Singapur: Eltern von Kleinkindern sind sehr leistungsorientiert

Martin R. Textor

Mehrere von Pamela Sharpe (1991) durchgeführte Studien in Singapur ergaben, dass die Eltern von Kleinkindern hohe Erwartungen an deren Leistungen in Kindertageseinrichtungen stellen. Sie erwarten eine weitgehend an Schulfächern orientierte Bildung ihrer Kinder.

Zunächst befragte Sharpe 935 Eltern mit Kindern im Vorschulalter und stellte fest, dass diese einen längeren Unterricht, mehr Mandarin und Mathematik, mehr Tests und mehr Hausaufgaben wünschten. Auch wollten sie, dass den Kindern mehr Arbeitsblätter mit nach Hause gegeben werden. Die Zeit für das Spielen, Malen und Basteln solle hingegen gekürzt werden. Die Eltern wollten mehr in die Bildung und Erziehung ihrer Kinder einbezogen werden. Auch wünschten sie sich mehr Informationen über die Fortschritte, die ihre Kinder machen. Bei irgendwelchen Schwierigkeiten wollten sie so früh wie möglich unterrichtet werden und mehr Gelegenheiten haben, diese mit den Fachkräften zu besprechen.

Später interviewte Sharpe 60 Elternpaare:

  • 93% der Befragten sahen in der Elternbeteiligung eine Verpflichtung der Eltern (7% nicht).
  • 96% sahen in der Elterninformation eine grundlegende Verpflichtung der Kindertageseinrichtungen (5% nicht), aber nur 48% fühlten sich über die Fortschritte ihres Kindes derzeit gut informiert (52% nicht); 92% forderten bessere Kommunikationswege (7% nicht).
  • 56% der Eltern meinten, dass Erziehung und Bildung eine Angelegenheit der Fachkräfte seien - 45% stimmten dem nicht zu.
  • 90% der Eltern wünschten sich generell mehr Gelegenheiten, freiwillig in der Einrichtung mitzuarbeiten (10% nicht); 73% wären dazu bereit (27% nicht), und 50% forderten Workshops für Freiwillige (50% nicht).
  • 93% der Eltern wünschten sich Unterstützung, wie sie ihrem Kind daheim beim Lernen helfen können (7% nicht); 87% forderten entsprechende Workshops (13% nicht).
  • 51% der Eltern sprachen sich für einen Elternbeirat aus (49% nicht).

Bei einer weiteren Befragung, dieses Mal von 50 Elternpaaren, fand Sharpe heraus, dass die Eltern, insbesondere die besser gebildeten, mit ihren Kindern viel Zeit mit Vorlesen, Rollenspiel und Brettspielen verbrachten. Mit Puppen oder Legobausteinen wurde hingegen eher selten gemeinsam gespielt.

Die hohen Erwartungen der Eltern an die kognitive Förderung ihrer Kinder und an die Elternarbeit wurden von den 185 befragten Fachkräften ambivalent gesehen. Einerseits hielt die Mehrheit eine Beteiligung der Eltern und ein besseres Kommunikationssystem für wichtig. Sogar mehr Lehrkräfte als Eltern befürworteten Workshops, in denen Eltern lernen, wie sie ihren Kindern zu Hause helfen können. Andererseits wollten die meisten Fachkräfte kein Bildungsprogramm in ihren Einrichtungen, wie es den Eltern vorschwebte. Auch waren sie der Meinung, dass sie mehr für die Bildung der Kinder tun würden, als die Eltern wahrnähmen. Die meisten Lehrkräfte wollten nicht, dass Eltern gemeinsam mit den Kindern in der Einrichtung "arbeiten". In größerem Maße als die Eltern sahen sie aber als deren (freiwillige) Aufgabe an, Ressourcen, Materialien und Informationen zur Verfügung zu stellen.

Fazit

Die Studie von Pamela Sharpe zeigt, dass in Singapur Eltern schon an Kleinkinder hohe Leistungserwartungen richten und dementsprechend hohe Anforderungen an Kindertageseinrichtungen hinsichtlich eines Bildungsprogramms stellen. Auch wünschen sie sich einen intensiven Austausch mit den Fachkräften über die (kognitive) Entwicklung ihrer Kinder. Viele Eltern sind durchaus bereit, in der Kindertageseinrichtung freiwillig mitzuarbeiten. Die meisten Lehrkräfte lehnen dies jedoch ab; auch bevorzugen sie einen eher "kindzentrierten Ansatz" gegenüber einem Lernprogramm. So sind Konflikte vorprogrammiert.

Literatur

Sharpe, P.: Parental involvement in preschools, parents' and teachers' perceptions of their roles. Early Child Development and Care 1991, 71, S. 53-62

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