Kirsten Scheffler
Am 30. September 2000 hatten die Kindergartenkinder des Städtischen Kindergartens Parsberg die Möglichkeit, zwei Shetlandponys und zwei etwas größere Islandpferde kennen zu lernen. Dazu gehörte, dass sie die Ponys anfassen, streicheln, füttern und auch auf ihnen sitzen durften.
Alle Kinder waren begeistert, die winterbefellten Vierbeiner anfassen zu dürfen. Viele streichelten und fühlten, dabei stellten einige auch Unterschiede in der Fellbeschaffenheit fest. Der Andrang bei den vier Ponys war gleich groß, und die Kinder waren trotz des feuchten Nebelwetters mit Begeisterung dabei. Höhepunkt für fast alle Kinder war das "oben auf" (dem Pony sitzen). Einige Kinder "probierten" die vier Ponys mehrmals aus.
Die Kinder waren sehr aufmerksam und interessiert. Einige von ihnen bildeten Warteschlangen, so dass sie alle nacheinander auf die Ponys gehoben werden konnten bzw. sie selbst erklimmten. Es gab weder Drängeleien noch Streitigkeiten; die Stimmung war insgesamt sehr freundlich, und die Ponys haben die vielen Kinder um sie herum gelassen genommen.
Informationen zu den Auswirkungen des Pflegens und Reitens von Ponys und Pferden
In der Beliebtheitsskala bei Kindern zwischen 5 bis 16 Jahren stehen Pferde an dritter Stelle hinter Hunden und Katzen, bei Mädchen sogar an erster Stelle.
Ich möchte nun kurz die Bedeutung des Pferdes und des Reitens in der Entwicklung und auch in der Erziehung eines Kindes darstellen.
Eine bundesweite Studie an Grundschulen hat ergeben, dass sich der allgemeine Gesundheitszustand der Kinder verschlechtert hat und immer häufiger auch schon vor Schuleintritt psychomotorische Störungen sowie Koordinations- und Haltungsschwächen und Übergewicht auftreten. Außerdem sei eine geringere Belastbarkeit festzustellen.
Im Prinzip können die Pflege und Versorgung eines Pferdes wie auch das Reiten zu einer gesunden Entwicklung eines Kindes beitragen und so zur optimalen Entfaltung seiner Persönlichkeit führen. Durch den Umgang mit dem Pony bzw. Pferd wird die Wahrnehmung, meist auf spielerische Weise geschult. Alle Sinne des Menschen werden angesprochen:
- Sehen und Beobachten des Pferdes und der Arbeiten rund ums Pferd,
- Hören, wie Pferde z.B. fressen oder abschnauben,
- Tasten, Berühren, Fühlen, Empfinden z.B. von warmen und kalten Stellen am Pferd,
- Riechen: Eigengeruch des Pferdes, vom Stall oder auch vom Mist,
- Schmecken, z.B. Futter wie hartes Brot oder Möhren,
- Gleichgewicht beim Reiten,
- Orientierung durch das oben Sitzen.
Pferde sind in den Augen der Kinder:
- groß und stark,
- warm, weich und schön,
- gute Zuhörer und vertrauensvoll,
- verlässlich und einfühlsam,
- nicht rachsüchtig und nicht strafend.
Pferde kennen keine Krankheiten oder Behinderungen, sie begegnen jedem Menschen vorurteilslos, sie erfüllen das Bedürfnis nach Zuwendung und Angenommensein. Das Urvertrauen der Kinder kann durch den Umgang mit ihnen gestärkt werden. Das Pferd hat ein gutes Gespür für Stimmungen.
Als erstes findet der Beziehungsaufbau zum Pferd statt. Die Kinder vertrauen sich schnell dem Lebewesen Pferd an. Sie respektieren meist sofort sein Verhalten und seine Bedürfnisse, so dass sie auch Verantwortung übernehmen wollen, z.B. für das Putzen des Pferdes, das Füttern, aber auch das Misten.
Das auf dem Pferd Sitzen und auch Reiten hat positive Auswirkungen auf die Kinder. Durch das Getragenwerden erkennen die Kinder (und auch Erwachsene) erlebte und erlernte Bewegungsmuster wieder. So bewegt sich das Pferd mehrdimensional - das sind durchaus gleiche Bewegungen, wie sie auch das Ungeborene im Mutterleib erfährt bzw. das Baby/Kleinkind, wenn es getragen. Menschliche Bedürfnisse können so durch das Reiten "nachbefriedigt" werden.
Spannung, Anspannung sowie Entspannung werden beim Reiten kombiniert und führen so zu einem verbesserten Körpergefühl. Es werden natürlich das Gleichgewicht und die Fein- bzw. Grobmotorik geschult sowie alle Gelenke, Muskeln, Kreislauf und Atmung gekräftigt. Nicht nur für Kinder ist es ein erhabenes Gefühl, die Welt "von oben" zu betrachten. Schon mit zwei bis drei Jahren können Kinder auf dem Pferd sich selbst bewusst spüren und sich so selbst erfahren. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn die Ponys gut geschult sind und auch die Pferdeführer als Reittherapeuten oder Reitpädagogen ausgebildet sind.
Sehr positiv halte ich auch die durch das Pflegen und Reiten eines Pferdes bzw. Ponys ausgefüllte Freizeit - ohne Langeweile und mit viel Bewegung an der Luft bei jedem Wetter. Abenteuer und Kinderträume wie z.B. Cowboy- und Zirkusspiele können so verwirklicht werden.
Die erzieherische Funktion übernimmt zum Teil das Pferd bzw. Pony. Die Kinder lernen z.B., Verantwortung zu übernehmen und sich beim Reiten zu konzentrieren. Sie müssen sich auch einmal mit ungewohnten An- und Herausforderungen und dann Erfahrungen auseinander setzen; so können sie lernen, Ängstlichkeiten zu überwinden, zusammen zu agieren und ihren Körper besser zu fühlen und auch zu beherrschen. Sie erhalten dadurch mehr Körpergefühl und auch seelisches Durchhaltevermögen. Ferner lernen sie, sich durchzusetzen, z.B. beim Führen des Pferdes.
Dies alles sollte aber einfühlsam von einem ausgebildeten Reittherapeuten oder Reitpädagogen angeleitet werden. Dazu gehört natürlich auch ein Gespräch mit den Eltern.
Ich hoffe, damit erklärt zu haben, dass z.B. therapeutisches und heilpädagogisches Reiten nicht nur dazu da sind, emotionale und motorische Defizite aufzufüllen, sondern auch für fast alle Kinder zu mehr Wohlgefühl und Entfaltung aller körperlichen und seelischen Möglichkeiten beitragen können. Dadurch können Kinder zu ausgeglicheneren Persönlichkeiten heranwachsen. Und nicht zuletzt bringen das Reiten und der Umgang mit dem Pferd sehr viel Spaß und Freude mit sich ...
"In der Seele eines Pferdes findest Du Saiten, die lange in Dir nachklingen" (Gunnar Arnarson).