitiert.
Sehr schnell entdeckten wir die offenen Gruppen als interessantes Modell. Interessant für die Kinder: Ihre Ketten wurden gesprengt - die Kinder sollten ein hohes Maß an Freiheit zurückbekommen und somit einen großen Schritt in Richtung Selbständigkeit und individuelle Entwicklung tun. Interessant für die Mitarbeiter/innen: Dadurch, dass alle Räume in Funktionsräume umgewandelt werden, braucht die jeweils zuständige Mitarbeiterin bzw. der jeweils zuständige Mitarbeiter sich auch nur auf diesen Komplex zu konzentrieren. Ein wahrlich verlockender Gedanke. Wenn nicht, ja, wenn nicht die vielen "Abers" gewesen wären.
Wir beschlossen, das Ganze an zwei (wie wir meinten) zentralen Punkten auszuprobieren. Es sollten ein Frühstücksraum und eine Bewegungsbaustelle entstehen, währenddessen galt es, sich fortzubilden. So schufen wir das Café, in welchem Kinder wie Erwachsene frühstücken würden. Also nie wieder umgekippte Teekannen im Gruppenraum - ein herrlicher Gedanke. Nachmittags führten wir ein Elterncafé im selben Raum ein.
Das Café wurde ein voller Erfolg. Nach kurzer Einführungsphase erwies sich gerade dieser Raum als der ruhigste. Die Kinder kamen nämlich nur zum Essen hierher - und das Entscheidende: Sie wurden nicht gestört. Kein attraktives Spiel am Nachbartisch lenkte sie ab. Es herrschten fortan Ordnung und Gemütlichkeit beim Frühstück, obwohl das Café der einzige Raum in der ganzen Kindertagesstätte war, der ausdrücklich nicht pädagogisch betreut wurde. Die Kinder kannten die Regeln und beachteten sie. Die Mitarbeiter/innen übrigens auch.
Parallel zum Café öffneten wir den Turnraum: Jedes Kind durfte nun jederzeit in den Turnraum kommen und sich austoben. Die Materialien des Turnraums wurden flexibel dem Freispiel zugeführt. Somit war auf einfachste Weise unsere Bewegungsbaustelle entstanden.
Auch diese Umstellung erwies sich als Glücksgriff. Endlich konnten die Kinder ihren Bewegungsdrang angemessen ausleben. Die Konsequenz: In den anderen Räumen wurde es erstaunlich ruhig. Seitdem halten wir die Umstellung vom Sitz- zum Bewegungskindergarten für einen ganz zentralen Punkt des offenen Konzepts.
Einrichtungsbesuche als Durchbruch
Der Anfang war für uns also wahrlich schon ein großer Erfolg. Aber die komplette Tagesstätte umzustellen, wie sollte das gehen? So richtig vorstellen konnte sich das bei uns niemand. So beschlossen wir zunächst einmal zu hospitieren: Und zwar sollten alle Mitarbeiter/innen ausschwärmen und sich das offene Konzept vor Ort anschauen. Wesentlich war für uns dabei auch, dass wir insgesamt möglichst viele Einrichtungen besuchten und damit kennen lernten, um ein möglichst breites Spektrum von Ideen und Möglichkeiten für uns aufzutun.
Mit unterschiedlicher Begeisterung begaben wir uns also auf den Weg und lernten von Frankfurt bis Kaiserslautern verschiedene offen arbeitende Einrichtungen kennen. Manche waren sensationell, andere weniger beeindruckend. Aber eines war nach den Einrichtungsbesuchen klar: Nun konnte sich jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter vorstellen, wie es funktionieren könnte. Und: Wir alle hatten diese entspannende, ausgeglichene und ruhige Atmosphäre gespürt, die von beinahe allen offenen Einrichtungen ausgeht. Zusätzlich ermutigend: Bei unseren Besuchen fanden wir nicht eine Kollegin oder einen Kollegen, die/der wieder wie früher hätte arbeiten wollen. Es war für uns eine spannende Zeit, und wir wurden zunehmend wissbegieriger.
Entscheidung und Planung
Nach alledem fiel uns die Team-Entscheidung letztlich nicht schwer: Wir alle wollten es probieren. Zu lange hatten wir uns mit dem Für und Wider beschäftigt, als dass wir jetzt "Nein Danke" hätten sagen wollen. Es wäre ganz und gar undenkbar gewesen, zum Alltag zurückzukehren und all die Chancen, die sich aufgetan hatten, ungenutzt zu lassen. Natürlich: Diese Entscheidung wurde auch teilweise mit Ängsten gefällt, aber die Neugier und die Hoffnung auf ein besseres pädagogisches Arbeiten überwogen.
Nachdem wir dann die Bibel der offenen Gruppen (Gerhard Regel & Axel Jan Wieland: Offener Kindergarten konkret) und noch einiges mehr zum Thema durchgearbeitet hatten, ging es ans Eingemachte: Es galt, die neue Konzeption zu erstellen und bei unserem Träger und der Elternschaft durchzusetzen. Die Erarbeitung des Konzeptes erwies sich entgegen unseren Erwartungen als nicht sehr schwer. Schließlich hatten wir uns schon lange mit dem warum überhaupt? und dem wie könnte es werden? beschäftigt. So waren die einzelnen Funktionsräume schnell gefunden, und unser Gedankengebäude wanderte aufs Papier - das schriftliche Konzept war entstanden.
Überzeugungsarbeit
Heute halten wir es für einen glücklichen Umstand, dass wir uns im Vorfeld so gut vorbereitet hatten. Die Überzeugungsarbeit erwies sich als leicht. Viel leichter jedenfalls, als wir uns das jemals hätten träumen lassen. Wir luden unsere Fachberatung ein, die zuvor nicht an der Entwicklung beteiligt gewesen war, und stellten unser neues Konzept vor. Wir erläuterten über eine Stunde lang unsere Vorstellungen und ließen keine Fragen offen: Schließlich war klar, unsere Fachberatung würde uns unterstützen.
Auch das Gespräch mit unserem Pfarrer erwies sich als harmonisch. Er versprach seine Unterstützung, zumal sich unsere Fachberatung zuvor ja auch schon einverstanden gezeigt hatte. Wir hatten Glück: Unser Pfarrer ist ein Mensch, der auch einmal bereit ist, sich auf Fachleute zu verlassen. Eine Bereitschaft, die auf Trägerseite heutzutage leider nicht allzu verbreitet anzutreffen ist.
Nun stellte sich die Frage: Wie sagen wir es unseren Eltern? Zunächst wollten wir den Elternausschuss am Entscheidungsprozess angemessen beteiligen. Und dies nicht nur, weil ihm das gesetzmäßig zusteht, sondern weil wir schon immer auf gegenseitiges Vertrauen setzten, was sich in der Vergangenheit als recht positiv erwiesen hatte. Aus diesem Grunde reden wir in unserer Tagesstätte auch nicht von den Eltern, sondern von unseren Eltern.
Inzwischen geübt bei der Vorstellung unseres Konzeptes, überzeugten wir den Elternausschuss schnell. Wir legten diesmal allerdings viel Wert auf die Fragestellung: Was bringt das neue Konzept mir und meinem Kinde? Wir wollten bewusst von der Sichtweise der Eltern ausgehen. Im Protokoll hieß es schließlich: Der Elternausschuss zeigte sich begeistert und unterstützt vor der Elternschaft das Konzept. Besser hätte es also nicht laufen können. Die angemessene Beteiligung zahlte sich wieder einmal aus.
Sodann folgte die vermeintlich schwierigste Übung: Die Elternvollversammlung. Wir hatten den Anspruch, alle Beteiligten im Vorfeld angemessen zu informieren, also musste wir diesen letzte Schritt auch tun - wenn auch zugegebenermaßen mit mehr als gemischten Gefühlen. Es kamen zwei Drittel aller Eltern zur Vollversammlung. Wir stellten unser Konzept vor und warteten geduldig auf kritische Fragen. Doch es wurden keine gestellt. Wohl mal eine wohlwollende Nachfrage zu diesem oder jenem. Aber so eine richtig kritische Frage: Fehlanzeige. Die Elternschaft nahm unser neues Konzept wohlwollend und interessiert auf. Alle Eltern, die nicht gekommen waren, bekamen im Nachhinein unser schriftliches Konzept in die Hand.
Wie wir den Anfang fanden
Zunächst hatten wir uns vorgestellt, dass wir nach der Sommerpause mit den offenen Gruppen beginnen wollten. Doch relativ schnell wurde uns klar, dass dies für uns vielleicht zunächst einfach gewesen wäre, für die Kinder jedoch keinesfalls. Es galt also, die Kinder zu beteiligen. Es folgten zu diesem Thema etliche Gespräche mit den Kindern. Wir befragten sie nach Wünschen und Vorstellungen und ließen diese in unsere Überlegungen mit einfließen.
Und dann, sechs Wochen vor den Ferien, begann unser großes Projekt. Das ganze Haus versank im Chaos: überall Schränke und Stühle schiebende Kinder, Spielmaterialien im ganzen Hause verstreut, einiges hier, anderes da, nichts, wo es hingehörte - es war herrlich. Und das Überraschendste: Am Ende des Tages befand sich alles dort, wo es hätte sein sollen. Alle waren glücklich und zufrieden - wir befanden uns auf dem Weg.
Vom Verständnis für den Nächsten
Unsere Teamarbeit hat sich seitdem verändert. Konnte ich mich früher in meiner Gruppe abschotten, so wurde jetzt einiges mehr verlangt. Wir hatten nun den Anspruch (und wir haben ihn noch), dass jede Kollegin beziehungsweise jeder Kollege mal mit jeder Kollegin beziehungsweise jedem Kollegen in jedem Funktionsraum zusammenarbeitet - und das in einem möglichst gerechten Rhythmus. Ich sage es vorweg, an diesem Dienstplan sind selbst gestandene Informatiker gescheitert - aber so ungefähr funktioniert es bei uns dennoch.
Dies brachte uns als Team ein ganzes Stück dichter zusammen. Das Verständnis füreinander wuchs. Die Mitarbeiter/innen sahen sich öfter und sprachen intensiver miteinander. Es wurde nun klarer, wer was wie und warum macht. Wir lernten viel voneinander und nahmen uns erheblich mehr Zeit für den gegenseitigen Austausch.
Auch das Bild vom einzelnen Kind wandelte sich. Wurde es zuvor nur von zwei Mitarbeiter/innen beurteilt, so arbeitete jetzt das ganze Team an der Einschätzung. So wurden erheblich mehr Aspekte aufgezeigt und berücksichtigt. Mitarbeiter/innen, Eltern und vor allen Dingen die Kinder profitierten deutlich davon.
Öffentlichkeitsarbeit groß geschrieben
Wir merkten recht schnell, dass Öffentlichkeitsarbeit ein sehr wichtiger Punkt unserer Arbeit sein würde. Zunächst mussten wir den Eltern darstellen, wie ihre Kinder sich im offenen Kindergarten entwickelten. Ferner wollten wir aufzeigen, was die Kinder den ganzen langen Tag so bei uns tun. Dies war deswegen wichtig, weil einige Eltern sich zu wundern begannen, dass ihre Kinder nun nicht mehr täglich gebastelte Schablonenarbeiten mit nach Hause brachten - seltsam, seltsam. Daher begannen wir, unsere Arbeit durch vielfältige Ausstellungen darzustellen. Insbesondere Fotoausstellungen wurden bei uns zu einer Dauerausstellung. Unter der Überschrift Ihre Kinder in Aktion stellten wir immer wieder aktuelle Fotos aus. Darüber hinaus gestalteten wir unseren Flur in eine Kunstgalerie um, und im Eingangsbereich befindet sich eine Werkausstellung.
Ansonsten lassen wir keine Gelegenheit verstreichen, uns in der Öffentlichkeit darzustellen. Sei es durch Vorträge, auf Veranstaltungen der Schulen, durch Zeitungsbereichte und Artikel oder beim Besuch von Besuchergruppen. Besonders die Besuchergruppen sind im letzten Jahr wie Mückenschwärme über uns gekommen. Offenbar gibt es glücklicherweise jede Menge Kolleg/innen, die sich für die offenen Arbeit interessieren. Was die Zeitungsberichte angeht, vergessen wir immer wieder, wie lesenswert offenbar die für uns banalsten Aktivitäten für die Bevölkerung sind: Es wird einfach alles gedruckt - wir müssen uns nur melden.
Diese zugegebenermaßen nicht einfache Arbeit zahlte sich aus. Unsere Darstellungsweise wurde routinierter, und unsere Kindertagesstätte wurde bekannt und festigte ihr Image.
Kinder unterwegs
Was aber geschah mit den Kindern? Irrten sie orientierungslos durch riesige Hallen? Schluchzten kleine dreijährige Mädchen und Jungens verzweifelt und einsam nach ihren Müttern? Mitnichten! Niemand war so verwundert wie wir, als diese tollen Voraussagungen, die man uns während der Einrichtungsbesuche mit auf den Weg gegeben hatte, auch wirklich eintraten. Von sich rasend schnell entwickelnden Selbstbewusstsein war die Rede, von verhaltensauffälligen Kindern, die überhaupt nicht mehr auffielen, von Kindern, die selbständig ihre Bedürfnisse erkennen und steuern konnten - und das schon nach kurzer Zeit! Na, aber hallo! Dieses Szenario war etwas für Märchen. Für die knallharte Realität würde sie kaum taugen.
Aber es war so. Jedes Wort war wahr. Schneller, als wir es für möglich hielten, bewegten sich unsere Kinder selbstsicher durch die Funktionsräume. Sie waren nun in der Lage, viel konzentrierter als zuvor an den einzelnen Angeboten teilzunehmen, fehlte doch die Ablenkung durch angrenzende Aktivitäten. Was uns theoretisch logisch erschien, wurde jetzt durch die Praxis untermauert. Zudem konnte ja nun auch jedes Kind sein Bewegungsbedürfnis ausreichend ausleben - mit einem Schlag waren durch unterdrückte Bewegungsbedürfnisse entstandene Aggressionen kein Thema mehr.
Bedeutendster Aspekt aber: Unsere Kinder entwickelten ein ganz anderes Selbstbewusstsein. Es tat ihnen gut, Entscheidungsräume zu bekommen und vieles leben zu dürfen, was vorher nicht möglich war. Ihr neues Selbstbewusstsein macht die Kinder nicht einfacher, denn Dinge die sie früher selbstverständlich hingenommen hatten, werden heute genauso selbstverständlich hinterfragt. Aber es bringt die Kinder ein ganzes Stück weiter in der Bewältigung ihres Lebens in unserer Gesellschaft. Unsere Kinder merken, was hier in ihrer Kindertagesstätte geschieht, und sie lassen und Mitarbeiter/innen das auch spüren. Sie merken, dass hier ein Prozess stattfindet, ein Prozess von der Institution Kindertagesstätte hin zum Lebensraum Kindertagesstätte.
Unsere Kinder begleiten uns auf unserem Weg im Sinne des schon oben zitierten Janusz Korczak: Wenn ich mit einem Kind spiele oder spreche, dann haben sich zwei gleichwertige reife Augenblicke in meinem und seinem Leben verbunden.
Also alles Friede, Freude, Eierkuchen? Aber ja!
Janusz Korczak
Janusz Korczak, geb. 1878 in Warschau, war Jude, Arzt, Schriftsteller und Erzieher. Neben seinen pädagogischen Schriften war er jedoch hauptsächlich Praktiker im Erziehungsbereich. Korczak philosophisches Bild vom Kind gilt in Bezug auf das offene Konzept für viele Pädagoginnen und Pädagogen als bedeutendste Grundlage überhaupt. Zusammen mit den Kindern seines Waisenhauses wurde Korczak 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.