Maritta Hännikäinen
Rechtliche Grundlagen und Verantwortung für die Kindertagesbetreuung und Vorschulerziehung
Die institutionelle, außerfamiliäre Bildung, Erziehung und Betreuung von jungen Kindern (Kindertagesbetreuung)1) findet in Finnland in Kindertageseinrichtungen statt, meistens in Kindertagesstätten (päiväkoti), Familientagesstätten (perhepäivähoito) und Gruppenfamilientagesstätten (ryhmäperhepäivähoito). Darüber hinaus gibt es für die Kinder, die nicht an einer regelmäßigen, ganztägigen Betreuung teilnehmen, ein Angebot von alternativen Einrichtungen: offene Kindergärten, Aktivitätszentren, Familienparks und Spielgruppen. Die Spielgruppen, die in den meisten Fällen von der evangelischen Kirche organisiert sind, werden von Familien gut genutzt; laut Statistik besucht mehr als die Hälfte der Kinder während der vorschulischen Jahre wenigstens eine Zeit lang eine Spielgruppe.
Laut dem Gesetz Laki lasten päivähoidosta (1973) sind Aufgabe und Ziel der Kindertagesbetreuung, die Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen und zusammen mit den Eltern die ausgeglichene Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu fördern. Weitere Ziele und Aufgaben sind, feste, sichere und warme menschliche Beziehungen für das Kind sicherzustellen und ein günstiges Umfeld mit einer Vielfalt von Aktivitäten, die die Entwicklung des Kindes fördern, anzubieten. Ferner gehört es zu den Aufgaben und Zielen, dem Kind bei seiner Entwicklung zu gemeinsamer Verantwortung, zu Frieden und zum Schutz seiner Umgebung behilflich zu sein.
Alle Kinder bis zum Schuleintritt (im Alter von sieben Jahren) haben einen subjektiven, unbedingten Rechtsanspruch auf eine ganztägige Tagesbetreuung. Falls die Familie dieses Recht nicht nutzen will, sondern die Tagesbetreuung des Kindes selbst übernehmen oder organisieren möchte, hat sie einen Rechtsanspruch auf ein alternatives staatliches Fördermittel: einen Betreuungszuschuss (kotihoidontuki). Außerdem haben alle Sechsjährigen das Recht auf eine kostenlose Vorschulerziehung (mindestens 700 Stunden) im letzten Jahr vor dem Schuleintritt. Die Vorschulerziehung kann entweder den Kindertagesstätten oder den Schulen angegliedert sein. Die Vorschulerziehung ist freiwillig, aber fast alle Sechsjährige nutzen dieses Angebot.
Die Verantwortung für Kindertagesbetreuung und Vorschulerziehung verteilt sich organisatorisch auf die nationale und die kommunale Ebene. Auf der nationalen Ebene ist das Sozial- und Gesundheitsministerium zuständig für die gesetzlichen Grundlagen und die Evaluation der Kindertagesbetreuung; das Unterrichtsministerium ist verantwortlich für die Vorschulerziehung der sechsjährigen Kinder. Die Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, für die Kindertagesbetreuung zu sorgen und für die Sechsjährigen Vorschulerziehung anzubieten. Die Träger der Kindertagesbetreuung sind traditionell die Kommunen. Ihr Anteil an den Plätzen liegt bei ungefähr 90 Prozent; der Anteil der privaten Träger beträgt somit ungefähr zehn Prozent.
Statistische Daten
Da Kindertagesstätten diejenigen Einrichtungen in Finnland sind, in denen die außerfamiliäre Bildung, Erziehung und Betreuung am häufigsten stattfindet, wird der Fokus im Folgenden auf Kindertagesstätten liegen.
Nutzung der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung
Verglichen mit vielen anderen europäischen Ländern ist in Finnland die Beteiligung an der außerfamiliären Kindertagesbetreuung nicht hoch. Laut internationaler Statistiken (Education at a Glance 2006) sah die Situation Mitte des Jahrzehnts wie folgt aus: Die Nutzungsquote der ein- bis zweijährigen Kinder betrug 28%, der zwei- bis dreijährigen 44%, der drei- bis vierjährigen 62%, der vier- bis fünfjährigen 69% und der fünf- bis sechsjährigen 73%. Als Ursachen für die schwache Beteiligung werden z.B. die geringe Bevölkerungsdichte, eine große Entfernung zur Einrichtung und besonders der Betreuungszuschuss vermutet.
Zurzeit (Statistiken von 2008) nutzen 97 Prozent aller Sechsjährigen die Vorschulerziehung (mindestens 700 Stunden), und zwei Drittel davon die ganztägige Tagesbetreuung.
Kosten und Finanzierung der Kindertagesbetreuung
Durchschnittliche monatliche Kosten eines ganztägigen Betreuungsplatzes sind circa 800 bis 1.000 Euro (2009), je nach Alter des Kindes. Die Kosten werden aus drei Quellen finanziert: der Staat übernimmt circa 30 Prozent, die Kommunen circa 55 Prozent und die Eltern durchschnittlich circa 15 Prozent (0 bis 233 Euro, inkl. drei Mahlzeiten). Private Anbieter haben Anspruch auf die gleiche Unterstützung (800 bis 1.000 Euro pro Kind und Monat).
Qualifikation der Fachkräfte und Personalschlüssel in Kindertagestätten
Die pädagogische Betreuung erfolgt durch Kindergartenlehrer/innen (lastentarhanopettaja, kindergarten teacher), Sozialerzieher/innen (sosionomi, social educator) und Kinderbetreuer/innen (lähihoitaja, practical nurse). Kindergartenlehrer/innen absolvieren eine dreijährige Universitätsausbildung (BA), Sozialerzieher/innen eine dreieinhalbjährige Fachhochschulausbildung und Kinderbetreuer/innen eine dreijährige Fachschulausbildung. Klassenlehrer/innen (luokanopettaja, class teacher) - mit fünfjähriger Universitätsausbildung (MA) - sind berechtigt, auch als Lehrer in der Vorschulerziehung der Sechsjährigen zu arbeiten.
Die Gruppengröße ist rechtlich nicht festgelegt, aber es gibt gesetzliche Regelungen zum Personalschlüssel in Kindertagesstätten: Für je eine ausgebildete Erwachsene wird eine Höchstzahl von Kindern angegeben, die vom Alter der Kinder und vom Betreuungsumfang (ganztags/halbtags) abhängig ist. In Gruppen von Kindern unter drei Jahren ist der Schlüssel 1 zu 4, in Gruppen von drei- bis sechsjährigen Kindern 1 zu 7 und in Vorschulgruppen (4 Stunden/Tag) 1 zu 13. Wenigstens jede dritte Fachkraft muss einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss besitzen.
Die Fachkräfte arbeiten in multiprofessionellen Teams; ein typisches Team ist aus einer Kindergartenlehrer/in oder Sozialerzieher/in und zwei Kinderbetreuer/innen zusammengesetzt. Die meisten Kindertagesstätten sind täglich 10 bis 11 Stunden geöffnet; viele sind jedoch auch abends geöffnet, und besonders in größeren Städten gibt es auch Einrichtungen, die 24 Stunden geöffnet haben (allerdings mit zusätzlichem Personal). Das Personal arbeitet in Schicht; deshalb sind nicht alle Mitglieder des Teams gleichzeitig in der Kindergruppe. Damit ist der tatsächliche Personalschlüssel ungünstiger als oben angegeben.
Qualitätsstandards und Qualitätssicherung
Bislang gibt es in Finnland keine nationale Evaluation, Qualitätsmessung oder Qualitätssicherung im Bereich der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Als Teil der kommunalen Informationssteuerung sind die Kommunen gesetzlich verpflichtet, Befragungen über die Zufriedenheit der Bürger mit öffentlichen Dienstleistungen durchzuführen. Das gilt auch für die Kindertagesbetreuung und die vorschulische Erziehung. Die Zufriedenheit der Eltern mit der Kindertagesbetreuung ist demnach sehr hoch; beinahe 80 Prozent sind zufrieden (Kronqvist & Jokimies 2008). Noch zufriedener sind Eltern mit der Vorschulerziehung der Sechsjährigen. In beiden Institutionen schätzen die Eltern die Professionalität des Personals besonders hoch ein. Zusätzlich zu diesen landesweiten Befragungen werden in Kindertageseinrichtungen Selbstevaluation, Elternbefragungen und Kinderinterviews durchgeführt.
Curriculare Richtlinien und Bestimmungen
Die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung, die Vorschulerziehung der Sechsjährigen und der Grundschulunterricht bilden ein zusammenhängendes Ganzes, das entsprechend der kindlichen Entwicklung voranschreitet. Es gibt zwei nationale Rahmencurricula für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung in Finnland: das Rahmencurriculum für die frühkindliche Erziehung (Varhaiskasvatussuunnitelman perusteet 2003) und das Kerncurriculum für die Vorschulerziehung (Esiopetuksen opetussuunnitelman perusteet 2000). Das erste ist eine Empfehlung und gilt für null- bis sechsjährige Kinder; das zweite ist ein parlamentarisch verabschiedetes Curriculum für die sechsjährigen Kinder.
Rahmencurriculum für die frühkindliche Erziehung
Gemäß dem Rahmencurriculum findet die frühkindliche Erziehung als Einheit von Bildung, Erziehung und Betreuung statt. Das Ziel der frühkindlichen Erziehung ist das Wohlbefinden von allen Kindern. Betont werden die sozialen und emotionalen Aspekte des Lebens und Lernens. Hervorgehoben wird die Freude des Kindes am Lernen. Grundlegend für die pädagogische Praxis ist die Erziehung zu gegenseitiger Rücksichtnahme, zu Respekt und Freundlichkeit. Betont wird auch die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls sowie die schrittweise Entwicklung der Kinder hin zu Autonomie und Selbsttätigkeit. Großer Wert wird gelegt auf Erfahrungen und interne Lernprozesse des Kindes an Stelle externer Leistungen; die Kinder werden nicht getestet.
Das Rahmencurriculum ist aufgebaut auf inklusiver Pädagogik. In der Tat brauchen gegenwärtig (2008) sieben Prozent der Kinder in Kindertagesstätten eine spezielle Unterstützung. Von diesen Kindern befinden sich 85 Prozent in Regelgruppen, 10 Prozent in integrierten Gruppen und fünf Prozent in speziellen Gruppen.
Die Bildung, Erziehung und Betreuung erfolgen in sechs Tätigkeitsbereichen, sogenannten inhaltlichen Orientierungen: mathematische Orientierung, umwelt- und naturwissenschaftliche Orientierung, historisch-gesellschaftliche Orientierung, ästhetische Orientierung, ethische Orientierung und religiös-philosophische Orientierung. Es wird betont, dass die Orientierungen keinesfalls wie Unterrichtsfächer umgesetzt werden sollen, sondern dass die Lerngelegenheiten in der Form von thematischen Einheiten organisiert werden sollen. Die Orientierungen werden im Rahmencurriculum aus drei Perspektiven betrachtet: ersten aus der Perspektive der "Art und Weise des Kindes zu handeln", zweitens aus der Perspektive der "pädagogischen Praxis" des multi-professionellen Teams und drittens aus der Perspektive des "Erziehungs- und Lernumfelds des Kindes". Als die "Art und Weise des Kindes zu handeln" werden die für das Kind charakteristischen und bedeutungsvollen Tätigkeiten verstanden: das Spiel, die physische Aktivität, das künstlerische Erfahren und die künstlerische Selbstdarstellung sowie die Exploration.
Die Sprache spielt eine besondere Rolle im Rahmencurriculum. Sprache und Kommunikation werden als ein wichtiges Merkmal der Art und Weise des Kindes zu handeln betont. Die Sprache wird jedoch nicht als eigene Orientierung genannt. Die Sprache und die Förderung der Sprache beinhalten also sowohl alle Orientierungen als auch alle "Arten und Weisen des Kindes zu handeln".
Das Rahmencurriculum dient als Grundlage für die kommunalen Lehrpläne, die einrichtungsbezogenen Lehrpläne und die individuellen Erziehungs- und Aktivitätspläne der Kinder in den einzelnen Kindertageseinrichtungen. Die kommunalen Lehrpläne sollten lokale Eigenarten und Verhältnisse berücksichtigen, die einrichtungsbezogenen Lehrpläne z.B. die jeweiligen Öffnungszeiten, die Eigenart von Kindern oder Gruppen, spezielle Fähigkeiten des Personals und besondere pädagogische Ansätze oder Modelle. Jedes Kind hat eigene Erfahrungen, Bedürfnisse und Interessen, die die Basis für die individuellen Erziehungs- und Aktivitätspläne bilden.
Da es laut Gesetz Aufgabe und Ziel der Kindertagesbetreuung ist, die Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen und zusammen mit den Eltern die ausgeglichene Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu fördern, wird im Rahmencurriculum großer Wert auf der Partizipation der Eltern gerichtet. Es gibt Richtlinien hinsichtlich der erzieherischen Partnerschaft mit den Eltern und der Teilnahme bzw. Mitwirkung der Familie gegeben, z.B. bei der Planung und Evaluation der pädagogischen Praxis. Ein wichtiger Bereich der Erziehungspartnerschaft ist das gemeinsame Ausarbeiten des individuellen Erziehungs- und Aktivitätsplan des jeweiligen Kindes.
Der individuelle Erziehungs- und Aktivitätsplan wird somit gemeinsam von den Eltern, der Lehrkraft und möglichst dem Kind ausgearbeitet und regelmäßig evaluiert und aktualisiert. Ein solcher Plan sollte Informationen und Vereinbarungen beinhalten über die Erfahrungen des Kindes, seine aktuellen Bedürfnisse und Zukunftsperspektive, seine Interessen und Stärken sowie seinen individuellen Bedarf an Unterstützung und Förderung. Auch weitergehende Kooperationen zwischen Elternhaus und Kindertagesstätte sollten in dem Plan konzipiert werden.
Kerncurriculum für die Vorschulerziehung
Nach der finnischen Gemeinschaftsschulgesetzes (Perusopetuslaki 1998) sind es Aufgabe und Ziel von Bildungseinrichtungen, der Entwicklung der Schüler/innen zu ethisch verantwortungsvollen Individuen und Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern und sie mit den im Leben benötigten Kenntnissen und Kompetenzen auszustatten. Ein besonderes Ziel der Vorschulerziehung der Sechsjährigen ist es, die Voraussetzungen für das Lernen der Kinder zu verbessern. Im Kerncurriculum wird betont, dass die Vorschulerziehung die Chancengleichheit und das Recht aller Kinder auf Bildung schon im Vorfeld und bei Schuleintritt garantieren soll. Ein Ziel der Vorschulerziehung ist somit, ein Lernumfeld zu schaffen, das die Neugier, die Interessen und die Lernmotivation des jeweiligen Kindes weckt und fördert.
Das Kerncurriculum für die Vorschulerziehung (Esiopetuksen opetussuunnitelman perusteet 2000) beinhaltet Richtlinien und Vorschriften bezüglich
- der Rolle, Ziele und Inhalte der Vorschulerziehung,
- der Durchführung der Vorschulerziehung (Lernkonzepte, Lernumgebung, Arbeitsmethoden),
- der allgemeinen Unterstützung bei der Vorschulerziehung (z.B. Zusammenarbeit mit Eltern),
- des Förderunterrichts und der Individualisierung der Vorschulerziehung,
- der Vorschulerziehung für unterschiedliche Sprachgruppen und kulturelle Minderheiten und hinsichtlich
- der Ausarbeitung des lokalen Curriculums für die Vorschulerziehung.
Nach dem Kerncurriculum basiert Vorschulerziehung auf Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des Kindes. Unterstrichen werden die Individualität des Kindes, die Bedeutung des aktiven Lernens und die Interaktion zwischen Kindern und zwischen Kindern und Erwachsenen. Als wichtig werden gemeinsame Tätigkeiten und gemeinsames Lernen angesehen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Betonung der positiven Lebenseinstellung und der Eigeninitiative des Kindes als Grundlage aller Aktivitäten.
Das Kerncurriculum enthält keine Untergliederung in einzelne Unterrichtsfächer oder Unterrichtsstunden, stellt aber sieben zentrale Themenbereiche in der Vorschulerziehung vor: Sprache und Interaktion, Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt und Natur, Gesundheit, physische und motorische Entwicklung sowie Kunst und Kultur. Die Themenbereiche können als Vermittler zwischen den inhaltlichen Orientierungen der Früherziehung und den Unterrichtsfächern in der Schule betrachtet werden.
Die Lehrer/innen haben die Freiheit, die Lehr- und Lernmethoden zu bestimmen. Die Arbeit in der Vorschulerziehung soll auf spielerischen Aktivitäten aufbauen, die dem individuellen Entwicklungsstand des Kindes entsprechen, was auch die kindliche Sprachentwicklung und ihr Vermögen zum Neuerwerb von Wissen fördern soll. Die Aktivitäten sollen dem kindlichen Bedürfnis, durch Spiel und Phantasie zu lernen, gerecht werden. Es gibt keine offiziellen Bewertungsmaßstäbe des Lernens, aber es erfolgt eine intensive Beobachtung der Entwicklung des jeweiligen Kindes.
Das Kerncurriculum bildet das nationale Rahmenwerk für die Ausarbeitung der lokalen (praktisch: kommunalen) Curricula. Diese sollen die im Kerncurriculum festgelegten Ziele und Inhalte spezifizieren, wobei das Kerncurriculum die Basis für die Schaffung funktionaler Einheiten bildet. Weiterhin kann jede einzelne Einrichtung (Schule oder Vorschulgruppe) ein separates Curriculum erstellen, worauf die Eltern Einfluss nehmen sollten. Das Kerncurriculum listet eine Reihe von Inhalten auf, über die das lokale Curriculum Auskunft geben muss, z.B. über die Zusammenarbeit mit den Eltern, die Kooperation des an der Vorschulerziehung beteiligten Personals, die Kooperation mit außerschulischem Fachpersonal und die Prinzipien der Ausarbeitung des individuellen Bildungs- und Erziehungsplans für das einzelne Kind.
Schließlich soll das Kerncurriculum für die Vorschulerziehung eine Brücke zwischen Früherziehung und Schulunterricht darstellen und die Kontinuität der Bildung und Erziehung des Kindes garantieren.
Aktuelle Themen der Debatte und Herausforderungen für die Zukunft
In diesem Artikel wurde einen Überblick über die frühkindliche Erziehung und das System der Kindertagesbetreuung in Finnland gegeben. Der Überblick beruhte auf den gesetzlichen Richtlinien sowie auf administrativen und statistischen Dokumenten und blieb deshalb deskriptiv und unkritisch. Doch im realen Alltag stellt sich vieles anders dar. Deshalb sollen zum Schluss noch einige der Probleme erwähnt werden.
Ein wichtiger kritischer Aspekt bezieht sich auf die Novellierung des sehr alten und zugleich kontrovers beurteilten Kindertagesbetreuungsgesetzes (Laki lasten päivähoidosta 1973). Vergangenes Jahr (2008) wurde ein nationales Komitee für die Vorbereitung eines neuen Gesetzes berufen. Das alte Gesetz soll insgesamt modernisiert und angepasst werden: Es soll ein Früherziehungs- und Bildungsgesetz geschaffen werden, das die außerfamiliäre Bildung, Erziehung und Betreuung der Kleinkinder auch gesetzlich als ersten Schritt einer lebenslangen Erziehung anerkennt.
Deshalb wird auch die Administration der Früherziehung kritisch diskutiert: Es steht in Frage, wo die gesetzliche Verantwortung auf der nationalen Ebene verankert sein soll - beim Unterrichtsministerium oder wie bisher beim Sozial- und Gesundheitsministerium. Auf der lokalen Ebene können die Kommunen seit einigen Jahren über die Verwaltung der Kindertagesbetreuung selbst entscheiden. Zurzeit gehört die Verwaltung in etwas mehr als der Hälfte der Kommunen zum Sozialwesen und in den übrigen Kommunen zum Schul- bzw. Bildungswesen.
Eine der gegenwärtigen Sorgen bezieht sich auf die Qualifikation des Personals im Allgemeinen und auf die Zusammensetzung der multiprofessionellen Teams auf der Gruppenebene. Verglichen mit vielen europäischen Ländern ist die Anzahl von an Universitäten ausgebildeten Mitarbeiter/innen in den finnischen Kindertagesstätten niedrig: Derzeit sind nur ungefähr 30 Prozent der Fachkräfte Kindergartenlehrer/innen, während mehr als zwei Drittel an Fachschulen ausgebildete, pädagogisch weniger qualifizierte Kinderbetreuer/innen sind. Diese Situation entspricht zwar den gesetzlichen Mindestansprüchen, aber dies wird mit Recht sehr kritisiert. Durch die Einstellung von niedriger ausgebildetem Personal sparen die Kommunen wohl kurzfristig Geld, gefährden damit aber die Qualität der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, da besonders durch die Informationssteuerung immer neue Aufgaben und Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden.
Ein großes Problem in vielen Kommunen ist der Mangel an Sonderpädagogen/innen in Kindertagesstätten, da immer mehr Kinder Lernschwierigkeiten und Probleme mit Aufmerksamkeit, Konzentration oder Sprache haben. Dieses Problem zu lösen verlangt Rekrutierungs- und ausbildungspolitische Maßnahmen. Darüber hinaus wird Finnland immer multikultureller - mit einer zunehmenden Anzahl von Zuwandererkindern und einer Vielfalt an Sprachen, Religionen und Kulturen. Diese einerseits sehr positive Entwicklung stellt aber andererseits neue Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung des Personals der Kindertagesstätten.
Anmerkung
1) Auf der Gesetzes- und Administrationsebene wird anstatt "Bildung, Erziehung und Betreuung" der Begriff "Kindertagesbetreuung" (päivähoito) verwendet.
Literatur
Education at a Glance 2006. OECD Indicators. 2006 Edition. Summary in German. Paris: OECD.
Esiopetuksen opetussuunnitelman perusteet 2000. Helsinki: Opetushallitus. Auf Deutsch: http://www.brandenburg.de/media/lbm1.a.1231.de/curriculum_vorschule_finnland.pdf
Laki lasten päivähoidosta 1973.
Kronqvist, E.-L. & Jokimies, J. 2008. Vanhemmat varhaiskasvatuksen laadun arvioijina. Tuloksia Vaikuta vanhempi-selvityksestä. Stakesin raportteja-sarja 22.
Perusopetuslaki 1998.
Varhaiskasvatussuunnitelman perusteet 2003. Helsinki: Stakes. Auf Englisch: National curriculum guidelines on early childhood education and care in Finland. 2003. Helsinki: Stakes. http://varttua.stakes.fi/NR/rdonlyres/78BC5411-F37C-494C-86FA-BE409294709B/0/e_vasu.pdf
Weitere Literatur
Early childhood education and care. Information for parents of young children. Helsinki: Stakes.
http://varttua.stakes.fi/EN/index.htmEducation and science in Finland 2006. Helsinki: Ministry of Education publications 2006:15.
Education [in Finland]. Helsinki: Ministry of Education. http://www.minedu.fi/OPM/Koulutus/?lang=en
Hovestadt, G. 2004. Organisation und Steuerung von Kindertageseinrichtungen in Dänemark, Finnland und den Niederlanden. Strategic Education Consulting/EDUCON.
http://www.edu-con.de/kindertagesbetreeung.pdf
Ministry of Social Affairs and Health 2002: Early childhood education and care in Finland. http://pre20090115.stm.fi/Resource.phx/publishing/documents/1526/index.htx
OECD 2001: Country Note. Early Childhood Education and Care Policy in Finland. Paris: OECD.
Starting Strong II: Early childhood education and care 2006. Paris: OECD.
Statistics Finland. http://www.stat.fi/index_en.html
Adresse
Maritta Hännikäinen
Professor in Early Childhood Education
University of Jyväskylä
Department of Educational Sciences/Early Childhood Education
P.O. Box 35
FI 40014 University of Jyväskylä
Finnland