Sicherung der Rechte von Kindern als Qualitätsmerkmal von Kindertageseinrichtungen

Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter

(beschlossen auf der 114. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter vom 10. bis 12. April 2013 in Eisenach)

1. Einordnung und Zielrichtung der Empfehlungen

Sowohl bundes- als auch landesgesetzlich sind in den letzten Jahren weiterführende inhaltliche Zielvorstellungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen formuliert worden, die vor allem den Bildungsaspekt und die Qualitätsentwicklung betonen. Ein zentraler Punkt der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung ist es, neben den Qualitätsmerkmalen für den Schutz von Kindern vor Gewalt in Einrichtungen auch solche für die Sicherung der Rechte von Kindern zu etablieren.

Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen wurden bereits mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (1990) zum durchgehenden Handlungsprinzip der Jugendhilfe erklärt. Spätestens seit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes sind höhere Erwartungen an Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Konkretisierung und Realisierung der Beteiligungsrechte von Kindern gestellt. Verfahren der Beteiligung und Möglichkeiten der Beschwerde von Kindern im Kita-Alltag sowohl konzeptionell als auch in der unmittelbaren pädagogischen Arbeit zu verankern, ist insofern ein neuer Anspruch, mit dem die Fachpraxis konfrontiert ist. Dieser fordert zur Weiterentwicklung der Konzepte für die Kindertagesbetreuung heraus und stellt die Entwicklung der dafür notwendigen Rahmenbedingungen in den Fokus.

Um eine Betriebserlaubnis zu erhalten, sind Träger gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung vom 22. September 2011 (BGBl. I S. 2975) dahingehend nachweispflichtig, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung durch die Anwendung geeigneter Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten gesichert sind. Zur Überprüfung dieser Voraussetzung haben Träger von Einrichtungen mit dem Antrag auf Betriebserlaubnis eine pädagogische Konzeption vorzulegen, die Auskunft über Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung gibt.

Träger von Einrichtungen und Leistungsträger haben gemäß § 8b SGB VIII einen Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung von Handlungsleitlinien zu Verfahren der Beteiligung von Kindern an strukturellen Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerdeverfahren in persönlichen Angelegenheiten. Die Gewährleistung dessen obliegt dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe als betriebserlaubniserteilende Behörde, damit u.a. den Landesjugendämtern.

Ziel des Empfehlungspapiers der BAG Landesjugendämter ist eine Konkretisierung und Handlungsorientierung im Hinblick auf die neuen Kinderschutzanforderungen zur Sicherung der Rechte von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Die Hauptadressaten des Empfehlungspapiers sind neben den gesetzlich vorgesehenen Akteuren - dazu gehören Landesjugendämter, Jugendämter und Träger von Einrichtungen - auch die Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, zu deren Qualifizierung es ebenfalls beitragen soll.

2. Rechtliche Einordnung der Beteiligungsrechte

Als 1989/1990 mit der UN-Kinderrechtskonvention die Kinderrechte verabschiedet wurden und 2005-2010 mit dem Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland die Beteiligung von Kindern zunehmend Beachtung fand, waren das Meilensteine, die dafür sorgten, dass die pädagogische Perspektive vorrangig durch Aspekte der Fürsorge, des Schutzes und der Sicherstellung von grundsätzlichen Kinderrechten geprägt wurde. Auch die Sozialen Frühwarnsysteme 2001-2004 und das Aktionsprogramm "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme des Bundes und der Länder" haben die präventiven Hilfen für Eltern und Kinder sowie die Bedeutung der frühen Erkennung von Risiken und des rechtzeitigen Gegensteuerns stärker in den Blick gerückt.

Bereits im 10. Kinder und Jugendbericht war die Partizipation von Kindern und Jugendlichen der Leitgedanke und Kindern wurde ausdrücklich ein (Mit-)bestimmungsrecht zugedacht.1) Mit dem Bundeskinderschutzgesetz wurde das Beteiligungs- und Beschwerderecht der Kinder in den Einrichtungen im SGB VIII konkretisiert. Es wurde klargestellt, dass das Recht von Kindern, mitzuwirken und sich in eigenen Angelegenheiten beschweren zu können, auch in den Kindertageseinrichtungen gewährleistet sein muss. Es ist Kindern damit erlaubt, sich in eigenen Angelegenheiten zu beschweren. Dies ist ein verbrieftes Recht. Dieses Recht kann in jeweils dem Entwicklungsstand des Kindes angemessener Form durch dieses selbst oder seinen gesetzlichen Vertreter wahrgenommen werden. Aus § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB VIII ergibt sich, dass diese Beschwerden nicht nur gehört, sondern in den Kindertageseinrichtungen auch adäquat behandelt werden müssen.

3. Beteiligung - Begriffserklärungen

3.1 Beteiligung von Kindern

Es ist die Aufgabe von Erwachsenen, Kindern das ihnen zustehende Recht auf Beteiligung in der Praxis tatsächlich einzuräumen. Es hängt von der erzieherischen Haltung ab, wie sich Fachkräfte mit den Kindern in Beziehung setzen und welche Beteiligungsmöglichkeiten sie ihnen eröffnen. Im Wesentlichen geht es darum, dass Kinder sich an den Aufgaben des Alltags und deren Verrichtung beteiligen können und als Gestalter ihres eigenen Lebens Selbstwirksamkeit erfahren. Dafür haben Fachkräfte mit den Kindern in den Kindertageseinrichtungen Strukturen von altersgemäßen Beteiligungsformen zu entwickeln. Die Träger von Kindertageseinrichtungen tragen hierfür die Verantwortung.

Beteiligung ist Teil eines Interaktionsprozesses, der auf dem Prinzip der Gleichberechtigung basiert. Partizipation erfordert verlässliche Beteiligungsstrukturen und den individuellen Kompetenzen angepasste Verantwortungsbereiche. Insofern geht es in der pädagogischen Praxis darum, Kindern kontinuierlich die Möglichkeit zu geben, Situationen im entdeckenden Lernen selbst zu gestalten, Lernwege selbst zu finden und auch "Umwege" zuzulassen.

Kinder sind als Ideen- und Beschwerdeführer aktiv mit einzubeziehen. Sie sollen im Alltag der Kindertageseinrichtung erleben, dass sie bei Unzufriedenheit auch über Ausdrucksformen wie Weinen, Zurückziehen, Aggressivität ernst und wahrgenommen werden. Beim Erwerb der Kompetenzen für angemessene Formen der Beschwerdeäußerung sind die Kinder im Rahmen der Bildungsprozesse zu unterstützen, wobei wirksame Bildungsprozesse selbst eine Beteiligung der Kinder voraussetzen.

Das soziale Umfeld im Gemeinwesen ist den Kindern als Lernort mit Erfahrungs- und Bildungsmöglichkeiten zugänglich zu machen. Die Kindertageseinrichtung ist eine soziale Gemeinschaft, in der sich dynamische Prozesse von Kindern und Erwachsenen aufeinander beziehen. Jede Person ist an der Entwicklung dieses Systems beteiligt und somit Teil des Ganzen.

Ausgehend von dieser Erkenntnis ist Beteiligung die Grundlage eines beziehungsvollen Miteinanders. Dabei ist die Grundrichtung der Erziehung der Personensorgeberechtigten nach § 9 SGB VIII zu berücksichtigen.

3.2 Beteiligung von Eltern als Interessenvertreter ihrer Kinder

Beteiligung eröffnet Mitarbeit, Mitverantwortung und Mitbestimmung und beruht auf einer Grundhaltung, die das Wohl des Kindes und die Unterstützung seiner Entwicklung als Handlungsmaxime versteht. Die Umsetzung der Verfahren zur Beteiligung von Kindern und der Beschwerdeverfahren in persönlichen Angelegenheiten setzt grundsätzlich die Beteiligung der Eltern voraus. Kindertageseinrichtungen sind gemäß § 22a SGB VIII verpflichtet, mit den Erziehungsberechtigen zum Wohl der Kinder zusammenzuarbeiten und diese in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.

Eltern tragen die Hauptverantwortung für die Bildung und Erziehung ihres Kindes. Sie sind in ihrer Elternkompetenz wertzuschätzen, ernst zu nehmen und zu unterstützen. Teilhabe und Mitwirkung am pädagogischen Geschehen in der Kindertageseinrichtung sind unverzichtbarere Bestandteile der Qualitätsentwicklung. Im Sinne einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ist ein regelmäßiger Austausch der Erziehungsvorstellungen eine Grundlage für eine vertrauensvolle Kooperation. Elternbeteiligung bei konzeptionellen Fragen setzt eine frühzeitige und umfassende Elterninformation über die pädagogische Arbeit voraus. Wenn Kompetenzen und Interessen von Eltern abgerufen werden, erweitert sich das Bildungsangebot der Einrichtung.

3.3 Beschwerde als eine Form der Beteiligung und als Bestandteil eines Beschwerdemanagements

Beschwerden drücken Unzufriedenheit und Unmut aus. Sie äußern sich nicht immer nur verbal direkt, sondern auch in Form von Verbesserungsvorschlägen, Anregungen und Anfragen. Wenn Beschwerden als Gelegenheit zur Entwicklung und Verbesserung verstanden werden, sind sie ein Lernfeld und eine Chance, den Gedanken der Beteiligung umzusetzen.

Beteiligung scheut Konflikte nicht, sondern greift sie auf und sucht nach Lösungen, die alle mittragen können. Voraussetzung dafür sind partizipatorische Rahmenbedingungen, die Gefühlen und Konflikten Raum geben, und eine Grundhaltung, die Beschwerden nicht als lästige Störung, sondern als Botschaft und Beziehungsangebot begreift. Beschwerden bringen häufig neue Ideen mit sich, die weitere Beschwerden dann auch entbehrlich machen.

Beschwerdemanagement als zentrales Element von Qualitätsentwicklung beinhaltet alle systematischen Maßnahmen, die eine Einrichtung bei einer Äußerung von Unzufriedenheit ergreift, um Zufriedenheit (wieder) herzustellen. Dazu gehört zunächst, dass alle Beteiligten die Möglichkeiten kennen, Beschwerden zu platzieren. Innerhalb der Einrichtung muss der Prozess der Bearbeitung und Auswertung von Beschwerden definiert sein. Verfahrenswege und Zuständigkeiten bei der Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung, Beschwerdeanalyse und bei der Erfolgskontrolle in der Einrichtung sollen transparent dargestellt sein. Der konstruktive Umgang mit Beschwerden liegt in erster Linie im Interesse der Kinder, die in ihrem Kita-Alltag erleben, wie mit Konflikten umgegangen wird, und sehr genau spüren, ob ihre Eltern mit der Kindertageseinrichtung zufrieden sind.

4. Beteiligungs- und Beschwerderechte von Kindern in Kindertageseinrichtungen

4.1 Verankerung in der Konzeption und Umsetzung

Beteiligung von Kindern umzusetzen, ist Aufgabe der Kindertageseinrichtung, die sowohl im pädagogischen Konzept als auch im Qualitätsentwicklungs-/ Qualitätssicherungskonzept auszugestalten ist. Zu unterscheiden ist zwischen der Beteiligung von Kindern im Kita-Alltag und ihrer Beteiligung im Ernstfall einer Kindeswohlgefährdung.

Kinder sollen im Alltag in die Lage versetzt werden, ihre Beteiligungsrechte auszuüben und dabei Erfahrungen zu sammeln; dazu sind Entscheidungsspielräume dialogisch zu erörtern und zu erklären. Information, Mitsprache und Mitentscheidung bzw. Mitbestimmung sind die wesentlichen Stufen der Beteiligung.

In der pädagogischen Konzeption der Einrichtung sind geeignete Verfahren der Beteiligung und Möglichkeiten der Beschwerde darzustellen. Die Instrumente der Umsetzung haben den Entwicklungsstand der Kinder und deren Persönlichkeit angemessen zu berücksichtigen. Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren müssen zwischen den Beteiligten verabredet werden.

Der Implementierung von Beschwerdeverfahren in der Einrichtung geht eine Analyse der Bedingungen und der Entwicklungsstände der Kinder voraus. Hierfür haben sich Verfahren der strukturierten Wahrnehmung, Beobachtung und Dokumentation bewährt, so wie sie bei der Begleitung der Bildungsprozesse von Kindern Anwendung finden. Die Regelmäßigkeit von Beobachtungen und Dokumentation ist Gegenstand der pädagogischen Konzeption. Dazu gehört auch die Evaluation der Verfahren zur Überprüfung der Praktikabilität und Wirksamkeit in der Beteiligungspraxis.

Der Träger hat die Aufgabe, gemeinsam mit der Leitung dafür Sorge zu tragen, dass die Voraussetzungen für die Ein- bzw. Weiterführung kindgemäßer Beteiligungsverfahren in der Einrichtung geschaffen werden und das Team dabei unterstützt wird. Fachberatung und Fortbildungsträger sind hierbei wichtige Partner.

Für das Team der Kindertageseinrichtung sind bei der Etablierung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren folgende Prozessschritte zu empfehlen:

Schritt A: Reflexionsphase

Beteiligung beginnt mit der Beobachtung des eigenen Handelns und dem kritischen Nachdenken, mit dem der Blick für Beteiligungsräume im Kita-Alltag geschärft wird. Fachkräfte werden sich so eigener Haltungen bewusst und reflektieren dabei die eigene Rolle und Verantwortung.

Schritt B: Beteiligungsmöglichkeiten erkunden

"Grundsätzlich ist alles im Kindergarten beteiligungsfähig"2), wie z. B. Fragen nach dem Einkauf für das Mittagessen, Hygiene, Bekleidung, Einrichtung von Räumlichkeiten, Gestaltung von Außenräumen, Regeln und Verfassungen, Mitbestimmung bei der Verwendung von Finanzen, Aktivitäten, Personal, Einrichtung von kinder- und familienfreundlichen Wegen und Stadtteilen. Der Partizipation von Kindern in Tageseinrichtungen sind zunächst keine Grenzen gesetzt. Mit guten Erfahrungen eröffnen sich Schritt für Schritt weitere Beteiligungsräume. Dafür ist die regelmäßige Beobachtung, (Selbst-) Reflexion, Kommunikation darüber im Team, mit den Eltern und dem Träger erforderlich. Für Beteiligung gibt es keine Patentlösungen; Erwachsene und Kinder befinden sich gleichermaßen in einem lernenden System.

Das Alter und der Entwicklungsstand von Kindern beeinflusst die Auswahl der Verfahren und Materialien, die Art des Dokumentierens und die Themen, die für Kinder relevant sind. Eine Einschränkung der Kinderrechte auf Beteiligung wegen des Alters oder Entwicklungsstandes ist weder rechtlich noch fachlich vertretbar. Grenzen für Beteiligung kann es geben, wenn zwischen Beteiligung und Schutz von Kindern abgewogen werden muss, um Gefährdungen auszuschließen.

Schritt C: Dialog

Das Einrichtungsteam tauscht sich in kollegialer Beratung und auf der Grundlage von Beobachtungen zunächst darüber aus, was Kinder in der Einrichtung aus ihrer Sicht selbst bestimmen sollen.

Das Team legt die Bereiche fest, in denen Kindern in einem ersten Schritt Entscheidungs- und Gestaltungsräume gegeben werden sollen und verständigt sich darüber, wie der Prozess aktiv eingeleitet werden kann.

Nach dieser Entscheidung sind Eltern, Träger und Kinder ins Boot zu holen. Beteiligungsrechte von Kindern nach und nach zu erweitern, ist sowohl konzeptionelle Grundeinstellung als auch pädagogische Aufgabe, die in der Einrichtung zur Kultur und im Alltag gelebt wird und ihre Wirkung auch in die Familien und die Kommune hinein entfaltet.

Schritt D: Verlässliche Strukturen für die Beteiligung von Kindern in der Einrichtung schaffen

Es muss nicht gleich die Schaffung eines Kinderparlamentes sein, um Partizipation von Kindern in der Einrichtung zu leben. Es geht zunächst um verlässliche Gesprächssituationen und Rituale, die nach und nach ausgebaut werden.

Beteiligung erfordert einen festen wiederkehrenden Termin in der Woche, an dem Raum und Zeit ist, gemeinsam über Dinge zu sprechen, die die Kinder bewegen, Entscheidungen zu treffen und Planungen vorzunehmen. Aus dem gemeinsamen Erleben heraus werden diese Strukturen nach und nach weiterentwickelt sowie die Möglichkeiten der Beteiligung von Kindern verbessert und differenziert.

4.2 Beteiligung von Kindern bei Kindeswohlgefährdung in der Einrichtung

Beteiligungsverfahren bei Kindeswohlgefährdungen müssen strukturell verankert und auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften zwischen dem Einrichtungsträger und dem örtlichen Jugendhilfeträger vereinbart sein. Es ist unabdingbar, dass die Träger eindeutig und verbindlich ihre Fachkräfte über das Handeln im Ernstfall informieren und sie auf der Grundlage eines Kinderschutzkonzeptes unterstützen. Die Beteiligung der Kinder im Ernstfall ist eine sensible Angelegenheit, die unter Einbeziehung der Eltern erfolgen muss, sofern dies nicht das Gegenteil bewirkt. Bezugspersonen mit einer vertrauensvollen und stabilen Bindung zum Kind sind hier Garant für eine sensible Beteiligung.

Eine Kindeswohlgefährdung abzustellen, ist vorrangiges Ziel. Partizipation der Kinder meint hier, im Ringen um Lösungen die Kinder so einzubinden, dass ihr Wohl unter Berücksichtigung der Kindesinteressen wieder hergestellt wird. Für Kindeswohlgefährdungen, die von der Einrichtung selbst ausgehen, müssen sowohl im örtlichen Jugendamt als auch in der Einrichtung selbst Ansprechmöglichkeiten und -partner für Eltern und Kinder zur Verfügung stehen, die verlässlich und geeignet sind, die Gefährdung abzustellen. Darüber hinaus ist die Aufsicht führende Behörde, die für die Erteilung der Betriebserlaubnis zuständig ist, zu informieren.

Bestehen Hinweise von Kindern auf solche Gefährdungen, besteht in jedem Fall die Verpflichtung, dem nachzugehen.

5. Methoden und Beispiele der Beteiligung und der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten

5.1 Kinder als Beteiligte

Beteiligung und Beschwerdemanagement erfordern die Reflexion der Fachkräfte darüber, was sie den Kindern zutrauen, welche Herausforderungen sie ihnen zumuten - auch im Hinblick darauf, über ihr Leben in der Kindertageseinrichtung als Einzelpersonen und als Gruppe mit zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei das Prinzip der Subsidiarität: Was auch immer Kinder selbst in die Hand nehmen können, sollen sie auch tun. Dabei sind ein starkes Selbstvertrauen und die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit sowohl Bedingung als auch Ziel der Beteiligung.

Im täglichen Morgenkreis kann Beteiligung von Kindern eingeübt und umgesetzt werden. Für den Hort und die ergänzende Betreuung an Schulen müssen solche Strukturen am Nachmittag geschaffen werden. Dabei kommt es darauf an, dass die Kinder zu Wort kommen und ihre Gedanken und Vorschläge mit Respekt aufgenommen werden. Hier ist der Platz im Tagesablauf, wo Kinder herausgefordert sind, eine eigene Meinung zu bilden, zu formulieren und in der Gruppe und gegenüber der pädagogischen Fachkraft zu vertreten.

"Wenn man etwas wissen will, muss man fragen." Diese Binsenweisheit gilt insgesamt für die Arbeit in der Kindertageseinrichtung. So können Befragungen der Kinder in verschiedener Weise durchgeführt werden. Im Hort können schriftliche Verfahren angewandt werden, im vorschulischen Bereich entsprechende Varianten mit für die Kinder verständlichen Symbolen. Eine Fragekonferenz, bei der die Kinder die Erwachsenen über ihre Kindertageseinrichtung und das pädagogische Konzept befragen, kann zu einem neuen Verständnis und zur Reflexion der Arbeit führen.

Eine weitere Methode der Beteiligung ist das Aufstellen von Hausregeln, die von den Kindern selbst erstellt und nicht von den Erwachsenen entsprechend ihrer Wünsche beeinflusst bzw. diktiert worden sind.

Als Vorläufer solcher pädagogischen Beteiligungs-Methoden zur Wahrung der Kinderrechte kann Korczaks Pädagogik betrachtet werden. In Modellprojekten wie "Die Kinderstube der Demokratie"3) werden diese Traditionen aufgegriffen. Hier wird gezeigt, dass Kinder viel mehr vermögen, als ihnen traditionell zugetraut wird und es werden Anregungen gegeben, wie Formen einer demokratischen Beteiligung in den pädagogischen Alltag einfließen können. Auf einige Beispiele bereits bewährter Praxis wird nachfolgend eingegangen:

Die "Verfassungsgebende Versammlung" schafft Beteiligungsstrukturen und trifft Festlegungen über die Rechte von Kindern und Erwachsenen in der Kindertageseinrichtung. Dabei werden die Abläufe und Strukturen der Kindertageseinrichtung im Einzelnen durchleuchtet sowie Festlegungen getroffen, die auf die konkrete Situation der Kindertageseinrichtung und das pädagogische Verständnis der Fachkräfte abgestimmt sind.

In Kita-Verfassungen werden jeweils die Rechte der Kinder und die vorbehaltenen Rechte der Erwachsenen beschrieben. Diese beziehen sich zum einen auf individuelle Rechte des einzelnen Kindes (z.B. über die eigene Bekleidung oder das eigene Essen zu entscheiden) und zum anderen auf Mitbestimmungsrechte der Kinder insgesamt, die dann durch Delegierte der Kinder vertreten werden (z.B. zur Gestaltung der Freispielfläche, der Räume, die Einteilung von Tischdiensten, die Auswahl verschiedener geplanter Projekte).

Kinder können in die Rolle der Vertrauensperson gewählt und darin unterstützt werden. Sie können als Delegierte regelmäßig zusammenkommen, die Wünsche und Beschwerden aufgreifen und demokratisch verhandeln. Es gibt verschiedene Formen von Kindervertretungen, die sich auf die einzelne Gruppe bzw. die ganze Einrichtung beziehen. Sie werden als Kinderparlament, Kinderrat, Konferenzen der Stammgruppen, Gruppenräte usw. bezeichnet. Hierzu bedürfen die Kinder einer kindgerechten Anleitung zur Wahl ihrer Delegierten und der Arbeit der Kindervertretungen.

Um Arbeitsprozesse für Kinder transparent zu machen, müssen diese ebenso wie deren Ergebnisse mit Bildern und Symbolen verständlich und nachvollziehbar dokumentiert werden. Bei Abstimmungsverfahren sind Handzeichen wie bei Erwachsenen auch ein einfaches und gebräuchliches Vorgehen, auch "Daumen auf oder nieder", Abstimmen und Dokumentieren mit bestimmten Gegenständen, Farben, Kärtchen, Bildern usw. Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt.

Bei den eben genannten Formen demokratischer Beteiligung sollte immer im Blick behalten werden, dass einige Kinder mehr Unterstützung und Begleitung brauchen, um sich in diese Prozesse einbringen zu können.

Die Möglichkeit der Beschwerde für Kinder erfordert von Fachkräften Respekt gegenüber den Empfindungen der Kinder und die Einsicht, dass es auch von Seiten der Erwachsenen Unvollkommenheiten, Fehlverhalten, Misslingen und Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeit gibt. Nur auf dieser Grundlage können Kinder erfahren, dass

  • sie Beschwerden angstfrei äußern können,
  • ihnen Respekt und Wertschätzung entgegengebracht werden,
  • sie bei Bedarf individuelle Hilfe erhalten,
  • Fehlverhalten von Seiten der Erwachsenen eingestanden wird und Verbesserungsmöglichkeiten umgesetzt werden.

Der Morgenkreis kann - neben dem alltäglichen Miteinander - ein Rahmen sein, in welchem Kinder sich über Dinge, die ihnen missfallen, beschweren können. Es kann dennoch Gründe geben, warum dieser für Kinder nicht der rechte Ort für eine Beschwerde ist, wenn z.B.

  • das Vertrauensverhältnis zur anwesenden pädagogischen Fachkraft oder ihrer Kollegin/ihrem Kollegen gestört ist,
  • ein Kind sich in der Gruppe nicht beheimatet fühlt, oder
  • es um Themen geht, die ein Kind nur in kleinem Rahmen ansprechen möchte.

Daher kann es geboten sein, besondere Personen, ggf. auch Orte und Zeiten zu benennen, an denen Kinder Beschwerden in einem geschützten Rahmen aussprechen können. Dies kann z. B. die Kindersprechstunde einer Leiterin sein, die zu bestimmten Tagen und Zeiten in ihrem Büro für Kinder zur Verfügung steht. Denkbar ist auch eine eigens für Beschwerden der Kinder benannte Person, die allen Kindern bekannt ist und Aufgeschlossenheit gegenüber den Kindern signalisiert.

Im Falle von mutmaßlichen oder zu befürchtenden Kindeswohlverletzungen muss diese Person befugt sein, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Auf Wunsch sollten die Gespräche mit dem Kind gemeinsam dokumentiert werden. Das Malen von Bildern kann dazu beitragen, den Sachverhalt aus Kindersicht zu verdeutlichen.

Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder gilt es von Anfang an wahrzunehmen. Gonzales und Widmeyer4) geben Beispiele für partizipativ angelegte Pflege- und Erziehungssituationen mit Säuglingen. Sie schildern die Bedeutung des Eingehens auf die wahrgenommenen Bedürfnisse kleiner Kinder, beschreiben ihre Körpersprache und das Gestalten einer kommunikativen Situation mit dem Kind, die den Kindern früh die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit ermöglicht.

Wenngleich man noch nicht von Partizipation sprechen kann, so sind auch Pflegesituationen wie beispielsweise das Windelwechseln mit Achtsamkeit und Respekt vor dem Kind zu gestalten. Entscheidend ist, welche Botschaft dem Kind während der Pflege vermittelt wird.

"Ob die Teilnahme des Babys an dem, was mit ihm geschieht, eine harmonische Kooperation ist oder eine Schutzreaktion gegen etwas Unangenehmes, gegen das es sich wehren mag, hängt sehr eng damit zusammen, wie weit der Erwachsene mit dem Baby als einem fühlenden aktiven Gegenüber rechnet und ob er ihm immer Raum zur Teilnahme gibt oder er die Pflegetätigkeiten stattdessen ohne sein Mitwirken und manchmal sogar gegen den Willen des Kindes durchsetzt".5)

Gopnik/Melzoff/Kuhl belegen, dass Kinder bereits im Säuglingsalter beobachten und urteilen, Schlüsse aus ihren Beobachtungen ziehen, experimentieren und abwägen.

Kinder von Anfang an zu beteiligen, bedeutet auch, deren Kompetenzen in Rechnung zu stellen und Botschaften wahrzunehmen, nachzufragen, anzubieten und Entscheidungen zu respektieren, wo immer es nicht mit offensichtlichen Gefährdungen kollidiert.

5.2 Eltern als Partner bei der Beteiligung von Kindern

Neben den eigenen Beteiligungsgremien und Formen, die Eltern in der Kindertageseinrichtung zustehen, sind Eltern auch Partner in den Verfahren der Beteiligung ihrer Kinder und bei der Wahrnehmung von Möglichkeiten der Beschwerde durch Kinder.

Eltern haben zuweilen eine andere Sicht auf das, was in der Kindertageseinrichtung geschieht, als ihre Kinder. Sie haben einen subjektiven und punktuellen Eindruck, den sie sich nicht zuletzt auf der Grundlage der Berichte ihrer eigenen Kinder bilden. Dies kann zu Konflikten führen, zumal die Eltern ggf. andere pädagogische Auffassungen vertreten als die Fachkräfte. Es kann vorkommen, dass Kinder in der Kindertageseinrichtung selbst entscheiden sollen, die Eltern aber andere Vorgaben machen.

Erst wenn Eltern spüren, dass die Beteiligung zur Stärkung der Persönlichkeit ihrer Kinder beiträgt, werden sie dem zustimmen können. Der Dialog mit den Eltern verdeutlicht den Respekt vor ihnen und ihrer Erziehungsleistung.

Informationen für und Gespräche mit den Eltern sollen in einer angemessenen Form angeboten werden. Das gilt insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund, wenn deren kultureller Kontext z.B. eine Beteiligung von Kindern im hier beschriebenen Sinne nicht vorsieht.

Elternabende, Elterncafés, schriftliche und andere Befragungen von Eltern bieten Eltern die Möglichkeit, ihre Fragen und Probleme gegenüber der Kindertageseinrichtung äußern. In Elternräten oder -beiräten artikulieren die gewählte Vertretungen Anliegen von Eltern und nehmen Einfluss auf die Gestaltung der Konzeption und Arbeit der Kindertageseinrichtung.

Insbesondere bezogen auf mögliche Kindeswohlgefährdungen sind für Eltern Möglichkeiten der Beschwerde vorzusehen.

Üblicherweise steht die Leitung einer Einrichtung für solcherart Beschwerden zur Verfügung. Entsprechende Aushänge und schriftliche Mitteilungen informieren Eltern über Beschwerdemöglichkeiten. Diese sollen auch Hinweise auf Beschwerdemöglichkeiten und Beschwerdewege über die Einrichtungsleitung hinaus - beim Träger oder beim Jugendamt oder auch beim Landesjugendamt - enthalten und müssen im Hinblick auf Ansprechpartner, Gesprächszeiten, Telefonnummer und E-Mail konkret und aktuell sein. Die Verfahren sind Bestandteil des Beschwerdemanagements der Einrichtung.

6. Schlussanmerkungen

Gelingende Beteiligung ist präventiver Kinderschutz. Die Hauptverantwortung für die Sicherung der Rechte von Kindern in der Kindertageseinrichtung hat der Träger der Einrichtung, der bereits im Verfahren der Betriebserlaubniserteilung in der pädagogischen Konzeption darzulegen hat, wie die Beteiligungsrechte und Beschwerdemöglichkeiten der Kinder umgesetzt werden. Die strukturelle Verankerung dieser Rechte stellt gleichzeitig den Schlüssel für die Bildungsprozesse in der Einrichtung dar.

Die Beteiligung von Kindern in Kindertageseinrichtungen setzt bei den Fachkräften in der Gestaltung der Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen eine dialogische Haltung voraus. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen sollen in dieser Beziehung ihre eigenen Interessen vertreten können. Dies verlangt von den Erwachsenen, die Rechte der Kinder und ihre Umsetzungserfordernisse strukturiert wahrzunehmen, Beteiligungsprozesse zu initiieren, sich auf gemeinsame Lernprozesse einzulassen und ergebnisoffen heranzugehen. Hierfür brauchen die Fachkräfte entsprechendes methodisches "Handwerkszeug" und Unterstützung durch Qualifizierungs- und Beratungsangebote.

Beteiligung als Qualitätsstandard muss in einem kontinuierlichen Prozess überprüft werden und soll eingebunden sein in ein Qualitätsmanagement, das Elemente der Selbst- und Fremdevaluation enthält. Der Etablierung einer Beteiligungskultur, die Kinder im Zentrum sieht, geht ein tief greifender Perspektivwechsel zu den Kindern voraus. Dies sehen viele Kindertageseinrichtungen bereits als positive Herausforderung und haben Spaß dabei, die Potenziale der Beteiligung von Kindern zu erkunden.

"Ich hatte gelernt, dass Kinder eine Macht sind, die man zur Mitwirkung ermuntern und durch Geringschätzung verletzen kann, mit der man aber auf jeden Fall rechnen muss" (Janusz Korczak).

Endnoten

  1. (BMFSFJ 1998, S. 146)
  2. Kinderstube der Demokratie, Film zu den Modellprojekten des Institutes für Partizipation und Bildung in Kiel
  3. Kinderstube der Demokratie, Film zu den Modellprojekten des Institutes für Partizipation und Bildung in Kiel
  4. Gonzales-Mena, Janet; Widmeyer Eyer, Danne: Säuglinge, Kleinkinder und ihre Betreuung, Erziehung und Pflege. Ein Curriculum für respektvolle Pflege und Erziehung, Zwickau 2008
  5. Emmi Pikler: Lasst mir Zeit: Die selbständige Bewegungsentwicklung des Kindes bis zum freien Gehen. Untersuchungsergebnisse, Aufsätze und Vorträge aus dem Nachlass zusammengestellt und überarbeitet von Anna Tardos (Herausgeber, Redakteur), von Pflaum 2001
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