Die Qualität der Kinderbetreuung aus schwedischer Sicht

In: Wassilios E. Fthenakis/ Martin R. Textor (Hrsg.): Qualität von Kinderbetreuung: Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich. Weinheim: Beltz 1998, S. 219-230

Ingrid Pramling

In Schweden haben wir nicht nur eine der höchsten Geburtenraten Europas (2,14 Kinder pro Frau), sondern auch den größten Anteil (90%) berufstätiger Mütter mit Kindern im Vorschulalter, eine liberale Einstellung zu Abtreibung und Empfängnisverhütung und relativ wenig Teenager Schwangerschaften. Wie gehen wir mit diesen scheinbar widersprüchlichen Tatsachen im Alltag um?

Die persönliche Entscheidungsfreiheit und die Gleichstellung von Mann und Frau sind seit langem Kernstück der schwedischen Familienpolitik. Das Grundprinzip ist, dass es einer Frau möglich sein sollte, einen Beruf auszuüben und gleichzeitig Mutter zu sein! So ist im Rahmen des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit in Schweden ein zwölfmonatiger Elternurlaub bei der Geburt eines Kindes vorgesehen, während dem ein Elternteil das Kind zu Hause versorgen kann und weiterhin 80% des Gehalts bezieht. Außerdem stehen den Eltern 60 Tage pro Jahr für jedes Vorschulkind zu, an denen sie das Kind im Krankheitsfall selbst zu Hause betreuen können. Die Zahl der Tageseinrichtungen für Kinder hat sich in den letzten 20 Jahren stark erhöht, denn dies ist der Betreuungstyp, der von der Mehrzahl der Eltern gewünscht wird (Gunnarsson 1985). Mehr als 50% der Kinder zwischen zwei und sechs Jahren besuchen Tageseinrichtungen. Die übrigen Kinder werden von anerkannten Tagesmüttern betreut, besuchen Halbtags-Vorschulen oder sind zu Hause. Kurz gesagt, der schwedische Staat hat einen großen Teil der Verantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder im Vorschulalter übernommen. Vor kurzem wurden die Gesetze, die den Bereich der Vorschulerziehung regeln, sogar noch erweitert. Der neue Gesetzesantrag von 1993/ 94 (Regeringens proposition, § 11) zielt u.a. auf qualitative Aspekte und die Qualifikation des Personals ab. Gleichzeitig soll festgelegt werden, dass die Kommunen für jedes Kind einen Platz in einer Tageseinrichtung innerhalb einer zumutbaren Frist (zwei bis drei Monate) zur Verfügung stellen müssen, wenn die Eltern dies wünschen. Dieses neue Gesetz betrifft Kinder im Alter von ein bis 12 Jahren (d.h., Schulkinder sowie die außerschulische Betreuung sind eingeschlossen).

Kinderbetreuung in Schweden aus internationaler Sicht

In zahlreichen Vergleichsstudien zur Qualität der Kinderbetreuung steht Schweden an der absoluten Spitze der untersuchten Länder (siehe z.B. Cochran 1993; Lande 1992; Moss/ Melhuish 1991). Dafür lassen sich wahrscheinlich viele Gründe anführen. Einer dieser Gründe ist wohl, dass Schweden bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt (1960) gesetzliche Bestimmungen z.B. zu Gesundheits- und Sicherheitsstandards, zur Mindestfläche pro Kind, zum Personalschlüssel sowie zu den räumlichen Bedingungen und zur Ausstattung festgelegt hat. Diese Richtlinien wurden jedoch mittlerweile abgeändert bzw. aufgegeben, da die Politik immer mehr in Richtung einer Dezentralisierung und Privatisierung geht. Das beunruhigt viele, denn die meisten Untersuchungen haben gezeigt, dass die Qualität der privaten Betreuungseinrichtungen relativ gering ist (siehe z.B. Bethelsen et al. 1994; Podmore/ Craig 1991).

Seit Beginn der 70er Jahre legt man großen Wert darauf, Kindergärten als Halbtags- und Kindertagesstätten als Ganztagseinrichtungen zu betrachten (SOU 1972). Diese Trennung wird im schwedischen Gesetz zur Vorschulerziehung ganz offensichtlich, in dem Richtlinien in Bezug auf die Ziele und Arbeitsmethoden für Vorschuleinrichtungen und für Freizeitangebote festgelegt sind (Socialstyrelsen 1987, 1988). Anders gesagt besteht auf Staatsebene das Bestreben, die Betreuung und Erziehung von jüngeren Kindern in eine Einheit zu integrieren. Diese Integration von Betreuung und Erziehung, die in vielen Ländern als getrennt betrachtet werden, stellt hohe Anforderungen an das Personal (Ferri et al. 1981).

Ein großer Teil der Vorschullehrer/innen und des Personals des Hort- und Freizeitbereichs (über 50%) arbeitet in Tagesstätten und in Einrichtungen der außerschulischen Betreuung. Ein angehender Vorschulpädagoge muss heute ein dreijähriges Hochschulstudium absolvieren. In den 70er Jahren wurden diese Fachkräfte zwei Jahre lang in Lehrerbildungsstätten ausgebildet. Das übrige Personal besteht hauptsächlich aus Kinderkrankenschwestern, die einen zweijährigen Ausbildungsgang absolviert haben. Nur sehr wenige Mitarbeiter/innen haben keine angemessene Qualifikation.

Die Zahl der gut ausbildeten Fachkräfte in Tageseinrichtungen ist wahrscheinlich einer der Hauptfaktoren, die zu dem hohen qualitativen Standard der Betreuung beitragen. Aus allen Evaluationsstudien geht hervor, dass die Kompetenz des Personals einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität hat (siehe z.B. Phillips 1987). Ein kompetentes Personal hat in Verbindung mit einem guten Personalschlüssel und mit allgemeinen Richtlinien, die einerseits die Werte einer demokratischen Gesellschaft vertreten und andererseits Raum für Entwicklungen lassen, zu einer qualitativ hochwertigen Erziehung und Betreuung im Vorschulbereich geführt.

Ein weiterer wichtiger Faktor, der sich auf die Qualität auswirkt, ist die Organisationsform. Heute werden die fremdbetreuten Kinder hauptsächlich eingeteilt in Kleinst- und Kleinkindgruppen (ein bis drei Jahre) sowie in altersgemischte Gruppen (vier bis sechs oder sieben Jahre; die Schulpflicht beginnt in Schweden mit dem siebten Jahr, jedoch ist derzeit eine Tendenz zur Einschulung von erst Sechsjährigen festzustellen). In den 80er Jahren gab es eine Phase mit vielen altersgemischten Gruppen, die zum Teil eine Altersspanne zwischen einem und zehn Jahren aufwiesen. Die Intention war die Förderung des sozialen Lernens, d.h., die Kinder sollten auf natürliche Art voneinander lernen und aufeinander achten. Der Trend zu weit altersgemischten Gruppen wurde durch einen Regierungsbericht ausgelöst (Familjestödsutredningen 1978), in dem es hieß, dass die Betreuung in Kleinst- und Kleinkindgruppen zu wenig nach pädagogischen Grundsätzen erfolge - was sich darauf zurückführen ließ, dass Mitte der 70er Jahre die jüngsten Kinder in Tageseinrichtungen von Kinderkrankenschwestern betreut wurden. Mit der Bildung von altersgemischten Gruppen und der Einstellung von Vorschullehrer/innen hofften die zuständigen Behörden, die Qualität der Betreuung für alle Kinder anheben zu können.

Forschung und Erfahrung haben jedoch gezeigt, dass die Bedürfnisse der jüngeren Kinder sich sehr stark von denen der älteren Vorschulkinder unterscheiden. So beruht die Philosophie der altersgemischten Gruppen auf der Sozialisationstheorie, die zum traditionellen spielorientierten Ansatz der frühkindlichen Erziehung passt. In Schweden hat sich aber die Entwicklung in Richtung auf eine Bildungstheorie hin verlagert, wenn auch nicht auf den traditionellen, den Unterricht betonenden Ansatz. Es gibt jedoch eine durch Forschungsergebnisse unterstützte Grundhaltung, dass viele Interaktionen und zielgerichtete Arbeit notwendig sind, um die Fertigkeiten, die Kenntnisse und das Weltverständnis der Kinder zu erweitern.

Verschiedene Forschungsergebnisse haben uns gezeigt, dass es Lehrer/innen schwer fällt, ihre Aktivitäten einer großen Altersbandbreite anzupassen und sich auf diese zu beziehen. Es ist leicht, die älteren Kinder zu vergessen, wenn einen die jüngeren beanspruchen. Aber es zeigt sich auch in Untersuchungen, dass die Lehrer/innen mehr mit den älteren als den jüngeren Kindern kommunizieren (Aamlid 1991, 1992). Auch wird eine extrem große Menge an Vorbereitungszeit benötigt, um für verschiedene Altersgruppen zu planen - Zeit, die stattdessen mit den Kindern verbracht werden könnte (Nyström 1992). Schließlich mussten wir erfahren, dass weit altersgemischte Gruppen nicht die sozial-emotionale und die intellektuelle Entwicklung der Kinder fördern (Sundell 1994). Auf der Grundlage einer professionelleren Sicht der Tatsache, dass man die kindliche Entwicklung beeinflussen kann, und von Forschungsergebnissen, die keine oder sehr wenig Vorteile von weit altersgemischten Gruppen zeigen, trennen wir nun zunehmend die beiden Altersgruppen wieder.

Kinderbetreuung von hohem qualitativen Standard

Im Folgenden werde ich die qualitativ hochwertige Betreuung und Erziehung von Kindern im Vorschulalter vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten, zunächst für die Gruppe der Kleinst und Kleinkinder, anschließend für die älteren Kinder in den Tageseinrichtungen. Als Erstes möchte ich festhalten, dass als Kriterien für die Qualität der Betreuung in erster Linie Faktoren gelten, die sich auf die kindliche Entwicklung auswirken (Kärrby 1992). Clarke Stewart (1987) hat eine Zusammenstellung der wichtigsten und am häufigsten genannten Kriterien versucht, die in fast allen Qualitätsstudien auftauchen. Dabei handelt es sich um die Art der pädagogischen Arbeit und der Beziehung des Personals zu den Kindern, Ziele und Planung des Programms, Zusammenarbeit mit den Eltern, Lernumwelt und Materialausstattung, Qualifikation des Personals, ihre Weiterbildungsmöglichkeiten, das zahlenmäßige Verhältnis von Kindern und Betreuungspersonen, Evaluation und administrative Unterstützung.

Es sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Qualität auch immer inhalts- und kontextabhängig ist, wobei sich Letzteres auf den historischen Hintergrund und die heutige Gesellschaft bezieht. Das bedeutet, dass - wenn ich im Folgenden die Qualität der Kinderbetreuung beschreibe - dies immer vor dem Hintergrund der schwedischen Gesellschaft zu sehen ist, in der die Betreuung von Kindern zu den Aufgaben des Sozialstaates gehört. Das oberste Ziel des "Social Service Act" (das Gesetz, unter das die Kinderbetreuung fällt) ist, die Entwicklung von demokratisch eingestellten Menschen zu fördern - von Personen, die offen sind, andere respektieren, mit ihnen zusammenarbeiten können, sich eine eigene Meinung bilden sowie Probleme für sich selbst und andere lösen können. Das heißt, es ist Aufgabe der Vorschuleinrichtungen, den Kindern die Entwicklung einer positiven Identität zu ermöglichen und ihnen die Fähigkeiten, das Wissen und das Verständnis für die sie umgebende Welt zu vermitteln.

Die Betreuung von Kleinst- und Kleinkindern

Laut Morris (1991) steckt ein Neugeborenes bereits voller Energien und verfügt über ein erstaunliches Potential, so klein und verwundbar es auch ist und so wenig es sich sprachlich ausdrücken kann. Während seiner ersten Lebensjahre entwickelt sich das Kind sehr rasch. Es ist fast pausenlos in Bewegung, kommuniziert mit seiner Welt, ist neugierig, beobachtet, lernt schnell und experimentiert; es ist erfinderisch, denkt, bildet Konzepte und beeinflusst alles und jeden in seiner Umgebung.

Gerade aufgrund dieser enormen Entwicklungsschritte sind die ersten Lebensjahre so wichtig für die Zukunft des Kindes. Das bedeutet, dass Kinder, deren physische Entwicklung und Persönlichkeitsentfaltung positiv verlaufen, besser für das Leben gerüstet sind als andere Kinder.

Da das Kind Vertrauen als Erstes in der Familie erfährt und dort auch entwickelt, ist es besonders wichtig, dass die Gesellschaft die Eltern in ihrer Rolle als Förderer und Erzieher unterstützt. Die Betreuung von Kleinstkindern wird von der Gesellschaft oft als eine Selbstverständlichkeit betrachtet; die tief greifenden Veränderungen, die sich jedoch in hoch entwickelten Ländern innerhalb der letzten Jahrzehnte vollzogen haben, haben dazu geführt, dass das Wissen um die Bedürfnisse der Kinder und die Art, diesen gerecht zu werden, nicht immer von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden kann (Hundeide/ Hillestad 1994). Hier könnten in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte in Tageseinrichtungen eine wichtige Rolle in Bezug der Elternbildung und Förderung junger Familien übernehmen.

Sowohl die Kinder als auch die Eltern benötigen Zeit, um sich an die neue Umgebung der Tagesstätte und die dort arbeitenden Menschen zu gewöhnen. Kleinst- und Kleinkinder brauchen immer eine zentrale Bezugsperson, die für das jeweilige Kind zuständig ist - und zwar nicht nur während der Eingewöhnungsphase, sondern ständig und für den größten Teil des Tages (Goldschmied/ Jackson 1994). Laut wissenschaftlicher Erkenntnisse benötigen Kleinkinder drei bis sechs Monate, um eine enge Beziehung aufzubauen und sich in der Tageseinrichtung sicher zu fühlen (Fein/ Gariboldi/ Boni 1993). Kinder brauchen in dieser Zeit viel Unterstützung.

Der wichtigste Aspekt bei der Arbeit mit Kleinkindern ist die Erkenntnis, dass sie in Gespräche einbezogen und bei der Entdeckung der sie umgebenden Welt angeleitet werden müssen. Heute sind Wissenschaftler der Überzeugung, dass ein Säugling zum Dialog prädisponiert ist, wobei dieser sowohl den Ausdruck von Emotionen als auch Dimensionen des Sinns umfasst (Treverthen 1980). Das heißt, dass eine Betreuung dann gut ist, wenn die Fachkraft (1) für die Signale des Kindes empfänglich ist und versteht, was das Kind auszudrücken versucht, (2) sich der Situation des Kindes anpassen kann und (3) in der Lage ist, auf die Gefühle und Absichten des Kindes angemessen zu antworten. Für eine qualifizierte Betreuung von Kleinkindern ist es unabdingbar, dass das Personal jedes einzelne Kind als ein vollwertiges menschliches Wesen anerkennt, das eigene Absichten hat und auf seine Äußerungen Reaktionen erwartet. In diesen Interaktionen entwickeln Kinder dann Kompetenzen und ein Verständnis von sich selbst. In einer Studie über die ersten drei Monate von Kleinkindern in Tageseinrichtungen beschreiben Lindahl und Pramling (1993), wie häufig die Absichten von Kindern vernachlässigt oder nicht berücksichtigt werden.

Zwei besonders große Probleme für das Kleinst- und Kleinkinder betreuende Personal scheinen zu sein, wie innerhalb einer Gruppe von Kindern individualisiert werden kann und in welcher Art Erziehung und Betreuung erfolgen sollen. In einer Studie von Palmérus, Pramling und Lindahl (1991) gaben alle Fachkräfte anfangs an, dass sie die Kleinkinder größtenteils nur versorgen könnten und Gefahr liefen, nicht mehr genügend Zeit aufbringen zu können, um auf die Kinder so individuell einzugehen, wie sie es gerne wollten. Anschließend nahmen drei Gruppen von Fachkräften an einem Programm teil, das mit einer Fortbildungswoche über die Ziele der kindlichen Entwicklung, die schwedischen Richtlinien mit dem besonderen Schwerpunkt Spiel sowie die Kriterien für gute Interaktionen begann, die von Professor Pnina Klein (1989) formuliert wurden. Dieses "Vermittelte Lernerfahrung" genannte Programm ist kognitiv orientiert und beeinflusst laut Klein sowohl die Intelligenz als auch die Empfänglichkeit des Kindes für seine Umwelt.Über einen Zeitraum von 18 Monaten wurde das Personal in den drei Tageseinrichtungen gefilmt. Die Videoaufnahmen wurden einmal im Monat in jeder Gruppe analysiert. Als Gesamtentwicklung konnte beim Personal festgestellt werden, dass alle Mitarbeiter/innen kindzentrierter wurden, also die Intentionen der Kinder besser zu verstehen lernten und sich der kindlichen Welt anpassten. Zudem wurden sie sich ihrer eigenen Rolle in der Entwicklung des Kindes bewusster. Das führte dazu, dass kleinere Gruppen von Kindern mit einer für sie zuständigen Lehrkraft gebildet wurden. Alle Untersuchungen zur Gruppengröße haben gezeigt, dass sich die Kinder in einer kleinen Gruppe mit einer Fachkraft wohler fühlen und besser entwickeln als in einer doppelt so großen Gruppe mit zwei Lehrer/innen (Phillips 1987).

Die für Kleinst- und Kleinkinder ideale Tagesbetreuung ist diejenige, die dem Bedürfnis der Kinder nach emotionaler und intellektueller Interaktion mit einer Person erfüllt und die ihnen das Verständnis für und den Umgang mit der sie umgebenden Welt erschließt. Eine große Gruppe sollte in kleinere Gruppen unterteilt werden, in der die Lehrkraft jedes Kind mühelos für Gespräche oder zum Beruhigen erreichen kann. Neben der zwischenmenschlichen Interaktion sollten die Kinder in ihrer Umgebung Möglichkeiten vorfinden, verschiedenartige Gegenstände des alltäglichen Lebens, große Bauklötze, Gefäße usw. kennen zu lernen und mit ihnen zu experimentieren. Es sollte darüber hinaus immer wieder überprüft werden, ob Gesundheits- und Sicherheitsstandards eingehalten werden, wie die Lernmöglichkeiten sind, ob das Personal die physische, geistige, soziale und emotionale Entwicklung der Kinder fördert, ob es die Bedürfnisse der Kinder adäquat lenkt und angemessen erfüllt, ob die Beziehungen zwischen Eltern und Personal gut sind sowie ob die Fachkräfte bei ihrer Arbeit die Ziele und das Konzept der Tageseinrichtung berücksichtigen und zugleich den individuellen Bedürfnissen eines jeden Kindes gerecht werden. Wenn all die genannten Faktoren berücksichtigt werden, ist dies der Beweis für eine qualitativ hochwertige Tagesbetreuung von Kleinst- und Kleinkindern.

Die Fremdbetreuung von älteren Vorschulkindern

In Schweden führten vor einigen Jahren zahlreiche Diskussionen über das beste Schuleintrittsalter zur Verabschiedung eines Gesetzes, das die Einschulung der älteren Vorschulkinder zu dem Zeitpunkt ermöglicht, den die Eltern für richtig erachten. Wider Erwarten blieb die große Invasion der Schule durch die Sechsjährigen aus. Dafür gibt es sicherlich zahlreiche Gründe. In erster Linie liegt dies jedoch wohl an der Aufgeklärtheit der Eltern, die sich informierten, was die Schule ihrem Kind im Vergleich zur Vorschule an Vorteilen bieten konnte. Die meisten Kommunen konnten mit keinen besonderen Vorzügen aufwarten, und so ließen die Eltern ihre Kinder in der Vorschule. Die Behörden mussten somit eine andere Lösung für das Problem finden, da die Grundidee war, Kosten durch die Einschulung der Sechsjährigen zu sparen. Viele Kommunen sind deshalb dazu übergegangen, die Vorschullehrer/innen mit ihren Kindern in die Schule zu versetzen. Mit dieser Regelung wurde ein ganzes Spektrum an neuen Betreuungsformen geschaffen, das von der Weiterführung der üblichen Vorschule, in der die Vorschullehrer/innen das tun, was sie schon immer mit Sechsjährigen gemacht haben, bis zur tatsächlichen Integration reicht, bei der Vorschul und Grundschullehrer/innen zusammenarbeiten.

Die Regierung hat ein Komitee zur Untersuchung der Situation der Sechsjährigen eingesetzt (SOU 1994), das bei seinen Recherchen zu dem Ergebnis kam, dass das bestehende Grundschulsystem nicht für die Sechsjährigen geeignet sei. Das Komitee befürwortet für diese Altersgruppe vielmehr die traditionelle Form der Vorschule. In Schweden ist somit eine merkwürdige Situation entstanden, in der immer mehr sechsjährige Kinder eingeschult werden und gleichzeitig in den offiziellen Richtlinien die Vorschule für diese Altersstufe empfohlen wird.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, bin ich der Meinung, dass für die Erziehung der älteren Vorschulkinder ein dritter Weg nötig ist. Sowohl Inhalte als auch Methoden müssen überarbeitet werden. Die konventionelle spielorientierte Vorschule reicht nicht aus, und das traditionelle Schulsystem macht junge Kinder passiv. Wir müssen die Grundlagen an Fertigkeiten und Kenntnissen schaffen (Pramling 1994), und eine beeindruckende Zahl neuerer Forschungsarbeiten verdeutlicht, dass der Grundstein für den Erwerb von Fähigkeiten und Wissen die Erfahrungen der Kinder sind und wie dies ihr Bewusstsein formt (Dahlgren/ Olsson 1985; Marton 1988; Neuman 1987; Pramling 1983).

Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass die Menschen entsprechend ihrem eigenen Verständnis von der Welt handeln (Marton 1988). Die Art, in der Kinder die sie umgebende Welt begreifen, erfahren, analysieren, wahrnehmen und verstehen, bildet das Fundament für die weitere Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse. Das bedeutet, dass die frühkindliche Erziehung den Schwerpunkt vor allem auf die unterschiedliche Weise legen sollte, wie Kinder die verschiedenen Phänomene ihrer Welt wahrnehmen. Als Erstes sollten wir herausfinden, welches die entscheidenden und zumeist für selbstverständlich erachteten Aspekte sind, unter denen wir die Welt erfahren und auf denen unsere Fähigkeit zum Umgang mit der Welt beruht. Lernen unter dieser Perspektive heißt lernen, die Welt auf verschiedene Weise zu verstehen.

Die Phänomenografie wird als die empirische Erfassung der qualitativ unterschiedlichen Arten betrachtet, in denen die Menschen die verschiedenen Aspekte ihrer Umgebung erfahren und verstehen (Marton 1981). Der in diesem Kapitel beschriebene Ansatz der frühkindlichen Erziehung bezieht sich auf die Art und Weise, in der Kinder Phänomene und Aspekte der sie umgebenden Welt erleben und wahrnehmen. Ich möchte deshalb von einem phänomenografisch orientierten Ansatz der Vorschulerziehung sprechen. Im Folgenden werde ich fünf wichtige Prinzipien vorstellen, die auf die Erfahrungs- und Bewusstseinsbildung der Kinder einen Einfluss haben (Pramling/ Mardsjö 1994):

  1. Lernen beinhaltet sowohl einen Handlungs- als auch einen inhaltlichen Aspekt. Obwohl der Inhalt in verschiedenen Schulklassen oder Situationen variiert, sollte er immer in Beziehung zu der Handlung betrachtet werden - und umgekehrt. Inhalt und Handlung müssen beide thematisiert werden. Ausgangspunkt und Ziel der Erziehung sind die Gedanken der Kinder sowohl über den Inhalt als auch über die Handlung das Was und Wie des Lernens. Nach unserem Ansatz hat die Handlung metakognitiven Charakter, d.h., in der Handlung soll die Aufmerksamkeit der Kinder auf ihre eigene Denkweise über den Inhalt gelenkt werden.
  2. Der Schwerpunkt liegt auf den scheinbar selbstverständlichen Aspekten verschiedener Phänomene oder Merkmale der Umgebung. Nimmt ein Kind ein bestimmtes Phänomen nicht wahr, ist es sinnlos, etwas darüber lernen zu sollen. Das Ziel des Lernens muss für das Kind relevant sein.
  3. Die Reflexion ist eine Erziehungsmethode. Um Kinder zum Reden und Nachdenken zu animieren, müssen sie zu Aktivitäten angeleitet werden (mit Materialien, Situationen, Spielangeboten, Aufgaben usw.), die sie dazu bringen, ein bestimmtes Phänomen zu reflektieren, für das die Fachkraft ihr Verständnis entwickeln will. Wenn Kinder in konkreten Situationen zum Sprechen und Nachdenken geführt werden sollen, müssen die Lehrer/innen Arten von Fragen verwenden, die sie üblicherweise nicht einsetzen. Sie sollten außerdem von Rollenspiel, Malen, Musik usw. Gebrauch machen, damit die Kinder ihrem Verständnis in einer bestimmten Form ("Gestalt") Ausdruck verleihen können.
  4. Die verschiedenen Denkformen müssen genutzt werden. So sollten die Lehrer/ innen die verschiedenen Denkmuster der Kinder erkennen und zu Bildungsinhalten machen. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass Kinder voneinander lernen - was bedeutet, dass sie die Unterschiede zwischen den Kindern und nicht die Ähnlichkeiten hervorheben sollten. Kinder können mit verschiedenen Denkweisen auf unterschiedlichen Wegen konfrontiert werden, z.B. durch Zeichnungen, Drama, Spiel, Gespräch usw.
  5. Lernen muss als Teil der gesamten Erfahrungswelt verstanden werden. Das bedeutet, dass immer der gesamte Erfahrungsschatz der Kinder in die Lernsituation eingebracht wird und jede neue Erfahrung beeinflusst. Die Erfahrungen haben die Wahrnehmung in einer Weise geformt, die den Kindern hilfreich oder hinderlich sein kann, Dinge zu verstehen oder zueinander in Bezug zu setzen. Unterschiedliche Deutungsmuster können Kindern auf verschiedenen Wegen bewusst werden.

Diese fünf Prinzipien sollten Lehrer/innen sowohl stets gedanklich präsent haben als auch in der Praxis umsetzen.

Zu den genannten Prinzipien muss eine gewisse Kompetenz hinzukommen, wenn sie in Übereinstimmung mit dem beschriebenen Ansatz handeln sollen. Da kein Patentrezept an die Hand gegeben werden kann, sollte das Bewusstsein der Lehrkräfte in folgende Richtungen gelenkt werden: Einerseits sollten sie sich über vorhandene Forschungsarbeiten zur Denkweise von Kindern ständig informieren. Hier liefern die Ergebnisse der phänomenografischen Forschung eine Beschreibung der verschiedenen Denkmuster in Bezug auf ein spezifisches Phänomen. Dies ist die Wissensbasis, die die Lehrer/innen mit Mitteln versorgt, die sie für die Arbeit nach dem beschriebenen Ansatz benötigen. Andererseits müssen die Fachkräfte methodologische Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben. Der wichtigste Bereich der Methodologie sind Fähigkeiten für das richtige Befragen von Kindern (Doverborg/ Pramling 1993).

Zwei empirische Untersuchungen unterstützen die oben genannte Annahme, dass Kinder mit Hilfe phänomenografisch orientierter Ansätze besser lernen. In der ersten Studie ("Learning to learn"; Pramling 1990) wurden vier Gruppen von insgesamt 76 fünf- und sechsjährigen Kindern aus Mittelschichtfamilien während eines ganzen Schuljahres beobachtet. Zwei Lehrerinnen wurden gebeten, in gewohnter Weise weiterzuarbeiten. Die beiden anderen sollten einen experimentellen Ansatz anwenden, der hauptsächlich die Anwendung der oben genannten Prinzipien und zusätzlich eine spezifische Arbeitsstruktur umfasste. Diese betonte das Arbeiten auf drei Verallgemeinerungsebenen, nämlich mit dem konkreten Inhalt, der Struktur des Inhalts (Beziehungen) und dem Lernprozess. Die Lehrkräfte wurden gebeten, den jeweiligen Gesprächsinhalt auf jede der drei Ebenen zu transferieren, was bedeutet, dass sie den Kindern die Vielzahl der verschiedenen Denkweisen über den konkreten Inhalt, die Struktur und den Lernprozess bewusst machen sollten.Um herauszufinden, ob sich die Kinder hinsichtlich der Art ihrer Realitätsauffassung verändert hatten oder nicht, wurden alle am Anfang und Ende des Schuljahrs über ihre Vorstellungen vom Lernen befragt. Im letzten Monat des Schuljahrs wurden zusätzlich drei Lernversuche mit den Kindern durchgeführt. Bei den ersten beiden Versuchen hörten sie Geschichten und beim dritten besuchten sie ein Naturkundemuseum, wo sie über den Kreislauf der Natur "unterrichtet" wurden. Die Kinder wurden anschließend einzeln zu den verschiedenen Themen der Geschichten und zur "Unterrichtsstunde" von einem Interviewer befragt, der nicht wusste, aus welcher Gruppe die Kinder stammten. Mit Hilfe dieser Versuche sollte festgestellt werden, ob sich bei den Kindern, die nach dem beschriebenen Ansatz gefördert wurden, die Lernfähigkeit entwickelt hatte.

Als allgemeines Forschungsergebnis kann festgehalten werden, dass sich große Unterschiede im Verständnis der Kinder von ihrem eigenen Lernprozess zeigten, je nachdem, ob sie nach dem phänomenografisch orientierten Lernansatz gebildet wurden oder nicht. Die Kinder hatten sich nicht nur auf der metakognitiven Ebene weiterentwickelt, waren sich also ihres eigenen Lernens bewusst, sondern hatten auch im kognitiven Bereich Fortschritte gemacht, da sie die Aussagen der Geschichten und der Unterrichtsstunde besser verstanden.

Die zweite Studie ("The foundations of skills and knowledge"; Pramling 1994) weist einige Parallelen zur ersten Untersuchung auf. In beiden Fällen war es das Hauptziel, einen phänomenografisch orientierten Lernansatz im Vorschulbereich anzuwenden und auszuwerten. Die Inhalte der zweiten Studie wurden jedoch von einem Wissenschaftler festgelegt, während dies in der ersten Studie den Lehrkräften überlassen blieb. Die Inhalte waren auch wesentlich umfangreicher, da sie die Grundlage für das zukünftige Lernen in den verschiedenen Grundschulfächern bilden sollten. Die Handlungsprinzipien und die Struktur mit den verschiedenen Verallgemeinerungsebenen blieben jedoch gleich. Bewertet wurden in der Studie sowohl Handlungs- als auch der inhaltliche Aspekt.

Es wurden sechs Vorschullehrer/innen mit einem breiten Spektrum an Erfahrungen aus einer großen Stadt ausgewählt. Sie arbeiteten in Stadtteilen mit sehr unterschiedlichen sozioökonomischen Strukturen - drei in Tagesstätten und drei in Kindergärten. Im ersten Jahr wurde ein Curriculum ausgearbeitet. Die sechs ausgewählten Fachkräfte wurden zusätzlich an ihrem Arbeitsplatz fortgebildet und nahmen in ungefähr dreiwöchigem Abstand an einer Supervision in ihren Klassenräumen teil. Das zweite Jahr begann damit, dass alle Kinder zu den Inhaltsbereichen befragt wurden, in denen sie nun arbeiten sollten. Ein zweites Interview wurde vor Beendigung der Vorschule durchgeführt. Die Lehrer/innen setzten dann das Curriculum in ihren Klassen ein. Das Programm dauerte in dieser Form zwei Jahre lang. Zugleich wurde die Arbeit in jeder Gruppe ständig beobachtet. Auch nahmen die Kinder an einem Lernexperiment teil. Sie hörten ein Märchen, über das sie später befragt wurden. Ferner gab es sechs Kontrollgruppen, in denen die Kinder dieselben Fragen gestellt bekamen und demselben Lernexperiment unterzogen wurden. Insgesamt wurden in den Projektgruppen 77 Kinder nach unserem Ansatz unterrichtet, 58 Kinder für ein Jahr und 15 Kinder für zwei Jahre (vier Kinder zogen weg). Die Kontrollgruppen umfassten 38 Kinder.

Als allgemeine Tendenz der Forschungsergebnisse kann festgehalten werden, dass die Kinder aus den Versuchsgruppen, d.h. diejenigen Kinder, die nach dem hier entwickelten Lernansatz unterrichtet wurden, im Erschließen der meisten Themen fortgeschrittener waren als die Kinder aus den Kontrollgruppen. Den Kindern wurden ungefähr 30 Fragen aus den fünf Themenbereichen des Curriculums gestellt; drei weitere Fragen bezogen sich auf das Märchen.

Bei der Untersuchung des hier beschriebenen Lernansatzes haben wir zunächst die Frage problematisiert, was als qualitativ hochwertiges Lernen gilt, und dieses als grundlegenden, selbstverständlichen Aspekt der kindlichen Lebenswelt definiert. Was muss nun die Lehrkraft tun, wenn sie den beschriebenen Lernansatz bei Kindern im Vorschulalter anwenden will? Sie muss zunächst verstehen, wie Kinder über bestimmte Inhalte und Themen denken, und sie muss in der Lage sein, Kinder zu motivieren und zum Denken anzuregen. Vor allem aber muss sie wissen, was die Kinder erreichen sollen. Sie muss sich der Aspekte der kindlichen Welt bewusst werden, die als selbstverständlich erachtet werden. Aus dieser Perspektive müssen sich die Lehrer/innen auf spezifische Inhalte konzentrieren, d.h. auf die Art, wie Kinder die Phänomene ihrer Lebenswelt oder Aspekte derselben erfahren.

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(Aus dem Englischen übersetzt von Gabriele Leonhardt und Martin R. Textor)

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