Michaela Sambanis
Am 1.9.2008 startete die wissenschaftliche Begleitung des Modells Bildungshaus 3 - 10. An 33 Modellstandorten und 39 Vergleichsstandorten in Baden-Württemberg beteiligen sich jeweils eine Grundschule und bis zu sechs Kindergärten an der Studie. Die Modelleinrichtungen erproben Wege zur Verzahnung von Kindergarten und Grundschule und damit auch von Elementar- und Primarpädagogik. Etwa 200 Bildungseinrichtungen (Kindergärten/ Kindertagesstätten und Grundschulen) wirken an der Studie mit. Eine Forschergruppe des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) in Ulm betreut die Modellstandorte, unterstützt die Verzahnungsprozesse und evaluiert das Bildungshaus 3 - 10. Die Studie hat zunächst eine Laufzeit von vier Jahren (September 2008 bis August 2012). Die wissenschaftliche Begleitung wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union (ESF) finanziert.
Angesichts der Vielschichtigkeit des Forschungsauftrags, der unten noch näher erläutert wird, hat das ZNL zwei Projektpartner in dieser Studie. Das Institut für Epidemiologie an der Universität Ulm unterstützt die Forschergruppe des ZNL bei der Datenverwaltung und -aufbereitung. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) erfasst die Betriebskosten während der Modelllaufzeit, sodass schließlich auf der Basis der erhobenen Daten und der daraus gewonnenen Erkenntnisse die Frage nach dem Nutzen des Modells auch aus wirtschaftsökonomischer Perspektive beurteilt werden kann.
Was ist ein Bildungshaus 3 - 10?
Die Kindergärten und Grundschulen an den Modellstandorten entwickeln ihr Konzept, um unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort die pädagogische Arbeit systematisch zu verzahnen. Bei der Ausarbeitung des Konzeptes werden sie durch die Mitarbeiterinnen der Forschergruppe unterstützt.
Die Verzahnung der beiden Institutionen im Bildungshaus 3 - 10 geht über gängige Formen der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule hinaus und fokussiert nicht nur die Schnittstelle. Im Bildungshaus wird das gesamte Altersspektrum zwischen 3 und 10 in den Blick genommen. Die Kooperation der beiden Bildungsinstitutionen wird zu einem festen und regelmäßigen Bestandteil und prägt die pädagogische Arbeit von Modellgrundschulen und -kindergärten. Die Pädagogen und Pädagoginnen in den Modellstandorten beschreiben den Unterschied zwischen früher praktizierten Formen der Kooperation und der im Bildungshaus 3 - 10 als wesentlich intensiver, zuverlässiger und früher einsetzend, außerdem habe die Kooperation von Kindergarten und Grundschule im Bildungshaus ganz neue Dimensionen eingenommen, wodurch neben der pädagogischen Arbeit auch die Organisationsstrukturen der beiden Bildungseinrichtungen und die Elternarbeit um neue Aspekte ergänzt worden seien.
Die Zusammenarbeit in der Praxis umfasst die von Erzieherinnen und Lehrerinnen gemeinsam geleistete Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Spiel- und Lernarrangements für alters- und institutionsgemischte Kindergruppen. Diese Angebote werden fest im Wochenablauf beider Institutionen verankert.
Im ersten Jahr der wissenschaftlichen Begleitung, im Bildungshaus-Jahr 2008/2009, bot etwa die Hälfte aller Modellstandorte jeweils an zwei Tagen in der Woche gemeinsame Bildungshaus-Zeiten für die Kinder aus Grundschule und Kindergarten an. Einige Modellstandorte begannen mit einem Bildungshaus-Tag pro Woche und gingen im Laufe des Jahres zu zwei Tagen über, an denen institutionsübergreifende Angebote stattfanden. Viele ergänzten und ergänzen weiterhin die festen Spiel- und Lernzeiten im Bildungshaus 3 - 10, indem sie Ausflüge, Feste und Projekte, die vormals von der einzelnen Bildungsinstitution getrennt organisiert worden waren, zunehmend gemeinsam planen und durchführen. An ersten Modellstandorten haben sich alters- und institutionsübergreifende Arrangements, teilweise als Ateliers organisiert, in die sich die Kinder einwählen können, zu einem festen Bestandteil der täglichen pädagogischen Arbeit entwickelt.
Häufig nahmen die Pädagogen und Pädagoginnen zunächst die Altersgruppe zwischen 5 und 7 in den Blick, dann die zwischen 4 und 8 usw. An den meisten Standorten zeichnete sich recht bald die Tendenz ab, die Mischung der Kinder auszudehnen bzw. flexibel zu halten. Im Frühjahr 2009 setzten bereits fast 60% der Bildungshäuser eine größere Mischung um, einige wagten sich an die Erprobung der Mischung von 3- bis 10-Jährigen. Beobachtungen der institutionsübergreifenden pädagogischen Angebote in den Modellstandorten weisen darauf hin, dass die gezielte Mischung von älteren Grundschülern und jüngeren Kindergartenkindern im Rahmen geeigneter Angebote sehr reizvoll sein kann und sich auf das Sozialverhalten sowie im Bereich Kommunikation und Metakompetenzen (z.B. Durchhaltevermögen, Organisation von Arbeitsschritten) förderlich auswirken kann. Beispielsweise im Rahmen von Lese- oder Forscherpatenschaften oder bei der Umsetzung gestalterischer Techniken, die von einem Grundschulkind im Tandem mit einem Kindergartenkind angewandt werden, wurden von den Pädagogen und Pädagoginnen sehr intensive Interaktionen beobachtet, die mit großer Arbeitsbereitschaft, Rücksichtnahme und Arbeitsfreude einhergingen.
Welches Konzept liegt zugrunde?
Das Bildungshaus 3 - 10 ist ein Entwicklungsprojekt mit deutlich dynamischem Charakter und einigem Gestaltungsspielraum, der es erlaubt, die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Standorte zu berücksichtigen. Die Modellsschulen und -kindergärten können sukzessive vorgehen sowie durch eigene Erprobung und Vernetzung mit anderen Bildungshäusern vielfältige Erfahrungen sammeln. Den Modellstandorten wurden einige wenige grundlegende Vorgaben gemacht, die sie alle umzusetzen haben (z.B. die regelmäßige Zusammenarbeit), doch bilden diese Vorgaben keineswegs ein fertiges Konzept, das übertragen werden soll. Einerseits wird dadurch den Modellstandorten viel Freiheit gegeben, um den tatsächlichen Bedarfen vor Ort gerecht werden zu können und ihr jeweils eigenes Profil innerhalb der verbindlichen Vorgaben zu entwickeln, andererseits kann und darf der entstandene Spielraum nicht durch ein paar nette, jedoch unverknüpfte Umsetzungsideen sowie einige intuitive Annahmen darüber, was altersgemischte Kindergruppen für ihre bestmögliche Entwicklung brauchen, gefüllt werden. Die am Modell beteiligten Teams aus Kindergarten und Grundschule sind sich der daraus für jeden einzelnen Standort erwachsenden Verantwortung, ihr Konzept zu entwickeln, bewusst. Für die Modellstandorte bedeutete dies, sich auf einen gemeinsamen Spiel- und Lernbegriff zu verständigen und eine gemeinsame Vision von ihrem Bildungshaus zu entwickeln, sodass dies wiederum die Basis bilden kann, auf der von Kindergarten und Grundschule zusammen Ziele vereinbart, Rollen definiert und schließlich ein von allen Beteiligten getragenes Bildungshaus-Konzept erarbeitet werden kann. In diesen Prozessen werden die Modellstandorte jeweils durch eine Mitarbeiterin der Forschergruppe unterstützt. Alle Bildungshäuser 3 - 10 in Baden-Württemberg arbeiten weiterhin an ihren Konzepten, verfeinern und ergänzen diese.
Die Vielfalt der Bildungshäuser erschwert natürlich die Aufgabe einer einheitlichen und klaren Definition, und auch im Hinblick auf die Evaluation führt sie zu besonderen Anforderungen, denen sich die Forschergruppe am ZNL unter Leitung von PD Dr. Michaela Sambanis seit September 2008 stellt. Die Kompetenzen der Forschergruppe liegen vor allem im Bereich der Psychologie, der Elementar- und Primarpädagogik, der hochschuldidaktischen Arbeit, der Neurowissenschaften und der Erwachsenenbildung. Mehrere ausgewiesene Kompetenzen auf dem Gebiet Coaching, Prozessbegleitung und Supervision ergänzen das Spektrum und sichern die kontinuierliche Fortbildung der Mitarbeiterinnen auf diesem Gebiet. Seit Herbst 2008 werden die Modellstandorte von einer für sie zuständigen Mitarbeiterin am ZNL, die ihnen als Ansprechpartnerin jederzeit zur Verfügung steht, beraten und regelmäßig besucht. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin ist auch für die Vergleichseinrichtungen in den jeweiligen Regionen zuständig und koordiniert außerdem die Erhebungstermine in Rücksprache mit "ihren" Modell- und Vergleichseinrichtungen.
Aus welchen Gründen beteiligen sich Standorte an diesem Modellprojekt?
Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe, warum sich zahlreiche Standorte in Baden-Württemberg für das Modellprojekt beworben hatten. Der erste Grund ist ein pädagogischer, der auf die Weiterentwicklung der Qualität der Bildungseinrichtungen durch die Verzahnung von Elementar- und Primarpädagogik zielt. Auch der Wunsch, nachhaltig am Abbau möglicher Brüche in der Bildungsbiografie zu arbeiten, indem im Bildungshaus 3 - 10 der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule deutlich geebnet wird, hat vielerorts das Interesse am Modellprojekt bestärkt. Das Besondere am Bildungshaus 3 - 10 ist, dass das Projekt nicht darauf ausgerichtet ist, Kinder "reif für die Beschulung" zu machen und durch Fördermaßnahmen den Anforderungen der Institution anzupassen. Vielmehr ist es ein wesentliches Merkmal des Modells, dass sich die Institutionen der Aufgabe stellen, der enormen Bandbreite an Begabungen und Entwicklungen von Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter durch die Verzahnung der Institutionen im Bildungshaus einen geeigneten Raum zur gemeinsamen und auch individuellen Entfaltung zu eröffnen. Dieser Gedanke ist für viele Pädagogen und Pädagoginnen ein wesentlicher, und das Modellprojekt Bildungshaus 3 - 10 schafft den Rahmen, um Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Umsetzung auszuloten und diese durch die von BMBF und ESF finanzierte wissenschaftliche Begleitung erfassen sowie die Wirkungen de Verzahnung auswerten zu lassen.
Der zweite Grund, Bildungshaus 3 - 10 werden zu wollen, liegt in der demografischen Entwicklung. Von der Schließung bedrohte Kindergärten und Grundschulen sahen und sehen im Bildungshaus eine Chance, um ihre Existenz zu sichern und dem Ort oder Stadtteil durch ihren Fortbestand einen wesentlichen Ankerpunkt des kulturellen und sozialen Lebens zu erhalten. Durch die Beteiligung am Modellprojekt erfahren die Modellstandorte mehr Beachtung, was zu steigenden Anmeldungen in den Bildungshaus-Kindergärten und Bildungshaus-Grundschulen führen kann. Vorrangig im ländlichen Raum und in "alternden" Stadtteilen erscheint der Prestige-Zugewinn durch die Beteiligung am Modell als ein nicht zu vernachlässigender Gesichtspunkt. Außerdem wird die Umgestaltung zu einem Bildungshaus 3 - 10 vielfach als Chance betrachtet, um neben der pädagogischen Arbeit mit den Kindern auch die Elternarbeit und teilweise zugleich die Stadtteilarbeit neu zu denken.
Sind Bildungshäuser tatsächlich unter einem Dach?
Die wenigsten Bildungshäuser befinden sich im selben Gebäude. Das macht deutlich, dass die Bezeichnung nicht zwingend auf einen räumlichen Verbund verweist, sondern in erster Linie auf ein ideelles Dach, unter dem Kindergarten und Grundschule zusammenrücken. Gewiss kann räumliche Nähe die konkrete Umsetzung der Zusammenarbeit erleichtern, den organisatorischen Aufwand vermindern, das Zeitmanagement entlasten und spontane, gemeinsam wahrgenommene Aktionen begünstigen, wie z.B. die Vorausplanung noch nicht antizipierbarer Darbietungen von Kindern für Kinder, Tür- und Angelgespräche oder auch den flexiblen, durch Besucherpässe genehmigten Austausch einzelner Kindergruppen zwischen den Partnereinrichtungen. Bei ungünstigen Witterungsverhältnissen wird besonders gut beobachtbar, dass räumliche Nähe den Organisationsaufwand reduziert: Während in weiter voneinander entfernten Einrichtungen die Kinder komplett wetterfest angezogen werden müssen, ehe die Partnerinstitution aufgesucht werden kann, ist es bei geringen Distanzen eher möglich, einfach rasch in Jacke und Schuhe zu schlüpfen bzw. gleich in Hausschuhen loszugehen, wenn beispielsweise ein überdachter Gang Kindergarten und Grundschule verbindet. Überlegungen zu Erleichterung der gemeinsamen Arbeit durch räumliche Verknüpfung werden in den Modellstandorten gewissenhaft diskutiert, wenn beispielsweise bauliche Veränderungen anstehen. Dann erweist sich das Bildungshaus als ein gestaltgebendes Element.
Unter den 33 Modellstandorten sind 43% räumlich nah beieinander, d.h. die Entfernung beträgt bis zu 100 m. Hierunter zählen Bildungshäuser, deren Grundschule und Kindergärten sich nachbarschaftlich in derselben Straße befinden, nur durch einen kleinen Zaun getrennt sind, auf dem selben Gelände errichtet wurden oder, in bislang ganz seltenen Fällen, im selben Gebäude untergebracht sind. In 33% der Standorte werden regelmäßig Wege von mehreren hundert Metern bis zu einem Kilometer zurückgelegt, wobei es vielen Pädagogen und Pädagoginnen auf bemerkenswerte Weise gelingt, das Überwinden der Distanzen nicht zu einer lästigen Pflicht, sondern den Weg selbst zu einem Erlebnis, Spiel- und Lernereignis zu machen. In 24% der Bildungshäuser trennen Distanzen von mehr als einem bis hin zu mehreren Kilometern Kindergärten und Grundschule voneinander. Oftmals müssen diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Trotzdem hat man sich in diesen Standorten bewusst für das pädagogische Konzept des Bildungshauses entschieden, ohne die räumliche Distanz als unüberwindbare Hürde oder gar als Widerspruch zum Konzept zu betrachten.
Kommunikation auf Augenhöhe
Ein Bildungshaus 3 - 10 wäre undenkbar ohne das Zusammenrücken der Pädagogen und Pädagoginnen aus Grundschule und Kindergarten, denn die Kooperation zwischen den Pädagogen beider Institutionen bildet zugleich das Fundament und stellt den Motor der Umgestaltung und Weiterentwicklung der Institutionen zum Wohl der Kinder dar. Im Modell bewältigen Erzieherinnen und Lehrkräfte einen guten Teil ihrer Arbeit gemeinsam. Gemeinsames Handeln kann nur gelingen, wenn Vorbehalte oder mitunter auch Scheu, sich zu begegnen, abgebaut werden können und ehrliche gegenseitige Wertschätzung, Vertrauen, Zutrauen in die eigenen Kompetenzen und die des anderen wachsen können. In der Tat stellen sich die beiden Berufsgruppen historisch betrachtet sowie im Hinblick auf ihre jeweilige Ausbildung und Bezahlung, ihr gesellschaftliches Ansehen usw. recht unterschiedlich dar, und eine konsequente gemeinsame Perspektivierung der Arbeit auf die gesamte Altersspanne von 3 bis 10 stellt ein Phänomen dar, das vor dem Bildungshaus3 - 10 in Regeleinrichtungen eher exotisch schien.
Im Modellprojekt erweitert sich der Blick aufs Kind, indem die Erzieherin das Kind nicht mehr mit ca. 6 Jahren an die Schule abgibt, sondern weiterhin für das Kind mitverantwortlich und als Ansprechperson erhalten bleibt. Umgekehrt lernen die am Modell beteiligten Lehrkräfte viele ihrer zukünftigen Schüler und Schülerinnen schon im Alter von 3 Jahren kennen und werden neben der Erzieherin zu pädagogischen Bezugspersonen des Kindes. An vielen Standorten hat sich durch die Erweiterung des Blicks auf das Kind auch die Elternarbeit verändert, die ebenfalls zunehmend als gemeinsame Aufgabe wahrgenommen wird.
Eine tragfähige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den oftmals in Tandems kooperierenden Erzieherinnen und Lehrkräften sowie zwischen der Kindergarten- und der Schulleitung, die gemeinsam für das Schaffen und Pflegen von guten, möglichst gelingensförderlichen pädagogischen Handlungsspielräumen zu sorgen haben, ist nicht per se gegeben, sondern muss in die neue Herausforderung Bildungshaus hineinwachsen und darf sich bei dieser Pionierarbeit zurecht unterstützen lassen.
Die Unterstützung bei der Klärung von Rollen, Zuständigkeiten und Kommunikationswegen sowie bei der gegenseitigen Annäherung der beiden Professionen, beim Entdecken und Nutzen der komplementären Ressourcen, die Elementar- und Primarpädagogen in das Bildungshaus einbringen, und beim Finden gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Sprache ist eine äußerst vielschichtige Aufgabe, mit der die Mitarbeiterinnen vom ZNL betraut wurden. Wie sich das gesamt Projekt durch Prozesshaftigkeit auszeichnet, so muss auch das Erreichen und Pflegen von Kommunikation auf Augenhöhe als eine sich immer wieder aufs Neue stellende Aufgabe betrachtet werden.
"Im Coaching werden [daher] auch so genannte tools, also Werkzeuge und Techniken vorgestellt, die dazu beitragen können, eine zielorientierte, wertschätzende Kommunikation zwischen den beiden Professionen zu pflegen. Der Coach dokumentiert die Entwicklungen vor Ort, sodass diese jederzeit nachvollzogen und gemeinsam diskutiert werden können" (Sambanis 2009, S. 15).
Coaching
Die wissenschaftliche Begleitung erfüllt einen Doppelauftrag: den des Coaching, d.h. der Prozessbegleitung und -dokumentation, und den der Evaluation. Die gemeinsame Arbeit des Zusammenrückens der Professionen ist im Coaching verankert.
Im Coaching werden Impulse zur Teamentwicklung gegeben, deren Umsetzung im Alltag reflektiert, Ziele und Meilensteine vereinbart, gemeinsam die Konzeption erstellt. Die Mitarbeiterinnen aus der Forschergruppe arbeiten regelmäßig in einem etwa vierwöchigen Turnus mit "ihren" Einrichtungen direkt am Standort. Die Coacherin organisiert bei Bedarf Hospitationen, z.B. in anderen Modellstandorten, die dann zusammen besucht und die Eindrücke reflektiert werden. Die Coacherin hospitiert in Bildungshaus-Angeboten ihrer Standorte und spiegelt ihre Wahrnehmungen als kritische Freundin. Sie stellt ihr Fachwissen zur Verfügung, vermittelt oder gibt selbst bedarfsorientiert fachlichen Input. Die Coacherin unterstützt die Modelleinrichtungen bei der Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit.
Eine weitere Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitung in Zusammenhang mit dem Coaching besteht darin, die sich in den Modellstandorten abzeichnenden Entwicklungen zu dokumentieren. Diese Dokumentationen fließen zum einen in den weiteren Coaching-Prozess ein, zum anderen dienen sie als Grundlage, um schließlich Gelingens- und Misslingensfaktoren herausarbeiten und die Übertragung des Modells auf weitere Standorte erleichtern zu können. Prozessbegleitung und -dokumentation sind als eigener Untersuchungsteil im Forschungsplan verankert. Jede Mitarbeiterin nimmt folglich eine Doppelrolle ein, nämlich die der Prozessbegleiterin und die der Forscherin, was im Hinblick auf Datenerhebung und -auswertung eine besondere Verschränkung darstellt, die eines bewussten Umgangs und der Transparentmachung bedarf.
Evaluation
Zur Evaluation des Modells wurde ein kombiniertes Längs- und Querschnittdesign ausgearbeitet. Die Querschnitte ermöglichen Rückschlüsse auf die Entwicklung der einzelnen Einrichtungen und die Wirkung der pädagogischen Maßnahmen auf Kinder unterschiedlicher Altersgruppen. Die Längsschnitte lassen Kausalanalysen der Wirkungen des sich verändernden Umfeldes und der besonderen, institutionsübergreifenden Bildungshausangebote zu.
Die Evaluation ist als Modell-Vergleichsstudie aufgebaut.
Um aufzeigen zu können, zu welchen Wirkungen oder auch Nebenwirkungen die Veränderung von Grundschule und Kindergarten im Bildungshauses 3 - 10 im Einzelnen führen, müssen verschiedene Ebenen beforscht werden: die Wirkung auf die Kinder, auf die Einrichtungen sowie die Motivation und Wahrnehmung der Träger. Auf Kindebene wird die soziale, emotionale und die kognitive Entwicklung der Kinder in den Modell- bzw. Vergleichsstandorten beforscht. Hierbei werden auch die sog. Metakompetenzen berücksichtigt und das Erleben des Kindes, seine Wahrnehmungen, Wünsche und Erwartungen an das Bildungshaus 3 - 10 zusätzlich zu standardisierten Erhebungsverfahren durch qualitative Erhebungen ergänzt. Auch die Einschätzung der Eltern und deren Zufriedenheit mit den Bildungsinstitutionen werden jährlich erhoben. Die Pädagogen und Pädagoginnen sowie die Leitungen werden u.a. zu ihrer Innovationsbereitschaft, aber auch zu Belastungen befragt. Es finden regelmäßig standardisierte Beobachtungen in den Bildungsinstitutionen statt.
In Abstimmung mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und dem BMBF wurde nach der Auswahl und Konzeption geeigneter Instrumente zunächst ein Datenschutzkonzept ausgearbeitet und ein Ethikantrag gestellt, der den Forschungsplan der universitären Kommission zur Prüfung im Hinblick auf forschungsethische Fragen offenlegte. Beide Anträge wurden 2009 geprüft und genehmigt; die Erhebungen konnten im Frühjahr beginnen.
Jährlich tagt die Forschergruppe mit dem wissenschaftlichen Beirat, um gemeinsam das Forschungsdesign zu prüfen, den Fortgang der Arbeit kritisch zu reflektieren, Expertise einzuholen.
Zusammenfassung
Der erste Erhebungsdurchgang ist Ende 2009 abgeschlossen, sodass dann die Daten aus der Ist-Stands-Analyse, die die Grundlage zum Aufzeigen von Entwicklungen bilden, ausgewertet werden können. Im Laufe der weiteren Begleitung und Evaluation werden zunächst Tendenzen im Hinblick auf die Entwicklung der Bildungsinstitutionen und der Zufriedenheit von Eltern, Leitungen, Pädagogen und Pädagoginnen aufgezeigt werden können sowie, und das ist wohl die spannendste unter all den vielen interessanten Fragen in Zusammenhang mit diesem Projekt, Erkenntnisse über die Entwicklung der Kinder in den Modell- und Vergleichseinrichtungen gewonnen werden.
Anmerkung
Weitere Informationen zur wissenschaftlichen Begleitung sind unter www.znl-bildungshaus.de zu finden.
Literatur
Höke, Julia/Schumann, Ira: Bildungshaus 3-10 - Kooperationsmöglichkeiten von Kindergarten und Grundschule. Fördermagazin 2009, 10, S. 7-10.
Sambanis, Michaela: Wissenschaftliche Begleitung des Modells "Bildungshaus 3-10". Verzahnung von Kindergarten und Schule. In : Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 2009, 1, S. 131-135.
Sambanis, Michaela: Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Lehrkräften im "Bildungshaus 3-10". In: Welt des Kindes 2009, 4, S. 13-15.
Sambanis, Michaela: Die wissenschaftliche Begleitung des Landesmodells "Bildungshaus 3-10". In: Bildung & Wissenschaft 2009, 7-8, S. 25-27.