Sprachförderung in Kindertagesstätten

Sabine Cordes

Es ist derzeit in manchen Regionen keine Seltenheit, dass der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund bei 70 Prozent oder höher liegt (also in eine Gruppe mit 25 Kindern nur noch 7 Kinder Deutsch als erste Muttersprache haben). Auch aufgrund von Segregation bleiben Kindern und deren Familien häufig "unter sich"; es findet kein Austausch mit anderen Kulturen statt, auch nicht mit der deutschen Kultur. Kontakte außerhalb der eigenen Kultur bleiben nur auf wenige Personen wie z.B. auf die Erzieher/innen beschränkt. Das "natürlichen Sprachbad" fehlt oft völlig. Wenn Kinder mit drei Jahren in die Kindertageseinrichtung kommen, liegt ihr deutscher Sprachschatz nicht selten unter 50, oftmals sogar bei null Wörtern. Im Vergleich dazu kennen deutsche Kinder zu Beginn ihrer Kindergartenzeit bereits durchschnittlich 900 Wörter.

"Als bester Ausweg aus diesem Dilemma hat sich die regelmäßige und mit System durchgeführte Förderung der Kinder durch die Erzieher/innen in kleinen Gruppen erwiesen" (Grannemann 2004, S. 164). Aber was soll bei diesem Training berücksichtigt werden? Wie führt die Sprachförderung zum Erfolg?

Erfolg, d.h. vor allem keine benachteiligte Situation im Schulleben, ist Ziel der Sprachförderung. Bisher zeigen die neuen PISA-Studien große Benachteiligungen von denjenigen Kindern auf, die aus sozial schwachen Familien kommen. Zu dieser Gruppe gehört ein großer Teil der Familien mit Migrationshintergrund. Der Integration und damit einer wirklichen Chancengleichheit ausländischer Kinder in Deutschland werden meist Grenzen durch mangelnde Deutschkenntnisse gesetzt. Für Kinder aus Zuwandererfamilien ist die Sprachkompetenz die entscheidende Hürde in der Bildungskarriere.

Sprachtraining in Kleingruppen

Idealerweise setzt das Sprachförderprogramm direkt nach der Eingewöhnung in die Kindertageseinrichtung ein. Die Erzieherin beobachtet das Kind und schätzt den jeweiligen Sprachstand ein. Eine Kleingruppe von ca. sechs Kindern mit gleichem oder ähnlichem Sprachstand trifft sich regelmäßig, z.B. zweimal wöchentlich für je 45 Minuten, zur Sprachförderung. In kleinen Gruppen verlieren Kinder schnell ihre Scheu zu sprechen. Sie bekommen Selbstvertrauen und fühlen sich auch für ihr Auftreten in größeren Gruppen gestärkt. Voraussetzung für die Nachhaltigkeit des Lernens ist eine entspannte, angstfreie Atmosphäre.

Ganzheitliches Lernen als Voraussetzung für den Erfolg

Kinder lernen am besten ganzheitlich, das heißt, die unterschiedlichen Sinne werden angesprochen. Beim ganzheitlichen Lernen sind beide Gehirnhälften beteiligt. Wenn der Geschmack der Erdbeere gespürt wird, ist der Name leicht zu merken. Beim Pflücken und Naschen von Brombeeren gilt dasselbe. Das spannende Ereignis des Öffnens einer Kokosnuss und des Probierens ihres Inhalts führt direkt zu einem reichen Schatz an Wörtern; somit kann der Wortschatz mit dem Tun des Kindes erweitert werden. Einkaufen im nahen Supermarkt ist ebenfalls eine Möglichkeit, ein Thema den Kindern auf ganzheitliche Weise näher zu bringen. Die verschiedenen Sinne (visuell, auditiv, gustatorisch, olfaktorisch, kinästhetisch) sollten angesprochen sein, wobei bei jedem Kind diese verschiedenen Lernkanäle unterschiedlich ausgeprägt sind. Das bedeutet, dass manche besonders gut lernen, wenn sie hören, manche müssen etwas vor allem sehen usw.

Bewegungsabläufe notwendig

Wichtig sind Bewegung und Spiel - so macht Lernen den Kindern Freude, und das Erlernte bleibt nachhaltig verankert. Mit Hilfe von Liedern und Reimen, die mit Bewegungsabläufen verknüpft sind und wiederholt werden, entwickeln Kinder ein selbstverständliches Gefühl für die deutsche Grammatik wie auch den Satzbau und erhöhen ihren Wortschatz. Erwachsenen ist dieses Phänomen des Lernens über Reime geläufig durch in der Schule erlernte Merksprüche wie z.B. "Nie ohne Seife waschen" für das Erlernen der Himmelsrichtungen oder wie "Iller, Lech, Isar, Inn fließen nach der Donau hin". Diese Merk-Reime bleiben lange im Gedächtnis haften. Gut ist, wenn Lieder, Reime, Sprüche und Spiele an situative Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Kinder angepasst sind und sie von Kindern mit- bzw. weiterentwickelt werden. Das Kind ist Akteur seiner Bildung; dieses Mitwirken ermöglicht eigenmotiviertes Handeln. Das stellt die Voraussetzung für Erfolgserlebnisse dar und "diese sind ihrerseits die Grundlage für Selbstwert und anhaltende Lernfreude" (Schlack 2011).

Lernen in 7er Päckchen

Die vermittelten Begriffe sollten Bekanntes mit Neuem verknüpfen und sich mindestens drei Mal wiederholen (z.B. mit Ansprache anderer Sinne in derselben Spracheinheit und ebenfalls in darauffolgenden Trainingseinheiten), damit das Erlernte vom Ultrakurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis überwechseln kann. Innerhalb einer Einheit sollten nicht mehr als fünf bis sieben neue Wörter erlernt werden, da ansonsten die Kapazität nicht ausreicht und das Erlernte nicht in das Langzeitgedächtnis weitertransportiert wird (Loos 2007, S. 26 f.).

Zusammenarbeit mit den Eltern

Ob Kinder bereit sind, die deutsche Sprache und Kultur zu erlernen, ist stark abhängig von der Einstellung ihrer Eltern. "Sprache und Kultur bilden die Identität eines Kindes. Daher gilt: Sprache ist immer auch Kulturerwerb und damit ein wichtiger Schritt zur Integration ausländischer Mitbürger. Nur wenn die Eltern eine positive Einstellung zur deutschen Sprache und Kultur haben, können die Kinder unbeschwert Deutsch lernen" (Grannemann 2004, S. 165).

Es ist wichtig, dass die Eltern mit ihren Kindern in ihrer Muttersprache kommunizieren. Die Zweitsprache kann nur so gut wie die erste Sprache gesprochen werden. Außerdem sprechen viele Eltern mit Migrationshintergrund fehlerhaftes Deutsch, und die Kinder verinnerlichen diese Fehler. "Je größer der kindliche Wortschatz in der Muttersprache ist, umso leichter fällt es, eine zweite Sprache zu erlernen" (ebd.).

Gleichzeitig müssen Eltern das Kind dabei unterstützen, die Zweitsprache Deutsch zu lernen. Damit sie diese notwendige Unterstützung geben können, müssen sich Eltern von den Pädagog/innen in der Kindertageseinrichtung akzeptiert fühlen. Eine angenehme Atmosphäre sollte vorherrschen. Gemeinsame Frühstückstage, Nachmittagsangebote wie gemeinsames Kochen, Basteln oder Spielen können dazu beitragen, dass der Kontakt positiv erlebt wird. Es kommt zum Austausch mit den Eltern und dabei kann auch der Lerninhalt der Sprachfördereinheiten transparent gemacht werden.

In einigen Kindertageseinrichtungen läuft zur Sprachförderung der Kinder gleichzeitig das Programm "Mama lernt Deutsch", das eine Verzahnung begünstigt. Wenn die Eltern Deutschkurse besuchen, ist das ein gutes Vorbild für ihre Kinder.

Literatur

Grannemann, Petra: Sprachförderung in der Kita. Integration und Chancengleichheit für ausländische Kinder. KiTa aktuell 2004, Heft 7/8, S. 164-165

Loos, Roger: Praxisbuch Spracherwerb. Sprachförderung im Kindergarten. München 2007

Schlack, Hans G.: Die neuen Kinderkrankheiten. Einflüsse der Lebenswelten auf Gesundheit und Entwicklung. frühe Kindheit 6/04. http://liga-kind.de/fruehe/604_schlack.php (22.03.2011)

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