Einblick in die Kindergartenerziehung in Ungarn

Krisztina Kovács

Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in die ungarische Kindergartenerziehung. Es wird die Etablierung der ungarischen Kindergärten beleuchtet und einen Überblick über einige nationale Kennzahlen der Kindergärten aufgrund der Statistiken gegeben, wie z.B. über die Anzahl der Kindergärten sowie über die Bildungsbeteiligung der Kinder in den Kindergärten. Der Artikel beschäftigt sich mit den wichtigsten Merkmalen der Kindergartenerziehung mit Rücksicht auf die gesetzlichen Regelungen und pädagogische Dokumente und stellt die Eigenarten der Qualifikation der Kindergärtner*innen in Ungarn dar. Das Wort Kindergärtner*innen[i] wird im ungarischen pädagogischen Kontext interpretiert.

Etablierung der Kindergärten

Die Kindergärten haben einen langen Entwicklungsprozess in Ungarn. Ihre Geschichte blickt auf eine 200 Jahre alte Vergangenheit zurück. Die Kindergärten feierten im Jahre 2018 das 190-jährige Bestehen des Kindererziehungswesens.

Am 1. Juni 1828 eröffnete Therese Brunswick[ii] den ersten Kindergarten Ungarns unter dem Namen „Angyalkert“, auf Deutsch lautet es „Engelsgarten“ in Buda. Später wurde die Einrichtung nach Friedrich Fröbel Kindergärten genannt. Therese Brunswick war eine der ersten Personen Anfang des 19ten Jahrhunderts, die die Aufmerksamkeit auf die 2 bis 7-jährigen Kinder gelenkt hat. Die Gebühren betrugen eine symbolische Summe, einen Kreuzer.

Brunswicks Ziel war Betreuung und Versorgung für Kinder und Eröffnung der Kleinkinderschulen für die Kinder armer Familien. Dementsprechend bemühte sich das Erziehungspersonal nicht nur um die Betreuung, sondern auch um eine Grundbildung und Erziehung durch Gebet, biblische Geschichten, Sprichwörter, Spiele, Singen, Naturkunde und vieles mehr. Die älteren Kinder wurden auch mit dem Lesen und Schreiben bekannt gemacht. Brunswick formulierte ihre nächsten Ziele: Schulen für die Kinder armer Familien zu eröffnen sowie sich für die Gleichberechtigung der Frauen einzusetzen und sie für die Kindergartenerziehung auszubilden. Der erste Erzieher war ein Volksschullehrer Mattäus Kern (Szinnyei, 1891). Bis zum Tod von Therese Brunszwick wuchs im Jahr 1861 die Zahl der Einrichtungen öffentlicher Kleinkindererziehung in Ungarn auf 80 und danach verbreiteten sie sich schnell (Berza, 1993). Brunwicks Motto hieß „Die frühe Erziehung ist das Wichtigste. Was der Mensch als Kind sieht, das hilft ihm in seinem ganzen Leben, dass es sich nach dem Guten orientiert” (Hornyák, 2002). Der Kindergarten und seine Erziehungsrichtlinien wurden im 19. und 20. Jahrhundert weiterentwickelt und mit der Erziehung vor und nach dem Kindergartenalter abgestimmt.

Gegenwärtige bildungsstatistische Angaben

Im Schuljahr 2020/2021 nahmen in Ungarn 1.812 000 Kinder und Jugendliche (der betroffenen Lebensalter von 3 bis 22) an der Tagesausbildung in den diversen Einrichtungen des öffentlichen Bildungswesens und Hochschulwesens teil. Im Vergleich zum Schuljahr 2017/2018 waren es annähernd 56.000 Kinder weniger. Der Anteil der Kinder in den einzelnen Bereichen des öffentlichen Bildungssystems gestaltete sich unterschiedlich. Die Anzahl der Kinder in den Kindergärten sank im Vergleich zum Schuljahr 2019/2020 um 322.713 Personen, es waren 7.800 Personen weniger. Letztes Schuljahr (2020/2021) lernten 729.300 Schüler*innen in der Grundschulbildung und 469.500 Schüler*innen in der Mittelschulbildung (vgl. Statisztikai tükör, 2021).

Die unterstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Anzahl der Kindergärten und den Anteil der Kinder in Kindergärten sowie über die Anzahl der Kindergärtner*innen in den letzten Jahren.

Tabelle 1: Aktuelle statistische Daten zur Kindergartenbetreuung (vgl. KSH, 2021)

Schuljahr

 

2015/16

2016/17

2017/18

2018/19

2019/20

2020/21

Anzahl der Kindergärten

4.564

4.574

4.579

4.598

4.608

4.575

Anzahl der Kinder in den Kindergärten

321.010

317.500

322.740

326.600

330.500

322.713

Anzahl der Kindergärtner*innen

31.484

31.462

31.476

31.313

31.054

30.957

Im Schuljahr 2020/2021 gab es 4.574 Kindergärten. Die Träger der Kindergärten können Staat, Selbstverwaltung, Minderheitenselbstverwaltung, Kirche, religiöse Tätigkeiten verrichtende Organe oder andere Privatpersonen bzw. andere Organisationen werden. Die Mehrheit der Kindergärten knapp 84 % wurde im Jahr 2019 von Kommunen und staatliche Träger (knapp 84 %) betrieben. In den letzten Jahren hat die Anzahl der kirchlichen Kindergärten am dynamischsten gewachsen, ihr Anteil nimmt seit 2010 stetig zu, im Schuljahr 2019 wurden 8,8 % der Kindergärten von kirchlichen Trägern betrieben.

Im Schuljahr 2020/2021 war die Zahl der Platzbelegungen 386.134 in den Kindergärten, etwa gleich wie im Jahr davor. Die Statistik zeigt, dass der Anteil der Kindergärtner*innen an den Kindergärten insgesamt bei 30.957 Personen lag, was annähernd gleich ist, wie im Vorjahren. Im Schuljahr 2020/2021 kamen ländlichen Durchschnitt 10,4 Kinder auf eine Kindergartenpädagogin/Kindergartenpädagoge und 21,5 Kinder auf eine Gruppe. Von diesen waren 10.310 Kinder mit besonderen Bedürfnissen[iii] (auf Deutsch bezeichnet als Kinder mit Förderschwerpunkt) (vgl. KSH, 2021). 81 % der Kinder mit besonderen Bedürfnissen nahmen in der integrativen Kindergartenerziehung teil. Durch das Bildungsgesetzt vorgeschriebenen minimalen maximalen und die durchschnittlichen Kinderzahlen in einer Kindergartengruppe können zwischen 13-25 Personen sein.

Bei der Kinderzahl muss der Förderschwerpunkt eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigt werden. Kinder mit leichter geistiger Behinderung, Sprachbehinderung oder psychischen Entwicklungsstörung zählen für zwei Kinder und Kinder mit körperlicher Behinderung, Hör-/Sehbehinderung, mittelgradiger geistiger Behinderung, Autismus-Spektrum-Störung oder schwerstbehinderte Kinder zählen für drei Kinder.

Erziehung in dem Vorschulbereich

Das Grundgesetz (Ungarns Grundgesetz vom 25. April 2011) bestimmt in Ungarn die politischen und rechtlichen Grundordnungen des Landes. Es deklariert z.B. die Gewissens- und Religionsfreiheit, die freie Meinungsäußerung sowie die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und des Unterrichts. Im Jahre 2011 wurde das Gesetz über das öffentliche Schulwesen veröffentlicht. Der Struktur und Aufbau und die Schulpflicht des öffentlichen Schulsystems wird durch das landesweit gültige Bildungsgesetz Nr. CXC/2011 über die nationale öffentliche Erziehung geregelt.

Das ungarische System der frühpädagogischen Einrichtungen ist in zwei Ebenen gegliedert: Die Kinderkrippen unter 3 Jahren und die Kindergärten für Kinder zwischen 3 Jahren und dem Pflichtschuleintritt. Für beide Sektoren ist das Ministerium für Humanressourcen zuständig, innerhalb dessen die Kinderkrippen in der Verantwortung des Staatsministers für Familie und Jugend und die Kindergärten in der Zuständigkeit des Staatsministers für Schulen liegen.

Frühpädagogische Einrichtungen für Kinder unter 3 Jahren werden durch die Gesetzgebung reglementiert, die sich auf die Kinderrechte, das Wohlergehen der Kinder und den Kinderschutz bezieht. Daher sind sie Teil des Wohlfahrtssystems, während Für die Betreuung der Kinder unter 3 Jahren stehen mehrere Tageseinrichtungen zur Verfügung, wie z.B. Kinderkrippe, Spielhaus, Familientagesheim. Diese Einrichtungen können freiwillig in Anspruch genommen werden. Sie gehören zum Sozialsystem und sind freiwählbare Angebote. Die Kinderkrippe ist eine sehr verbreitete Form der Tagesbetreuung der Kinder, die in Ungarn einen professionellen geschichtlichen Hintergrund hat. Die erste Einrichtung wurde im Jahre 1852 in Budapest eröffnet. Einrichtungen für Kinder zwischen 3 Jahren und dem Pflichtschuleintritt zum Bildungssystem gehören.

Das Landbasisprogramm für die Erziehung-Betreuung in Kinderkrippen bestimmt aufbauend die Verordnungen für die Pflege und Erziehung-Betreuung der Kinder unter 3 Jahren, die Traditionen, die Werte und die nationale Merkmale der Erziehungsgeschichte in der Kinderkrippe, sowie die Ergebnisse der frühpädagogischen Forschungen unter Beachtung von Ungarns Grundgesetz (25. April 2011).

Das Ziel der Kinderkrippe ist es, dass die Kleinkinder diejenigen Fähigkeiten erwerben, die ihnen dabei helfen, dass sie sich wirkungsvoll und ausgeglichen in ihrer kulturellen Umgebung benehmen und sich an deren Veränderungen anpassen können. Die Erziehung der Kinder ist in erster Linie das Recht und die Pflicht der Familie und dabei spielen die Kinderkrippen eine ergänzende Rolle (Anlage zur 6/2016. (III. 24.) Verordnung des Ministeriums für Humanressource).

Der Kindergarten stellt die erste Stufe des öffentlichen Bildungssystems dar. Die Kindergärten für Kinder zwischen 3 Jahren und dem Pflichtschuleintritt gehören zum Vorschulbereich des öffentlichen Bildungssystems und dieser wird durch das landesweit gültige Bildungsgesetz Nr. CXC/2011 geregelt. Die Öffnungszeit der Kindergärten beträgt täglich mindestens acht Stunden. Sie kann mit Zustimmung des Trägers gesenkt werden. Seit 2015 ist der Kindergartenbesuch in Ungarn ab dem 3. Lebensjahr mit mindestens vier Stunden bis zum sechsten – maximal siebten Lebensjahr – als Pflicht vorgeschrieben. Das Kind kann eine Befreiung vom Kindergartenbesuch bis zu seinem 5. Lebensjahr bekommen, wenn es sein familiärer Umstand, seine Fähigkeitsentwicklung oder seine besondere Lage rechtfertigt.

Richtlinien der Kindererziehung wird durch die Regierungsverordnung 363/2012. (XII. 17.) über das Landesbasisprogramm für die Erziehung in Kindergärten geregelt, anhand derer die Kindergärten im Einklang damit ihre eigenen ausführlichen pädagogischen Programme erstellen können. Es dient als Garantie dafür, dass neben der fachlichen Selbstständigkeit der einzelnen Tageseinrichtungen und der Vielfalt der Erziehung in Kindergärten die allgemeinen Ansprüche durchgesetzt werden, die die Gesellschaft mit Beachtung der Interessen des Kindes in der Erziehung fordert. Das Grundprogramm für die Kindergärten wurde seit 2012 mehrmals verändert. Das Landesbasisprogramm enthält die für die Institutionen vorgeschriebenen Rahmenkonzeptionen der pädagogischen Arbeit (das Kinderbild, Kindergartenbild, die Aufgaben der Kindergartenerziehung, die Grundsätze der Organisation des Lebens im Kindergarten, Tätigkeitsformen des Lebens im Kindergarten und Aufgaben der Kindergartenpädagog*innen und Entwicklungscharakteristiken am Ende der Kindergartenzeit), die sich auf alle Kindergärten beziehen.

Das Ziel und die Aufgabe des ab dem 3. Lebensjahr obligatorischen Erziehungsprozesses ist die Förderung der harmonischen körperlichen und sozialen Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder. Ziel ist es, die vielseitige und harmonische Entwicklung der Kinder, die Entfaltung der Persönlichkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Altersstufe und des Individuums und der abweichenden Entwicklungsphasen zu fördern. Inklusive auch die Betreuung der Kinder, die erhöhte Aufmerksamkeit[iv] beanspruchen. Die Aufgabe der Erziehung im Kindergarten ist die Befriedigung der physischen und psychischen Bedürfnisse des Kindes. Dazu gehören: (1) Gestaltung einer gesunden Lebensweise, (2) emotionale, moralische und wertorientierte gesellschaftliche Erziehung; (3) Verwirklichung der muttersprachlichen, geistigen Entwicklung und Erziehung.

Zur gesunden Entwicklung des Kindes sichert die Tagesordnung in ihrer Planung der Tätigkeitsformen in entsprechenden Zeiträumen die Bedingungen. Die Tätigkeitsformen des Lebens im Kindergarten sind: (1) Spiele, (2) Gedichte und Märchen, (3) Gesang, Musik, Singspiele und Volkstanz, (4) Zeichnen, Malen, Modellieren, Handarbeit, (5) Bewegung, (6) Aktives Kennenlernen der Außenwelt, (7) Tätigkeiten mit Arbeitscharakter wie z.B. Selbstbedienung, den Erzieher*innen zu helfen, Natur-, Pflanzen- und Tierpflege), (8) die in den Tätigkeiten verwirklichendes Lernen. Es soll zwischen den Tätigkeiten innere Proportionen geschafft werden.

Das lokale pädagogische Programm der einzelnen öffentlichen Kindergärten sollen aufgrund des Landesbasisprogramms für die Erziehung in Kindergärten selber erstellt werden. Das lokale pädagogische Programm bildet einen bedeutenden Teil des pädagogischen Kindergartenprogramms, der aufgrund des Profils des Kindergartens ausgearbeitet ist. Die in dem Landesbasisprogramm formulierten Anforderungen werden in lokalen inhaltlichen Regelungen so konkretisiert, dass entsprechend den Gegebenheiten vor Ort eigene Schwerpunktsetzungen herausgearbeitet werden. Es enthält neben den allgemeinen Richtlinien die speziellen Erziehungsinhalte des gegebenen Kindergartens wie zum Beispiel „religiöse Erziehung” oder „Grüner Kindergarten”. Die lokalen pädagogischen Programme werden immer auf der Basis des Landesbasisprogramms für die Erziehung in Kindergärten erstellt. Aufgrund dieses Dokuments müssen die Kindergärtner*innen Tages- und Wochenordnungen für die Kindergruppe zusammenstellen. Die Tagesordnung passt sich den in verschiedenen Programmen formulierten Aufgaben an. Sie beachtet die lokalen Gewohnheiten und Bedürfnisse.

Das pädagogische Personal der Kindergärten

Die Erziehung der Kinder kann heute ausschließlich durch pädagogisches Personal ausgeführt werden. In einer Gruppe gibt es zwei Kindergartenpädagog*innen und einen Helfer/eine Helferin, zu drei Gruppen gehört ein/e pädagogische Assistent*in. Der Erzieher*innenberuf wird in Ungarn vorwiegend von Frauen gewählt und zurzeit ist ein enormer Mangel an Kindergartenpädagogen*innen.

Seit 1837 gibt es in Ungarn die Kindergärtnerinnen-Ausbildung. Seit 1950 fand die dreijährige Ausbildung an Mittelschule statt und seit dem 1. September 1959 wurde auf dem Abitur aufbauende zweijährige Hochschulausbildung (nach schweizerischem Vorbild) eingeführt. Die einzige Ausbildung für Kindergartenpädagog*innen ist seit 1990 ein dreijähriges, also sechssemestriges Bachelor-Studium (BA). Die Grundvoraussetzungen eines Bachelorstudiums sind 12 Jahre Pflichtschule mit einem Sekundarabschluss (Abitur) und bestimmte Aufnahmekriterien. Seit 2005 kann das Abitur auf „Mittelstufenniveau“ oder freiwillig auf „gehobenen Niveau" abgelegt werden. Um Zugang zum Studium zu erhalten, werden Leistungen in einem Punktesystem (Schulergebnisse, Abitur, Zusatzpunkte) verrechnet. Die Aufnahmekriterien für Ausbildung für Kindergartenpädagog*innen bestehen aus einer bestimmten Punkteanzahl und aus der Eignungsprüfung. Sie beinhaltet drei Bereiche: Kommunikationsfähigkeiten wie Textverständnis und Textproduktion, Aussprache; musikalische Fähigkeiten wie Singfähigkeit, rhythmische Voraussetzungen und körperlich-motorische Fähigkeiten wie Bewegungsarten, Bewegungskoordination. Mit der mündlichen Eignungsprüfung soll durch die persönliche Begegnung mit den Bewerberinnen und Bewerbern beurteilt werden, ob sie die erforderliche persönliche Motivation, ein Berufsbild, sprachliche Fähigkeiten und einen entsprechenden Habitus besitzen.

Das Ziel des dreijährigen praxisorientierten Studiums ist die Ausbildung solcher Erzieher*innen, die durch den Erwerb von theoretisch fundierten Kenntnissen, Fähigkeiten und ihrer Veranlagungen dazu geeignet sind, die Besorgung der Aufgaben im Kindergartenerziehung zu verwirklichen.

Berufslaufbahn der Kindergärtner*innen

In Ungarn erscheint im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie die Berufslaufbahn von Pädagog*innen gemäß den Regelungen als ein Kontinuum. Das bestimmt ein Karrieremodell für Pädagog*innen (somit also für Kindergartenpädagog*innen, Pflichtschullehrer*innen und alle Lehrkräfte) von den verschiedenen Stufen des beruflichen Entwicklungsprozesses von der Erstausbildung, über den Zugang zum Beruf und die berufliche Entwicklung bis zum Renteneintritt. Das Karrieremodell ist in 5 Stufen aufgebaut: Praktikant*in, Pädagog*in I., Pädagog*in II., Meisterpädagog*in und Forschungslehrer*in.

In der Berufslaufbahn von Pädagog*innen sollen der Prozess der Erstausbildungsperiode, die nachfolgende Einarbeitungsperiode sowie die kontinuierliche, berufliche Weiterentwicklungsperiode systematisch koordiniert werden. Die jungen Lehramtsstudierenden, als auch die Berufsanfänger*innen (Kindergärtner*innen, Grundschullehrer*innen, Lehrer*innen) werden durch ein Mentor/eine Mentorin gesetzlich professionell – aufgrund der in den Regelungen formulierten Erwartungen – betreut und gefördert. Die Begleitung durch das Mentoring beginnt in dem Prozess der Berufslaufbahn schon am Anfang der Ausbildung, dann wird mit der Betreuung der Berufsanfänger*innen fortgesetzt. Das Ziel des Mentorings ist die Unterstützung von Studierenden im Praktikum, die Förderung der pädagogischen Fähigkeiten, sowie die Vermittlung von methodischen Anregungen. Die Mentor*innen helfen bei dem Erfüllen des Praktikums von Studierenden und sind erfahrene Kindergärtner*innen und Praxislehrpersonen, die in dem beruflichen Umfeld in einem Kindergarten arbeiten. Der Mentoring-Prozess wird durch die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praktikumsamt verwirklicht.

Die Phase der Einarbeitung dauert zwei Jahre und kann höchstens um zwei Jahren verlängert werden. Nach dem zweiten Jahr oder höchstens innerhalb von vier Jahren muss eine erfolgreiche Qualifikationsprüfung abgelegt werden. In der Erstausbildung können die Studierenden nicht alles an Wissen und alle Fähigkeiten erwerben, die sie in ihrem ganzen Professionalisierungskontinuum benötigen. So müssen die Ausbildung und die berufliche Entwicklung als lebenslanges Lernen angesehen und entsprechend strukturiert werden. In diesem Entwicklungsprozess brauchen nicht nur die jungen Lehramtsstudenten, sondern auch die Diplom-Pädagog*innen im Berufseinstieg die Betreuung von Mentor*innen. In Ungarn bekommt jede/r Berufsanfänger*in von Beginn an eine/n Mentor*in zur Seite gestellt, der/die für seine/ihre individuelle Begleitung verantwortlich ist. In der Einarbeitungsperiode ist die persönliche, soziale und berufliche Unterstützung von Mentees das Ziel des Mentoring-Programms. Berufseinstieg und Personaleinführung wird definiert als Herausbildung einer beruflichen Identität als Pädagog*in, Einleben innerhalb des Kindergartens und des pädagogischen Personals in das soziale Umfeld, Förderung von fachlichen und methodischen Kompetenzen sowie Hilfe bei der Vorbereitung auf die Qualifikationsprüfung. Daneben ist es noch ein wesentliches Ziel, den Berufsanfänger*innen zu lehren, ihre Tätigkeiten reflektieren und ihre Handlungen bewerten zu können. Die Reflexion und Selbstreflexion wird angeleitet und begleitet (vgl. Kovács, 2017).

Die Qualität der beruflichen Arbeit der Lehrkräfte wird aufgrund der vorgeschrieben Schlüsselkompetenzen beurteilt. Die Schlüsselkompetenzen der Kindergärtner*innen sind durch die Regierungsverordnung Nr. 326/2013 (30. VIII.) über das System des beruflichen Werdegangs der Pädagog*innen gesetzlich geregelt. Die Erzieher*innen in den Kindergärten benötigen die folgenden Fachkompetenzen für die erfolgreiche berufliche Arbeit:

(1) Berufliche Aufgaben, Fachwissenschaftliches Wissen, Fachwissen, Lehrplanwissen,

(2) Planung der pädagogischen Prozesse und Beschäftigungen und Selbstreflexionen in Bezug auf deren Umsetzung,

(3) Die Unterstützung des Lernens,

(4) Die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes, individuelle Behandlung, methodische Kenntnisse zur erfolgreichen Zusammenerziehung der benachteiligten Kinder, der Kinder mit Förderschwerpunkt, Kinder mit Verhaltens- und Lernschwierigkeiten mit den anderen Kindern,

(5) Unterstützung und Entwicklung von Kindergruppen und Gemeinschaften, Chancenschaffung, Offenheit für unterschiedliche soziokulturelle Vielfalt, Integrationsaktivitäten,

(6) Kontinuierliche Bewertung und Analyse pädagogischer Prozesse und der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder,

(7) Kompetenz in der Umweltbildung, glaubhafte Vertretung des Wertesystems der Nachhaltigkeit und der Vermittlung von Einstellungen zum Umweltbewusstsein,

(8) Kommunikation und professionelle Zusammenarbeit, Problemlösung,

(9) Engagement und berufliche Verantwortung für berufliche Entwicklung.

Fazit

In Ungarn bestimmt das Landesbasisprogramm für Kindergartenerziehung aufbauend auf Werten der nationalen Erziehungsgeschichte in Kindergärten nationalen Besonderheiten, den Ergebnissen der pädagogischen und psychologischen Forschung, den international anerkannten Methoden im ungarischen Erziehungswesen in Kindergärten. Die wichtigsten Merkmale der pädagogischen Kultur, die von den Kindergärten erwartet werden, sind: Die Bestrebung nach Chancengleichheit, individuelle Behandlung, Annahme eines jeden Kindes, für jedes Lebensalter bestimmte Anforderungen, Förderung der Schlüsselkompetenzen sowie Integration, Vertrauen und Empathie.

 Endnoten

[i] Kindergärtner*innen: Das Wort bezeichnet die Elementarpädagog*innen in Ungarn, die in Kindergärten arbeiten. Dort beschäftigen sie sich mit der Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder zwischen 3-7 Lebensalter mit den Eltern zusammen. Sie werden im Hochschulwesen gebildet.

[ii] Gräfin Therese Brunswick (1775-1861): war eine ungarische Adlige, Vertraute von Ludwig van Beethoven und Gründerin der Kindergärten in Ungarn. Sie war eine „Apostolin” der Kleinkinderziehung, eine Bahnbrecherin der Mädchenerziehung, gleichzeitig eine frühe Vorläuferin des Kinderschutzes. Viele Jahre verbrachte Brunswick im Ausland. Ihr Weg führte sie z.B. nach Bayern, Dresden, Genf und Paris. In München und Augsburg nahm sie tätigen Anteil am Aufbau von Kleinkinderbewahranstalten. So war sie beispielsweise 1834 maßgebend an der Gründung des Frauenvereins für Kleinkinderbewahr-Anstalten in Residenzstadt des Königreichs Bayern beteiligt, der die Trägerschaft von zwei neu errichteten Kindergärten übernahm. Sie wurde Vorreiterin der Frauen- und Kleinkinderbildung in Ungarn. Sie selbst gründete elf Kindergärten, eine Berufsschule, eine höhere Mädchenbildungsanstalt (in Zusammenarbeit mit ihrer Nichte, Gräfin Blanka Teleki) und eine Hauswirtschaftsschule und rief 1836 einen Verein für die Einrichtung von Kindergärten ins Leben (Berger, 2004).

[iv] Kinder/Schüler, die erhöhte Aufmerksamkeit beanspruchen: 1. Kinder/Schüler, die besondere Behandlung beanspruchen: 1.1 Kinder/Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, 1.2 Kinder/Schüler mit Eingliederungs-/Lern-Verhaltensschwierigkeit, 1.3 Besonders begabte Kinder; 2. Benachteiligte und mehrfachbehinderte Kinder/Schüler.

Literatur

Berger, M. (2004): Theresia Gräfin Brunsvik von Korompa (1775-1861). Eine ungarische Adelige als Wegbereiterin der öffentlichen Vorschulerziehung. Verfügbar unter https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/geschichte-der-kinderbetreuung/weitere-historische-beitraege/1089 [10.12.2021]

Berza, L. (1993, Hrsg.): Budapest lexikon I–II. (Budapester Lexikon) 2. erweiterte Ausgabe. Budapest: Akadémiai Kiadó.

Hornyák, M. (2002): Gräfin Therese Brunswick (1775-1861). Hefte Őrláng No. 6. Beilage des Blattes Őrláng (Flamme der Obhut) von der Stiftung „Geistiger Nachlaß der Therese Brunswick”. Martonvásár: Bamaföldi Gábor Archívum. Verfügbar unter https://mek.oszk.hu/15800/15839/15839.pdf [10.12.2021]

Kovács, K. (2017): Mentoring: Berufseinstieg in der Professionalisierung von PädagogInnen in Ungarn. In. Leitner, K. & Pehofer, J. (Hrsg.): Ph Publico: Impulse aus Wissenschaft, Forschung und pädagogischer Praxis: 12., S. 73-80.

Szinnyei József (1891): Magyar írók élete és munkái I. [Leben und Berufslaufbahn der ungarischen Schriftsteller*innen]. Budapest: Hornyánszky.

Korm. Rendelet az Óvodai nevelés országos alapprogramjáról. [363/2012. Regierungsverordnung über das Landesbasisprogramm für die Erziehung in Kindergärten] Verfügbar unter https://net.jogtar.hu/jogszabaly?docid=a1200363.kor [09.12.2021]

KSH, 2021 Óvodai nevelés [Zentrales Statistische Amt, Erziehung in den Kindergärten] Verfügbar unter https://www.ksh.hu/stadat_files/okt/hu/okt0007.html [10.12.2021]

2011. évi CCIV. törvény a nemzeti felsőoktatásról. [Gesetz Nr. CCIV/2011 über den nationalen Hochschulunterricht]. Verfügbar unter https://net.jogtar.hu/jogszabaly?docid=A1100204.TV 2011. évi CXC. törvény a nemzeti köznevelésről. [Gesetz Nr. CXC/2011 über die nationale öffentliche Bildung.] http://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=A1100190.TV. [09.12.2021]

326/2013. (VIII. 30.) Korm. rendelet a pedagógusok előmeneteli rendszeréről és a közalkalmazottak jogállásáról szóló 1992. évi XXXIII. törvény köznevelési intézményekben történő végrehajtásáról. [Regierungsverordnung Nr. 326/2013 (VIII.30.) über das System des beruflichen Werdegangs der Pädagogen und über die Durchführung des Gesetzes Nr. XXXIII vom Jahre 1992 über die Rechtsstellung der Angestellten im öffentlichen Dienst in den Bildungseinrichtungen maßgebend.] Verfügbar unter https://net.jogtar.hu/getpdf?docid=A1300326.KOR&targetdate=&printTitle= [09.12.2021]

Angaben zum Autor

Coll. Assoc. Prof. Dr. Kovács Krisztina

E-Mail: kovacs.krisztina.agnes@szte.hu

Universität Szeged – Erziehungswissenschaftliche Fakultät „Gyula Juhász”

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