Isabelle P. Dettling
Die Begriffe Team, Teamarbeit, Teamfähigkeit und Teamentwicklung begegnen uns heute fast überall, im Sport ebenso wie in der Wirtschaft. Teamarbeit scheint in allen Bereichen immer mehr an Stellenwert zu gewinnen. Ein Zitat von Lee Iacocca (*1924), amerikanischer Topmanager und u.a. Vorstandsvorsitzender der Chrysler Corporation, besagt: „Letzten Endes kann man alle wirtschaftlichen Vorgänge auf drei Worte reduzieren: Menschen, Produkte und Profite. Die Menschen stehen an erster Stelle. Wenn man kein gutes Team hat, kann man mit den beiden anderen nicht viel anfangen“ (Iacocca o.D. zit. n. www.zitate.de). Allein diese drei Sätze machen nachdrücklich deutlich wie wichtig das Team eines jeden Unternehmens für dessen Arbeit und somit letztendlich auch für dessen Umsatz ist. Im Grunde ist das gesamte Unternehmen – so die Aussage von Iacocca – ohne ein funktionierendes Team nahezu wertlos.
Umso größer sollte daher das Interesse von Führungskräften sein, Teamentwicklung voranzutreiben, um dadurch auch die Effektivität der Arbeit positiv zu beeinflussen und somit den Gewinn des Unternehmens zu steigern. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob Führungskräfte diese Prozesse überhaupt aktiv steuern können und – falls ja – wie bzw. mit welchen Methoden. Andrew S. Grove (*1936), amerikanischer Topmanager und ehemaliger Präsident des Unternehmens Intel behauptet:
„Teamgeist zu praktizieren, das ist gar nicht so einfach. Das heißt delegieren können, das heißt Vertrauen in andere setzen, das heißt, unterschiedliche Charaktere zu dulden. Widerspruch und abweichende Meinungen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, überhaupt sich Zeit zum Zuhören zu nehmen - das ist vielleicht das Schwerste für einen Chef“ (Grove o.D. zit. n. www.zitate.de).
Hier wird deutlich, dass es sich bei „Teamarbeit“ um einen äußerst vielschichtigen Begriff handelt und dass Führungskräfte daher zahlreiche Kompetenzen und Handlungsstrategien miteinander verknüpfen müssen, wenn sie erfolgreich auf die Entwicklung des Teams und die Effektivität der Teamarbeit einwirken wollen.
Was heißt das aber nun für einen Kindergarten? Im Kindergarten als Non-Profit-Unternehmen spielt der Gewinn zwar keine übergeordnete Rolle, nichtsdestotrotz stellt aber gerade hier die Teamarbeit immer schon einen zentralen Aspekt der täglichen Arbeit dar. Als Kindergärten werden Einrichtungen bezeichnet, in denen Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt mehrere Stunden täglich betreut werden, wobei der Kindergarten einen eigenständigen Bildungs- und Erziehungsauftrag verfolgt, der im Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verankert ist (vgl. Vollmer 2005a, S. 152). Die qualitative Grundorientierung eines Kindergartens, sowie die Einrichtungs-, Programm- und Prozessqualität sind dabei maßgebend von der Teamqualität abhängig (vgl. Krenz 2002). Der Begriff „Team“ ist allerdings in der pädagogischen Praxis mittlerweile recht „abgenutzt“.
„Es gibt in der Elementarpädagogik - ähnlich wie in anderen Einrichtungen - heutzutage kaum eine Arbeitsgruppe, die sich nicht als ‚Team’ bezeichnet“ (Krenz 2002). Allerdings stellt sich zurecht die Frage, in wie weit es sich dabei tatsächlich um „echte“ Teams handelt. Auch Krenz kritisiert die leichtfertige Benutzung dieser Bezeichnung: „So wie die Begriffe ‚Ganzheitlichkeit der Pädagogik’ oder ‚Kindorientierung’ vielerorts zu inhaltsleeren Worthülsen mutiert sind, wird auch das Wort ‚Teamarbeit’ recht häufig vorschnell genutzt“ (Krenz 2002). Hinzu kommt, dass die Leitung eines Kindergartens häufig eine Doppelrolle besetzt: einerseits agiert sie als Führungskraft, andererseits ist sie oftmals selbst auch ein Teil des Teams, wodurch es dringend notwendig erscheint, „Beziehungen miteinander zu thematisieren und dort, wo es nötig erscheint, Klärungsprozesse einzuleiten“ (Krenz 2002, o.S.).
Psychologische und soziologische Erkenntnisse zur Teamentwicklung
Der Begriff „Team“ bezeichnet laut Möller/Möller (2007, S. 48) zum einen eine „kleingruppenorientierte Organisationsform“ und zum anderen einen „Arbeitsstil mit besonderen Merkmalen“ (ebd.). Vollmer (2005b, S. 166f.) konkretisiert diese Aussage und definiert ein Team als Gruppe von Personen, deren Fähigkeiten sich ergänzen, die gemeinsame Leistungsziele haben und sich für dieselbe Vision einsetzen. Als weitere Kennzeichen führt er auf, dass ein Team in der Regel den gleichen Arbeitsansatz hat und die einzelnen Mitglieder sich gegenseitig dafür verantwortlich fühlen, wie sie miteinander umgehen. Sie sollten gemeinsam beraten und Entscheidungen treffen, wobei reguläre betriebliche Hierarchien keine Rolle spielen (vgl. Vollmer 2005b, S. 167).
Vollmer weist darauf hin, dass es in der Fachliteratur unterschiedliche Positionen gibt: Teilweise wird der Begriff Team mit Gruppe gleichgesetzt, teilweise jedoch werden diese Begriffe auch deutlich voneinander abgegrenzt. Grundsätzlich wird als Gruppe eine bestimmte Anzahl von Personen beschrieben, die über einen gewissen Zeitraum miteinander agieren und sich dabei sowohl als Einzelpersonen als auch als Gemeinschaft wahrnehmen und dadurch in ihrem Verhalten und der Arbeitsleistung voneinander abhängig sind. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen besteht für Vollmer (2005b) zufolge darin, dass in einem Team durch die gemeinsame Anstrengung Synergieeffekte erzielt werden können, die eine Gruppe nicht erreicht (vgl. Vollmer 2005b, S. 167).
Auch Birker und Birker (2001, S. 8f.) betonen den Unterschied zwischen Gruppen und Teams, indem sie deutlich darauf aufmerksam machen, dass bei einem Team die Gemeinschaft wesentlich stärker ins Zentrum rückt als bei einer Gruppe. Dieses ausgeprägte Interaktionsmuster wird auch als Team- bzw. Gruppendynamik bezeichnet. In der Teamarbeit wird „eine Lösung oder ein Werk gemeinsam von mehreren geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile trennen oder gesondert verwerten und zuordnen lassen“ (Birker / Birker 2001, S. 9). Weiterhin beschreiben sie Teamarbeit als die „optimale Gestaltung arbeitsteiliger Strukturen, unter Nutzung der speziellen Fähigkeiten der Teammitglieder, insbesondere bei der Bewältigung komplexer Aufgaben“ (Birker/Birker 2001, S. 9). Effektivität und effizientes Arbeiten, sowie ein hohes Leistungsniveau einerseits und Gemeinschaft und sozialer Zusammenhalt andererseits können also als die wesentlichen Merkmale von Teamarbeit festgehalten werden. Das bestätigt auch Krenz (2002), der das pädagogische Team eines Kindergartens als „Quelle für Produktivität, Fantasie und Kreativität“ bezeichnet, zugleich aber auch betont, dass sich Teamarbeit aus Sozialkompetenz und Fachorientierung zusammensetzt.
Im pädagogischen Praxisalltag kommt dem Begriff Team zusätzlich eine ganz andere Bedeutung zu. Umgangssprachlich wird er auch für die regelmäßigen Besprechungen der Teammitglieder verwendet. Die Aussage einer Erzieherin „Wir haben nächsten Mittwoch schon um halb vier Team“ lässt sich also keineswegs auf schwerwiegende grammatikalische Defizite zurückführen, sondern will lediglich ausdrücken, dass die Mitarbeiterbesprechung zu der genannten Uhrzeit beginnen soll. In den nachfolgenden Abschnitten bezieht sich der Begriff Team jedoch immer auf die Gruppe von Mitarbeiter/innen in Kindergärten. Im Idealfall ist ein Kindergartenteam dadurch charakterisiert, dass die zusammenarbeitenden Erzieher/innen die gleichen Ziele verfolgen und ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten sich optimal ergänzen. Hinzu kommt ein starkes „Wir-Gefühl“ innerhalb des Teams. Die einzelnen Erzieher/innen erleben sich als Gemeinschaft und grenzen sich von anderen Teams bewusst ab. Dieses Ausmaß des Zusammenhaltes innerhalb eines Teams wird auch als Gruppenkohäsion bezeichnet (vgl. Birker/Birker 2001, S. 16).
Jedes Team besteht aus unterschiedlichen Individuen. Ein Kindergartenteam besteht in der Regel aus überwiegend weiblichen pädagogischen Fachkräften, von denen jede ihre eigene Persönlichkeit, Kompetenz, Haltungen und Erfahrungen ins Team mit einbringt. Dadurch nehmen die einzelnen Mitarbeiter/innen unterschiedliche Rollen ein und jedem Teammitglied wird ein bestimmter Status zuteil. Rollen innerhalb eines Teams können definiert werden als Bündel aller Erwartungen an das Verhalten und die Einstellungen des einzelnen Teammitglieds. Dabei sind mit jeder Rolle spezifische Rechte und Pflichten verbunden. Während der Status die soziale Position innerhalb des Teams beschreibt, legt die dazugehörige Rolle fest, wie sich die einzelnen Mitarbeiter/innen in dieser Position zu verhalten haben (vgl. Weltzien 2007, S. 40). Wagner et al. bezeichnen mit dem Begriff „Status“ auch das Ansehen einer Person innerhalb der Gruppe und unterscheiden zwischen formalen und informalen Rollen. Formale Rollen sind durch die Position des einzelnen Teammitgliedes festgelegt.
Im Kindergarten sind dies die klassischen Positionen Leitung, Gruppenleitung und Zweitkraft. Dabei können der formale Rang und der Status einer Fachkraft innerhalb des Teams miteinander korrelieren, müssen dies aber nicht zwangsläufig tun (vgl. Wagner et al. 2003, S. 113). Informale Rollen hingegen „unterliegen den Gesetzen der Gruppendynamik und damit emotionalen sozialpsychologischen Einflüssen“ (Wagner et al. 2003, S. 113). Deshalb sind diese informalen Rollen nicht so leicht festzulegen wie formale Rollen. Sie entstehen durch einen Prozess gegenseitigen Aushandelns und verdichten sich dann oft rasch durch das Herausbilden von Gewohnheiten (vgl. Wagner et al. 2003, S. 111). Allerdings finden sich in allen Teams die gruppendynamischen Rollenverteilungen in ähnlicher Form wieder. Diese Rollenverteilung sorgt für eine gewisse Stabilisierung des Teams und ermöglicht ihm so die Erfüllung seiner Aufgaben. Fehlen bestimmte Rollenpositionen oder erfüllen einzelne Teammitglieder ihre Funktion nicht ausreichend, kann dies zur Destabilisierung, im ungünstigsten Fall gar zum Auseinanderbrechen des Teams führen (vgl. Möller/Möller 2007, S. 63f).
Der österreichische Psychoanalytiker Raoul Schindler (*1923) entwickelte ein Modell, das die fünf typischen Rollen innerhalb eines Teams beschreibt. Ihm zufolge, gibt es in jedem Team eine so genannte Alpha-Position, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Teammitglied Leistungsträger und oder Sympathieträger innerhalb des Teams ist. Die Gamma-Position beschreibt ein Teammitglied, das sich mit Alpha unbedingt identifiziert. Die Beta-Position hingegen stellt eine unabhängige Rolle dar. Dieses Teammitglied trifft seine eigenen Entscheidungen und gewinnt neue Energie in der Regel von außerhalb des Teams. Die Omega-Position beschreibt einen „Sündenbock“ innerhalb des Teams, wohingegen der „Gegner“ eine Position außerhalb besetzt. Diese Rolle kann sowohl real als auch fiktiv sein (vgl. Schindler o. D. zit. n. Möller/Möller 2007, S. 64). In der pädagogischen Praxis finden sich diese fünf typischen informalen Teamrollen oftmals in differenzierter Form wieder:
Rollenposition
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Informale Rolle
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Verhalten des Teammitgliedes
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Alpha +
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Leistungsträger und/ oder Sympathieträger (kann eine Person sein, oder aufgeteilt auf zwei Personen)
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Das Alpha + -Teammitglied initiiert Neues, führt das Team und ist eine Vertrauensperson für die Teammitglieder. Im Idealfall nimmt die Kindergartenleitung diese Position ein.
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Alpha -
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Gegenspieler
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Dieses Teammitglied zeigt kontroverse Verhaltensweisen und besetzt evtl. vernachlässigte Rollenaspekte von Alpha + in seinem Sinne.
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Beta 1
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Kritiker
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Dieses Teammitglied verhält sich zu Alpha + reserviert bejahend, äußert aber auch seine Bedenken.
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Beta 2
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Opponent
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Beta 2 verhält sich zu Alpha + reserviert verneinend und agiert oftmals verdeckt als „graue Eminenz“.
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Beta 3
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Schiedsrichter
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Dieses Teammitglied vertritt keine festgelegte Position, sondern versucht vielmehr zu vermitteln und selbst eine neutrale Haltung zu bewahren.
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Gamma 1
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Mitläufer
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Der klassische Mitläufer identifiziert sich stark mit Alpha +. Diese Rolle wird z.B. von einer Erzieherin besetzt, die sich eng mit der Leitung verbunden fühlt.
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Gamma 2
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Helfer
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Auch Gamma 2 identifiziert sich stark mit Alpha + und unterstützt diese Rolle durch sein eigenes Verhalten. Im Idealfall kann im Kindergarten die stellvertretende Leitung diese Position besetzen.
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Gamma 3
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Aufpasser
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Dieses Teammitglied unterstützt die Leitung bei Angriffen.
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Omega
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Sündenbock
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Dieses Teammitglied wird zum Opfer negativer psychodynamischer Energien innerhalb des Teams und dient oft als Ersatz für einen übermächtigen Gegner von außen.
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Gegner
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Kein Gruppenmitglied
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Der Gegner ist kein Mitglied des Teams, sondern eine reale oder fiktive Bedrohung von außen, die das Team frustriert. Das kann ein Problem sein, aber auch eine bestimmte Person oder Personengruppe (z.B. Eltern, Träger…).
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Abb. 1: Rollen im Team (vgl. Möller/Möller 2007, S. 65)
Wagner et al. (2003, S. 114ff.) kritisieren zu Recht, dass solche Rollenbezeichnung wie „Mitläufer“ oder „Sündenbock“ oberflächlich sind und teilweise sogar einen beleidigenden Beigeschmack haben. Sie sind der Ansicht, dass in modernen Teams viel mehr die individuellen Qualitäten der einzelnen Mitarbeiter/innen ausschlaggebend für ihre Rollenfindung sein sollten. Kindergartenleitungskräfte müssen deshalb in der Lage sein, Vertrauen zu den einzelnen Mitarbeiter/innen aufzubauen und deren unterschiedliche Kompetenzen, individuellen Stärken und persönlichen Ziele im Team transparent zu machen. So kann es dem Team gemeinsam gelingen, Rollen neu festzulegen und gegenseitige Erwartungen zu klären (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 41). Für die einzelne Fachkraft besteht dabei eine starke Wechselwirkung zwischen der Rolle, die sie erfüllt und ihrer persönlichen und fachlichen Identitätsentwicklung (vgl. Strehmel 2008, S. 17ff.). Dadurch kann es aber auch zu Situationen kommen, die für das einzelne Teammitglied eine Rollenüberforderung darstellen und somit einen Rollenkonflikt auslösen. Weltzien (2007, S. 42) unterscheidet drei Arten von Rollenkonflikten:
- Inter-Rollenkonflikt: Mehrere Rollen, die eine Person ausfüllt, stehen im Widerspruch zueinander. So kann eine Erzieherin beispielsweise mit ihrer Rolle als Mitarbeiterin und ihrer (privaten) Rolle als Mutter in einen inneren Konflikt geraten.
- Intra-Rollenkonflikt: An die Rolle einer Person werden unterschiedliche Erwartungen gerichtet, die sich nicht miteinander in Einklang bringen lassen. So kann eine Erzieherin beispielsweise in eine „Zwickmühle“ geraten, wenn sie eine Entscheidung der Leitung persönlich ablehnt, sie aber dennoch umsetzen muss, weil es zu ihren Aufgaben als Teammitglied gehört.
- Person-Rollenkonflikt: Dieser Rollenkonflikt betrifft Menschen, die in eine Rolle gedrängt wurden, die ihren eigenen Wertevorstellungen stark widerspricht. Als Beispiel kann hier eine Kindergartenleitung aufgeführt werden, die selbst überhaupt nicht diese Position einnehmen wollte, vom Träger aber dazu gedrängt wurde und nun in ihrer neuen Rolle überfordert ist.
- Jeder dieser Rollenkonflikte hat nicht nur Auswirkungen auf das einzelne Teammitglied, sondern kann auch für das gesamte Team negative Konsequenzen zur Folge haben, vor allem, wenn der Konflikt nicht erkannt und/oder nicht bearbeitet wird. Wie bereits erläutert wurde, sind die einzelnen Teammitglieder voneinander abhängig und beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Verhalten und ihrer Arbeitsleistung. Deshalb stellen gerade Rollenkonflikte nicht nur für den Einzelnen, sondern für das gesamte Team eine Herausforderung dar, die es zu lösen gilt, wenn sie nicht zu einer dauerhaften Belastung werden soll.
Betrachtet man die interpersonale Perspektive eines Teams näher, so lassen sich Aussagen über die Beziehungen und Konstellationen zwischen einzelnen konkreten Mitarbeiter/innen wagen. Sympathie und Antipathie, Zuneigung und Abneigung, Freundschaften und Feindschaften entstehen überall, wo Menschen aufeinandertreffen, folglich auch in professionellen Kindergartenteams.
Die Qualität solcher intersubjektiven Beziehungen schwingt – bewusst oder unbewusst – bei allen Arbeitsvorgängen mit (vgl. Neuberger 1991, 200) und gerade in Kindergärten kommt der Beziehungsqualität eine ganz besonders hohe Bedeutung zu. Ebenso wie die Interaktion zwischen Erzieher/in und Kind „eines der zentralen Prozessmerkmale“ (Viernickel 2008, S. 71) pädagogischer Arbeit darstellt, wirkt sich auch die Interaktion zwischen den einzelnen pädagogischen Fachkräften nachhaltig auf die Arbeit mit den Kindern aus. Denn das soziale Miteinander im Kindergarten stellt für das Kind ein „Modell für die Gestaltung aktueller und zukünftiger sozialer Kontakte und Beziehungen“ (Viernickel 2008, S. 71) dar, weshalb es für Leitungskräfte durchaus sinnvoll sein kann, die Beziehungen unter den Teammitgliedern näher zu analysieren.
Die Soziometrie ist ein Verfahren, das geprägt durch den Soziologen J.L. Moreno (1892-1974), Methoden zur Verfügung stellt, um Gruppenprozesse zu erfassen und zu beschreiben. So können die Beziehungen innerhalb des Teams beispielsweise durch Beobachtung oder Befragung der Mitarbeiter/innen ermittelt und mithilfe unterschiedlicher Symbole in einer grafischen Darstellung, dem so genannten Soziogramm, sichtbar gemacht werden (vgl. Vollmer 2005c, 105).
Abb. 2: Soziogramm
Für die Leitung können daraus wertvolle Informationen für eine produktive Zusammenarbeit ersichtlich werden. Aus dem Beispiel lassen sich unter anderem folgende Informationen ablesen:
- Grüne Pfeile: Zuneigung (Sympathie),
- Gegenseitige (dicke) grüne Pfeile: gegenseitige Zuneigung,
- Rote Pfeile: Abneigung (Antipathie),
- Gegenseitige (dicke) rote Pfeile: gegenseitige Abneigung,
- Grüne Umrandung: tendenziell beliebtes Teammitglied,
- Blaue Umrandung: tendenziell neutrales Teammitglied,
- Rote Umrandung: tendenziell unbeliebtes Teammitglied.
Diese Informationen können dann beispielsweise für den Einsatz bestimmter Mitarbeiter/innen, die Aufgabenverteilung und die Teamentwicklung im Allgemeinen relevant sein. Allerdings setzt der Einsatz dieser Methode eine stabile Vertrauenskultur im Team und die Akzeptanz aller Mitarbeiter/innen voraus. Besteht diese Basis nicht, empfiehlt es sich, eine derartige Beziehungsanalyse durch eine neutrale externe Person vornehmen zu lassen (vgl. Wagner et al. 2003, S. 120), um Konflikten im Team vorzubeugen.
Gerade die im Soziogramm aufgezeigten Abneigungen einzelner Erzieher/innen zueinander stellen ein potenzielles Konfliktrisiko dar. Konflikte können sich generell sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene abspielen (vgl. Niermeyer 2001, S. 15), wobei jedoch in der Praxis die Grenzen oftmals verwischen; ein Beziehungskonflikt wird auf der Sachebene ausgetragen oder umgekehrt. Zu Konflikten auf der Sachebene kann es beispielsweise kommen, wenn die Teammitglieder im Kindergarten unterschiedliche Zielvorstellungen verfolgen. Solche Meinungsverschiedenheiten können in der Regel aber relativ einfach gelöst und Kompromisse gefunden werden. Weitaus schwieriger hingegen sind die Konflikte auf der Beziehungsebene zu bearbeiten, zumal sie oft verdeckt auftreten.
Ursachen können dabei u.a. eine unklare Rollenverteilung, nicht funktionierende Interaktionen oder frustrierende Beziehungen unter den Erzieher/innen sein (vgl. Niermeyer 2001, S. 16). Solche Konflikte können die Teamarbeit stark behindern. Deshalb ist es wichtig, dass die Kindergartenleitung in der Lage ist, Konflikte im Team sensibel zu erkennen und adäquat zu bearbeiten. Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung von Konflikten ist unter anderem die Bereitschaft aller Beteiligten, eine Lösung zu erarbeiten, ebenso wie Offenheit, Fairness und die verbindliche Einhaltung vereinbarter Regelungen und Kompromisse (vgl. Weber 2006, S. 31).
Chancen und Grenzen im Teambildungsprozess
Inzwischen wurde deutlich: kann nicht jede beliebige Ansammlung von Erzieher/innen kann als Team bezeichnet werden. Ein „echtes“ Team ist kein statisches Gebilde, sondern entwickelt sich erst im Laufe der Zeit nach und nach (vgl. Niermeyer 2001, S. 73). Ebenso entstehen die im letzten Abschnitt beschriebenen Rollen und Beziehungsmuster erst mit der Zeit und sind dynamisch, d.h. veränderbar. Dieser Prozess wird als Teambildung bzw. Teamentwicklung bezeichnet und kann in vier Phasen unterteilt werden, die jeweils von unterschiedlichen Verhaltensmustern der Teammitglieder geprägt sind. Diese einzelnen Phasen sind jedoch nicht scharf voneinander abgegrenzt, sondern gehen vielmehr fließend ineinander über (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 42ff.).
In der ersten Phase, der so genannten Orientierungsphase, die auch als forming bezeichnet wird, sammeln die Teammitglieder zunächst ihre Fragen und tragen Informationen zusammen. Sie versuchen, Ziele zu klären und Methoden zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen. Dadurch lernen sie sich erst einmal gegenseitig kennen und sind in der Regel um gegenseitige Akzeptanz bemüht. Mitgebrachte Werte und Standards der einzelnen Personen fließen in die Gruppe mit ein und werden beleuchtet (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 43f.). Auch Wagner et al. (2003) beschreiben diese vier Phasen der Teamentwicklung und bezeichnen Phase 1 als „Testphase“, die durch einen höflichen, aber unpersönlichen Umgang der Mitglieder untereinander geprägt ist und in der die einzelnen Personen eine gespannte und vorsichtige Haltung einnehmen (S. 125). In dieser ersten Phase geht es also hauptsächlich darum, zunächst den Kontakt zu den einzelnen Teammitgliedern herzustellen und eine gemeinsame Basis für die Arbeit zu finden.
In der zweiten Phase, der Kampfphase (auch storming genannt), entstehen Entweder-Oder-Muster. Das heißt, die einzelnen Mitglieder definieren ihre Aufgabenrollen und dabei kann sich Widerstand gegen die einzelnen Aufgaben und/oder die gewählten Methoden regen. In dieser Phase sind laut Sell/Jakubeit (2007, S. 44) unregelmäßige Interaktionen zwischen den Teammitgliedern beobachtbar und es kann zu Cliquenbildung kommen.
Aber auch unterschwellige Konflikte können auftreten, da die Gruppenmitglieder in dieser Phase um Status und Macht kämpfen. Wagner et al. (2003, S. 125) ergänzen, dass diese Phase durch ein mühsames Vorwärtskommen gekennzeichnet ist und die Mitglieder häufig ein Gefühl der Ausweglosigkeit überkommt. Das norming bezeichnet die drauffolgende dritte Phase, die Organisationsphase. In dieser Phase entwickeln sich neue Umgangsformen und Verhaltensweisen untereinander (vgl. Wagner et al. 2003, S. 125). Die einzelnen Mitarbeiter/innen bauen ihre Beziehungen weiter aus und fühlen sich zunehmend wohler im Team. Die Atmosphäre ist durch Harmoniebestrebungen und Konfliktvermeidung gekennzeichnet und das Team ist stark mit sich selbst beschäftigt. Auf der Sachebene klären die Beteiligten ihre Standpunkte offen miteinander und suchen kooperativ nach neuen Lösungen, doch das Vorwärtskommen gestaltet sich meist noch immer mühsam (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 44f.).
Erst die vierte Phase ist schließlich charakterisiert durch eine ideenreiche, flexible, offene und leistungsfähige Zusammenarbeit der Teammitglieder, sowie einen hilfsbereiten und solidarischen Umgang miteinander (vgl. Wagner et al. 2003, S. 125). Sie wird als Integrations- und Produktivitätsphase bzw. performing bezeichnet (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 45). Wagner et al. (2003, S. 125) sprechen auch von der Verschmelzungsphase. Das Team arbeitet nun endlich weitgehend selbstorganisiert, wobei der Umsetzung von Maßnahmen eine ganzheitliche Planung und Steuerung vorausgeht (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 45). In dieser Phase nehmen Polaritäten ab und stattdessen entsteht ein starkes Wir-Gefühl innerhalb des Teams. Die Mitarbeiter/innen geben einander Feedback und reflektieren gemeinsam ihre Aufgabenerfüllung. Der Verhaltenskodex innerhalb der Einrichtung ist nun geklärt und die einzelnen Erzieher/innen übernehmen Verantwortung, wobei die Zuständigkeitsbereiche und Entscheidungsspielräume klar definiert und verbindlich geregelt sind (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 45).
Einen solchen Teamentwicklungsprozess zu initiieren, bedeutet also immer, bewusst Veränderungen herbeizuführen, die sowohl die Gruppe als Gesamtheit, die Zusammenarbeit im Team als auch jedes Teammitglied individuell und persönlich betreffen (vgl. Möller/Möller 2007, S. 50). Dabei dient Teamentwicklung vorrangig dem Zweck, strukturelle Fragen zu klären und Arbeitsabläufe so zu regeln, dass die Effektivität der Zusammenarbeit im Kindergarten gesteigert wird. Betroffen sind davon vier unterschiedliche Ebenen, die im Rahmen des Teamentwicklungsprozesses von den Teammitgliedern gemeinsam bearbeitet und geklärt werden müssen (vgl. Sell/Jakubeit 2007, S. 40f.):
- Aufgaben und Ziele der Einrichtung: Dazu gehört es, gemeinsam Ziele zu entwickeln, die Aufgabenbereiche festzulegen und Kompetenzen zu klären.
- Strukturen innerhalb des Teams: Hier müssen die Teammitglieder sich unter anderem über Informationswege und Kommunikationsstrukturen innerhalb ihres Teams einigen und Wege für Entscheidungsfindungen festlegen.
- Das Team als Ganzes: Auf dieser Ebene geht es darum, den Gruppenzusammenhalt zu fördern und ein positives Arbeitsklima zu schaffen, aber auch den Umgang mit Konflikten zu regeln.
- Die einzelnen Mitarbeiter/innen: Die einzelnen Mitarbeiter/innen müssen lernen, Vertrauen zueinander aufzubauen und die jeweiligen Stärken und Schwächen, persönlichen Ziele und Einstellungen einander transparent zu machen.
Ebenso wie sich die vier Phasen der Teamentwicklung nicht scharf voneinander abgrenzen lassen, können auch diese vier Ebenen nicht immer klar getrennt werden. Die Bearbeitung dieser Aufgabenfelder kann innerhalb des Teamentwicklungsprozesses durchaus auf mehreren Ebenen parallel erfolgen. In der vierten Phase der Teamentwicklung, der performing-Phase, sind schließlich alle Ebenen erfolgreich bearbeitet. Deshalb werden Teams, die sich in diesem Stadium befinden, oft auch als „Hochleistungsteams“ bezeichnet (vgl. Niermeyer 2001, S. 12). In dieser Phase können sowohl die einzelnen Mitarbeiter/innen als auch das Team als Ganzes die bestmöglichen Leistungen erbringen, da sie sich mittlerweile einander verpflichtet fühlen, füreinander und für die „gemeinsame Sache“ Verantwortung übernehmen und „Hand in Hand“ arbeiten.
Allerdings weisen Wagner et al. (2003, S. 126) darauf hin, dass diese Phase nicht als Endstation der Teamentwicklung betrachtet werden kann. Sie beschreiben zudem eine 5. Phase, die Niedergangsphase, in der die Leistungskurve wieder signifikant fällt. In der Regel tritt dieses Phänomen spätestens ab dem vierten Jahr der Zusammenarbeit auf. Nach dieser Krise bedarf es einer eingehenden Revitalisierung des Teams, um sowohl die emotionale Basis der Teammitglieder als auch das Leistungsniveau wieder zu stärken. Den Teamentwicklungsprozess zu steuern und immer wieder neu in Gang zu bringen, fällt in den Aufgabenbereich der Leitung. Mit welcher Methode sie Einfluss auf die Teamentwicklung nehmen kann wird im nächsten Abschnitt dargestellt. Zunächst soll jedoch genauer betrachtet werden, welcher konkrete Zusammenhang zwischen Teamentwicklung und der Effektivität der Arbeit in Kindergärten besteht.
Abb. 3: Die Phasen der Teamentwicklung (vgl. o.A.2010a www.ptakoeln.de)
Auswirkungen der Teamentwicklung auf die Arbeitsprozesse im Kindergarten
Der Begriff Effektivität ist ursprünglich dem betriebs- und volkswirtschaftlichen Fachvokabular zuzuordnen und bedeutet übersetzt „Wirksamkeit“. Sell (2007) definiert Effektivität als „Grad der Zielerreichung“ und somit als „Maßstab für den Output“ (S. 23). Gemeint ist damit, dass durch konkretes Handeln bestimmte Wirkungen erzielt und zuvor gesetzte Ziele erreicht werden sollen. Die Mitarbeiter/innen sollen also die „richtigen Dinge tun“ (Sell 2007, S. 23). Die Effektivität von Arbeitsprozessen wird folglich weitgehend am Ergebnis gemessen, wobei die Qualität des Ergebnisses von den definierten Zielen abhängt (vgl. Sell 2007, S. 26).
Im Gegensatz zu produzierenden Unternehmen, in denen die Effektivität der Arbeitsprozesse beispielsweise an der Stückzahl der fertig gestellten Produkte gemessen werden kann, lässt sich weder im Bildungsbereich noch im sozialen Dienstleistungsbereich die Wirksamkeit pädagogischen Handelns exakt bestimmen und auch kaum messen (vgl. Sell 2007, S. 25). Die Gründe dafür liegen im Prozesscharakter pädagogischer Abläufe und ihrer Komplexität. Insbesondere die Tatsache, dass die „Leistung“ eines Kindergartens (z.B. Bildung und Erziehung) die Mitwirkung des „Kunden“ (in erster Linie der Kinder) erfordert, sowie das Fehlen eindeutiger Ursachen-Wirkungs-Beziehungen erschweren die Definition und Messbarkeit der Ergebnisqualität pädagogischer Arbeit erheblich.
Ebenso kann die Effektivität der Zusammenarbeit innerhalb des Kindergartenteams nur sehr komplex dargestellt werden. Ein „wirksam“ zusammenarbeitendes Team zeichnet sich durch Disziplin, Selbstverantwortlichkeit und Leistungswille aus. Die Mitarbeiter/innen verfolgen gemeinsam dieselben Ziele und legen dazu Arbeitsstrategien und Standards fest, um herausragende Leistungen zu erreichen (vgl. Möller/Möller 2007, S. 57f.).
Im Folgenden bezieht sich der Begriff Effektivität in erster Linie auf die Zusammenarbeit im Team und die Arbeitsprozesse der pädagogischen Fachkräfte. So lässt sich beispielsweise eine effektive Teambesprechung im Kindergarten daran erkennen, dass alle Teammitglieder über die Tagesordnungspunkte informiert und gut vorbereitet sind und sich offen und sachlich in Diskussionen einbringen. Die Zeiteinteilung ist gut durchdacht und die einzelnen Tageordnungspunkte werden gründlich erörtert, ohne dabei vom Thema abzuschweifen oder sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren. Wenig Wirksamkeit kann hingegen aus einer Teambesprechung hervorgehen, die durch Nebengespräche, unmotivierte Teammitglieder und/oder eine schlechte Gesprächsführung gekennzeichnet ist.
Zuvor wurde bereits der Prozess der Teamentwicklung und die damit verbundenen Chancen und Grenzen dargestellt. Der Verlauf dieses Teamentwicklungsprozesses zeigt deutlich, dass die Effektivität der Arbeit zunimmt, je stärker das Team zusammenwächst und die einzelnen Mitglieder sich mit der Gruppe und den an sie gestellten Aufgaben identifizieren können. In der ersten Phase geht es hauptsächlich darum, zunächst den Kontakt zu den einzelnen Teammitgliedern herzustellen und eine gemeinsame Basis für die Arbeit zu finden. Große Effektivität und ein hohes Leistungsniveau können demzufolge an dieser Stelle noch nicht erwartet werden. Während in Phase 2 die Leistungen des Teams sogar abfallen und zunächst die Fronten geklärt werden müssen, geht es in Phase 3 langsam bergauf und das Kollegium entwickelt sich nun zunehmend zu einem „echten“ Team, das in Phase 4 dann sein volles Potenzial entfaltet.
Die einzelnen Teammitglieder müssen effektives Zusammenarbeiten also von- und miteinander erlernen. Dieses Lernen geschieht in kleinen Schritten und umfasst zunächst Teilziele wie: aufeinander zugehen, Aufgaben gleichmäßig verteilen, offen die eigene Meinung äußern, mit abweichenden Meinungen konstruktiv umgehen, Konflikte austragen und gemeinsam Lösungen finden, den Kollegen Vertrauen schenken, gemeinsam Verantwortung übernehmen usw. (vgl. Besemer et al. 1998, S. 47). Gelingt dieses gemeinsame Von- und Miteinander-Lernen, können sowohl die einzelnen Erzieher/innen als auch das Team als Ganzes ihre Handlungskompetenzen zunehmend erweitern, wobei gleichzeitig die Gruppenkohäsion zunimmt. Dadurch entwickelt sich aus einer Arbeitsgruppe nach und nach ein echtes Team und die Effektivität der Zusammenarbeit nimmt langsam zu. Das bewirkt u.a.
- eine Steigerung der Flexibilität,
- die Erhöhung der Kreativität und Innovationsbereitschaft,
- eine Verbesserung des Problemlöseverhaltens,
- eine erhöhte Identifikation mit den Zielen der Einrichtung,
- die Steigerung der Kooperationsbereitschaft,
- ein vertrauensvolles Klima und stabile zwischenmenschlichen Beziehungen,
- die Übereinstimmung individueller Werte, Normen und Ziele (vgl. Besemer et al. 1998, S. 41).
Mit der Zeit entstehen so Synergie-Effekte, die es ermöglichen, die Stärken eines jeden Teammitglieds zu aktivieren und die Schwächen zu kompensieren, sowie die vorhandenen Ressourcen innerhalb des Kindergartens optimal zu nutzen. Probleme können schneller und besser erkannt und Fehler gegenseitig festgestellt und korrigiert werden. Im Idealfall nehmen die Teammitglieder Rücksicht auf die Bedürfnisse des Einzelnen, wodurch die individuelle Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft erhöht werden (vgl. Besemer et al. 1998, S. 51).
Ein Höchstmaß an Effektivität erreichen so genannte Hochleistungsteams (Phase 4), die sich durch folgende Merkmale auszeichnen (vgl. Niermeyer 2001, S. 19):
- sehr gutes Arbeitsklima,
- Kommunikation und Interaktion,
- starkes Wir-Gefühl,
- Partizipation aller Teammitglieder,
- Verantwortungsbereitschaft,
- Bereitschaft zur Weiterentwicklung und Weiterbildung,
- Offenheit,
- Ziel- und Mitarbeiterorientierung,
- Hohes Engagement aller Teammitglieder,
- gegenseitige Unterstützung,
- konstruktives Konfliktmanagement.
Teams können aber nur dann wirklich effektiv arbeiten, wenn „Beziehungsaspekte gegenüber inhaltlichen Ansprüchen nicht vernachlässigt werden“ (Besemer et al. 1998, S. 49). Denn erst ein wertschätzendes und offenes Verhalten gegenüber den Kollegen und Kolleginnen schafft die notwendige Voraussetzung für eine konstruktive ziel- und aufgabenorientierte Zusammenarbeit. Gerade im Kindergarten bedeutet Teamarbeit insbesondere auch „sich mit der Arbeit, den Zielen und fachlichen Aufgaben der eigenen Einrichtung zu identifizieren, um dem Haus ein unverwechselbares Profil zu geben“ (Krenz 2002, o.S.).
Dazu ist es notwendig „motiviert, neugierig und engagiert, innovativ und integrativ an einer Teamkultur mitzuarbeiten, sodass trotz aller neu auftauchenden Probleme und Fragestellungen das Klima für sachorientierte Pädagogik hergestellt ist“ (ebd.). Schließlich ist das Team eines Kindergartens die Basis für die pädagogische Qualität. Die Effektivität der Zusammenarbeit der pädagogischen Fachkräfte beeinflusst nachhaltig die Arbeit mit den Kindern, denn das von den Erzieher/innen gelebte Interaktions- und Kommunikationsverhalten wird von den Kindern (und nicht zuletzt auch von den Eltern) wahrgenommen und hat eine hohe Vorbildfunktion insbesondere bzgl. sozialer Erziehungs- und Lernziele. Umso wichtiger ist es, dass es den Teammitgliedern gelingt, den eigenen Auftrag bzw. die eigenen Ziele zu klären und sich kontinuierlich kritisch mit dem „Output“ der eigenen Arbeit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig muss dabei eine Teamkultur praktiziert werden, die ein starkes Wir-Gefühl entstehen lässt, denn nur so können jene Synergie-Effekte erzielt werden, die das „Mehr“ als die Summe der Einzelleistungen der Teammitglieder bedeuten (vgl. Rohnke 2001).
Allerdings birgt ein zu starkes Wir- Gefühl auch gewisse Risiken, denn je stärker die Gruppenkohäsion ausgeprägt ist, desto größer ist auch die Gefahr „zu eingespielt“ zu arbeiten und blind zu werden gegenüber den eigenen Fehlern. Auch ein zu großes Harmoniebestreben und extreme Kompromissbereitschaft beeinträchtigen die Effektivität der Teamarbeit, wenn „um des lieben Friedens Willen“ Probleme nicht angesprochen und verschiedene Möglichkeiten nicht ausdiskutiert werden. Außerdem ist es denkbar, dass einzelne Erzieher/innen durch einen starken Gruppenzwang in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und der Ausschöpfung ihres Potenzials behindert werden (vgl. Niermeyer 2001, S. 17).
Abb. 5: Korrelation zwischen Gruppenkohäsion und Effektivität der Teamarbeit
Literatur
Besemer, Ingrid et al. (1998). Team(s) lernen Teamarbeit. Lernkonzepte für Gruppen- und Teamarbeit. Ein Projekt der Bildungspartnerschaft der pädagogischen Hochschulen mit Unternehmen in Baden-Württemberg. 1. Auflage. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
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Iacocca, Lee (o.D.). zit. n. http://www.zitate.de/stichwort-Team.html
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Schindler, Raoul (o.D.). zit.n. Möller, Jens-Christian / Schlenther-Möller, Esta (2007). Kita-Leitung. Leitfaden für Qualifizierung und Praxis. 1.Auflage. Berlin: Cornelsen Verlag.
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Sell, Stefan / Jakubeit, Gudrun (2007). Leitungsfunktionen im strukturellen Wandel. Studienbuch 3 zum Bildungs- und Sozialmanagement. 2. Auflage. Remagen: ibus-Verlag.
Strehmel, Petra (2008). Personalmanagement in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Teil 1: Psychologische Grundlagen. Studienbuch 13 zum Bildungs- und Sozialmanagement. 2. Auflage. Remagen: ibus-Verlag.
Viernickel, Susanne (2008). Qualitätskriterien und –standards im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Studienbuch 14 zum Bildungs- und Sozialmanagement. 2.Auflage. Remagen: ibus-Verlag.
Vollmer, Knut (2005a). Artikel: Kindergarten. In Das Fachwörterbuch für Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte. 5. Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder-Verlag.
Vollmer, Knut (2005b). Artikel: Team/Teamarbeit. In Das Fachwörterbuch für Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte. 5. Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder-Verlag.
Vollmer, Knut (2005c). Artikel: Erfassung und Beschreibung von Gruppenprozessen. In Das Fachwörterbuch für Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte. 5. Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder-Verlag.
Wagner, Karl / Rex, Bern / Eicher, Monika (2003). Praktische Personalführung. Eine moderne Einführung. 3. Auflage. Wiesebaden: Gabler Verlag.
Weber, Kurt (2006). Basiswissen Kita. Erfolgreiche Gesprächsführung in der Kita. Sonderheft von „kindergarten heute – Fachzeitschrift für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern“. 1. Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.
Weltzien, Dörte (2007). Sozialwissenschaftliche Grundlagen. Studienbuch 1 zum Bildungs- und Sozialmanagement. 2. Auflage. Remagen: ibus-Verlag.
Zur Autorin
Isabelle P. Dettling (M.A.) ist staatlich anerkannte Sozialpädagogin und Erzieherin. Sie verfügt über mehr als zwanzig Jahre Berufs- und Leitungserfahrung in Krippe, Kindergarten und Hort. Berufsbegleitend hat sie an der Hochschule Koblenz Bildungs- und Sozialmanagement mit Schwerpunkt Frühe Kindheit (B.A.) studiert und im Anschluss daran ihr Master-Studium im Bereich Erwachsenenbildung an der TU Kaiserslautern erfolgreich absolviert. Außerdem ist sie seit vielen Jahren als Dozentin in der Weiterbildung Frühpädagogischer Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen und in der Familienbildung tätig.