Aus:
Bildung, Erziehung, Betreuung von Kindern in Bayern 1998, Heft 2, S. 4-9
Renate Niesel und Wilfried Griebel
Der Eintritt eines Kindes in den Kindergarten ist für viele Familien der erste Übergang in eine außerfamiliale Einrichtung. Eintritt und Eingewöhnung sind als Krise, das Anpassungsverhalten des Kindes als Streßreaktionen beschrieben worden. Konsequenzen davon, ob die Eingewöhnung positiv oder problematisch verläuft, für den Schuleintritt sind vermutet worden. Es war jedoch kein Konzept verfügbar, das die vielfältigen Anforderungen und Erwartungen an die Kinder und auch an die Eltern angemessen berücksichtigt hätte.
Der Familien-Transitions-Ansatz von P. Cowan (1991) ist entworfen worden, um Übergänge in der Entwicklung von Familien zu untersuchen und dabei die Perspektive aller Familienmitglieder einzubeziehen. Solche familialen Übergänge sind: die Geburt des ersten Kindes, wenn die Partner Eltern werden; der Eintritt eines Kindes in das Jugendlichenalter, wenn sie sich mit den Eltern auseinandersetzen und sich von der Familie lösen; das Verlassen des Elternhauses seitens der erwachsen gewordenen Kinder und die "Leere-Nest-Phase" für die Eltern; Trennung und Scheidung der Eltern; Wiederheirat und Bildung einer Stieffamilie. Übergänge haben Gemeinsamkeiten, die sich in allgemeiner Form beschreiben lassen, und jeder Übergang beinhaltet besondere Anforderungen, die sich aus dem jeweiligen Lebensereignis ergeben. Von der abgeschlossenen Bewältigung dieser "verdichteten Entwicklungsanforderungen" wird nicht nur ein Abebben des in Übergangssituationen häufig beobachteten auffälligen Verhaltens, sondern ein langfristiger und weiter reichender Nutzen durch "Entwicklungslernen" erwartet.
In unserer IFP-Studie haben wir diesen Ansatz auf den Eintritt des ersten Kindes in den Kindergarten übertragen (in einem zweiten Untersuchungsabschnitt wird zur Zeit der Übergang vom Kindergarten in die Schule untersucht). Der Übergang des Kindes zu einem "Kindergartenkind", die "Eingewöhnung der Eltern" in den Kindergarten und die Aufnahmeverfahren in den bayerischen Kindergärten wurden mit Fragebögen bei einer repräsentativen Stichprobe von Kindergärten in Bayern, mit Elterninterviews und themenzentrierten Gesprächen mit Kindern untersucht (Niesel/Griebel 1997). Wir danken an dieser Stelle allen, die sich an der Untersuchung beteiligt haben, sehr herzlich!
Mit dem Übergangskonzept lassen sich die Ebenen, auf denen Kinder und Eltern beim Eintritt in den Kindergarten Anforderungen bewältigen müssen, folgendermaßen darstellen:
- Wandel der Identität: Das Kind erlebt einen neuen Status: Es fühlt sich "älter" und größer", es entwickelt ein "Wir-Gefühl" für seine Kindergartengruppe. Allmählich entwickelt sich das Gefühl, ein "kompetentes Kindergartenkind" zu sein, das sich den Anforderungen gewachsen fühlt und die neuen Erfahrungsmöglichkeiten nutzen kann. Der Wandel der Identität betrifft auch die Eltern. Sie beginnen, ihr Kind mit seinen sich nun verändernden Bedürfnissen in der Gruppe der Kindergartenkinder wahrzunehmen, und sie sehen die Welt ihres Kindergartenkindes im Lichte der neuen Erfahrungen. Dazu gehört auch, daß sie ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der "Miteltern" akzeptieren und sich auf neue Erfahrungen einlassen.
- Neue Rolle: Zur Rolle des Kindes in der Familie kommt die neue Rolle als Kindergartenkind hinzu. Damit verbunden erlebt das Kind eine Reihe von Erwartungen an seine Fähigkeiten und sein Verhalten: Beherrschung des Körpers (Sauberkeitstraining) und seiner Gefühle (Zeigen und Bewältigen von Emotionen ohne direkte Unterstützung durch vertraute Bezugspersonen) usw. Auch an die Eltern werden Erwartungen gerichtet. Erst nach und nach und nicht immer ohne Mißverständnisse und Konflikte lernen sie zu akzeptieren, daß ihr Kind nun eines unter anderen in der Gruppe ist. Sie sind nicht mehr allein zuständig und nicht mehr allein kompetent für die Erziehung des Kindes.
- Veränderte Beziehungen: Mit allen Übergängen sind markante Wandel in den Beziehungen verknüpft. Mit dem Eintritt des Kindes in den Kindergarten verändern sich seine familialen Beziehungen, weil das Kind unabhängiger und selbständiger wird und neue Beziehungen zu Kindern und Erzieherinnen für seine Entwicklung nutzt. Eltern müssen mehr Unabhängigkeit der Kinder zulassen, Kontroll- und Exklusivitätsansprüche an die Beziehung mit dem Kind verringern. Auch für sie entstehen neue Beziehungen: zu den Erzieherinnen, zu anderen Kindern und Eltern. Die Beziehungen zu den Miteltern beeinflussen die Beziehungen der Kinder untereinander und umgekehrt.
- Wechsel zwischen zwei Lebensbereichen: Mit dem Besuch des Kindergartens wechselt das Kind regelmäßig für feste Tageszeiten zwischen der häuslichen Umgebung und der Einrichtung. Einstellen muß sich das Kind auf neue Räume, auf einen bestimmten Zeitablauf und Zeitrhythmus, auf neue Regeln. Einstellen muß es sich vor allem auf eine neue soziale Situation: Es ist Mitglied einer größeren Gruppe von Kindern. Bei der Bewertung des Verhaltens des Kindes in der morgendlichen Bring- (und auch in der Abhol-) Situation ist die Leistung des Sich-Einstellens auf die jeweiligen Anforderungen in den beiden Lebensbereichen nicht zu unterschätzen. Die Eltern kennen das Kind "vor und nach dem Kindergarten", die Erzieherin "nach und vor der Familie"; das führt zu unterschiedlichen Beobachtungen am Kind und zu unterschiedlichen Interpretationen. Auch für die Eltern ist der Kindergarten ein neues "Terrain", das sie sich erschließen müssen. Der Tagesablauf wird vom Kindergarten mitbestimmt; zusätzliche Termine wegen Elternabenden und Elternmitarbeit fallen an.
- Starke Emotionen: Übergänge sind von starken Emotionen begleitet. Bei aller Vorfreude und Neugier auf das Kommende, bei allem Stolz auf den neuen Status ist der Eintritt eines Kindes in den Kindergarten mit Gefühlen von Verlust und Abschied verbunden. Für das Kind ist dies die Erfahrung von regelmäßiger zeitweiser Abwesenheit der Eltern, die für es die "sichere Basis" darstellen, ohne daß bereits zu einer anderen erwachsenen Person, der Erzieherin, eine Beziehung aufgebaut worden ist. Die Kinder müssen auch mit der Ungewißheit, was während ihrer Abwesenheit zu Hause geschieht, fertig werden. Eltern berichten von Unsicherheit in bezug auf die Begegnung des eigenen Kindes mit komplexen neuen Anforderungen, aber auch vom Gefühl des Abschieds von einem Lebensabschnitt, in dem das Gefühl der engen Eltern-Kind-Beziehung, das "Nest-Gefühl", besonders intensiv erlebt worden war.
Für Erzieherinnen bedeutet der Wechsel in der Kindergartengruppe in aller Regel keinen Übergang im eigentlichen Sinne. Zwar ist auch sie unter Umständen von Verlusterfahrungen hinsichtlich der Gruppe als Ganzes, hinsichtlich einiger Kinder oder Eltern betroffen, aber die Veränderungen haben nicht den Charakter der Einmaligkeit/Erstmaligkeit. Sie sind mit keinem Wechsel von Status und Identität verbunden, sondern bewegen sich im Rahmen der beruflichen Routine. Die Erzieherin ist die berufliche Begleiterin des Überganges. Im Bewältigungsstreben von Kindern und Eltern kommt ihr damit eine Schlüsselposition zu.
Unterstützungsmöglichkeiten
Der Transitionsansatz sollte bei der Gestaltung der Aufnahme und Eingewöhnung neuer Kinder und ihrer Eltern in der Praxis konsequent berücksichtigt werden.
Aufnahmeverfahren
86% der von uns befragten Erzieherinnen gaben an, daß die pädagogische Arbeit während der Zeit der Neuaufnahme und der Integration der neuen Kinder in die Gruppe dadurch erschwert werde, daß über das individuelle Wesen des Kindes noch zu wenig bekannt sei. 57% der Erzieherinnen gaben als Erschwernis an, daß über den familialen Hintergrund der neuen Kinder zu wenig bekannt sei. So stellt sich die Frage nach einer Optimierung der Informationserhebung in der Zeit zwischen Anmeldung und Eintritt des Kindes. Eine Möglichkeit wäre, anhand des Übergangskonzeptes zu reflektieren,
- welche Informationen über das Kind und seine Familie relevant sind,
- bei welcher Gelegenheit sie erhoben werden sollen (z.B. beim Anmeldegespräch oder in einem Vorbereitungsgespräch nach dem Probebesuch);
- in welchen Form dies am besten geschieht (z.B. schriftlich im Fragebogen oder im Gespräch);
- wie der Informationsfluß im Team und in der Einrichtung läuft und
- wie solches Wissen in pädagogisches Handeln einfließt.
Im Aufnahmefragebogen können für den Übergang relevante Vorerfahrungen des Kindes und seiner Familie angesprochen werden (datenschutzrechtliche Fragen sind bei der Erstellung, Nutzung und Aufbewahrung abzuklären).
Im Fragebogen würde z.B. nicht nur allgemein erfragt werden, wer erziehungs- oder sorgeberechtigt ist, sondern es würde direkt nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern und nach dem Zeitpunkt der Trennung gefragt werden. Für die Erzieherin bildet sich so ab, ob das betreffende Kind nicht nur den Übergang von den Familie in den Kindergarten, sondern zusätzlich die mit einer Elterntrennung verbundenen Anforderungen und Belastungen bewältigen muß. Entsprechendes gilt für die Berufstätigkeit von Mutter und Vater: Nicht nur die Tatsache, daß eventuell beide Eltern berufstätig sind, ist von Bedeutung, sondern, ob die Mutter mit dem Eintritt des Kindes in den Kindergarten ihren Beruf wieder aufnimmt, kann für die Eingewöhnung des Kindes von Bedeutung sein.
Ein zu langer Fragebogen läßt sich durch eine offene Kategorie vermeiden: "Hat es in Ihrer Familie im letzten Jahr Ereignisse gegeben, von denen wir wissen sollten, um Ihr Kind besser verstehen zu können?" Wenn Eltern hier Angaben machen, ist ein guter Einstieg in ein individuelles Gespräche gegeben.
Statt kurzer Anmeldegespräche sind ausführlichere Aufnahmegespräche zu empfehlen. Übergangsrelevante Themen können vertieft werden, die Gestaltung von Aufnahme und Eingewöhnung für das einzelne Kind besprochen und geplant werden. Die Gruppenerzieherin, das Kind und die Eltern sollten sich bei diesen Aufnahmegesprächen kennenlernen können.
In einem guten Drittel der Einrichtungen in unserer Befragung werden individuelle Aufnahme- bzw. Vorbereitungsgespräche geführt. Erzieherinnen, in deren Einrichtungen diese Gespräche nicht geführt werden, begründen dies damit, daß sie sich individuelle Gespräche zeitlich und organisatorisch nicht vorstellen könnten. Die Erzieherinnen dagegen, in deren Einrichtungen individuelle Gespräche zum Aufnahmeverfahren gehören, berichten, daß sie auf diesen Teil des Aufnahmeverfahrens nicht verzichten möchten - insbesondere deshalb, weil sie sich für die Eingewöhnungszeit der neuen Kinder viel besser vorbereitet und daher sicherer fühlten.
Gezielte Angebote an das Kind während eines Aufnahmegesprächs (z.B. eine kleine Spielecke mit ausgesuchten Materialien, die das Kind erkunden kann, oder das Angebot, zu den anderen Kindern in die Gruppe zu gehen) können relevante Informationen liefern: Wie geht das Kind mit einer neuen Situation um, was benötigt es, um sich für die Exploration einer neuen Umgebung öffnen zu können, was leistet es von sich aus und welche Unterstützung können Eltern und die Erzieherin geben?
Probebesuche scheinen heute Standard in den Einrichtungen zu sein. Eine gestaffelte Aufnahme der neuen Kinder, die den Erzieherinnen mehr Aufmerksamkeit gerade während der ersten Tages des Kindes ermöglicht, ist in etwa der Hälfte der bayerischen Einrichtungen derzeit noch nicht eingeführt.
Eingewöhnungszeit
Unterschiede der beiden Lebensumwelten Familie und Kindergarten sollten nicht verwischt werden, der Kindergarten nicht als "erweiterte Familie" familienähnlich erscheinende Momente überbetonen. Daß die bestehenden Unterschiede in den beiden Lebensbereichen klar sind und auch akzeptiert werden, erleichtert das Hineinwachsen in die Rolle des Kindergartenkindes. Man sollte auch nicht versuchen, Anforderungen an das Kind restlos "einzuebnen", sondern Anforderungen sollten für das Kind erfahrbar bleiben, damit Problemlösefertigkeiten aktiviert werden. Wenn das Kind und die Eltern dem positiv gegenüberstehen, das Kind sich auf den Kindergarten freut, werden die Anforderungen zu Herausforderungen, denen es sich gerne stellt.
In Übergangssituationen zeigen Menschen Streßreaktionen, wenn die Anforderungen ihre Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen. Daher wird empfohlen, das Kennenlernen der Einrichtung möglichst früh und möglichst differenziert zu gestalten und während der Eingewöhnung den Eltern die Möglichkeit zu geben, für eine Weile beim Kind anwesend zu bleiben.
Der Grad, in dem die Kinder Kummer und Anspannung, Ängstlichkeit oder aber Zuversicht und Gelassenheit ausdrücken, dürfte auch mit Wesenseigenschaften wie dem kindlichen Temperament zusammenhängen. Das heißt, nicht alle heftigen Reaktionen von Kindern sind unmittelbar mit Merkmalen des Aufnahmeverfahrens in Zusammenhang zu bringen. Zu bedenken ist, daß Übergänge in der Regel mit starken Emotionen verbunden sind. Vorsichtig sollte man sein mit Zuschreibungen von Ursachen wie "übermäßige Mutter-Kind-Bindung", "überbehütendes Erziehungsverhalten" oder "fehlende Kindergartenreife". Auch den Eltern muß das Aufgewühlt-Sein, das Empfinden und Zeigen von Gefühlen in dieser Phase zugestanden werden, ohne daß dies unnötig problematisiert wird.
Wichtig wäre es, im Team zu klären, wie mit Abschieden und den damit verbundenen Emotionen umgegangen werden soll. Wie geht jeder einzelne damit in persönlichen Situationen um, und was löst die Beobachtung der morgendlichen Szenen aus? Sind wir uns über den Unterschied zwischen der Einmaligkeit/Erstmaligkeit für Mutter und Kind und der beruflichen Routine der Erzieherin ("Sowie die Mutter endlich gegangen ist, hört das Kind auf zu weinen!") im Klaren? Verhindern oder fördern wir etwas, wenn wir die Emotionen am Morgen möglichst aus dem Kindergarten heraushalten? Was könnte sich entwickeln, wenn wir diese Gefühle stärker zulassen?
Ebenso wichtig wie das morgendliche Bringen ist das Abholen nach der Kindergartenzeit und die damit verbundenen Gefühle und Reaktionen. Auf diese Bereiche sollte während der Eingewöhnung des Kindes ebenfalls das Augenmerk gerichtet werden. Erzieherin und Eltern sollten sich über das Verhalten des Kindes in der jeweiligen Umgebung austauschen.
Der Prozeß der Eingewöhnung dauert oft länger, als Eltern und auch Erzieherinnen erwarten. In unserer Untersuchung berichteten Erzieherinnen für einen beträchtlichen Anteil der neu eingetretenen Kinder noch nach zehn Monaten von Verhaltensweisen, die sie Problemen im Zusammenhang mit der Eingewöhnung zuschreiben. Die von ca. 40% der Erzieherinnen angenommene kürzere Eingewöhnungszeit der älteren Kinder wird durch empirische Untersuchungen nicht bestätigt, d.h. die Eingewöhnungszeit, die Kinder brauchen, ist unabhängig vom Alter.
Da fast 90% der Erzieherinnen angeben, daß eine Erschwernis für ihre Arbeit darin liege, daß sich Mütter nicht von ihren Kindern lösen könnten, müßte dieses Thema eigentlich stärker aus der Perspektive der Eltern vorbereitend besprochen werden. In der seltenen Nennung von elternbezogenen Themen spiegelt sich in unserer Untersuchung zum einen die Unsicherheit vieler Erzieherinnen wider, mit Eltern über Persönliches zu sprechen. Sie kann aber auch Ausdruck davon sein, daß Erzieherinnen sich nicht darüber klar sind, daß Eltern Zeit und manchmal Unterstützung brauchen, um "Kindergarteneltern" zu werden.
Elternarbeit
Schriftliches Informationsmaterial sollte Eltern präzise Hinweise auf die Bedeutung des Eintritts in den Kindergarten für das Kind und seine Eltern geben. In den meisten Informationsschriften sind nach einigen einführenden Worten zur Bedeutung und zu den Zielen der pädagogischen Arbeit der jeweiligen Einrichtung die Informationen zusammengefaßt, die die meisten Eltern auch mündlich (Anmeldungsgespräch, erster Elternabend) erhalten. Das heißt, am häufigsten werden in den schriftlichen Materialien für die Eltern Themen angesprochen, die einrichtungsbezogen sind. Dies ist durchaus sinnvoll, weil es sich mit Elternwünschen deckt.
Kindbezogene Inhalte mit pädagogischen bzw. entwicklungspsychologischen Schwerpunkten (wie z.B. Verhalten des Kindes zu Beginn der Kindergartenzeit, das Eltern vielleicht nicht erwarten und auf das sie vorbereitet werden sollten) kommen deutlich seltener vor. Noch seltener sind Themen, die sich auf die emotionale Befindlichkeit der Eltern während der Eingewöhnung (wie z.B. "Gefühle des Verlustes" oder "Unsicherheiten über die neuen 'Miterzieher'") beziehen. Tatsächlich waren Mütter in der ersten Zeit des Kindergartenbesuchs tatsächlich emotional stark betroffen, was sie nachträglich (ein halbes Jahr nach dem Eintritt des Kindes in den Kindergarten) äußerten. Sie hatten bei sich selbst diese Reaktion zuvor nicht in dieser Stärke erwartet.
Einführungselternabende sind die bevorzugte Plattform der Erzieherinnen zur Informationsvermittlung. Eltern berichteten von einem Gefühl der Überforderung am ersten Elternabend durch die Fülle der Informationen, mit der sie in einem gedrängten Zeitrahmen konfrontiert wurden. Sie scheuten sich, nachzufragen, wenn auch die "alten" Kindergarteneltern anwesend waren, "für die ja das alles schon bekannt ist". Ein gewisser Anteil der Informationen, die am Einführungselternabend gegeben werden, "kommt nicht bei den Eltern an", wenn zuviel auf einmal zu vermitteln versucht wird.
Die Elternabende zu Beginn des Kindergartenjahres könnten entlastet werden, wenn einrichtungsbezogene Information schriftlich gegeben wird. Wenn gerade am ersten Elternabend dem Thema Bewältigung von Übergängen Raum eingeräumt wird, können bei neuen Eltern Erkenntnisprozesse angeregt werden:
- Durch Begegnung mit "alten" Eltern können Erfahrungen vermittelt werden, die von den Erzieherinnen nicht referiert werden müssen.
- Eltern können auf das Bewältigungsverhalten ihrer Kinder in der Einrichtung und zuhause aufmerksam gemacht werden.
- Über das Aufzeigen von Analogien zwischen der Bewältigung von familialen Übergängen und dem ersten Übergang, bei dem die Familie und eine Institution im Mittelpunkt stehen, können gemeinsame Erfahrungen der Eltern auf individueller Ebene (z.B. Eintritt ins Jugendlichenalter) und zusätzlich auf dyadischer Ebene (Übergang zur Elternschaft) sowie Erfahrungen von Teilen der Elterngruppe mit weiteren Übergängen eingebracht und diskutiert werden.
Grundsätzlich hilft es, die Eltern in die Überlegungen zur Übergangsbewältigung einzubeziehen. Sie sind nicht nur Moderatoren des Übergangs ihres Kindes, sondern selbst von einem Übergang betroffen. Ein "Dialog von Anfang an" würde mit Sicherheit die Hemmschwelle von Eltern senken, auch als problematisch erlebtes Verhalten des Kindes mit den Erzieherinnen zu besprechen. Von einer Einordnung dieser Verhaltensweisen in das übergangstheoretische Konzept wird ein besseres Verständnis erwartet, die wiederum einen erleichterten pädagogischen Umgang damit ermöglichen.
Die Nutzung des Transitionsansatzes für die Bewältigung der Übertritts von der Familie in den Kindergarten führt zu differenzierter pädagogischer Arbeit: Nicht alle Familien wollen und brauchen alle Formen der Unterstützung.
Literatur
Becker-Textor, I.: Unser Kind soll in den Kindergarten. Ein neuer Schritt für Eltern und Kinder. Freiburg: Herder 1993
Berger, M.: Der Übergang von der Familie zum Kindergarten. München: Ernst Reinhardt, 2. neu bearb. Aufl. 1997
Cowan, P.: Individual and family life transitions: A proposal for new definition. In: Cowan, P./Hetherington, M. (Hg.): Family transitions: Advances in family research. Band 2. Hillsdale: Lawrence Erlbaum 1991, S. 3-30
Haefele, B./Wolf-Filsinger, M.: Aller Kindergarten-Anfang ist schwer: Hilfen für Eltern und Erzieher. München: Don Bosco 1985
Niesel, R./Griebel, W.: Der Übergang von der Familie in den Kindergarten. Ergebnisse einer Befragung von Erzieherinnen, aus Elterninterviews und aus themenzentrierten Kindergesprächen. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik 1997