Wenn die Berufung zum Albtraum wirdMobbing im Kita-Alltag

Svenja Gleffe

Jeder Mensch ist ein Individuum. Jeder Mensch hat unterschiedliche Ansichten von Schönheit, von Richtig und Falsch, von Gut und Böse. Nicht alle Menschen mögen sich, passen zueinander oder sind sich gar immer einig. Jedoch ist die größte Herausforderung in der Teamentwicklung und -arbeit gemeinsam an einem Strang zu ziehen, obwohl man in einer anderen Umgebung niemals zueinander gefunden hätte, geschweige denn zueinander hätte finden wollen.

Wer kennt es nicht? Man läuft mit einer Kollegin oder mit einem Kollegen nicht konform. Oder die eine Kollegin oder der eine Kollege ist sehr ehrgeizig, zielstrebig und die Ziele, die sie/er verfolgt, werden immer erreicht. Die Kollegin/der Kollege, ist bei den Eltern sehr beliebt und ihre/seine Ideen werden von der Leitung wertgeschätzt und bekommen die Möglichkeit, verwirklicht werden zu können. Vielleicht hat die Kollegin oder der Kollege sogar eine leitende Position und ist jünger als man selbst oder hat ein großes Wissens- und Erfahrungsspektrum, aus dem geschöpft werden kann.
Hand aufs Herz! Haben Sie sich in solchen Momenten schon mal dabei ertappt, wie Sie aus dem Nichts anfingen ein Gräuel gegen diese Kollegin oder diesen Kollegen zu hegen?
Vielleicht streiten Sie sich auch häufiger.

Streit ist gesund, um seinen Standpunkt klarzumachen und die Luft zu reinigen. Manchmal! Jedoch, wenn fast nur noch gestritten wird und es nicht mehr nur um beruflich unterschiedliche Ansichten geht, sondern persönliche Angriffe folgen oder mit dem Streit ein bitterer Beigeschmack von Schikane einhergeht, dann ist Vorsicht geboten!

Vorab:

Wenn eine Gruppe von Menschen unterschiedlichster Eigenschaften, Herkünfte, Kulturen und charakteristischer Merkmale und Erfahrungen sowohl beruflich als auch privat zusammenkommen, wird es Differenzen geben.

Genauso, wie wir in der Pädagogik Kenntnisse über die Gruppendynamiken und -phasen der Kinder haben, ist es im Bereich der Teamentwicklung nichts anderes! Jedoch enden die Gruppenphasen zu einem bestimmten Zeitpunkt! Genauso wie ein Streit. Ein Streit – ein gesunder Streit – hat ein Ablaufdatum. Der Streit entsteht durch eine Differenz zwischen Menschen, wird einmalig ausgetragen, beispielsweise in Form von Diskussionen und endet in der Klärung des eigenen Standpunktes und führt bestenfalls zu einem Kompromiss.

Ab wann ist von Mobbing die Rede?

Mobbing macht sich dadurch bemerkbar, dass einem Betroffenen schnell klar wird, dass er ausgegrenzt und schikaniert wird. Nicht nur das. Mit der Zeit kommt regelrechter Psychoterror hinzu und nicht selten wird man einfach über wichtige Dinge nicht mehr informiert, sprich wichtige Informationen werden mit voller Absicht nicht weitergegeben. Neben Schikane und Benachteiligung kommt es auch häufig zu Ausgrenzungen und Beleidigungen (vgl. Redaktion Pro Kita-Portal 2020).

Auch die Stärken und Fähigkeiten von einer Erzieherin oder eines Erziehers infrage zu stellen und zu jeder Zeit seine pädagogischen Handlungen und Entscheidungen zu hinterfragen, spiegelt eine Form von Mobbing wider. Dies zieht über einen langen Zeitraum starke Konsequenzen wie angespanntes und unsicheres Arbeitsklima und Minderung des Selbstwertgefühls des Mobbingopfers nach sich. Verleumdung ist ebenso ein Merkmal von Mobbing genauso wie Beleidigungen und Ignoranz.

Der Begriff „Mobbing“ lässt sich anhand von folgendem Beispiel verdeutlichen

Vorgeschichte 

Die Leitung der Kita bittet die Gruppenleitung aus der Gruppe A bestimmte Informationen an die Erzieher/innen ihrer Gruppe weiterzugeben.


Vorab kleiner Zeitsprung in die frühe Vergangenheit
Eine Erzieherin der Gruppe A hat schon seit geraumer Zeit ein scheinbares Problem mit der Gruppenleitung der Gruppe A. Kontinuierlich hält diese Erzieherin Absprachen zwischen sich und der Gruppenleitung nicht ein, setzt viele Dinge im Alleingang ohne Absprache mit Gruppenleitung um, setzt jedoch die anderen Kolleginnen und Kollegen von ihrem Vorhaben in Kenntnis. Des Weiteren gesteht sie sich eigene Fehler nicht ein, sondern schiebt die Schuld der Gruppenleitung in die Schuhe und macht diese stets für alles verantwortlich, was innerhalb der Gruppe passiert oder eben auch nicht passiert.

Ein Fallbeispiel für Mobbing im Kita-Alltag

Vor ein paar Wochen fand die Gruppenleitung bei der Sichtung der Portfolios heraus, dass in den Mappen einiger Kinder Lerngeschichten enthalten waren, die sie an die Lerngeschichten ihrer Bezugskinder erinnerten (Anmerkung: Jede Erzieherin /jeder Erzieher hat einen eigenen Ordner auf dem Gruppenlaptop, in der sie/er unter anderem auch die Lerngeschichten und alles was seine Bezugskinder betrifft abspeichert.)


Bei den Kindern, deren Mappen die Gruppenleitung durchsah, handelte es sich um die Bezugskinder der besagten Erzieherin. Die Gruppenleitung ging dem nach und verglich ihre Lerngeschichten mit den Lerngeschichten der Bezugskinder ihrer Kollegin. Sie waren identisch. Die Gruppenleitung ging zu ihrer Kollegin und sprach sie auf den Sachverhalt an. 

Die Kollegin äußerte sich wie folgt:
„Tja ist halt passiert. Es ist jetzt, wie es ist. Du hast mir so einen engen Zeitraum für die Fertigstellung der Mappen der gegeben.“
(Dabei ging es um die Mappen der angehenden Schulkinder, welche aus der Kita in Kürze entlassen werden sollten.)

Mit dem Satz „Tja ist halt passiert …“, bestätigte die Kollegin den Verdacht der Gruppenleitung, dass die Kollegin gezielt und bewusst den Ordner der Gruppenleitung auf dem PC geöffnet und durchsucht hat, um die Lerngeschichten zu kopieren und nur die Namen auszutauschen. (Nachdem die Kollegin ihr Statement dazu abgegeben hatte, drehte sie sich um und ließ die Gruppenleitung stehen.)

Zurück in der Gegenwart

Die Gruppenleitung geht also in die Gruppe A und richtet ihren Kolleginnen und Kollegen die Infos der Leitung aus. Unter den Infos wird auch eine Frist gesetzt, zu der jede Mitarbeiterin/jeder Mitarbeiter ihre/seine Ideen zu einem Projekt im Büro der Leitung abgeben und zur nächsten Dienstbesprechung etwas dazu vorbereiten soll.

Der Tag kommt … die Frist verstreicht … die Dienstbesprechung steht bevor und die Präsentationen beginnen. Als die besagte Kollegin an der Reihe ist, äußert sie sich wie folgt: „Ich wusste nicht, dass wir zu heute etwas vorbereiten sollen.“ Die Leitung: „Aber deine Kollegin hat es doch an dich weitergegeben.“
Besagte Kollegin: „Nein, mir hat keiner was gesagt.“

! Achtung!

Dies ist ebenso ein Bespiel für eines der Mobbing Strategien: Verleumdung.
Das Opfer wird als schuldig und unfähig dargestellt und das auch noch vor der Leitung und dem gesamten Team.

Was für Folgen hat Mobbing am Arbeitsplatz?

Es wird auf Dauer für die Betroffenen eine Qual, sowohl körperlich als auch psychisch, dies jeden Tag zu ertragen. Aber auch, wenn man diesen Arbeitsplatz verlassen kann, bedeutet dies oft nicht, dass alles sofort wieder gut ist. Je nachdem, wie lange man solche Schikanen erdulden musste, umso höher ist das Risiko, dass die Betroffenen auch noch viel später Last mit körperlichen und psychischen Beschwerden haben, welche auf das Mobbing zurückzuführen sind.
Die Folgen können sein:

  • Depressionen, Panikattacken, Verfolgungswahn, Angst davor, ständig kontrolliert zu werden oder etwas Falsches zu sagen oder zu tun,
  • Atemprobleme (als wenn jemand dauerhaft auf den Brustkorb drückt),
  • Ess- und Schlafstörungen, Albträume, häufiger Schwindel und Kopfschmerzen (häufig Druckkopfschmerz),
  • Magen- und Darmbeschwerden (Reizmagen, Reizdarm, Magengeschwür, zu viel Magensäure, Sodbrennen. (vgl. Redaktion Pro Kita-Portal 2020, o.S.)

Die oben genannten Folgen ziehen häufig die Konsequenz nach sich, dass die Betroffenen für einen längeren Zeitraum ausfallen oder gar nicht mehr in ihrem eigentlichen Berufs- oder Arbeitsfeld tätig bleiben können.

Die 4 Phasen des Mobbings

  1. Aufgrund eines dauerhaft aufrecht erhaltenen Streits kommt es zu immer größeren Vorwürfen und nicht nur das. Der betroffenen Person wird schließlich für alles, was passiert oder auch nicht, die alleinige Schuld gegeben.
  2. Die betroffene Person erfährt Ausgrenzung.
  3. Aufgrund dessen fühlt sie sich verunsichert und hat Angst. Dadurch ist das Opfer in seinen Handlungen ebenfalls unsicher und macht öfter Fehler. „Bestrafungen“ wie Abmahnungen oder Versetzung in eine andere Gruppe folgen.
  4. Merkt die betroffene Person, dass sie tun kann, was sie will und sich nichts an der Situation für sie ändert oder gar verschlimmert, verharrt sie erst eine Zeit lang in der Situation und verstummt, bevor sie dann schließlich entweder den Weg findet, selbst zu kündigen oder sie vorher bereits gekündigt wird. (vgl. Redaktion Pro Kita-Portal 2020)

Hinzu kommt noch, dass das Mobbingopfer mit der Zeit nicht nur Schikane vom Team, sondern auch von Führungskräften erfahren kann. Denn wenn sich ständig nur über die betroffene Person beschwert wird und sie natürlich durch die Unsicherheit auch noch Fehler macht, entsteht eine total verzerrte Wahrnehmung für die Vorgesetzten. Da nun keine Hilfe mehr bei den Vorgesetzten gesucht werden kann, bietet es sich an, eine Beratungsstelle oder die Gewerkschaft zu kontaktieren.

Mobbing – die rechtliche Grauzone

Ein weiterer Aspekt, warum so viele Mobbingfälle unentdeckt bleiben, ist, dass es kein Gesetz gibt, dass verbietet es zu tun. Jedenfalls in Deutschland. Anders sieht es bereits in Frankreich und Schweden aus. (vgl. Redaktion Pro Kita-Portal 2020, o.S.)

Trotzdem besteht z.B. die Möglichkeit, den Arbeitgeber an seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern zu erinnern. Wird ein Fall von Mobbing bekannt, sind die Führungskräfte dazu verpflichtet den Mobber zu ermahnen, abzumahnen, zu versetzen oder gar zu kündigen. Ebenso kann es für Betroffene hilfreich sein, wenn ein Betriebsrat existiert. Dieser tritt für die Rechte des Mitarbeiters ein und stärkt diesem den Rücken.

Was können Betroffene tun?

Nicht verstummen: Betroffene sollten immer auf die Schikane reagieren.

Ignorieren: Zwar über die Schikane reden, jedoch gegenüber dem Mobber bewusste Ignoranz zeigen. Warum? Dem Mobber vergeht die Lust. Sollten die Mobbingversuche jedoch zu viel und dicht an dicht von statten gehen, sollten die Betroffenen umgehend das Gespräch mit der Leitung suchen.

Zähne zeigen: Betroffene sollten den Mobber direkt ansprechen, jedoch nur unter Beobachtung und im Beisein von Zeugen, die ihm im Notfall den Rücken stärken können.

Schreiben: Betroffene, sollten von Anfang an eine Art Protokoll führen. Dieses Protokoll, sollte Datum, Uhrzeit und Situation, am Besten mit wörtlicher Rede wiedergeben.

Keine Frage des Versagens: Wenn Betroffene bereits gesundheitliche Beschwerden aufweisen, sollten sie sich nicht lange quälen und kündigen. Die Gesundheit ist das Wichtigste! Und die Kündigung bedeutet nicht, dass man versagt hat! (vgl. Redaktion Pro Kita-Portal 2020)

Literaturverzeichnis

Redaktion Pro Kita-Portal (2020): Mobbing im Team der Kita begegnen: Strategien und Maßnahmen. Verfügbar unter: https://www.prokita-portal.de/teamarbeit-kita/mobbing-team-kita/

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