Morgen- und Gesprächskreise - Mikrotransitionen Teil 2

Kerstin Paulussen

Jeder Phase im Tagesablauf einer Kita, wie der Bring- und Ankunftssituation, dem Frühstück, der Freispiel im Innen- und Außenbereich, dem Mittagessen usw., geht ein Übergang voraus bzw. es folgt einer.

Zwischen jeder Phase liegt ein Übergang, der in Anlehnung an die von Wilfried Griebel und Renate Niesel (2011) benannte Transition wegen der geringeren Bedeutung und Auswirkung als Mikrotransitionen bezeichnet wird.

Mikrotransitionen brauchen wie auch die Transitionen der Lebensphasen, eine Begleitung und Gestaltung, um möglichst stressreduziert erlebt werden zu können. Sie brauchen eine Ankündigung im Sinne von: Gleich ist diese Phase beendet und eine Neue, andere wird darauf folgen. Kinder brauchen Rituale, eine sich wiederholende und damit wieder erkennbare Struktur, um sich auf die Veränderungen vorbereiten und einstellen zu können. Insgesamt müssen Orientierung, Sicherheit und Verlässlichkeit hergestellt werden. Die Möglichkeit der Mitgestaltung und damit das Selbstwirksamkeitserleben sollte gegeben sein, um Ohnmachtserlebnisse dem Gefühl des ausgeliefert seins, zu vermeiden. Transitionen wie Mikrotransitionen brauchen eine soziale Akzeptanz und soziale Begleitung.

Die erste Phase im Tagesablauf ist die Bringzeit. Während dieser Zeit kommen Kinder zu unterschiedlichen, individuellen familienbedingten Uhrzeiten an. Manche Kinder kommen bereits sehr früh, wegen der Berufstätigkeit der Eltern oder der günstigen Mitfahrgelegenheit mit dem berufstätigen Elternteil. Andere schaffen es gerade noch vor Ende der Bringzeit, manche auch erst danach.

In der nächsten Phase folgt das Freispiel, ein wegen der großen Bedeutung für Spiel und Entwicklung wichtiger Abschnitt im Tagesablauf. Zentral ist hier die Frage, wer anwesend ist und damit als Spielpartner:in zur Verfügung steht. Des Weiteren spielen räumliche und materielle Ressourcen eine Rolle und die Verteilung dieser.

Der Morgenkreis bietet an dieser Stelle im Tagesverlauf wegen den individuellen Bringzeiten eine gute und etablierte Möglichkeit, diesen Übergang im Sinne der Ritualisierung, Begleitung und Partizipation zu gestalten.

Die Spielgemeinschaften bis zum Mittagessen können konstant bleiben, sofern diese durch deren Spielverlauf bedingt, nicht unterbrochen oder abgebrochen werden. Ein weiterer Übergang im Tagesablauf ist das Ende des Freispiels, welcher in das Mittagessen übergeht oder ggf. von einem weiteren Übergang, dem vom Spiel in den Innenräumen zu einem Spiel im Außenbereich ergänzt wird. Kurze Gesprächskreise im Sinne einer kurzen Bedarfsabfrage, Ressourcenverteilung, schneller Absprachen oder vor dem Mittagessen im Zuge einer Aufgabenverteilung, Organisation der Sitzplatzwahl, des Händewaschens, Umziehen etc. werden hier durchgeführt.

Nach dem Mittagessen beginnt die Gestaltung des Nachmittags zunächst mit einer Ruhephase; die bei den jüngeren Kindern aus dem Mittagsschlaf besteht und bei den älteren als eine Ruhephase benannt ist. Einige Kinder sind hier ggf. auch schon abgeholt worden. Nach der Ruhephase folgt der Übergang in eine weitere Freispielphase am Nachmittag, welcher für diese Alters- und Bedarfsgruppen und die dann noch verbliebenen (Rest-)Spielgemeinschaften angemessen bedacht werden muss:

Die jüngeren Kinder kommen aus dem Schlaf und brauchen einen individualisierten und intensiv begleiteten Übergang, der ihnen das Ankommen im Hier und Jetzt und einen Anschluss an die Folgesituation ermöglicht. Diese besteht häufig mehr oder weniger unmittelbar oder gar überschneidend aus der Abholsituation durch die Eltern oder andere Betreuungspersonen.

Wohingegen die älteren Kinder nach dem Mittagessen meist schnell wieder in das Freispiel drängen, da sie ggf. noch Spielideen vom Vormittag haben, die sie fortsetzen wollen. Je nachdem, welche und wie viele Kinder mittags abgeholt wurden, kann eine Spielfortsetzung erfolgen oder es muss eine andere neue Gruppenzusammensetzung für den Nachmittag gefunden werden und auch die Ressourcenverteilung (Räume und Material) muss dann erneut erfolgen. Die große Dichte und Intensität der Übergänge für die jüngeren und älteren Kinder in dieser Phase werden deutlich.

Ein weiterer Einschnitt ergibt sich, wenn die Kinder, die einen 35-Stunden-Betreuungsvertrag haben, abgeholt werden. Für die verbleibenden Kinder sind dann oft nur noch wenige Spielpartner:innen übrig. Ein weiteres Mal ist es erforderlich, sich auf die veränderte Situation einzustellen, von der nicht vorhersehbar ist, wie lange sie andauert und für einige Kinder ggf. nur noch kurz sein wird, je nachdem, wann sie abgeholt werden.

Nicht jeder Übergang kann sinnvoll mit einem umfänglichen Gesprächskreis begleitet und gestaltet werden. Alternativ wird zwischen den Abschnitten häufig ein kurzes Zusammenkommen an einem Ort herbeigeführt, z.B. um zu besprechen, wer gleich im Freispiel auf dem Außengelände mit wem und wo spielen möchte, um dann von dort aus ggf. in Kleingruppen zum Umkleiden zu gehen. Und auch der Snack am Nachmittag kann eine Gelegenheit für einen Gesprächskreis bieten und eine Möglichkeit die Vielzahl an Übergängen in dieser Phase zu gestalten. Hier können sich die gerade aufgewachten kleineren Kinder individuell einfinden und an die Gruppensituation anpassen. Sie finden nach jedem Aufwachen die gleiche und gewohnte Situation vor. Hier kann gekuschelt werden, Geträumtes und/oder Erlebtes berichtet und ausgetauscht werden. Von dort können einige Kinder, ohne aus einem intensiven Spiel herausgerissen zu werden, abgeholt werden. Die Kinder, deren Spielgruppe durch das Abholen anderer aufgelöst wurde, können sich dort hinzugesellen und in ein Gespräch und ggf. in ein niederschwelliges Spiel eingebunden werden, bis auch deren Tag in der Kita beendet ist.

Gesprächskreise können, die im Tagesverlauf einer Kita mehrfach vorkommenden Mikrotransitionen aufgreifen. In ihnen begegnen sich alle Kinder der Gesamtgruppe bzw. die noch verbliebenen Kinder. Neben den üblichen Inhalten, zum Beispiel eines Morgenkreises, die der Orientierung in Zeit und Raum dienen und einen Überblick über die täglich anstehenden Aktionen und Besonderheiten geben oder einen Rückblick ermöglichen, können in weiteren, kürzer andauernden Gesprächskreisen neue Spielgemeinschaften gefunden und die Verteilung erneut zu wählender Spielorte vorgenommen werden. Über die Speisen des Mittagessens kann informiert und Aufgaben verteilt oder die Sitzplatzwahl organisiert werden.

Der Morgenkreis/ Gesprächskreis ist der Ort, an welchem die Mitglieder der Gruppe wahrgenommen, Mitbestimmung gelebt, Selbstwirksamkeit erfahrbar und Transparenz hergestellt wird.

Literatur

Griebel, W. R., & Niesel, R. (2011). Übergänge verstehen und begleiten. Berlin: Cornelsen Verlag an der Ruhr.

Empfohlene Literatur

Bandura, A. (1994). Ansätze zu einer sozial kognitive Lerntheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.

Bostelmann, A., Klingen, V., & Schaper, S. (2016). So gelingt der Tagesablauf im Kindergarten, Tipps und Tricks für den Kinderatenalltag. Berlin: Bananenblau - Der Praxisverlag für Pädagogen Klaxpädagogik.

Bowlby, J. u. (2016). Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München und Basel: Ernst Reinhardt Verlag.

Filipp, S. H. (2018). Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen. Stuttgart: Hohlhammer.

Hart, R., & Gernert, W. (2016). Children`s Participation: The Theoriy and Practice of Involving Young Citizens in Community Development and Environmental CAre. London: Routledge.

Laewen, H.-J. (2011). INFANS Ein Modell für die Gestaltung der Eingewöhnungssituation von Kindern in Krippen und Tagespflege. Berlin: Cornelsen Verlag.

Lazarus, R. (1999). Stress and Emotion. London: Free Association Book.

Piaget, J. J. (1998). Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde. Klett-Cotta.

Remsperger, R. (2013). Das Konzept der Sensitiven Responsivität. Ein Ansatz zur Analyse des pädagogischen Antwortverhaltens in der ErzieherInnen-Kind-Interkation. In: Frühe Bildung, 2013/1, : Hogrefe, S. 12 - 19. Göttingen: Hogrefe.

Schäfer, G. E. (2016). Bildung durch Beteiligung: Zur Praxis und Thorie frühkindlicher Bildung. Weinheim: Beltz Juventa.

Schäfer, G. E., Fuchs, R., & Strätz, R. (2011). Bildung beginnt mit der Geburt. Berlin: Cornelsen.

Schneider, W., & Lindenberg, U. (2012). Entwicklungspsychologie. Weinheim Basel: Beltz.

Seligman, M. E. (2016). Erlernte Hilflosigkeit. Weinheim: Beltz.

Strätz, R. ( 1992). Die Kindergartengruppe. Soziales Verhalten drei-bis fünfjähriger Kinder. Köln: Kohlhammer Verlag,.

Taplan-Bach, M., & u.a. (2014). Kinder unter 3 Jahren Ein Lehr und Arbeitsbuch. Braunschweig: Westermann.

Tschöpe-Scheffler, S. (2011). Fünf Säulen der Erziehung: Wege zu einem entwicklungsfördernden Miteinander von Erwachsenen und Kindern. Ostfieldern: Patmos-Verlag.

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