Aus: Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.): Die Kinderstube der Demokratie. Partizipation in Kindertagesstätten. Begleitbroschüre zum gleichnamigen Videofilm von Lorenz Müller und Thomas Plöger, Kiel 2003
Rüdiger Hansen
"Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg" (Richard von Weizsäcker)
Was Demokratie ist, ist gar nicht so einfach zu beschreiben. In den 2500 Jahren, seit die demokratischen Ideen in den griechischen Stadtstaaten entstanden, haben sie viele Wandlungen erfahren.
Für die freien Männer, die sich auf der Agora, dem Marktplatz Athens, trafen, um durch die Macht der Rede politische Mehrheiten zu gewinnen, war diese Partizipation nicht nur Recht und Pflicht, sondern Ausdruck ihrer Freiheit. In den modernen Demokratien, die den Interessenausgleich von mehreren Millionen Menschen auf Tausenden von Quadratkilometern organisieren, werden die Beteiligungsmöglichkeiten dagegen zunehmend skeptischer beurteilt.
Die Demokratie als Staatsform ist aber damals wie heute unvollkommen und anfällig für Machtmissbrauch, Manipulation und Korruption und daher stets auf Menschen angewiesen, die bereit und in der Lage sind, sich einzumischen und Verantwortung zu teilen.
Wenn heute die Spielräume politischer Repräsentanten immer enger werden und die Möglichkeiten der Staaten, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, auf dem globalen Markt zerbröckeln, dann sind die Partizipationsfähigkeit und die Partizipationsbereitschaft jedes und jeder einzelnen für eine demokratische Gesellschaft erst recht unentbehrlich und müssen insofern auch als Ziele einer demokratischen Erziehungspraxis formuliert werden.
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz heißt es denn auch: "Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen." Da § 8 KJHG keinerlei Altersbegrenzungen enthält, gilt er auch uneingeschränkt für Kindertageseinrichtungen.
"Der Geist der Demokratie kann nicht von außen aufgepropft werden, er muss von innen heraus kommen" (Mahatma Gandhi)
Politische Bildung in der Kindertagesstätte - das mag befremdlich klingen. Aber anders als im Jugendalter geht es hier nicht so sehr um die Vermittlung politischen Wissens als vielmehr um die Entwicklung politischer Persönlichkeiten. Dazu gehören die Haltung, sich zuständig zu fühlen für die eigenen Belange und die der Gemeinschaft, und die Kompetenz, sich konstruktiv streiten zu können, also eigene Interessen vertreten, sich in andere hineinversetzen und es aushalten zu können, wenn man sich nicht durchsetzen kann.
Derartige Haltungen und Kompetenzen entwickeln sich früh. Und wie andere Bildungsinhalte können sie nicht vermittelt, sondern nur handelnd erworben werden. Auch politische Bildung ist Selbstbildung.
Damit gewinnen die alltäglichen Partizipationsmöglichkeiten der Kinder an Bedeutung: für die Zukunft demokratischer Gesellschaften, für das einzelne Kind, weil Mündigkeit, Urteilsfähigkeit, Entscheidungsmut, Flexibilität auch als individuelle Schlüsselqualifikationen gelten, und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kindertageseinrichtungen, die erkennen müssen, dass ihre pädagogische Tätigkeit, ob sie es nun wollen oder nicht, immer auch politische Erziehung ist.
"Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden" (Richard Schröder)
Partizipation von Kindern bedeutet eine freiwillige Machtabgabe und gleichzeitig eine hohe Verantwortlichkeit der Erwachsenen. Diese pädagogische Verantwortung gilt allerdings nicht mehr der Formung des kindlichen Charakters, sondern eher einem Zur-Verfügung-Stellen von "Entwicklungskontexten", in denen gemeinsam für die Entwicklung kinderfreundlicher Lebenswelten und eigenverantwortlicher und gemeinschaftsfähiger Persönlichkeiten gestritten wird.
Fünf Prinzipien für die Partizipation von Kindern:
- Partizipation bedeutet, dass Kinder von Erwachsenen begleitet werden. Es genügt nicht, Kindern Entscheidungsspielräume einzuräumen und sie dann damit allein zu lassen. Die Entwicklung notwendiger Partizipationsfähigkeiten muss aktiv unterstützt werden. Oft fehlen Kindern der Zugang zu Informationen oder alternative Erfahrungen, die erst eine wirkliche Entscheidung ermöglichen. Darüber hinaus bedeutet Partizipation immer Aushandlungsprozesse, in die auch Erfahrungen und Interessen von Erwachsenen einfließen (können).
- Partizipation erfordert einen gleichberechtigten Umgang, keine Dominanz der Erwachsenen. Auf der inhaltlichen Ebene muss die Expertenschaft der Kinder für ihre Lebensräume, ihre Empfindungen, ihre Weltsicht uneingeschränkt anerkannt werden. Die Erwachsenen sollten ihnen mit Neugier und Interesse begegnen. Für den Prozess und für dessen Transparenz tragen allerdings ausschließlich die Erwachsenen die Verantwortung. Sie müssen die Kinder dabei unterstützen, eine Gesprächs- und Streitkultur zu entwickeln. Und sie müssen gewährleisten, dass eine "dialogische Haltung" - vor allem auch von den beteiligten Erwachsenen selbst - eingehalten wird.
- Partizipation darf nicht folgenlos bleiben. Dies bedeutet eine hohe Verbindlichkeit der beteiligten Erwachsenen, die sich darüber Klarheit verschaffen müssen, welche Entscheidungsmöglichkeiten die Kinder tatsächlich haben (sollen), und die diese offen legen müssen. Selbstverständlich kann die Umsetzung einer gemeinsam getroffenen Entscheidung scheitern. Aber zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung sollte es eine realistische Chance zur Realisierung innerhalb eines für die Kinder überschaubaren Zeitraums geben. Klappt es dann nicht, sollten die Gründe dafür transparent werden.
- Partizipation ist zielgruppenorientiert. Kinder sind nicht alle gleich. Die Erwachsenen sollten sich darüber klar sein, mit wem sie es jeweils zu tun haben. Kinder aus Elementar- oder Hortgruppen, Jungen oder Mädchen, Kinder unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Kinder mit und ohne Handicaps bringen unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse und unterschiedliche Fähigkeiten zur Beteiligung mit. Die Inhalte und die Methoden müssen darauf abgestimmt werden.
- Partizipation ist lebensweltorientiert. Das betrifft in erster Linie die Inhalte, aber auch die Beteiligungsmethoden. Die Thematik muss die Kinder etwas angehen. Dies kann durch unmittelbare Betroffenheit der Fall sein: bei der Frage, ob der tote Vogel, den ein Kind gefunden hat, beerdigt oder seziert werden soll, genauso wie bei der Planung des Außengeländes. Es kann aber auch um Themen gehen, die für Kinder zwar Bedeutung haben (werden), sie aber nur mittelbar betreffen, wie das bei vielen ökologischen Themen der Fall ist. Derart abstrakte Themen müssen dann methodisch an die Erfahrungen der Kinder angeknüpft werden.
Partizipation in Kindertagesstätten ist Bestandteil der Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, findet also im alltäglichen Umgang statt - oder nicht
Kinder sind kompetente Akteure der eigenen Entwicklung. Sie setzen sich vom Beginn ihres Lebens an aktiv und aus eigenem Antrieb mit ihrer sozialen und materiellen Umwelt auseinander und fällen dabei immerzu wichtige Entscheidungen für ihr zukünftiges Leben - allerdings ohne bewusst die Alternativen abzuwägen. Effizient und konstruktiv wählen sie Umweltinformationen aus, ergänzen und korrigieren die Einflüsse der Eltern oder entwickeln sich sogar entgegengesetzt.
Partizipation auf der Beziehungsebene bedeutet, Kinder als Experten ihres eigenen Lebens ernst zu nehmen. Das mag banal klingen. Aber Kinder als gleichwertige, eigensinnige Partner anzusehen, ihnen ehrlich, authentisch, ohne (pädagogisch begründete) Hintergedanken entgegen zu treten, ist nicht leicht. Zu sehr sind wir daran gewöhnt, für Kinder zu denken und ihnen Verantwortung abzunehmen, die sie besser selber tragen können.
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul empfiehlt Erwachsenen, sich im Umgang mit Kindern immer wieder zu fragen, wie sie ihrer besten erwachsenen Freundin oder ihrem besten erwachsenen Freund in einer vergleichbaren Situation begegnen würden. Partizipation verlangt eine gleichwertige, eine symmetrische Kommunikation, einen "Dialog" zwischen Erwachsenen und Kindern. Voraussetzung dafür ist eine "dialogische Haltung" der Erwachsenen.
Überprüfen Sie sich selbst:
- Sind Sie davon überzeugt, dass jede und jeder etwas zu sagen hat? Sind Sie interessiert und neugierig auf das, was die Kinder beizutragen haben? Begegnen Sie ihnen eher fragend als wissend? Nehmen Sie ihre Beiträge ernst?
- Hören Sie den Kindern aufmerksam zu? Wenden Sie sich ihnen dabei körperlich zu? Suchen Sie Blickkontakt? Lassen Sie die Kinder ausreden, auch wenn sie abweichen, nicht gleich zum Punkt kommen? Sprechen Sie es ehrlich aus, wenn es, aus welchen Gründen auch immer, gerade nicht möglich ist, sich auf das Gespräch einzulassen: "Ich kann dir jetzt nicht zuhören. Kannst du warten, bis ich hiermit fertig bin?"
- Schwingen Sie mit? Lassen Sie sich ein? Versetzen Sie sich in sie hinein, gleichsam empathisch? Geben Sie den Gefühlen oder Gedanken der Kinder eine Sprache? Nehmen Sie ihre Ausdrucksformen an, auch wenn die Grenzen zwischen Realität und Vorstellung verschwimmen? Begegnen Sie ihnen respektvoll, mit dem Gefühl für den feinen Unterschied zwischen Nähe und Zu-nahe-Treten?
- Haben Sie die Geduld, den eigenen Wissensvorsprung zurück und eigene Bewertungen in der Schwebe zu halten? Haben Sie die Bereitschaft, das eigene Vorwissen ohne Besserwisserei zur Verfügung zu stellen? Haben Sie die Selbstsicherheit, eigene Ungewissheiten einzugestehen: "Das weiß ich auch nicht, aber wir können gemeinsam versuchen, es heraus zu bekommen."
Partizipation in Kindertagesstätten wird durch die Einrichtungsstrukturen begünstigt - oder nicht
Ob die Einrichtungsstrukturen partizipationsfreundlich sind, ist oft schon an scheinbar unbedeutenden Nebensächlichkeiten zu erkennen. Um den Elementarkindern die Speisepläne der kommenden Woche zugänglich zu machen, fotografierte eine Erzieherin über Wochen die wiederkehrenden Gerichte und hängte die Bilder neben die schriftlichen Pläne.
Letztlich richtet sich diese Frage allerdings an das pädagogische Konzept der Einrichtung. In diesem Zusammenhang ist Partizipation eng verknüpft mit den Ideen des offenen Kindergartens. Welche Möglichkeiten haben Kinder, darüber zu entscheiden, mit was und mit wem sie sich im Verlauf eines Tages in der Tagesstätte beschäftigen wollen?
Überprüfen Sie Ihre Einrichtung:
- Können die Kinder während der Öffnungszeit frei wählen, womit sie sich beschäftigen?
- Sind die Spiel- und Gebrauchsmaterialien für die Kinder frei zugänglich?
- Können Kinder Werkstätten und andere Funktionsräume auch ohne Begleitung Erwachsener nutzen?
- Haben die Kinder das Recht, Erwachsenen und anderen Kindern den Zutritt zu einem Raum, in dem sie sich gerade aufhalten, zu verwehren?
- Können die Kinder zu jeder Zeit das Außengelände der Einrichtung nutzen?
- Entscheiden die Kinder selbst, ob sie in der Einrichtung Hausschuhe tragen wollen?
- Können die Kinder dann etwas essen, wenn sie Hunger haben?
- Werden Regeln gemeinsam aufgestellt?
- Können die Kinder darüber mitentscheiden, zu welcher Gruppe sie gehören?
Partizipation in Kindertagesstätten muss strukturell verankert werden, um nicht von der Tagesform der Erzieherinnen oder einem Personalwechsel abzuhängen
Kinderparlamente, Kinderräte oder Kinderkonferenzen bringen unterschiedliche Möglichkeiten und Probleme mit sich. Allen institutionalisierten Beteiligungsformen ist aber gemein, dass sie eine intensive Auseinandersetzung und eine gemeinsame Positionierung im Team voraussetzen. Am Ende dieses Prozesses ist die Beteiligungsform in der Konzeption der Einrichtung genauso verankert wie im Bewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dadurch wird Beteiligung über einen Personalwechsel und die Tagesform der einzelnen Erzieherin oder des einzelnen Erziehers hinaus gesichert und einklagbar: durch die Kinder, durch die Eltern und durch Kolleginnen und Kollegen.
Wenn die Gremien für alle Beteiligten selbstverständlich im Alltag zusammentreten und mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, die nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Erwachsenen bedeutsam sind, erhält Alltagsdemokratie ein hohes Maß an Verbindlichkeit.
Über folgende Fragen sollten zunächst die Erwachsenen einen Konsens erzielen:
- Worüber sollen die Kinder in der Tagesstätte auf jeden Fall mitentscheiden?
- Worüber sollen die Kinder in der Tagesstätte auf keinen Fall mitentscheiden?
- Mit welcher Form der Beteiligung können Sie sich anfreunden?
- Welchen Entscheidungsmodalitäten sind Sie bereit sich zu beugen?
Partizipation in Kindertagesstätten bedeutet auch Beteiligung auf der politisch-administrativen Ebene
Partizipation in Kindertagesstätten darf trotz des Unbehagens, das viele Erzieherinnen und Erzieher davor verspüren, auch vor einer Beteiligung auf der politisch-administrativen Ebene nicht halt machen. Politik und Verwaltung wirken auf vielerlei Weise auf das Kinderleben ein. Am sichtbarsten wird dieser Einfluss bei der Gestaltung der kindlichen Lebensräume.
Kinderleben spielt sich heute überwiegend in pädagogisch gestalteten Räumen ab. In Kindertagesstätten zählen dazu die Innenräume genauso wie die Außenräume. Haben die Kinder Gelegenheiten, sie mitzugestalten oder zu verändern, steigen nicht nur ihre Identifikation mit den Räumen und ihre Verantwortungsbereitschaft dafür. Wenn sie bewusst erleben, wie sie andere Kinder, Erwachsene und die sie umgebenden Räume beeinflussen und von diesen beeinflusst werden, wachsen die Lust und das Vertrauen in die eigenen Potentiale, sich aktiv mit der Welt auseinander zu setzen.
In der Spielraumplanung erweisen sich die Kinder als kompetente Planungspartner, die immer wieder mit ihren Fähigkeiten überraschen. Was sie tatsächlich können, zeigen sie allerdings nur, wenn sie dazu herausgefordert werden. Erwachsene, die kein Zutrauen zu ihnen haben oder denen es nicht gelingt, abstrakte Planungsschritte sinnlich begreifbar zu machen, sind die eigentlich hemmenden Faktoren der Planungsbeteiligung.
Mit der Pädagogisierung kindlicher Lebensräume einher geht der Verlust einer spezifischen Kinderöffentlichkeit, in der die Dinge nicht ein für allemal festgelegt, definiert, mit Namen versehen, unabänderlich durch Gebote und Verbote reglementiert sind. Diese Freiräume wurden durch das Auto und andere erwachsene Verwertungsinteressen von der Straße verdrängt. Insbesondere jüngere Kinder sind aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Die Gemeinwesenorientierung der pädagogischen Arbeit kann dazu beitragen, den öffentlichen Raum mit Kindern für Kinder zurückzuerobern.
Eine Beteiligung von Kindern im kommunalen Raum erscheint in vielerlei Weise sinnvoll: Die Kinder erschließen sich das Umfeld der Kindertagesstätte und erweitern ihre Streifräume. Kinder und Kinderleben werden im öffentlichen Raum wieder sichtbarer. Eine unmittelbare Einbeziehung ihrer Sichtweisen führt zu qualitativen Verbesserungen kommunaler Planungen und Entscheidungen. Und das wiederkehrende Erleben unmittelbarer Einflussnahme lässt auf eine Zunahme ihrer Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement hoffen.
Überprüfen Sie sich selbst:
- Beteiligen Sie die Kinder an der Raumgestaltung?
- Motivieren und unterstützen Sie die Kinder dabei, die Räume zu verändern oder anders zu nutzen?
- Gestehen Sie den Kindern unbeobachtete Rückzugsräume zu?
- Klagen Sie die Mitspracherechte der Kinder bei anstehenden Bauvorhaben in der Einrichtung ein?
- Finden sich die Kinder im Umfeld der Kindertagesstätte zurecht?
- Sind die Kinder im Umfeld der Kindertagesstätte bekannt - bei Nachbarn, beim Bäcker, im Altenheim?
- Werden Konflikte, Schäden oder Gefahrenquellen im Umfeld der Tagesstätte gemeinsam mit den Kindern verfolgt und Lösungen gesucht?
- Beteiligen Sie sich gemeinsam mit den Kindern an Veranstaltungen im Umfeld? Auch schon in der Planungsphase?
Partizipation in Kindertagesstätten muss auch die Eltern einbeziehen
Die Kindertagesstätte ist die erste Instanz öffentlicher Erziehung neben der privaten Familie. Vielen Eltern fällt es schwer, ihr Kind in die Obhut fremder Menschen zu übergeben; anderen ist gerade daran gelegen, ihrem Kind die Erfahrungen eines verbindlichen Umgangs mit anderen Erwachsenen zu ermöglichen. So oder so entsteht ein sensibles Beziehungsdreieck Erzieherin/ Erzieher - Eltern - Kind, das es gilt, in Balance zu halten.
Neben die bis dahin uneingeschränkte Zuständigkeit und Expertenschaft der Eltern für die Entwicklung ihres Kindes treten nun die fachlich-pädagogische Kompetenz und Zuständigkeit der Fachkräfte in der Kindertageseinrichtung. Dies erfordert Aushandlungsprozesse, die, wenn sie gelingen, beide Seiten qualifizieren. Für die Gestaltung dieser Prozesse aber sind wiederum in erster Linie die professionellen Pädagoginnen und Pädagogen verantwortlich.
Überprüfen Sie sich selbst und Ihre Einrichtung:
- Bemühen Sie sich um eine Erziehungspartnerschaft mit den Eltern?
- Werden bereits im Aufnahmegespräch und im Betreuungsvertrag pädagogische und konzeptionelle Fragen angesprochen?
- Laden Sie Eltern zur Hospitation ein?
- Dokumentieren Sie Ihre Arbeit für die Eltern?
- Werden die Eltern an pädagogischen und konzeptionellen Entwicklungen beteiligt?
- Gibt es in der Einrichtung spezielle Angebote für die Eltern? Ein Elterncafé, eine Kleiderbörse, Sprachkurse oder ein Schreib- und Übersetzungsbüro?
- Werden Väter ebenso angesprochen wie Mütter?
Partizipation in Kindertagesstätten muss auch das Team einbeziehen
Die Erwachsenen und ihre Art und Weise miteinander umzugehen sind stets Vorbilder für die Kinder. Sie orientieren jedoch nicht nur ihr eigenes Verhalten daran, sie überprüfen daran auch die Glaubwürdigkeit pädagogischer Ambitionen. Wo es zwischen den Erwachsenen an Offenheit und Beteiligungsmöglichkeiten mangelt und hierarchische Strukturen dominieren, entwickelt sich nur schwer eine Partizipationskultur mit den Kindern.
Die meisten Kindertageseinrichtungen sind nach innen hierarchisch organisiert (jedenfalls gibt es in der Regel Personen mit Leitungsfunktionen); und sie sind nach außen in die Hierarchie des Trägers eingebunden. Dennoch können die Erwachsenen authentische Partizipationsmodelle sein, wenn einerseits der Führungsstil durch Transparenz und Vertrauen gekennzeichnet ist und andererseits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich selbstbewusst engagieren.
Überprüfen Sie sich selbst und ihre Einrichtung:
- Setzt sich der Träger für gute Arbeitsbedingungen, einen ausreichenden Personalschlüssel und eine angemessene Weiterbildung des Personals ein?
- Informiert und beteiligt die Leitung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sie betreffenden Entscheidungen?
- Kennen und vertreten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Rechte? Setzen sie sich engagiert für die Interessen der Kinder und der Einrichtung ein?
- Lieben Sie Konflikte?
Weiterführende Literatur
Bildungswerk "anderes lernen" e.V. - Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein (Hrsg.): Von Kindern Lernen. Partizipation im Kleinkindalter, Kiel 1998
Bruner, Claudia Franziska/ Winklhofer, Ursula/ Zinser, Claudia: Partizipation - ein Kinderspiel? Beteiligungsmodelle in Kindertagesstätten, Schulen, Kommunen und Verbänden, Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2001
Büttner, Christian/ Meyer, Bernhard (Hrsg.): Lernprogramm Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen politischer Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Weinheim und München 2000
Doyé, Götz/ Lipp-Peetz, Christine: Wer ist denn hier der Bestimmer? Das Demokratiebuch für die Kita, Ravensburg 1998
Hansen, Rüdiger: Beteiligung in Kindertageseinrichtungen - zwischen partizipativer Pädagogik und politischer Partizipation, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Kiste - Bausteine für die Kinder- und Jugendbeteiligung, Entwicklung und wissenschaftliche Begleitung: Prof. W. Stange, FH Lüneburg - Forschungsstelle Kinderpolitik, Vertrieb: Infostelle Kinderpolitik des deutschen Kinderhilfswerks, Berlin, erscheint 2004
Juul, Jesper: Das kompetente Kind, Reinbek 1997
Kazemi-Veisari, Erika: Partizipation - Hier entscheiden Kinder mit, Freiburg - Basel - Wien 1998
Knauer, Raingard/ Brandt, Petra: Kinder können mitentscheiden. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Kindergarten, Schule und Jugendarbeit, Neuwied - Kriftel - Berlin 1998
Prott, Roger/ Preissing, Christa: Rechtshandbuch für Erzieherinnen, Weinheim 2001
Regel, Gerhard/ Kühne, Thomas: Arbeit im offenen Kindergarten, Freiburg - Basel - Wien 2001
Textor, Martin: Kooperation mit den Eltern. Erziehungspartnerschaft von Familie und Kindertagesstätte, München 2000