Welche Kompetenzen benötigen Kinder, um ihnen einen möglichst Erfolg versprechenden Einstieg in die Schule zu sichern?

Heidi Birkenstock

Der Eintritt in eine Kindertagesstätte ist unkompliziert - vorausgesetzt es gibt genügend Plätze. Wenn Kinder schulpflichtig werden, müssen sie jedoch "schulfähig" sein - sonst werden sie in der Regel von den Grundschulen nicht aufgenommen. Wie werden Kinder auf die Überwindung dieser Hürde vorbereitet? Dieser Frage und der, welche Kompetenzen Kinder benötigen, um ihnen einen möglichst Erfolg versprechenden Einstieg in die Schule zu sichern, bin ich mit meiner Forschungsarbeit nachgegangen.

Im Sinne der Inklusion sollten alle Kinder uneingeschränkt an allen Bildungsangeboten teilhaben können und sich nicht erst als systemkompatibel erweisen müssen. Soweit die Theorie - doch wie sieht es in der Praxis aus? Durch die pädagogischen Fachkräfte aus Kindertagesstätten in Michelstadt konnte ich Einblicke in die momentane Situation zur Schulvorbereitung und die Übergangsgestaltung in die Schule erhalten. Kinder aus dem Naturkindergarten "Laubfrosch" und Kinder, die bereits in der Schule sind, schilderten, was Kinder können sollten, wenn sie in die Schule kommen. Demnach hinkt die Realität der gesetzlich vorgegebenen Inklusion hinterher - dies geht sowohl aus den Antworten der Kinder als auch der pädagogischen Fachkräfte hervor. Denn solange sich Kinder als "schulfähig" beweisen müssen, ist die Inklusion noch fern!

1. Einleitung

Ist es erforderlich, dass Kinder über bestimmte Kompetenzen verfügen, wenn sie in die Schule kommen, obwohl es Aufgabe der Schule ist, eine gemeinsame Erziehung aller Kinder zu gewährleisten und "Barrieren der Teilhabe zu reduzieren" (Kron 2010, S. 229)? Diese Frage basiert auf dem Rechtsanspruch auf gemeinsames Lernen aller Kinder (mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf) sowie der in Kraft getretenen UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderung. Danach sind die Vertragsstaaten verpflichtet, ein inklusives Schulsystem auf allen Ebenen zu schaffen (vgl. Schöler/ Merz-Atalik/ Dorrance 2010, S. 7). "Jeder Junge, jedes Mädchen soll die Möglichkeit haben in einer Gruppe von Kindern aufzuwachsen, in der er/es die Verschiedenheit der Menschen und damit einen Ausschnitt der gesellschaftlichen Normalität erleben kann, in der keine institutionelle Auslese und soziale Diskriminierung stattfindet" (Kron 2010, S. 229).

Dennoch wird zur Feststellung der "Schulfähigkeit" das einzelne Kind von der Institution Schule in den Blick genommen (vgl. Dorrance 2010, S. 186). Bei den Schuleingangsuntersuchungen, die die Gesundheitsämter durchführen, wird der individuelle Reifezustand gemessen. Die Kompetenzen des Kindes werden auf den Prüfstand gestellt, und diese individuellen Ressourcen müssen sich als hinreichend systemkompatibel erweisen (ebd.). Die Bringschuld, um diese Hürde vom Kindergarten in die Schule überwinden zu können, liegt bei jedem einzelnen Kind und bei den Personen, die mit vorschulischer Förderung betraut sind: den Eltern und den pädagogischen Fachkräften des Elementarbereichs.

Mit meiner Forschungsarbeit ging ich den Fragen nach, wie die einzelnen Kindertageseinrichtungen der Stadt Michelstadt die ihnen anvertrauten Kinder auf die Schule vorbereiten, welche Kompetenzen die Kinder benötigen, um ihnen einen möglichst Erfolg versprechenden Einstieg in die Schule zu sichern - aber auch wodurch Kinder behindert werden, entsprechende "Schulfähigkeiten" zu entwickeln und, welche Möglichkeiten die Fachkräfte sehen, diese Barrieren abzubauen. Zunächst werde ich kurz auf die theoretischen und empirischen Hintergründe eingehen.

2. Theoretische und empirische Hintergründe

Die Idee der UN-Behindertenrechtskonvention trägt bereits der hessische Bildungs- und Erziehungsplan in seinen Grundsätzen und Prinzipien in sich (vgl. Hessisches Sozialministerium/ Hessisches Kultusministerium 2011, S. 6). Der Bildungs- und Erziehungsplan richtet sich an "alle Lernorte, an denen kindliche Bildungs- und Erziehungsprozesse stattfinden und fokussiert konsequent das Kind, nicht die jeweilige Bildungseinrichtung" (a.a.O., S. 12).

Dennoch scheiden sich am Begriff und Verständnis von Schulfähigkeit die bildungspolitischen ebenso wie die praktisch-pädagogischen Geister. Zum einen markiert das Kriterium der Schulfähigkeit die institutionelle Grenze zwischen Elementar- und Primarbereich und zum anderen bildet es eine Hürde, deren Überwindung Grundvoraussetzung für eine Integrierbarkeit im Sinne der vollen Teilhabe am Regelschulsystem ist (vgl. Dorrance 2010, S. 186). "Bei Kindern mit Behinderung und/oder sonderpädagogischem Förderbedarf entscheidet die Barriere der Schulfähigkeit häufig schon vor Eintritt ins Bildungssystem über die zukünftigen Bildungschancen und -karrieren" (ebd.). Es geht jedoch nicht nur um das Kind - Schulfähigkeit wird auch verknüpft mit den Rahmenbedingungen (Schulkonzept) und den Kompetenzen der Lehrkräfte (vgl. Wagner 2010, S. 1). Dies wird jedoch meist völlig außer Acht gelassen. Das Kind muss sich als "schulfähig" beweisen. Im Zuge der Umsetzung der Inklusion sollte sich die Frage nach der "Schulfähigkeit" bezogen auf das Kind gar nicht stellen.

"Alle Kinder in Deutschland werden schulpflichtig, alle Kinder werden eingeschult (derzeit in die Regelschule oder in eine Sondereinrichtung - Anm. der Verfasserin). Aber werden auch alle Kinder Schulkinder?" (Niesel 2009, S. 75). Erst wenn ein Kind die Schule als selbstverständlichen Teil seines Lebens empfindet, ist es ein Schulkind geworden. Dann ist es in der Lage, die Angebote der Schule für seine kognitive, soziale, emotionale und physische Entwicklung zu nutzen (a.a.O., S. 76). Es ist individuell verschieden, wie lange der Transitionsprozess dauert, und wie vollständig er gelingt "hängt maßgeblich von Ressourcen ab, die einem Kind zur Verfügung stehen" (ebd.). Während des Transitionsprozesses kooperieren optimalerweise alle am Übergang beteiligten und mitwirkenden Personen (Kinder und ihre Familien, die pädagogischen Fachkräfte im Kindergarten und die Lehrkräfte der Schule).

Mit dem Projekt "Qualifizierte Schulvorbereitung (QSV) - Bildungsprozesse gemeinsam gestalten" soll die Übergangsgestaltung durch Kooperationen verbessert werden. Es wird an verschiedenen Modellstandorten in Hessen durchgeführt. Dies bedeutet, dass es zu Tandems, dem Zusammenschluss von Schulen und Kindertageseinrichtungen, kommt, die ihre pädagogische Arbeit am Bildungs- und Erziehungsplan ausrichten und an gemeinsamen Fortbildungen teilnehmen (vgl. Hessisches Sozialministerium 2012, S. 4).

Das Rahmenkonzept zum Modellprojekt des Landes Hessen "QSV" legte folgende Definition zugrunde: "'Schulvorbereitung' dient nicht alleine der Vorbereitung auf die Schule, sie ist eine umfassende, ganzheitliche Vorbereitung auf das Leben. Sie beginnt mit der Geburt. Jedes Kind in Hessen soll möglichst früh, optimal und nachhaltig gefördert werden" (ebd.). Möglichst optimale Startchancen für alle Kinder herzustellen und damit zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem beizutragen, ist das Ziel der QSV. Die Umsetzung des QSV bedeutet, dass sich Einrichtungen, gemeinsam mit den Eltern und den Schulen, auf den Weg machen und die Richtung einer inklusiven Pädagogik einschlagen, in der Heterogenität als Chance genutzt wird (a.a.O., S. 13).

3. Methoden

Als Zielgruppe meiner Befragung sind die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen besonders geeignet, weil sie die Kinder in den Jahren vor dem Schuleintritt begleiten. Weiterhin konnten sie bereits Erfahrungen sammeln, was von den Kindern in der Schule sowie von dem hiesigen Gesundheitsamt erwartet wird, damit sie eingeschult werden können.

Um meinen Forschungsfragen nachzugehen, wählte ich einen Fragebogen. Diese Form der Datenerhebung ist mit Blick auf die Fragestellung sinnvoll, weil somit die Ergebnisse konkret miteinander verglichen werden können. Die Fragen konzentrierten sich auf die Kompetenzen, die von den Kindern erwartet werden, damit sie am Schulalltag teilhaben können. Die Fragen wurden möglichst offen gestellt. Der Fragebogen wies nur bei einer Frage vorgegebene Antwortraster auf, ansonsten waren leere Reihen vorhanden, in die die Befragten ihre Antworten schreiben konnten. Mit dieser Art der Befragung wird die Möglichkeit geboten, neue Aspekte im Untersuchungsfeld zu entdecken (vgl. Bracke 2005, S. 42).

Weiterhin wählte ich das narrative Interview. Hierbei steht am Beginn des Interviews eine Gesprächsaufforderung, die so gestaltet ist, dass der Interviewpartner mobilisiert wird, frei von seinen Erinnerungen zu erzählen. Der Interviewer oder die Interviewerin schlüpft nach der Gesprächsaufforderung in die Rolle des aufmerksamen Zuhörers (vgl. Hopf 2000, S. 356).

Nachfolgend werde ich näher erläutern, wie die Fragebögen und das Interview zum Einsatz kamen.

Fragebögen in Kindertagesstätten

Michelstadt ist eine kleine Stadt mitten im Odenwaldkreis (Hessen) mit einer Fläche von 86,97 km² und ca. 16.400 Einwohnern. Zur Kernstadt selbst gehören noch acht Stadtteile. In Michelstadt gibt es zehn städtische Kindertageseinsrichtungen und fünf Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft.

Die Stadt Michelstadt versendet Informationen und Einladungen an die hiesigen Kindertageseinrichtungen über einen Email-Verteiler. Über diesen Verteiler bekamen die Kindertageseinrichtungen den Fragebogen als Anhang zu einer entsprechend motivierenden Email zugesandt.

Zu dem erbetenen Rückgabe-Datum hatte ich nur vier Fragebögen erhalten. Daraufhin kontaktierte ich erneut alle 15 Kindertagesstätten, da der Fragebogen anonym geschickt werden konnte und ich daher nicht nachvollziehen konnte, von wem die Fragebögen waren. Zwei weitere Bögen kamen zurück. Nun kam die Überlegung, ob ich mich mit meiner Forschungsfrage einer anderen Problematik widmen sollte, nämlich warum die Fragebögen nicht ausgefüllt wurden. Ob sie zu kompliziert, zu offen oder der Lust- oder Überarbeitungs-Faktor eine Rolle spielte. Ich entschied mich dafür, die vorhandenen sechs Fragebögen auszuwerten, denn warum sollten die, die sich die Mühe gemacht hatten, am Schluss nichts darüber lesen können, weil es plötzlich um ein anderes Thema ging? Die sechs ausgewerteten Fragebögen können natürlich keine Aussagen über alle pädagogischen Fachkräfte in Michelstadt machen, dennoch geben sie einen guten Einblick.

Dann kam mir die Idee, die Kinder, die ja persönlich vom Übergang in die Schule betroffen sind, - also die Experten für das Thema - zu befragen.

Interview mit Kindern

In einer Gesprächsrunde mit den Kindern im Naturkindergarten Laubfrosch, die im letzten oder vorletzten Kindergartenjahr sind, stellte ich die Frage: "Was sollten Kinder können, wenn sie in die Schule kommen?" Der Naturkindergarten "Laubfrosch" e.V. in Michelstadt ist ein eingruppiger Kindergarten mit 20 Kindern. An der Gesprächsrunde nahmen neun Kinder teil. Überrascht über die Aussagekraft der Antworten der eigentlichen "Experten" fragte ich mich, warum ich nicht von Beginn an die Idee gehabt hatte, die Kinder zu befragen.

Deshalb befragte ich zusätzlich auch die Kinder der Nachmittagsgruppe (Kinder, die bereits in der Schule sind - jedoch einmal die Woche nachmittags weiterhin in den Wald kommen können). Diese Kinder hatten bereits den Übergang in die Schule hinter sich und wissen somit, worauf es ankommt.

Wie bereits beschrieben wählte ich das narrative Interview als Gruppeninterview. Hierzu setzte ich mich mit den Kindern gemütlich im Wald zusammen, und nach einer kurzen Gesprächsaufforderung - der Fragestellung - legten die Kinder los, und ich protokollierte das Gesagte. Die Kinder warteten immer, bis ich eine Aussage aufgeschrieben hatte, um mir dann die nächste Information zu nennen.

Kritische Methodenreflexion

Mit meinem Forschungsfragebogen zu den Schulfähigkeitskompetenzen und meiner Frage an die Kinder, was Kinder können sollten, wenn sie in die Schule kommen, bin ich im Nachhinein nicht vollständig zufrieden. Obwohl es ein sehr offener Fragebogen war, fragte er zu einseitig ab. Und wenn ich die Kinder frage, was sie wohl so können sollten, wenn sie in die Schule kommen, so geben sie eher das wieder, was sie von Schule gehört haben oder wie sie es bereits erlebt haben. Viel lieber würde ich nun - nachdem ich mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt habe - danach fragen, wie sich die Kinder die Schule wünschen.

Ich würde, im Nachhinein betrachtet, auch lieber Interviews mit den Einrichtungen durchführen. So könnte ich durch Nachfragen viel mehr an Informationen erhalten, als dies mit einem Fragebogen möglich ist. Interessiert hätte mich, wie die einzelnen Einrichtungen darüber berichten, wie die Inklusion in ihrer Arbeit Einzug gehalten hat, wie Inklusion in den hiesigen Schulen umgesetzt wird und welche Ideen zur Verbesserung der derzeitigen Situation vorhanden sind. Ich frage mich, ob es durch ein Gespräch vielleicht zu dem Ergebnis hätte kommen können: "Die Kinder benötigen keine speziellen Kompetenzen, wenn die Schulen 'kindfähig' sind!"

4. Ergebnisse

Aus den Ergebnissen der Fragebögen ist zu entnehmen, dass sich die pädagogischen Fachkräfte einen regelmäßigeren und intensiveren Austausch mit den Lehrer/innen wünschen. Dies wird jedoch auch dadurch erschwert, dass jede Einrichtung nicht nur an eine Schule Kinder abgibt, sondern in manchen Fällen an bis zu fünf Schulen. Die Kontakte sollten nach Meinung der Fachkräfte weiter ausgebaut werden. Eine gute Zusammenarbeit ist gewünscht und damit verbunden ein Austausch auf Augenhöhe und eine wertschätzende Haltung in Bezug auf die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen.

Für die Kinder wünschen sich die Erzieher/innen einen fließenden Übergang, der damit erreicht werden kann, dass die Schule schon im Vorfeld den Kinder vertraut wird. Durch die räumliche Annäherung (evtl. durch einen Raum in der Schule, den die Vorschulkinder regelmäßig nutzen können) sollte es den Kindern auch ermöglicht werden, Kontakte zu Schulkindern zu knüpfen.

Weiterhin wünschen sich die Erzieher/innen, dass bei der Zuordnung der Kinder zu einer Schule sich nur am Kind orientiert wird und nicht daran, ob eine zusätzliche Klasse gebildet werden kann oder wieviele Lehrer/innen vorhanden sind.

Einige der Befragten nehmen an dem bereits beschriebenen Projekt "Qualifizierte Schulvorbereitung" teil und berichten, dass durch die Bildung von Tandems die Zusammenarbeit schon viel intensiver geworden ist. Gleichzeitig erweist es sich jedoch als schwierig, da sie nicht nur an die "Tandem-Schule" Kinder abgeben.

Um Barrieren für die Kinder abzubauen, wünschen sich die Erzieher/innen in Michelstadt, dass die Eignungstests abgeschafft werden. Stattdessen sollte getestet werden: "Ist die Schule fähig, das Kind aufzunehmen?"

Benötigte Kompetenzen

An Kompetenzen, die Kinder benötigen, um am Schulalltag teilhaben zu können, werden folgende von den Erzieherinnen bei der Umfrage benannt: Selbständigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Sozialverhalten, Sprachverständnis, Wahrnehmungsfähigkeit, Zahlenverständnis, Motivation und Neugier, Kooperationsfähigkeit, Kontakfreudigkeit, Selbstbewusstsein und fein- und grobmotorische Fähigkeiten.

Die befragten Kinder, die noch im Kindergarten sind, haben schon ganze genaue Vorstellungen, was alles in der Schule erwartet wird: "Melden können und abwarten, bis man dran kommt", "Geduld haben", "nicht die anderen ablenken", "sich konzentrieren können", "nicht irgendwo hin krixeln", "nicht die Anderen schubsen, anrempeln, beißen, hauen, kratzen und boxen", "auf die Lehrer hören", "still sitzen können"...

Die Kinder, die schon in der Schule sind, bestätigen das: "Still sein - nicht rumzappeln", "auf die Lehrerin hören", "melden - nicht einfach rein rufen" usw. Es werden auch ganz bestimmte Fähigkeiten erwartet: "Stift halten können", "wie die Farben heißen", "mit der Schere schneiden können" und "Schuhe binden können".

5. Diskussion

"Schulfähigkeit ist die Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften eines Kindes, die es braucht, um im Anfangsunterricht und der weiteren Schulzeit Lernimpulse wahrzunehmen, aufzugreifen und im Sinne einer Lernauseinandersetzung zu nutzen, um persönlichkeitsbildende und inhaltliche Weiterentwicklungen im emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Bereich aufzunehmen und umzusetzen" (Witzlack, zitiert nach Wagner 2010, S. 1).

Eine erfolgreiche Transitionsbewältigung (in diesem Fall der Übergang von der Kita in die Schule) bedeutet, dass Jungen und Mädchen neuen Erfahrungen offen gegenüber stehen sowie ein stabiles Selbstvertrauen, anhaltende Lernmotivation und ein positives Selbstkonzept entwickeln, welches durch Schwierigkeiten nicht anhaltend beeinträchtigt wird - eine komplexe Entwicklungsaufgabe für alle Kinder (vgl. Niesel 2009, S. 78)!

Für den Entwicklungsaufbau von spezifischen Fähigkeiten bei Kindern sorgt die Befriedigung basaler Grundbedürfnisse. Diese Basisfähigkeiten führen zu spezifischen kognitiven, emotionalen, motorischen und sozialen Fertigkeiten. Eine Grundbedürfnisbefriedigung verlangt jedoch nach intensiven Bindungen und spezifischen Erwachsenenkompetenzen (vgl. Krenz 2013, S. 6 f.). Die Grundbedürfnisse sind "tragende Entwicklungssäulen", die Kindern helfen, "Wurzeln" für ihre Persönlichkeits- und Lebensentfaltung zu entwickeln (a.a.O., S. 7).

Die 16 seelischen Grundbedürfnisse

(Grafik nach Armin Krenz)

"Auch Unsicherheiten und Ängste können Kinder an einem optimalen Start in die Schule hindern. Deshalb haben sie ein Recht darauf, dass in Zusammenarbeit von Kindergarten, Schule und Eltern der Schritt, den sie gehen, sicher gemacht wird" (Strätz 2010, S. 68). Der Wunsch nach intensiver Zusammenarbeit mit den Schulen wurde von Seiten der Erzieher/innen in Michelstadt sehr stark geäußert. Dies macht deutlich, dass dem Kooperationsgebot nicht in der Intensität nachgekommen wird, wie das notwendig wäre, um Kindern einen optimalen Start in die Schule zu gewährleisten.

Nicht überall werden die Eltern in die gemeinsame Gestaltung des Übergangs so intensiv einbezogen, wie dies notwendig wäre, sind doch die Eltern die einzigen Bezugspersonen, die das Kind während der gesamten Zeit des Übergangs begleiten und unterstützen können (a.a.O., S. 70). "Die Anforderungen an Eltern auf der emotionalen Ebene werden von den pädagogischen Fachkräften und den Lehrkräften im Rahmen der Übergangsgestaltung häufig nicht nur nicht thematisiert, sondern manchmal eher belächelt. In der emotionalen Komponente liegt einer der großen Unterschiede zwischen denen, die einen Übergang bewältigen müssen, und den Personen, die für die Übergangsgestaltung jährlich wiederkehrende Routine ist" (Griebel/ Niesel 2011, S. 122).

Das Recht auf inklusive Bildung und die Verpflichtung, ein inklusives Bildungssystem aufzubauen, wie es im Art. 24 Abs. 1 der UN-Konvention formuliert ist, werden in Deutschland noch nicht verwirklicht (vgl. Dannenbeck/ Dorrance 2009, S. 1). Bereits 2004 forderte die Kultus- und Jugendministerkonferenz in einem Beschluss zur vorschulischen Bildungsplanung die Entwicklung einer "kindfähigen Schule" - anstatt nur das "schulfähige Kind" im Blick zu haben (vgl. Dorrance 2010, S. 186). Aus inklusionsperspektivischer Sicht bedeutet dies, dass alle Kinder gemeinsam am Unterricht teilnehmen können, d.h.. "dass alle Kinder einer unausgelesenen und ungeteilten Lerngruppe sich allgemeine Bildung nach individuellen Vermögen und individuellen Bedürfnissen in vielfältigen Lernprozessen mit gemeinsamem und differentiellen Lernsituationen unter Nutzung förderlicher Ressourcen ohne behindernde Lernbarrieren und ohne diskriminierende und exkludierende Praxen sowie mit entwicklungsorientierter Lernevaluation aneignen können, und zwar mit aktiver Unterstützung von kooperierenden Pädagogen und sozialen Netzwerken" (Wocken 2011, S. 134).

Damit ist auch keine Qualifikation mehr nötig, um am gemeinsamen Unterricht teilnehmen zu dürfen, wie sie über eine Diagnose von Mindestfähigkeiten erfolgt. "Ein Kind muss sich nicht erst sein Recht auf Inklusion verdienen oder kämpfen es zu erhalten" (Sapon-Shevin, zitiert nach Hinz 2002, S. 356). Das neue Modell der "veränderten Schuleingangsstufe", wie es an einigen Schulen praktiziert wird, setzt somit die Schulfähigkeit nicht mehr voraus (vgl. Elfe 2007, S. 82).

"Vertrauen, Ermutigung und Wertschätzung sind zentrale Elemente einer Lernkultur, in der sich Talente entfalten können. Dazu brauchen Schüler Dialogpartner, ermutigende Unterstützer, herausfordernde Begleiter. Sie brauchen Schulen, in denen sie nicht mit Angst oder Gleichgültigkeit, sondern mit Lust und Freude lernen können. Es gibt in unserem Land bereits einige Schulen, in denen dieser Transformationsprozess gelungen ist. Die Verwandlung unserer Schulen in Orte des gemeinsamen Lernens, Entdeckens und Gestaltens ist also möglich" (Hauser/ Hüther 2012, S. 175).

Aus den Interviews der Kinder geht hervor, dass sie solche Orte nicht vorfinden oder vorfinden werden. Sie wissen, wie man sich in der Schule verhalten sollte und was man nicht darf - das hat sich schon herum gesprochen. Kein Wort von Freude haben, mit Lust lernen können, spielen und Spaß haben dürfen...

Aus einem der von mir ausgewerteten Fragebögen ging der Wunsch einer Kindertagesstätte nach einheitlichen Vorschulprogrammen hervor, da die Kinder mit sehr unterschiedlichem Wissen in die Schule kämen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob das den Kindern gerecht werden würde, wenn sie auch schon im Kindergarten im Gleichschritt gehen sollen, damit sie mit gleichem Wissenstand in der Schule ankommen.

Die größte Herausforderung inklusiver Erziehung stellt somit die "Veränderung von Einstellungen und Haltungen, die Veränderung des Selbstverständnisses und des Menschenbildes einer ganzen Institution" dar (Hinz 2002, S. 357). In der Haltung der Fachkräfte zur Inklusion wird eine der wichtigsten Ressourcen für inklusive Bildung gesehen (vgl. Heimlich 2013, S. 12).

"Selbstverständlich bedarf es für Veränderungsprozesse Zeit. Schulen, die Lehrerkollegien, die Eltern, beteiligte Dienste und Verwaltung, TherapeutInnen und kooperierende Organisationen brauchen Zeit, sich auf eine veränderte Lehr- und Lernpraxis im Lernort Schule einzustellen. Sie brauchen Zeit, entsprechende Fort- und Weiterbildungen durchführen zu können. Sie brauchen Zeit - und Begleitung! - dabei, ihr bisheriges professionelles Handeln zu überdenken und konkret in der Schule didaktische Ansätze kennen zu lernen und umzusetzen, die ALLE Kinder am gemeinsamen Lernprozess beteiligt sein lassen, ohne dass alle das gleich machen" (Verein Politik gegen Aussonderung - Koalition für Integration und Inklusion 2013, S. 17).

6. Fazit und Ausblick

Der Weg zu einer Schule für alle Kinder ist noch weit. Trotz des Rechtsanspruchs auf ein inklusives Schulsystem, den die UN-Konvention einfordert, werden Kinder nach wie vor bereits in Schuleingangsuntersuchungen etikettiert und somit diskriminiert, indem ihnen beispielsweise ein sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wird und sie als Folge hierauf aus dem Regelschulsystem ausgesondert werden. Es obliegt immer noch den Kindern selbst, sich als "schulfähig" zu beweisen, sei es bei Schuleingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter oder der Schulen selbst. Der Familie und der Kindertagesstätte kommt die Aufgabe zu, die Kinder entsprechend vorzubereiten. Diese immer noch praktizierte Art und Weise steht völlig im Widerspruch zu der geforderten Inklusion, obwohl der Hessische Bildungs- Erziehungsplan klar und deutlich darlegt, dass sich die Kompetenz nicht nur auf das einzelne Kind bezieht, einen Übergang erfolgreich zu bewältigen, sondern auch auf die beteiligten sozialen Systeme. Für eine erfolgreiche Bewältigung des Übergangs sollten Ziele nicht nur für Kinder, sondern darüber hinaus für Eltern sowie die am Übergang beteiligten Institutionen (Kita und Schule) formuliert werden (vgl. Hessisches Sozialministerium/ Hessisches Kultusministerium 2013, S. 95).

Der Weg für eine Schule für Alle wäre frei, und die Kinder müssten sich nicht mehr als schulfähig beweisen, wenn ein zieldifferenter Unterricht gestaltet werden würde, in dem Leistungen individuell bewertet werden und sich Arbeitsaufträge an den Fähigkeiten und Möglichkeiten der Schüler/innen orientieren. Diese Art von Unterricht stellt neue Herausforderungen an die Lehrkräfte, die jedoch nicht mehr alleine eine Klasse unterrichten, sondern im Team als Lernbegleiter/innen auftreten würden.

"Damit unsere Kinder all die vielen Talente und Begabungen entfalten können, die in ihnen angelegt sind, müssten wir sie ohne Ängste und Sorgen und ohne vorgefertigte Vorstellungen und Absichten anschauen" (Hauser/ Hüther 2012, S. 32). Doch mit Blick auf die Schule und den Kompetenzen-Katalog, den die Erzieher/innen im Kopf haben, ist es kaum möglich, die Kinder nach ihren individuellen Bedürfnissen reifen zu lassen.

"Bisher war es wichtig, dass jeder, der anders ist, die gleichen Rechte hat. In Zukunft wird es wichtig sein, dass jeder das gleiche Recht hat, anders zu sein" (De Klerk, zitiert nach Thiem 2010, S. 26).

7. Literatur

Bracke, Anna: Schriftliche Befragung. In: Kühl, Stefan/Strodtholz, Petra/Taffertshofer, Andreas (Hrsg.): Quantitative Methoden der Organisationsforschung. Wiesbaden 2005, S. 33-58

Dannenbeck, Clemens/Dorrance Carmen: Wind gesät, Sturm geerntet (2009). http://bidok.uibk.ac.at/library/dannenbeck-wind.html (19.12.2013)

Dorrance, Carmen: Barrierefrei vom Kindergarten in die Schule? Eine Untersuchung zur Kontinuität von Integration aus der Sicht betroffener Eltern. Bad Heilbrunn 2010

Elfe, Angelika: Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation von Kindertageseinrichtung und Grundschule auf dem Land. In: Carle, Ursula/Grabeleu-Szczes, Dana/Levermann, Simone (Hrsg.): Sieh mir zu beim Brückenbauen. Kinder in Bildungs- und Übergangsprozessen wahrnehmen, würdigen und fördern. Berlin 2007

Griebel, Wilfried/Niesel, Renate: Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin 2011

Hauser, Uli/Hüther, Gerald: Jedes Kind ist hoch begabt. Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen. München 2012

Heimlich, Ulrich: Kinder mit Behinderung - Anforderungen an eine inklusive Frühpädagogik. Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München 2013

Hessisches Sozialministerium (Hrsg.): Qualifizierte Schulvorbereitung (QSV). Bildungsprozesse gemeinsam gestalten (2012). http://www.bep.hessen.de/irj/BEP_Internet?uid=06c70a6a-dd89-9531-f012-f312b417c0cf (11.09.2013)

Hessisches Sozialministerium/Hessisches Kultusministerium (Hrsg.): Bildung von Anfang an! Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 - 10 Jahren in Hessen. Wiesbaden 2013

Hinz, Andreas: Von der Integration zur Inklusion - terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung? Zeitschrift für Heilpädagogik 2002, 53 (9), S. 354-361

Hopf, Christel: Qualitative Interviews - ein Überblick. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung. Hamburg 2000

Krenz, Achim: Bildung durch Bindung. Offensives Handeln gegen den funktionsorientierten Bildungswahn in der Kleinpädagogik (2013). http://www.ibbw.de/Dokumente/PDF/Tagungen/KEB_10/KEB10 _Vortrag_Krenz.pdf (16.09.2013)

Kron, Maria: Zusammen (auf)wachsen - Unterschiedlichkeit erleben. In: Kron, Maria/Papke, Birgit/Windisch, Marcus (Hrsg.): Zusammen aufwachsen. Schritte zur frühen inklusiven Bildung und Erziehung. Bad Heilbrunn 2010, S. 229-230

Niesel, Renate: Endlich ein Schulkind? Identitätsentwicklung und Migration am Beginn der Bildungsbiographie. In: Knauf, Helen (Hrsg.): Frühe Kindheit gestalten. Perspektiven zeitgemäßer Elementarbildung. Stuttgart 2009, S. 75-88

Schöler, Jutta/Merz-Atalik, Kerstin/Dorrance, Carmen: Auf dem Weg zur Schule für alle? Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich: Vergleich ausgewählter europäischer Länder und Empfehlungen für die inklusive Bildung in Bayern. München 2010

Strätz, Rainer: Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule. Administrative Vorgaben und praktische Erfahrungen. In: Diller, Angelika/Leu, Hans Rudolf/Rauschenbach, Thomas (Hrsg.): Wie viel Schule verträgt der Kindergarten? Annäherung zweier Lernwelten. München 2010, S. 63-72

Verein Politik gegen Aussonderung - Koalition für Integration und Inklusion (Hrsg.): Schwarzbuch Inklusion (2013). http://www.gib-hessen.de/veranstaltungen_aktuelles/pga_schwarzbuch _inklusion_web.pdf (11.09.2013)

Wagner, Marlies: Schulfähigkeit - ein Begriff in der Diskussion (2010). http://www.nibis.de/~bjteamohz/ Zusammenfassung_Schulfahigkeit_2_05_10.pdf (11.09.2013)

Wocken, Hans: Was ist Inklusiver Unterricht? Eine Checkliste zur Zertifizierung schulischer Inklusion. In: Wocken, Hans: Das Haus der inklusiven Schule. Baustellen - Baupläne - Bausteine. Hamburg 2011, S. 109-139

8. Autorin

Heidi Birkenstock
Eichenstr. 26
64743 Beerfelden/Airlenbach
Email: heidibirkenstock@web.de

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