Kindertagesstätten - Schulen - psychosoziale Dienste: Zusammenarbeit zum Wohl von Kindern und Familien

Martin R. Textor

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zunächst einige Worte zu meiner Person und meiner Arbeitstelle sagen. Ich habe in den 70er Jahren Erziehungswissenschaft an der Universität Würzburg studiert. Da ich die Studieninhalte für recht praxisfern hielt, bin ich für ein Jahr an die Staatsuniversität Albany in New York und für ein weiteres Jahr an die Universität Kapstadt in Südafrika gewechselt, wo ich Beratungswesen bzw. Sozialarbeit studierte. 1985 schloss ich meine Studien mit der Promotion ab. Ich arbeitete dann zwei Jahre lang in der politischen Erwachsenenbildung. Seit 15 Jahren bin ich nun als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik tätig. In dieser Zeit habe ich rund 25 Bücher bzw. Sammelbände und viele Fachartikel veröffentlicht - zu Themen wie Familien- und Scheidungsberatung, Adoption und Familienpflege, familienorientierte Sozialarbeit, Sozial- und Familienpolitik, Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen, Projektmethode und Öffnung von Kindergärten.

Das Staatsinstitut für Frühpädagogik wurde vor 28 Jahren gegründet, um im Freistaat Bayern den Kindergartenbereich wissenschaftlich zu begleiten. Es sollen Modellversuche initiiert und evaluiert, Grundlagen- und angewandte Forschung durchgeführt, Materialien für die Praxis entwickelt sowie Verbesserungen in der Aus- und Fortbildung von Erzieher/innen angestrebt werden. Zum Zeitpunkt meines Eintritts in das Staatsinstitut kam die Familienforschung als neuer Aufgabenbereich hinzu. So führte ich zunächst in dieser Abteilung meine Projekte durch: über Ehequalität und junge Ehen sowie über Adoptivfamilien und Formen der offenen Adoption, aber auch über Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen. Als vor mehreren Jahren die Abteilung Familienforschung aufgelöst und zu einem selbstständigen Institut an der Universität Bamberg gemacht wurde, wechselte ich endgültig in den Bereich der Kindergartenpädagogik. Derzeit beschäftige ich mich vor allem mit Elternarbeit, der Projektmethode und der Öffnung von Kindertageseinrichtungen zu ihrem Umfeld hin.

Das Projekt "Vernetzung von Kindertageseinrichtungen mit psychosozialen Diensten"

Mein derzeit wichtigstes Projekt hat den Titel "Vernetzung von Kindertageseinrichtungen mit psychosozialen Diensten". Ich habe es vor drei Jahren begonnen. Wenn ich im Folgenden von "psychosozialen Diensten" spreche, so verwende ich einen Sammelbegriff, der Beratungsstellen, Frühförderstellen, Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter sowie sonderpädagogische Dienste von Förderschulen umfasst, aber auch in freien Praxen tätige Fachleute wie (Kinder)Ärzte, Psychotherapeut/innen, Logopäd/innen, Ergotherapeut/innen usw. Ich halte es nicht für sinnvoll, Ihnen all diese Institutionen vorzustellen - Sie werden in Polen sicherlich Einrichtungen mit anderen Bezeichnungen und Zuständigkeiten haben. Aber sicherlich werden die meisten Aussagen, die ich im Folgenden zur Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten in Deutschland mache, auch auf Polen zutreffen.

Und noch eine Randbemerkung: Ich werde immer von Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste sprechen. Mit diesen Begriffen sind in der Regel Männer und Frauen gemeint. In der deutschen Schriftsprache können wir durch einen Schrägstrich im Wort verdeutlichen, dass sowohl Männer als auch Frauen angesprochen werden. In der Rede hört es sich dann wie die weibliche Form an - was bei meinem Thema aber auch berechtigt ist, da 95% der Erzieher/innen sowie die meisten Grundschullehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste weiblich sind. In diesem Kontext möchte ich noch erwähnen, dass ich mit "Schule" in der Regel Grundschulen meine, die von nahezu allen deutschen Kindern zwischen ihrem 6. und 10. Lebensjahr besucht werden.

Zurück zu meinem Projekt: Der Grund für diesen Modellversuch ist, dass Erzieher/innen seit vielen Jahren klagen, dass immer mehr Kinder - derzeit rund 25% - in irgendeiner Weise auffällig wären und dass sie immer häufiger Eltern mit Familienproblemen beraten müssten. Die Belastung durch verhaltensauffällige Kinder ist nach mehreren Umfragen inzwischen das größte Problem von Erzieher/innen in Deutschland.

Auf diese Situation wird nun mit der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen mit psychosozialen Diensten reagiert. Durch eine verbesserte Zusammenarbeit sollen beispielsweise eine bessere Prävention, eine frühzeitige Intervention bei Verhaltensauffälligkeiten oder anderen Problemen sowie die Erschließung von Ressourcen und Hilfsangeboten für Familien erreicht werden.

Im Rahmen des Projekts sollen ganz unterschiedliche Kooperationsansätze zwischen Kindertagesstätten und psychosozialen Diensten erfasst, entwickelt und beschrieben werden. Dabei sollen neue Wege zur Verbesserung der Vernetzung erprobt werden. Der Modellversuch dient ferner der Ermittlung von Barrieren und Hemmnissen, die eine enge Kooperation erschweren. Zugleich soll erfasst werden, welche Rahmenbedingungen eine gute Zusammenarbeit begünstigen.

Die genannten Ziele sollen vor allem auf zwei Wegen erreicht werden: Zum einen werden 25 Jugendämter beraten, die in ihrem Bezirk eine bessere Vernetzung von Kindertagesstätten und anderen Jugendhilfeeinrichtungen anstreben. Zum anderen werden 18 Kindertageseinrichtungen betreut, die durch eine Ausschreibung im IFP-Infodienst "Bildung, Erziehung, Betreuung" gewonnen wurden und sich selbst mit Beratungsstellen und psychosozialen Diensten vernetzen wollen.

In jedem der drei Projektjahre werden immer nur acht Jugendämter und sechs Kindertageseinrichtungen gleichzeitig betreut. In diesem Jahr wird das jeweilige Jugendamt bzw. die jeweilige Kindertagesstätte von mir oder einer Kollegin circa viermal aufgesucht. Bei der ersten Besprechung wird der Stand der Vernetzung vor Ort geklärt. Dann werden Vernetzungsziele aufgestellt, die die jeweilige Einrichtung in den kommenden Monaten anstreben will. Ferner werden Kooperationspartner, -felder und -formen festgelegt, benötigte Ressourcen bestimmt und ein Zeitplan erstellt. Bei den anderen drei Terminen werden die Erfahrungen reflektiert, die beim Verfolgen der Ziele gesammelt wurden. Nur im Ausnahmefall können weitere Termine vereinbart werden - die Vernetzungsziele und -aktivitäten sollen nur mit einem unter "normalen" Bedingungen möglichen Aufwand verfolgt werden, und dementsprechend sollte auch die Beratung vor Ort nicht zu intensiv sein.

Alle Jugendämter und Kindertageseinrichtungen können während der Projektlaufzeit von drei Jahren einmal pro Jahr an einer eintägigen Fachtagung in München teilnehmen, die von mir ausgerichtet wird. Ferner stelle ich den Jugendämtern und Kindertagesstätten relevante Publikationen und im Rahmen des Projekts entstandene Veröffentlichungen zur Verfügung. Ich dokumentiere die Projektaktivitäten vor Ort sowie den gesamten Projektverlauf in einem Zwischenbericht und in einem Abschlussbericht, die allen Jugendämtern und Fachverbänden in Bayern zugeleitet werden. Ferner trage ich zur Verbreitung gewonnener Erkenntnisse und neuartiger Vernetzungsaktivitäten durch Veröffentlichungen bei. Beispielsweise habe ich die Handreichung "Hilfen für Kinder, Erzieher/innen und Eltern" mitverfasst, die allen mehr als 6.000 Kindertageseinrichtungen in Bayern kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Sinn und Notwendigkeit von Vernetzung

Sehr geehrte Damen und Herren, bitte entschuldigen Sie diesen doch recht langen Vorspann zu meinem Referat. Ich wollte Ihnen auf diese Weise den Hintergrund verdeutlichen, vor dem meine nun folgenden eher allgemeinen Aussagen zu sehen sind. Lassen Sie mich mit einigen Gedanken zu Sinn und Notwendigkeit von Vernetzung beginnen.

Eine Erfahrung, die Sie wahrscheinlich genauso in Polen wie wir in Deutschland machen, ist folgende: Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosoziale Dienste sind drei voneinander stark abgegrenzte Systeme. Die meisten Erzieher/innen in Kindertageseinrichtungen versuchen, selbst mit auffälligen Kindern fertig zu werden und Eltern mit Problemen zu beraten. Auch in der Schule versuchen Lehrer/innen zunächst, mit schwierigen Kindern alleine zurecht zu kommen. Gelingt dies nicht, werden die Kinder an Förderschulen weitervermittelt. Elternarbeit beschränkt sich in der Regel auf ein oder zwei Elternabende und eine Elternsprechstunde zu schulischen Fragen - so kommen Lehrer/innen nur äußerst selten in eine Situation, wo sie mit Familienproblemen konfrontiert werden. Mitarbeiter/innen von psychosozialen Diensten warten in der Regel in ihren Sprechzimmern auf Klienten. Diese abwartende Haltung - in Deutschland als "Komm-Struktur" bezeichnet - wird zumeist damit begründet, dass Klienten von selbst kommen würden, wenn der Leidensdruck nicht mehr auszuhalten sei - und dann wären sie am ehesten zu einer Veränderung ihres Verhaltens bereit. So werden die psychosozialen Dienste zumeist mit "schweren" Fällen konfrontiert.

Diese starke Abgrenzung zwischen den drei Systemen Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten ist von großem Nachteil für alle Beteiligten:

  1. Erzieher/innen fühlen sich durch die vielen auffälligen Kindern überfordert und überlastet. Sie kommen sich wie Versager vor, wenn sie mit Problemkindern nicht zurecht kommen. Auch erleben sie sich als nicht genügend qualifiziert, um erfolgreich längere Beratungsgespräche mit Eltern zu führen.
  2. Lehrer/innen fühlen sich durch auffällige Schüler/innen gestresst und überlastet. Sie sind frustriert und erleben sich selbst negativ, wenn sie Kinder aus dem Klassenverband "ausstoßen" müssen. In der Regel wissen sie, dass die meisten Probleme zumindest jüngerer Kinder mit deren Familienverhältnissen zusammenhängen. Sie handeln aber nicht entsprechend - z.B. durch Kontaktaufnahme mit den Eltern - was durchaus zu Schuldgefühlen u.Ä. führen kann.
  3. Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste sind überfordert und frustriert, weil sie zumeist mit schwierigen Fällen konfrontiert werden, wo sich auffälliges Verhalten längst verfestigt hat, wo bei Behinderungen viele Fördermöglichkeiten bereits verpasst wurden oder wo es zu einer Häufung und Verschärfung von Familienproblemen kam. Wie Sie wissen, sind Fachleute nur in rund einem Drittel dieser Fälle erfolgreich - was selbstverständlich Konsequenzen für das eigene Selbstbild und die Arbeitsmotivation hat.
  4. Eltern fühlen sich mit ihren Erziehungsschwierigkeiten und anderen Familienproblemen allein gelassen. Sie erfahren in der Regel kaum Hilfe in Kindertageseinrichtungen und überhaupt keine Unterstützung in Schulen. Da es in Deutschland Dutzende psychosozialer Dienste gibt und somit das soziale Netz für Eltern unübersichtlich geworden ist, wissen sie oft nicht, an welche Fachleute sie sich mit ihren Problemen wenden können. Selbst wenn sie von einer eventuell geeigneten Stelle wissen, fällt es vielen Eltern aufgrund von Vorurteilen, Fehlinformationen und Schwellenangst schwer, diese auch aufzusuchen.

Die Hauptleidtragenden sind aber die Kinder. Ihre Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsrückstände und Behinderungen bleiben unbehandelt, verfestigen sich oder nehmen an Stärke zu. Dies hat schon im Vorschulalter viele negative Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Kinder. Mein Kollege Toni Mayr (1998) schrieb über solche Auffälligkeiten: "Sie behindern die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts und belasten die Kontakte zu erwachsenen Bezugspersonen wie den Eltern oder den Erzieherinnen. Vor allem beeinträchtigen sie auch die Beziehungen zu den anderen Kindern: Sie wirken sich negativ auf die Stellung von Kindern in der Kindergartengruppe aus und führen zu einer geringeren Wertschätzung sowie zu Ablehnung und Zurückweisung durch die Altersgenossen" (S. 6). Im Kindergartenalter vorhandene Verhaltensauffälligkeiten sind bei einem großen Teil der Kinder noch fünf Jahre später feststellbar - sofern nicht interveniert wurde - und können zu Störungsbildern im Jugendalter wie Drogenmissbrauch oder Kriminalität beitragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass diesen Kindern möglichst früh geholfen werden sollte. Und wir wissen, dass frühzeitige Interventionen effektiver und kostengünstiger sind sowie oft eine Aussonderung - und damit Stigmatisierung - von Kindern unnötig machen. Zudem können solche Maßnahmen zu einer Entlastung von Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen beitragen.

Frühzeitige Interventionen bei Kindern oder eine frühzeitige Beratung von Eltern sind in der Regel nur möglich, wenn auffällige Kinder oder durch Probleme belastete Familien an die entsprechenden psychosozialen Dienste weitervermittelt werden - und zwar von den Institutionen, in denen Auffälligkeiten, Behinderungen, Entwicklungsverzögerungen, Erziehungsschwierigkeiten, familiale Belastungen u.Ä. erstmals offensichtlich werden. Dies sind zumeist Kindertageseinrichtungen und Schulen, wo Kinder aus dem Schutzraum der Familie heraustreten und mit anderen Kindern vergleichbar werden. Diesen Institutionen kommt neben den (Kinder-)Ärzten die größte Bedeutung auf dem Gebiet der Früherkennung zu.

Ziele der Vernetzung

Sehr geehrte Damen und Herren, eine frühzeitige Weitervermittlung von auffälligen Kindern und von Problemfamilien an psychosoziale Dienste durch Kindertageseinrichtungen und Schulen ist leichter zu realisieren, wenn diese drei Systeme miteinander vernetzt sind. Das überragende Ziel bei der Vernetzung sollte also das Wohl des Kindes und seiner Familie sein. Letztendlich muss es immer darum gehen, wie verhaltensauffällige, entwicklungsverzögerte, sprachgestörte, behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder, ihre Eltern oder Familien mit besonderen Belastungen frühzeitig die "passende" Hilfe erhalten. Erzieher/innen und Lehrer/innen sollten also erfahren, für welche Problemlagen welche psychosozialen Dienste die richtigen Ansprechpartner sind und wie sie Kinder bzw. Familien an diese Einrichtungen weitervermitteln können.

Eine in vielen Fällen anzustrebende, aber nicht immer realisierbare Erweiterung dieser Zielsetzung ist die Zusammenarbeit von Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste im Einzelfall. Gemeinsam könnten sie die Probleme des Kindes bzw. der Eltern definieren sowie geeignete Maßnahmen auswählen, planen und durchführen.

Ein anderes Ziel der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten ist die Erweiterung der Kenntnisse von Eltern über Hilfsangebote - indirekt durch die Weitergabe entsprechender Informationen durch Erzieher/innen und Lehrer/innen. Auch wird erwartet, dass Schwellenängste bei Eltern reduziert werden, wenn Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen besser über psychosoziale Dienste aufklären und ihnen persönlich bekannte Ansprechpartner benennen können. Hilfsangebote dieser Einrichtungen sollen von Eltern immer mehr als alltägliche Dienstleistungen wahrgenommen werden.

Ein weiteres wichtiges Ziel der Vernetzung ist, dass Erzieher/innen und Lehrer/innen in Problemsituationen auch für sich selbst Hilfe durch psychosoziale Dienste erfahren. Die benötigte Unterstützung kann fallbezogen - beim Umgang mit einem bestimmten Kind bzw. einer Familie -, allgemein - z.B. eine heilpädagogische Weiterqualifizierung -, teambezogen oder persönlich sein.

In einem engen Zusammenhang mit diesen zentralen Zielen stehen weitere:

  1. Informations- und Erfahrungsaustausch: Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste sollen die Lebens- und Arbeitswelt der jeweils anderen Seite kennen lernen. Sind sie über die Arbeitsweise, Probleme, Bedürfnisse und Wünsche der anderen informiert, können sie diese bei einer Zusammenarbeit berücksichtigen.
  2. Persönliches Kennenlernen: Kennen sich Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste, ist in der Regel mehr Vertrauen gegeben, fällt es leichter, bei Problemen Kontakt aufzunehmen oder Hilfsbedürftige zu überweisen.
  3. Verbesserung der Kooperation im Einzelfall: Angestrebt werden eine bessere Früherkennung, die Vermeidung von Fehlvermittlungen und Mehrfachbetreuungen, eine verstärkte Nutzung der Beobachtungen und Erfahrungen der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen, ein besseres Handlungskonzept durch deren Einbindung in die Planung und Durchführung von Maßnahmen und damit eine größere Effektivität der Hilfsangebote.
  4. Verwirklichung gemeinsamer Ziele: In der Kooperation zwischen Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste können Ziele wie Lebensweltorientierung, Sucht- oder Gewaltprävention, Medienerziehung, Familienbildung u. Ä. realisiert werden.
  5. Gegenseitige Unterstützung: Durch den fachlichen Austausch, die gegenseitige Hilfe beim Umgang mit Einzelfällen, die (kollegiale) Beratung bei Problemen u. Ä. soll es zu einem Kompetenzgewinn und einer höheren Qualität der geleisteten Arbeit kommen.

Schließlich kann mehr Verständnis für die Arbeit und die Probleme der jeweils anderen Seite dazu führen, dass sich Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste solidarisieren, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. So heißt Vernetzung auch, sich gegenseitig zu stärken. Außerdem kann man sich gemeinsam für bessere Lebensverhältnisse für Kinder und Familieneinsetzen.

Öffentliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege, Politik und Verwaltung verbinden mit der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten die Erwartung, dass die vorhandenen knappen Ressourcen gezielter, effektiver und effizienter genutzt sowie verschiedene Hilfsangebote miteinander verzahnt und abgestimmt werden. Eher abgeschottet arbeitende Einrichtungen sollen besser in das Netzwerk der Dienste eingebunden werden. All dies soll zu einer Optimierung der Versorgung mit medizinischen, therapeutischen und sozialen Dienstleistungen führen.

Formen der Vernetzung

Vernetzungsbestrebungen können von (einzelnen) Kindertageseinrichtungen, (einzelnen) Schulen oder (einzelnen) psychosozialen Diensten ausgehen, aber auch von Verbänden, Behörden und politischen Gremien.

Eine Vernetzung kann sich auf zwei Einrichtungen beschränken. Sie ist unidirektional, wenn beispielsweise eine Kindertagesstätte Familien an eine Erziehungsberatungsstelle überweist, diese aber keinen Kontakt zu den Erzieher/innen hat. Oder sie kann bidirektional sein, d.h. im vorgenannten Fall, dass die Berater/innen ein Gespräch über die jeweilige Familie mit den Erzieher/innen führen oder auf andere Weise mit ihnen in Kontakt stehen. Die Vernetzung kann aber auch mehrere Einrichtungen - z.B. eine Schule und mehrere psychosoziale Dienste - umfassen und multidirektional sein.

Die Vernetzung kann horizontal - d.h. zwischen Einrichtungen auf der lokalen Ebene - oder vertikal erfolgen, also zwischen örtlichen und überregionalen Institutionen. Die Partner können gleichberechtigt sein, oder eine Institution übernimmt die Führung. Die Beteiligung an Vernetzungsbestrebungen kann auf Personen von der Leitungsebene beschränkt sein; es können aber auch (nahezu) alle Mitarbeiter/innen oder (nur) interessierte Einzelpersonen einbezogen werden. Eine Vernetzung kann informell und locker sein - z.B. in der Form unverbindlicher Gesprächsrunden - oder formell und institutionalisiert sein, also z.B. mit einer Vereinssatzung oder einer Geschäfts- bzw. Tagesordnung verbunden sein. Sie kann kurzfristig oder langfristig bzw. von Dauer sein. Schließlich kann sie auf ein bestimmtes Thema bzw. Projekt begrenzt werden oder die ganze mögliche Themenvielfalt berücksichtigen.

Methoden der Vernetzung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine kaum noch überschaubare Anzahl von Vernetzungsaktivitäten, sodass ich mich an dieser Stelle auf einige beschränken will, die sich im Projekt "Vernetzung von Kindertageseinrichtungen mit psychosozialen Diensten" besonders bewährt haben.

(1) Beratungsführer

Viele Erzieher/innen und Lehrer/innen überschauen nicht das soziale Netz vor Ort. Zudem wissen sie oft nicht, wie sie es bei eigener Beratungsbedürftigkeit nutzen können. So ist es zunächst notwendig, ihnen einen Überblick über die in einer Stadt bzw. einem Landkreis vorhandenen psychosozialen Dienste zu vermitteln. Dies kann durch das Verteilen von Beratungsführern für Familien, Frauen oder andere Bevölkerungsgruppen geschehen. Mancherorts werden auch Beratungsführer speziell für Kindertageseinrichtungen und/oder Schulen herausgegeben. Gibt es solche Beratungsführer nicht, ist die Informationsbeschaffung bzw. -vermittlung schwieriger: Relevante psychosoziale Dienste müssen schriftlich oder telefonisch kontaktiert, über ihr Tätigkeitsfeld befragt oder um Zusendung von Broschüren, Faltblättern und Jahresberichten gebeten werden. Oder diese müssen von sich aus tätig werden und den Kindertageseinrichtungen bzw. Schulen Informationsmaterial senden.

Um auch Eltern zu erreichen, können Kindertageseinrichtungen ihnen zugeschickte Beratungsführer, Faltblätter, Broschüren usw. im Eingangsbereich oder in einer so genannten "Elternecke" auslegen. Dann können Eltern, die ungern mit den Erzieher/innen über ihre Probleme sprechen würden oder deren familialen Belastungen überhaupt nichts mit dem betreuten Kind zu tun haben, sich unbeobachtet über Hilfsangebote - einschließlich finanzieller Leistungen - informieren. Werden die ausgelegten bzw. ausgehängten Broschüren und Zeitungsartikel häufig ausgetauscht bzw. erneuert, werden immer wieder Aufmerksamkeit und Interesse der Eltern geweckt.

(2) Informationsveranstaltungen für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen

Psychosoziale Dienste, die an einer engeren Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungen und Schulen interessiert sind, bieten in unregelmäßigen Abständen Informationsveranstaltungen an, um über ihre Aufgaben, Arbeitsschwerpunkte, therapeutischen Ansätze, Methoden und Verfahrensweisen zu unterrichten. Dem gleichen Zweck dienen "Tage der offenen Tür". Mancherorts sind auch Kontaktnachmittage üblich, die informelle Gespräche bis hin zur Diskussion von Problemen zulassen.

(3) Informationsbörsen

Eine in meinen Augen besonders sinnvolle Form der Vernetzung sind Kontaktbörsen, auf denen sich bis zu 20 verschiedene psychosoziale Dienste den Erzieher/innen und Lehrer/innen aus einer Stadt oder einem Landkreis vorstellen. Eine Informationsbörse kann zum einen als "Markt der Möglichkeiten" konzipiert werden. Hier präsentieren sich die psychosozialen Dienste gleichzeitig in einem oder mehreren großen Räumen mit Hilfe von Stellwänden und auf Tischen ausgelegten Materialien. Zum anderen kann die Kontaktbörse so gestaltet werden, dass sich alle halbe oder ganze Stunde ein psychosozialer Dienst mit einem Referat vorstellt, wobei sich auch Parallelvorträge bewährt haben. Natürlich können solche Informationsbörsen auch den Eltern bzw. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

(4) Allgemeine persönliche Kontakte

Ein Informations- und Erfahrungsaustausch ist auch möglich, wenn sich Mitarbeiter/innen von psychosozialen Diensten in Kindergartenteams oder Lehrerkollegien vorstellen - wobei die Initiative hierzu von beiden Seiten ausgehen kann. Erzieher/innen und Lehrer/innen können aber auch psychosoziale Dienste besuchen und so auch deren Räumlichkeiten kennen lernen. Manchmal sind sogar wechselseitige Hospitationen möglich.

Solche Treffen sollten auch genutzt werden, um Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste über Erziehungsziele und -methoden, Arbeitsschwerpunkte, besondere Belastungen u.Ä. der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen aufzuklären. Es gilt nämlich folgender Grundsatz: Je konkreter die Arbeitssituation der jeweils anderen Seite erfahren wird, umso größer wird das Verständnis für sie und umso realistischer lässt sich die Zusammenarbeit gestalten.

(5) Arbeitskreise und Arbeitsgemeinschaften

Der Vernetzung dienen ferner zeitlich begrenzte Arbeitskreise oder auf Dauer bestehende Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften und Stadtteilkonferenzen. Hier treffen sich Erzieher/innen, Lehrer/innen und Vertreter/innen psychosozialer Dienste, um einander besser kennen zu lernen, Informationen und Erfahrungen auszutauschen, ihre Arbeit besser zu koordinieren, Wege einer Zusammenarbeit zu eruieren, Versorgungslücken ausfindig zu machen, Konflikte auszutragen, Konzepte zu entwickeln und sich gegenüber Bedrohungen von außen zu verbünden. Solche Arbeitskreise ermöglichen es Erzieher/innen und Lehrer/innen, das soziale Netz vor Ort genau kennen zu lernen, persönliche Kontakte zu Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste zu pflegen sowie die Interessen und Probleme von Kindertageseinrichtungen und Schulen in die Diskussion einzubringen.

Bei Arbeitskreisen stellt sich oft die Frage, welche bzw. wie viele Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosoziale Dienste einbezogen werden sollen. Zum einen kann die Gruppe zu groß sein, was das Arbeiten und die Entscheidungsfindung erschwert. Oder sie kann zu klein werden, sodass potentiell wichtige Kooperationspartner nicht beteiligt werden und die Breitenwirkung zu gering ist. Zum anderen können bei der zumeist sinnvollen räumlichen Begrenzung - z.B. auf einen Landkreis oder einen Stadtteil (bei Großstädten) - die sich außerhalb des Gebiets befindenden psychosozialen Dienste ausgegrenzt werden. Schließlich können sich Besprechungen als wenig nutzbringend erweisen, wenn keine Klarheit hinsichtlich der Aufgaben und Ziele des Arbeitskreises besteht oder wenn Teilnehmer/innen in ihren Institutionen nur wenig Macht und Einfluss haben.

Längerfristige Kontakte sind ferner im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften möglich, die sich mit bestimmten Themen wie Suchtprävention, Schutz vor sexuellem Missbrauch oder Medienerziehung befassen. Hier können auch gemeinsame Projekte konzipiert und diskutiert werden. So wird in Deutschland oft das Projekt "Der spielzeugfreie Kindergarten" durchgeführt, bei dem für einige Wochen die meisten Spielsachen aus den Kindertagesstätten "verbannt" werden. Dadurch soll der weit verbreiteten Konsumorientierung von Kindern entgegengewirkt und gleichzeitig ein Beitrag zur Gewalt- und Suchtprävention geleistet werden. Es wird erwartet, dass das weitgehende Fehlen "konsumierbarer" Spielsachen - aber auch von Angeboten der Erzieher/innen - die Kinder auf sich selbst zurückwirft und in ihnen neue Kräfte frei setzt. Der weitgehend leere Raum, aus dem nicht geflüchtet werden kann, ruft wohl zunächst das Gefühl der Langeweile und Frustration hervor, was manchmal auch kurzfristig zu Aggressivität führen kann. Die Kinder werden auf sich selbst, die eigenen Stärken und Schwächen, ihre Kreativität und Fantasie, verwiesen. Sie lernen dann aber mit der Zeit, sich selbst zu beschäftigen und ganz neue Spiele zu erfinden. Es muss mehr miteinander kommuniziert werden, und soziale Beziehungen werden intensiviert. Die Kinder haben mehr Zeit zum Gespräch, zur gegenseitigen Beratung, zur Diskussion von Ideen, zur Planung und Organisation von Aktivitäten, zum Lösen von Problemen. Sie entdecken eine ganz neue Welt jenseits des "Konsums" von vorgefertigten Spielen oder von erwachsenendominierten Beschäftigungsangeboten.

(6) Veranstaltungen für Eltern

Manche psychosozialen Dienste bemühen sich um einen guten allgemeinen Kontakt zu Eltern. Ihre Mitarbeiter/innen sind gerne bereit, an Elternabenden in Kindertageseinrichtungen oder Schulen mitzuwirken, wobei ein offenes Gespräch mit den Eltern einem Vortrag vorzuziehen ist. Beliebte Themen sind beispielsweise: "Mein Kind trotzt", "Suchtgefahr - schon im Kleinkindalter?", "Der Computer im Kinderzimmer", "Sexualerziehung" oder "Wie gehe ich mit Aggressivität um?"

Beratungsstellen oder andere psychosoziale Dienste können auch regelmäßig eine Elternsprechstunde in der Kindertagesstätte oder Schule anbieten - z.B., um auf diese Weise Familien zu erreichen, die von sich aus nicht den Weg in die Einrichtung fänden. Zu den durch Aushang oder auf Handzetteln bekannt gegebenen Terminen kommt dann ein Mitarbeiter in den Kindergarten bzw. in die Schule und steht für Beratungsgespräche zur Verfügung. Erfahrungsberichte zeigen, dass bei solchen Gesprächen inhaltlich zumeist Probleme im Zusammenhang mit dem Kindergarten oder der Schule im Mittelpunkt stehen - z.B. mein Sohn will nicht im Kindergarten bleiben, meine Tochter findet keinen Anschluss in der Gruppe, meine Tochter macht keine Hausaufgaben. Andere Themen sind Krisenpunkte in der Entwicklung wie Trotz, Aggressivität, Angstbewältigung, Geschwisterrivalität, Sprach- und Sprechauffälligkeiten. "Eine besonders wichtige Erfahrung für Eltern ist es, dass die Konsultation eines Psychologen nicht gleichzusetzen ist mit Versagen in Erziehung, Partnerschaft oder bei sich selbst, sondern dass sie ein Hilfsangebot für die Lösung von Schwierigkeiten ist, die zu den unausbleiblichen Wechselfällen des Lebens gehören" (Winter 1996, S. 111). Manchmal werden auch die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen in das Gespräch einbezogen. Dies trägt oft zu einem deutlich besseren Verständnis der Situation des Kindes und seiner Familie bei.

Andere mögliche Angebote sind Gesprächskreise für Eltern, Spielgruppen für Mütter und Kinder, Alleinerziehendentreffs, Elterntrainings u.Ä. So finden z.B. in Elterngruppen unter Einbeziehung von Erziehungsberater/innen oder anderen Fachleuten neben der Intensivierung von Kontakten und der Weitergabe relevanter Informationen intensive Gespräche zu Erziehungs- und Familienfragen statt. In Kindertagesstätten wurden z.B. folgende Erfahrungen mit Müttergruppen gesammelt: "Den Müttern wird der Lebensbereich Kindergarten anhand von sehr persönlichen Schilderungen der Erzieherinnen transparenter gemacht, während die Erzieherinnen Einblick in die unterschiedlichsten Familiensituationen der ihnen anvertrauten Kinder erlangen, die sie dann in ihrer pädagogischen Arbeit berücksichtigen können. Eltern und Erzieherinnen finden Verständnis für die Lebenszusammenhänge und Problemsicht der jeweils anderen Seite" (Winter 1996, S. 111). Oft kann den Eltern das Angebot gemacht werden, ihre Kinder - auch solche Kinder, die nicht im Kindergarten angemeldet sind - während der Veranstaltung von einer Erzieherin betreuen zu lassen, sodass sie diese gut versorgt wissen.

Bei diesen Formen einer intensiveren Zusammenarbeit mit psychosozialen Diensten werden deren Hilfsangebote direkt in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule geholt. Eltern nehmen in der gewohnten Umgebung bzw. in einer Gruppe ihnen bekannter Eltern viel eher ein Gesprächs- oder Beratungsangebot an. Haben sie in diesem Kontext erst einmal Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste kennen gelernt, fällt es ihnen auch leichter, diese bei größeren Problemen in ihren Dienststellen aufzusuchen. All diese Angebote dienen also sowohl dem Aufbau von Vertrauen als auch der Prävention von Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten.

(7) Einzelfallbezogene Zusammenarbeit

Persönliche Kontakte zu Mitarbeiter/innen von psychosozialen Diensten bewähren sich bei der einzelfallbezogenen Kooperation. So ist es viel leichter, Eltern zur Anmeldung bei einer Beratungsstelle oder Behörde zu motivieren, wenn die Erzieherin oder der Lehrer nicht nur genau Auskunft über deren Aufgaben und Arbeitsweise geben, sondern darüber hinaus sagen kann: "Am besten lassen Sie sich einen Termin bei Frau X geben. Sie ist Diplom-Psychologin; wir arbeiten schon seit Jahren mit ihr zusammen, und sie hat vielen unserer Familien geholfen. Haben Sie sie nicht bei dem Elternabend über Medienerziehung kennen gelernt?"

Manchmal wundern sich Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen, wieso sie nicht selbst Eltern bei einer Beratungsstelle anmelden können. Die ablehnende Haltung der Berater/innen ist aber durchaus sinnvoll: Sie haben die Erfahrung gemacht, dass eine Beratung nur erfolgreich ist, wenn der Leidensdruck bzw. die Motivation hoch ist - und die Überwindung der Schwellenangst bei der Anmeldung ist ein Indiz dafür. Diese Haltung schließt aber nicht aus, dass z.B. bei extrem ängstlichen oder ausländischen Eltern nicht auch einmal eine Anmeldung durch die Erzieherin oder den Lehrer akzeptiert wird. Beratungsstellen können auch im Ausnahmefall das Erstgespräch in der Kindertageseinrichtung führen, sodass die Eltern in einer ihnen vertrauten Umgebung verbleiben - und unter Umständen auch "unter dem Schutz" der Erzieherin stehen, wenn diese an dem Treffen teilnimmt.

Viele Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste möchten miteinander über das jeweilige Kind und seine Familie sprechen. Deshalb sollten sie - auch unabhängig voneinander - die Eltern um ihr (schriftliches) Einverständnis mit der Kontaktaufnahme bitten. Es muss aber akzeptiert werden, wenn Eltern keine Kontakte zwischen Kindertageseinrichtung bzw. Schule und psychosozialem Dienst wünschen, weil z.B. deren Beziehung zu den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen konflikthaft und belastet ist.

Ansonsten sind Fallbesprechungen möglich, bei denen Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste ihre Beobachtungen, Einschätzungen und Problemdefinitionen bezüglich des jeweiligen Kindes und seiner Familie austauschen. Je nach Interesse und verfügbarer Zeit kann auch gemeinsam die Diagnose erstellt werden. Hier ist es oft vorteilhaft, wenn Fachleute in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule kommen können, um das Kind in einer ihm vertrauten Umgebung zu beobachten und seine Beziehungen zu anderen Kindern und den Erwachsenen zu erfassen. Nach der diagnostischen Beschreibung der Fähigkeiten und Probleme des Kindes kann dann unter Umständen sogar ein Erziehungs- oder Hilfeplan aufgestellt werden. In ihm legen die Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste und die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen jeweils für ihren Bereich Ziele für die Behandlung und Erziehung des Kindes und den Umgang mit seinen Eltern sowie die sich daraus ergebenden therapeutischen Maßnahmen, Erziehungsmethoden, heilpädagogische Verfahren usw. fest. In weiteren Gesprächen bzw. Telefonaten können dann Informationen über den Beratungsverlauf und über die Entwicklung des Kindes (in der Gruppe) ausgetauscht werden. Auch können die Fachleute verdeutlichen, dass z.B. bei einer längerfristigen Kindertherapie oder Familienberatung Veränderungen beim Kind oft erst nach geraumer Zeit sichtbar werden, sodass zu hohe Erwartungen der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen abgebaut und sie darauf vorbereitet werden, noch länger die alltäglichen Schwierigkeiten mit dem Kind aushalten zu müssen.

Bei derartig engen einzelfallbezogenen Kontakten ist es manchmal möglich, dass Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen hinsichtlich des Umgangs mit dem jeweiligen Kind und seinen Eltern beraten werden. Gelegentlich können sie gemeinsam mit Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste Elterngespräche in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule führen oder an einem Beratungstermin in deren Dienststelle teilnehmen. Hier muss in der Regel zunächst der Konsens hergestellt werden, dass sich nicht nur das Kind bzw. der Jugendliche ändern muss, sondern auch Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen - Schuldzuschreibungen sind abzubauen; alle müssen Verantwortung übernehmen. Dann wird das zu behandelnde Problem definiert und analysiert. Bei der Suche nach den Ursachen werden oft unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen mit dem Kind aufseiten der Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen deutlich, die abgeklärt werden müssen. Oft bringen auch die Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste neue Erkenntnisse ein, wenn sie z.B. Kinder getestet oder bei der Unterrichtsbeobachtung die Funktion des Symptoms in der Klasse ermittelt haben. Nach der Problemdefinition werden die Ziele für Interventionen festgesetzt und diese geplant. Deren Erfolg hängt häufig davon ab, ob Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen sich auf dasselbe Verhalten gegenüber dem Kind einigen können und dies auch in Familie und Kindertageseinrichtung bzw. Schule praktizieren. Manchmal müssen die Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste ihnen zuvor verhaltenstherapeutische, heilpädagogische oder andere hilfreiche Techniken vermitteln. Wichtig ist auch, dass immer wieder der Erfolg der vereinbarten Maßnahmen überprüft wird.

(8) Schulsozialarbeit

Das Hilfsangebot von psychosozialen Diensten stößt oft an Grenzen, wenn die Ursachen der Probleme überwiegend in der Gleichaltrigengruppe liegen. Dann bietet die Schulsozialarbeit eine Alternative. Sie wird von Sozialpädagog/innen durchgeführt, die entweder bei einem freien Träger der Wohlfahrtspflege, dem Jugendamt oder der Schule angestellt sind. Ihre Aufgaben sind vielfältig und von Schule zu Schule unterschiedlich. Zu ihren gehören beispielsweise:

  1. Beratung von Schüler/innen bei Problemen und Verhaltensauffälligkeiten, Vermittlung bei Konflikten zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen, Hilfe bei der Berufsfindung, Fördergruppen zur Erlangung sozialer Kompetenzen;
  2. außerunterrichtliche Betreuung von Schüler/innen, Einrichtung von Kommunikationsmöglichkeiten und Schülertreffs, Freizeitangebote, Ferienmaßnahmen, Arbeitsgemeinschaften;
  3. Hausaufgabenbetreuung, Mitwirkung bei Schulfahrten und Projektwochen, klassenbezogene Aktivitäten;
  4. Elternberatung, Leitung von Elternkreisen, Hausbesuche, Vermittlung von Hilfen anderer Einrichtungen;
  5. Beratung von Lehrer/innen, beratungsorientierte Teilnahme am Unterricht; sowie
  6. Zusammenarbeit mit Arbeitsamt, Betrieben, Jugendamt, Wohlfahrts- und Jugendverbänden, Beratungsstellen, sozialen Diensten, Jugendhäusern usw.

Es ist offensichtlich, dass Schulsozialarbeiter Problemkindern, aber auch anderen Schüler/innen, helfen und deren Persönlichkeitsentwicklung fördern können. Sie wirken auf die sozialen Beziehung der Schüler/innen ein, indem sie beispielsweise Jugendliche aus radikalen Gruppierungen, Sekten oder der Drogenszene herauslösen oder Außenseiter integrieren. Dabei können sie den Kindern fehlende soziale Fertigkeiten vermitteln. Schulsozialarbeiter/innen unterstützen Familien mit besonderen Belastungen, stellen die Betreuung von Kindern erwerbstätiger Mütter sicher, tragen zur Überwindung sozialer Benachteiligungen bei und fördern die Integration ausländischer Schüler/innen.

(9) Mobile Dienste für Kinder

In Bayern mehr als 6.600 Kinder im Vorschulalter durch "Mobile sonderpädagogische Hilfen" der Förderschulen betreut. Ferner sind 130 Sonderschullehrer/innen im "Mobilen sonderpädagogischen Dienst" tätig, der auffällige Schüler/innen an Regelschulen betreut. Eine große Zahl von Kleinkindern wird aber auch von mobilen Diensten mit anderen Trägern als den Förderschulen behandelt - die in Bayern mit 7,3 Stellen wohl größte dieser Einrichtungen, der Pädagogisch-Psychologische Dienst (PPD) für Stadt und Landkreis Passau, betreute z.B. allein 784 Kinder im Jahr 1996 (Mayr 1998). Hier gehören Heilpädagog/innen, Förderschullehrer/innen, Sozialpädagog/innen und Psycholog/innen zum Personal. Aber nicht nur bei größeren mobilen Diensten ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit gesichert, auch viele kleinere Dienste können bei ihrem Träger - z.B. Erziehungsberatungs- oder Frühförderstellen - auf Fachkräfte mit anderen, ergänzenden Qualifikationen zurückgreifen. Entsprechend der Ausbildung ihrer Mitarbeiter/innen bzw. des Arbeitsauftrages ihres Trägers haben sich manche mobile Dienste auf bestimmte Probleme - z.B. Sprachauffälligkeiten - spezialisiert.

Mobile Dienste kommen nur auf Anforderung der Erzieher/innen oder Lehrer/innen in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule. Der Anlass ist normalerweise ein verhaltensauffälliges, entwicklungsverzögertes, sprachgestörtes oder behindertes Kind. In der Regel geht es - mit Einverständnis der Eltern - zunächst um die Beobachtung des Kindes mit dem Ziel der Diagnoseerstellung. Wenn die Eltern noch nicht angesprochen worden sind, kann die Erzieherin bzw. Lehrerin aber auch das Verhalten und die Symptome des Kindes - ohne Namensnennung - der Mitarbeiterin des mobilen Dienstes schildern, ihre Meinung erfragen und mit ihr das weitere Vorgehen abstimmen.

In der Kindertageseinrichtung bzw. Schule können Mitarbeiter/innen mobiler Dienste ein auffälliges Kind in einer ihm vertrauten Umgebung erleben. Die Beobachtungen können in der Einzel- oder in der Gruppensituation erfolgen; im letztgenannten Fall können sie teilnehmend oder nicht teilnehmend sein. In der Regel beziehen sich die Beobachtungen nicht nur auf das Verhalten des Kindes, sondern auch auf seine Beziehung zu den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und den anderen Kindern. Daneben sammeln die Mitarbeiter/innen mobiler Dienste weitere Informationen über das Kind im Gespräch mit den Fachkräften und möglichst auch mit den Eltern. Eventuell setzen sie entwicklungsdiagnostische Testverfahren ein oder erstellen Soziogramme. In Einzelfällen veranlassen sie eine medizinische, neurologische oder andersartige Untersuchung des Kindes durch Dritte.

Die Diagnose wird zumeist unter Einbeziehung der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen (und der Eltern) erstellt. Daran schließt sich die Besprechung möglicher Maßnahmen an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss ein Gespräch mit den Eltern geführt werden, da diese die Interventionen genehmigen müssen. Es wird mit ihnen ein mündlicher, oft auch ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen. Mögliche Maßnahmen von Mitarbeiter/innen mobiler Dienste in Kindertageseinrichtungen und Schulen sind:

  1. Behandlung des Kindes: Je nach Auffälligkeit wird - zumeist einmal pro Woche - eine heilpädagogische, sprach-, spiel- bzw. ergotherapeutische oder sonderpädagogische Behandlung durchgeführt. Neben der Einwirkung auf die Verhaltensauffälligkeiten, Sprachstörungen, Entwicklungsrückstände oder (drohenden) Behinderungen geht es in der Regel auch um eine allgemeine Förderung des Kindes, also um die Vermittlung sozialer und anderer Kompetenzen, die Integration in die Gruppe, die Bewusstmachung von Grenzen, den Aufbau von Selbstvertrauen usw. Zum einen kann die Behandlung erfolgen als Einzelförderung außerhalb der Kindergruppe bzw. Schulklasse, wenn z.B. das Kind für eine bestimmte Zeit eine gezielte, intensive Behandlung durch eine konstante Bezugsperson benötigt, die auf seine Bedürfnisse eingeht und sich ihm anpasst. Zum anderen kann die Einzelförderung auch in der Gruppe erfolgen, wenn das Kind z.B. eine exklusive Zweiersituation nicht erträgt, wenn die intensive Einzelbehandlung bereits abgeschlossen ist oder wenn es um die Integration des Kindes in die Gruppe geht. Schließlich kann die Förderung in einer Kleingruppe außerhalb der Kindergartengruppe bzw. Schulklasse erfolgen, wenn z.B. Kinder mit ähnlichen Auffälligkeiten gemeinsam behandelt werden sollen oder wenn ein sehr ängstliches und kontaktarmes Kind erst in eine Kleingruppe integriert werden soll.
  2. Beratung der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen: Die Mitarbeiter/innen mobiler Dienste erläutern ihnen die Probleme des Kindes und deren Ursachen, wecken Verständnis für seine besonderen Bedürfnisse und geben Hinweise, durch welche Maßnahmen die Fachkräfte die Behandlung des Kindes unterstützen und wie sie diese in den Kindergarten- bzw. Schulalltag integrieren können. Manchmal versuchen sie, das Bild der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen von dem auffälligen Kind zu verändern, da eine neue Sichtweise zu einer anderen Beziehung zum Kind führt, was diesem Chancen für eine Veränderung seines Verhaltens eröffnet. Auch können die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen darauf aufmerksam gemacht werden, wie ihr Verhalten - z.B. eine Überbehütung oder Unterforderung des Kindes -, wie Gruppenprozesse - z.B. die Zuweisung einer Sündenbockrolle - oder wie Rahmenbedingungen zu den Problemen des Kindes beitragen und was dagegen gemacht werden kann. Schließlich können (gemeinsame) Elterngespräche vor- und nachbereitet werden.
  3. Elternberatung: Zusammen mit den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen oder auch ohne sie informieren Mitarbeiter/innen mobiler Dienste die Eltern eines "Problemkindes" über die Ursachen der Auffälligkeiten und deren Behandlung. Sie erklären ihnen, wie sie die Einzelförderung unterstützen können, z.B. durch die Durchführung bestimmter Übungen mit dem Kind, durch das Unterlassen bestimmter Verhaltensweisen oder durch Zuwendung und Aufmerksamkeit. Auch beraten sie die Eltern bei Erziehungsschwierigkeiten und Alltagsproblemen. Manchmal muss die Beziehung zwischen Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen verbessert werden, z.B. durch das Lösen von Konflikten.
  4. Weitervermittlung: Können die Mitarbeiter/innen mobiler Dienste einem Kind bzw. seiner Familie nicht helfen, werden diese an andere Stellen überwiesen.

Alle diese Maßnahmen führen zumeist nicht nur zu einer Verbesserung der Situation und Entwicklung des Kindes, sondern in der Regel auch zu einer Entlastung der Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen. Hinzu kommt, dass Letztere durch den häufigen Kontakt zu Mitarbeiter/innen mobiler Dienste - insbesondere durch Fallbesprechungen und die Mitwirkung an Fördermaßnahmen - indirekt weiterqualifiziert werden: Sie erweitern ihr heil- und sonderpädagogisches Wissen, erwerben neue Kompetenzen im Umgang mit "Problemkindern" und erlernen Techniken der Gesprächsführung mit Eltern. Zumeist kann auch eine generelle Verbesserung der erzieherischen Tätigkeit und der Elternarbeit beobachtet werden.

Eine Zusammenarbeit mit mobilen Diensten verläuft nicht immer ohne Probleme. Beispielsweise haben manche Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen zu hohe Erwartungen an eine heilpädagogische oder therapeutische Behandlung von Kindern in ihrer Einrichtung. Sie sind dann enttäuscht, wenn sich Erfolge nicht so schnell wie erwartet einstellen. Dies kann zu einer negativen Einschätzung der weiteren Entwicklung des Kindes führen - was manchmal zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird. Hinzu kommt, dass die Einzelförderung eines Kindes in der Tageseinrichtung oder Schule auch Nachteile im Vergleich zu einer Behandlung in einer Erziehungsberatungsstelle hat: Beispielsweise ist oft eine intensive Elternberatung nicht möglich, obwohl die Ursachen vieler Probleme in der Familie liegen. Schließlich können Eltern nicht in dem Maße in die Behandlung ihres Kindes einbezogen werden wie z.B. in einer Frühförderstelle, wo sie bei den einzelnen Terminen bestimmte Übungen erlernen, die sie dann während der nächsten Tage mit ihrem Kind wiederholen sollen. Abschließend muss noch angemerkt werden, dass mobile Dienste wegen der anfallenden Wegezeiten und Fahrtkosten weniger effizient als ambulante Einrichtungen sind.

Positiv ist hingegen, dass die Hilfen mobiler Dienste niederschwellig als "Leistung" der Kindertageseinrichtung bzw. Schule in deren Räumen angeboten werden, sodass für die Kinder weniger eine Sondersituation eintritt. Manchmal werden sie sogar um die Einzelförderung beneidet, wenn diese z.B. rhythmische oder sportliche Elemente umfasst. Zugleich werden Aussonderung, Etikettierung und Stigmatisierung vermieden, bleiben normale Entwicklungsanreize erhalten (Modellfunktion "normaler" Kinder), können Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und andere Kinder in die Behandlung einbezogen werden. Auch akzeptieren Eltern Ratschläge und Hinweise der Mitarbeiter/innen mobiler Dienste leichter, weil sie wissen, dass diese ihr Kind auch aus dem Gruppenalltag kennen. Zudem erfolgt die Hilfe unbürokratisch und wohnortnah. Schließlich können so auch Kinder allein erziehender oder berufstätiger Eltern einbezogen werden, die sonst keine Behandlung erfahren würden. Dasselbe gilt für Familien in den traditionell schlechter versorgten ländlichen Regionen, deren Kinder oft nur von mobilen Diensten in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule erreicht werden können.

(10) Mobile Dienste für Erzieher/innen

Eine kleinere Zahl mobiler Dienste hat sich auf die Beratung von Erzieher/innen spezialisiert. Ihre Mitarbeiter/innen behandeln keine Kinder in Tageseinrichtungen - was aber nicht ausschließt, dass sie verhaltensauffällige, entwicklungsverzögerte oder sprachgestörte Kinder in der Gruppe beobachten und zusammen mit den Erzieher/innen (und Eltern) eine Diagnose erstellen. Dann wird geklärt, welche Hilfsmaßnahmen sinnvoll sind. Reichen erzieherische oder heilpädagogische Aktivitäten der Erzieher/innen aus, werden diese besprochen und in den Tagesablauf eingeplant. In diesem Zusammenhang erhalten Erzieher/innen eine Anleitung zur gezielten Förderung des jeweiligen Kindes, wobei auch heilpädagogische Kenntnisse und Verfahren vermittelt werden können. Ferner geht es bei den Fallbesprechungen um die Reflexion des eigenen Handelns, um das Erkennen von Fehlern im Umgang mit dem jeweiligen Kind, die Steigerung der erzieherischen Kompetenz, die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten und die Verbesserung der pädagogischen Arbeit im Allgemeinen.

Deutlich wird, dass auf solche Weise gerade auch den so genannten "Grauzonenkindern" geholfen werden kann, die wohl schon auffällig sind, aber noch keiner Behandlung durch psychosoziale Dienste bedürfen. Ferner können so integrative Bemühungen von Kindertageseinrichtungen unterstützt, aber auch Fragen z. B. hinsichtlich der Schulreife eines Kindes geklärt werden. Zeigt sich hingegen bei den Fallbesprechungen, dass eine intensive Behandlung des Kindes bzw. eine besondere Beratung der Eltern notwendig ist, werden die Familien an die entsprechenden Einrichtungen weiter vermittelt. Hier wirken die mobilen Dienste wie ein "Sieb": Sie stellen sicher, dass Kinder wirklich behandlungs- bzw. ihre Eltern beratungsbedürftig sind und dass sie an eine für ihre Problematik zuständige Institution überwiesen werden.

Bei den Fallbesprechungen geht es in der Regel auch um die Vor- und Nachbereitung von Elterngesprächen. Oft nehmen die Mitarbeiter/innen mobiler Dienste an den Besprechungen mit den Eltern teil, informieren sie über die diagnostischen Erkenntnisse, die geplanten bzw. empfehlenswerten Maßnahmen und den richtigen Umgang mit dem Kind. Eine (längerfristige) Elternberatung ist zumeist aber nicht möglich - das zentrale Ziel ist schließlich die Unterstützung und Entlastung der Erzieher/innen.

(11) Fallbesprechungen und Supervision

Aber auch andere psychosoziale Dienste stehen Erzieher/innen und Lehrer/innen für Fallbesprechungen zur Verfügung. Sie übernehmen eine beratende Funktion, und zwar hinsichtlich des Umgangs mit dem jeweiligen Kind und seinen Eltern. Vereinzelt werden sogar Sprechstunden für Erzieher/innen angeboten, wo diese ihre "Problemkinder" - namentlich anonymisiert - vorstellen können: "Ziel der Arbeit ist es, anhand der vorliegenden Daten und der subjektiven Eindrücke der Erzieherin das Problemfeld für das Kind herauszuarbeiten und die innerpsychische Situation des Kindes zu erhellen. Breiten Raum nimmt die Betrachtung der Erzieher-Kind-Beziehung ein, wie sie in der täglichen Praxis erlebt wird und in der Sprechstunde wieder zur Sprache kommt. Wo es erforderlich ist, wird auch auf Erfahrungen der Erzieher/innen im Umgang mit den Eltern eingegangen" (Winter 1996, S. 109).

Ferner können in Kindertageseinrichtungen und Schulen Einzel-, Gruppen- oder Teamsupervisionen durchgeführt werden. Wo sie angenommen werden, kommt es zu einer Verbesserung des erzieherischen Verhaltens und der Kompetenz im Umgang mit Problemkindern und -familien, der Elternarbeit und Gesprächsführung. Erzieher/innen und Lehrer/innen gewinnen Distanz zum eigenen Handeln, erkennen ihre Grenzen und arbeiten sich negativ auswirkende frühkindliche Erfahrungen auf. Auch können institutionelle Rahmenbedingungen wie Arbeitssituation und Machtstrukturen, aber auch Erziehungskonzepte, Elternarbeit und Gruppenprozesse analysiert werden. Durch Teamberatung bzw. -supervision werden Konflikte im Team bewältigt und dadurch gebundene Kapazitäten freigesetzt.

Supervision wird durch einen mündlichen oder schriftlichen Vertrag hinsichtlich der Dauer beschränkt - zumeist auf 10 bis 15 Sitzungen. Sie ist grundsätzlich freiwillig und kann insofern nicht "von oben" angeordnet werden. Auch sollten Supervisoren nicht gleichzeitig Vorgesetzte sein. "Die Inhalte der Supervision unterliegen grundsätzlich der Verschwiegenheit, d.h., weder die Supervisoren noch die Supervisanden dürfen Inhalte und Fakten aus der Supervision an Arbeitgeber oder Vorgesetzte weitergeben - es sei denn, dies geschieht mit ausdrücklichem und eng umschriebenem Einverständnis aller Beteiligten" (Flosdorf 1996, S. 100).

(12) Fortbildungen und Gesprächskreise

Oft wirken psychosoziale Dienste auch an Fortbildungen für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen mit oder bieten eigene Fortbildungsmaßnahmen an. Diese dienen der Weiterqualifizierung zu Themen wie z.B. "Gesprächsführung mit Eltern", Verhaltensauffälligkeiten und ihre Ursachen" oder "Zum Umgang mit hyperaktiven Kindern". Vereinzelt gibt es Gesprächskreise für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen, bei denen diese oft die Themen für die einzelnen Treffen selbst festlegen können.

Manchmal werden auch Teamfortbildungen angeboten - eine besonders effektive Form der Weiterqualifizierung, da hier das ganze Kindergartenteam oder Schulkollegium auf denselben Wissensstand gebracht wird. Besonders vorteilhaft ist hier, dass alle Lernschritte im Team gemacht werden und dass die Umsetzung neuer Ideen gemeinsam geplant und durchgeführt werden kann.

Vernetzungsfördernde und -hemmende Faktoren

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige vernetzungsfördernde und -hemmende Faktoren nennen. So wird die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen, Schulen und psychosozialen Diensten in Deutschland oft durch die Rahmenbedingungen auf beiden Seiten erschwert: Beispielsweise haben Erzieher/innen und Lehrer/innen nur wenig Zeit für Vernetzungsaktivitäten. Auch die weitaus meisten psychosozialen Dienste sind durch hohe Klientenzahlen so überlastet, dass kaum Zeit für den Kontakt mit Kindertageseinrichtungen und Schulen bleibt. Hinzu kommt, dass insbesondere Freiberufler wie Ärzt/innen, Psychotherapeut/innen, Logopäd/innen, Ergotherapeut/innen usw. Vernetzungsaktivitäten mit Krankenversicherungen und anderen "Geldgebern" nicht abrechnen können. Vernetzungshemmend können auf beiden Seiten aber auch mangelndes Interesse und fehlende Motivation wirken. Eine besondere Bedeutung kommen hier dem Datenschutz und der Schweigepflicht zu, die eine einzelfallbezogene Kooperation erschweren, wenn keine (schriftliche) Einverständniserklärung der Eltern vorliegt.

Ein anderer Hemmfaktor ist, dass Schulen und psychosoziale Dienste einander fremd bis ablehnend gegenüber stehen, anstatt dass sie aus der gemeinsamen Verantwortung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen heraus nach einer engen, offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit trachten. Die Schule sieht noch immer in Jugendämtern und Erziehungsberatungsstellen weniger den Partner als das geringgeschätzte "Amt" bzw. die Institution, der Problemschüler überstellt werden mit der Erwartung, durch Disziplinierung und Anpassung einen reibungslosen Schulbetrieb zu gewährleisten. Umgekehrt betrachten psychosoziale Dienste die Schule vorrangig als Lernfabrik oder Paukanstalt, in der Schüler nach Maßstäben der Gesellschaft "zugerichtet" werden.

Ferner ist problematisch, wenn der Eindruck entsteht, dass der hohe Aufwand für Vernetzungsaktivitäten in keinem angemessenen Verhältnis zum "Ertrag" steht bzw. dass die aufgewendete Zeit und Energie bei zentraleren bzw. wichtigeren Aufgaben wie der Erziehung der Kinder, der Elternarbeit oder der Betreuung und Beratung von Klient/innen fehlen. Enttäuschungen können aber auch aus zu hohen Erwartungen resultieren - z.B. dass Erzieher/innen bei der Behandlung von Kindern als "Cotherapeut/innen" eingesetzt werden können oder dass psychosoziale Dienste für Lehrer/innen viele Fortbildungs- oder Supervisionsangebote machen können. Negativ kann sich ferner der Eindruck auswirken, dass sich Kindertageseinrichtungen und Schulen durch Vernetzung aller schwierigen Kinder entledigen wollen oder dass bei ihnen notwendige Veränderungen wie z.B. eine bessere heilpädagogische Qualifizierung von Erzieher/innen in der Aus- und Fortbildung oder eine intensivere Elternarbeit und -beratung durch Lehrer/innen hinausgeschoben werden sollen.

Hingegen wirkt vernetzungsfördernd, wenn Erzieher/innen, Lehrer/innen und Mitarbeiter/innen psychosozialer Dienste einander offen und vertrauensvoll begegnen, einander als gleichberechtigt behandeln und nach einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit streben. Jede Seite sollte eine gefestigte berufliche Identität haben, also die eigenen Kompetenzen und Grenzen kennen. Zugleich sollte sie die Fachlichkeit der anderen Fachkräfte achten und deren Grenzen akzeptieren.

Für Kindertageseinrichtungen und Schulen darf Vernetzung kein Ziel an sich sein, sondern muss immer an das überragende Ziel der Gewährleistung des Kindeswohls und der Unterstützung von Familien zurückgekoppelt werden. Viele Vernetzungsaktivitäten sind nur dann von Erfolg gekrönt, wenn von den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen eine gute Elternarbeit praktiziert wird. So muss das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindertagesstätte bzw. Schule so tragfähig sein, dass Eltern bei Auffälligkeiten ihrer Kinder motivierbar sind, die Hilfe psychosozialer Dienste einzufordern und zu nutzen. Auch werden sie nur über Familienprobleme und Erziehungsschwierigkeiten sprechen, wenn sie den Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen vertrauen.

Schließlich wirkt sich positiv aus, wenn für die Vernetzung eine tragfähige Struktur - z.B. durch regelmäßig tagende Arbeitskreise - geschaffen wird. Die Partner müssen "zusammenpassen", also ähnliche Orientierungen, Werte, Leitideen usw. haben. Sie sollten klare Ziele verfolgen und gemeinsam Kooperationsfelder und -formen festlegen. Arbeitskreise benötigen eine gute Leitung, die keine Macht oder Druck ausübt, sondern mit diplomatischem Geschick unterschiedliche Interessen ausbalancieren und Konflikte einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zuführen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie werden während meines Vortrags sicherlich gemerkt haben, wie mir das Thema "Vernetzung" am Herzen liegt. Ich hoffe sehr, dass sich der eine oder andere meiner Gedanken auf die Situation in Polen übertragen lässt, dass Sie die eine oder andere Vernetzungsaktivität verwirklichen können. Meine Erfahrung ist, dass man bei der Vernetzung nie "bei Null anfangen" muss. So werden auch Sie auf Vielem aufbauen können. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Anmerkung

Es handelt sich hier um den Text des Vortrags vom 02.06.2000 auf der Konferenz "Dem Kind - der Familie - sich selbst - helfen" von ProMark an der Schlesischen Universität, Filiale Cieszyn.

Literatur

Flosdorf, P.: Verbesserung und Erhaltung der beruflichen Kompetenz durch Supervision und andere Formen von Praxisberatung. In: Textor, M.R. (Hg.): Problemkinder? Auffällige Kinder in Kindergarten und Hort. Weinheim 1996

Mayr, T.: Pädagogisch-Psychologischer Dienst im Kindergarten. Abschlussbericht. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik 1998

Winter, P.: Familienbezogene Erziehungshilfe von Erziehungsberatern in Kindertagesstätten. In: Textor, M.R. (Hg.): Problemkinder? Auffällige Kinder in Kindergarten und Hort. Weinheim 1996

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