"Selbst ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem ersten Schritt" - Zur Berufsgeschichte der Erzieher

Ralph Christian Amthor

"Als der liebe Gott die Erzieherin schuf..."

Als der liebe Gott die Erzieherin schuf, machte er bereits den sechsten Tag Überstunden. Da erschien der Engel und sagte: "Herr, Ihr bastelt aber schon lange an dieser Figur!"

Der liebe Gott sprach: "Hast Du die speziellen Wünsche auf der Bestellung gesehen? Sie soll pflegeleicht, aber nicht aus Plastik sein, sie soll 160 bewegliche Teile haben, sie soll Nerven wie Drahtseile haben, und einen Schoß, auf dem zehn Kinder gleichzeitig Platz haben. Sie soll einen Rücken haben, auf dem sich alles abladen lässt, und sie soll in einer überwiegend gebückten Haltung leben können. Ihr Zuspruch soll alles heilen, von der Beule bis zum Seelenschmerz, sie soll sechs Paar Hände haben."

Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: "Sechs Paar Hände, das wird kaum gehen!" "Die Hände machen mir keine Kopfschmerzen", sagte der liebe Gott, "aber die drei Paar Augen, die eine Erzieherin haben muss." "Gehören die denn zum Standardmodell?" fragte der Engel.

Der liebe Gott nickte: "Ein Paar, das durch geschlossene Türen blickt, während sie fragt: Was macht ihr denn da drüben? - obwohl sie es längst weiß. Ein zweites Paar im Hinterkopf, mit dem sie sieht, was sie nicht sehen soll, aber wissen muss. Und natürlich zwei Augen hier vorn, aus denen sie ein Kind ansehen kann, das sich unmöglich benimmt, und die trotzdem sagen: Ich verstehe dich und habe dich sehr lieb - ohne dass sie ein einziges Wort spricht."

"O Herr", sagte der Engel und zupfte ihn leise am Ärmel, "geht schlafen und macht morgen weiter."

"Ich kann nicht", sagte der Herr, "denn ich bin nahe daran, etwas zu schaffen, das mir einigermaßen ähnelt. Ich habe bereits geschafft, dass sie sich selbst heilt, wenn sie krank ist, dass sie zwanzig Kinder mit einem einzigen Geburtstagskuchen zufrieden stellt, dass sie einen Sechsjährigen dazu bringt, sich vor dem Essen die Hände zu waschen, einen Dreijährigen davon überzeugt, dass Knete nicht essbar ist, und übermitteln kann, dass von mir Füße überwiegend zum Laufen und nicht zum Treten gedacht waren."

Der Engel ging langsam um das Modell der Erzieherin herum. "Zu weich", seufzte er. "Aber zäh", sagte der liebe Gott energisch. "Du glaubst gar nicht, was diese Erzieherin alles leisten und aushalten kann!" "Kann sie denken?" "Nicht nur denken, sondern sogar urteilen und Kompromisse schließen", sagte der liebe Gott, "und vergessen!"

Schließlich beugte sich der Engel vor und fuhr mit einem Finger über die Wange des Modells. "Da ist ein Leck", sagte der Engel. "Ich habe euch ja gesagt. Ihr versucht, zuviel in das Modell hineinzupacken!" "Das ist kein Leck", sagte der liebe Gott, "das ist eine Träne." "Wofür ist sie?" "Sie fließt bei Freude, Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit." "Ihr seid ein Genie!" sagte der Engel. Da blickte der liebe Gott versonnen: "Die Träne", sagte er, "ist das Überlaufventil." (Verfasser unbekannt)

Zur Unvollständigkeit bisheriger Geschichtsbetrachtungen

Der Beruf der Erzieherin als typischer Frauenberuf wird als das "historische Flaggschiff sozialpädagogischer Ausbildungen in Deutschland" (Beher u.a. 1999, S. 5) bezeichnet und gilt in der Gegenwart als "der soziale Beruf" schlechthin. Der Erzieherberuf ist nicht nur die am weitesten verbreitete soziale Berufsausbildung der Gegenwart, sondern weist auch die längsten geschichtlichen Entwicklungstraditionen auf.

Neben der in der Kindergartenpädagogik weithin bekannten Geschichte vom lieben Gott und seinem Bemühen, der Erzieherin die richtige Gestalt zu geben, liegen zur Entstehung des Erzieherinnenberufes viele wissenschaftliche Veröffentlichungen vor. Gleichwohl muss - kritisch betrachtet - festgehalten werden, dass die Geschichtsschreibungen lückenhaft sind und üblicherweise nur einen Teil der Berufsgeschichte nachzeichnen, so zum Beispiel die entsprechenden Entwicklungen im Kindergartenbereich. Andere Traditionen werden hingegen vernachlässigt, sehr oft gar nicht erwähnt, so dass vieles im Dunkeln und unerwähnt bleibt.

Zunehmend - das hat im Übringen auch für anderen soziale Berufe Gültigkeit, wie zum Beispiel für die Sozialpädagogen und Sozialarbeiter oder die Heilpädagogen und Heilerziehungspfleger - begreifen wir, dass wir unseren Blickwinkel ganz erheblich weiten müssen. Nichts anderes aber ist Forschung, nämlich das Gegebene in Frage stellen, erweitern und weiter entwickeln, kurz: zu Neuem aufbrechen.

Die nachfolgenden Betrachtungen sollen helfen, den Beruf der Erzieherin und dessen Entstehungsgeschichte auf einer breiteren und umfassenderen Ebene zu begreifen. Dies kann aber an dieser Stelle nur im groben Überblick geschehen. Betrachten wir zunächst die gegenwärtige Ausbildungssituation von Erzieherinnen als Ausgangspunkt weiterer Betrachtungen (1).

Die Erzieherinnenausbildung in der Gegenwart

Die Tätigkeitsbereiche der Erzieherinnen und Erzieher erstrecken sich heute hauptsächlich auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und lassen sich grob in Einrichtungen der vorschulischen und außerschulischen Erziehungsarbeit differenzieren. Als wichtigste Arbeitsgebiete und Einrichtungen, in denen die Erzieherin zumeist die Verantwortung für eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, zum Teil auch übergreifend leitende Funktionen übernimmt, gelten einerseits Einrichtungen im Elementarbereich, wie Kindergarten, Kinderkrippen und Tagespflegestellen, Vorklassen und Schulkindergarten, andererseits Arbeitsfelder wie Kinderhort, Einrichtungen der Jugendarbeit, Kinder- und Erziehungsheime, Wohngemeinschaften sowie Internate und Schülerheime.

Neben diesen Hauptberufsfeldern arbeiten Erzieherinnen im Gesundheitswesen, beispielsweise in Erholungsheimen, auf Kinderstationen von Krankenhäusern und in jugendpsychiatrischen Kliniken, ferner in Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche sowie in einigen Bundesländern auch in Gesamtschulen.

Die in der Regel in dreijähriger Vollzeitform durchgeführte Ausbildung soll die Schülerinnen befähigen, in den oben skizzierten Arbeitsfeldern selbständig tätig zu werden. Sie erfolgt bundesweit an der Fachschule für Sozialpädagogik, darüber hinaus auch an Fachakademien und Fachschulen für Sozialwesen. Im Schuljahr 1999/2000 gab es insgesamt 26.056 Schüler, davon 22.803 Frauen, die an insgesamt 372 Fachschulen und Fachakademien ausgebildet wurden (2).

Als allgemeine Voraussetzung zur Zulassung zu diesem sozialen Beruf gelten heute ein mittlerer Schulabschluss sowie eine berufliche Vorbildung, die durch eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung oder eine in Abhängigkeit von der Dauer der Ausbildung nach Landesrecht als gleichwertig anerkannte Qualifizierung nachgewiesen wird. Die Ausbildung zur Erzieherin untergliedert sich bundesweit in eine zweijährige schulische Ausbildung und ein anschließendes von der Fachschule betreutes einjähriges Berufspraktikum.

Die Kultusministerkonferenz verzichtet in den Rahmenvereinbarungen aus den Jahren 2000/2002 auf eine Festlegung von Fächern und legt stattdessen disziplin- und fächerübergreifende Lernbereiche fest. Die Ausbildung umfasst folgende Bereiche:

  • Kommunikation und Gesellschaft
  • sozialpädagogische Theorie und Praxis
  • musisch-kreative Gestaltung
  • Ökologie und Gesundheit
  • Organisation, Recht und Verwaltung
  • Religion/ Ethik nach dem Recht der Länder (3)

Trotz der bundesweit gültigen Bestimmungen weicht die Ausbildung an den Fachschulen und Fachakademien in den einzelnen Bundesländern hinsichtlich der Fächer als auch deren Inhalte erheblich voneinander ab. Nach erfolgreichem Abschluss der fachtheoretischen und fachpraktischen Ausbildungsphasen wird jedoch einheitlich die Berufsbezeichnung "staatlich anerkannte(r) Erzieher(in)" verliehen.

Der Beginn der Berufsausbildung in der Kleinkindererziehung

Was sind nun aber die geschichtlichen Wurzeln des Erzieherberufes? Wann entstand er und was waren wichtige Etappen in der Vergangenheit?

Hier gilt zunächst festzuhalten, dass die Erzieherin ein sozialer Beruf ist, dessen Geschichte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückreicht: Ab etwa dem Jahr 1800 entstanden in Deutschland Einrichtungen zur außerfamiliären Versorgung und Erziehung von Kindern im Vorschulalter, die sehr unterschiedlich bezeichnet wurden, so beispielsweise als Kleinkinderbeschäftigungsschulen, Bewahranstalten, Bewahrschulen, Warteschulen, Spielschulen, Verwahrungsschulen, Hüteschulen oder Aufsichtsschulen.

Zeitgleich mit dem fortschreitenden Aufbau dieser Einrichtungen kam es zu beruflichen Qualifizierungsversuchen: Bereits von einer der ersten Kinderbewahranstalten auf deutschen Boden, die im Jahr 1802 in Detmold durch die Fürstin Pauline von Lippe-Detmold (1769-1820) begründet wurde, ist bekannt, dass die als "Wärterinnen" bezeichneten Erzieherinnen von erfahrenen Aufseherinnen für deren Tätigkeit vorbereitet wurden. Für die ersten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts lassen sich mit Friedrich Wadzeck (1762-1823) in Berlin oder Pastor Viebig in Sachsen weitere Namen aufführen.

Als Begründer dieses Berufes sind allerdings andere Persönlichkeiten bekannt geworden: Etwa ab dem Jahr 1836 erschuf der evangelische Theologe Theodor Fliedner (1800-1864) eine kleine Ausbildungsstätte für so genannte "Kleinkinderlehrerinnen" in Kaiserswerth. An diesem Ort begründete sich im weiteren Verlauf im Rahmen der Wiederbelebung des Diakonissenamtes und der Ausbreitung von Diakonissenhäusern eine weit verbreitete Ausbildungsform, die speziell für eine berufliche Tätigkeit in der Vorschulerziehung vorbereiten sollte.

Für die Zeit vor der Reichsgründung (1871) gilt es, mit dem Pädagogen Friedrich Fröbel (1782-1852) eine weitere Persönlichkeit festzuhalten, die maßgeblich die Entwicklung des heutigen Erzieherinnenberufes beeinflusste. Fröbel errichtete Ende der dreißiger Jahre in Blankenburg in Thüringen eine von ihm als "Kindergarten" benannte Vorschuleinrichtung und begann um das Jahr 1840 ebenfalls mit der Ausbildung von Frauen, die er als "Kindergärtnerinnen" bezeichnete. Aus den Anfängen in Blankenburg heraus entwickelte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten - trotz des preußischen Verbotes der Kindergärten in den Jahren 1851 bis 1860 - eine breite Vorschulbewegung mit zahlreichen Ausbildungsstätten.

Neben den evangelischen und Fröbelschen Qualifizierungsmöglichkeiten als den bis zum Ende des Deutschen Kaiserreichs vorherrschenden Ausbildungsträgern gab es weitere Schulen, so beispielsweise jene des Lehrers Julius Fölsing (1818-1882) in Darmstadt.

Eine andere Wurzel des heutigen Erzieherberufes, die katholische Ausbildung zur so genannten "Bewahranstaltsschwester", bleibt in den gängigen Geschichtsbetrachtungen allzu oft unerwähnt oder bildet sogar einen Gegenstand heftiger Kritik, obgleich die gegenwärtige Forschungslage nachweisbar als völlig unbefriedigend bezeichnet werden kann. Belegbar ist, dass es beispielsweise bei den Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau in München und nach der deutschen Reichsgründung auch durch andere Orden und Kongregationen entsprechende Ausbildungsversuche gab (4).

Die ersten Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen

Für die Zeit bis zum Ende des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918) gilt es, weitere wichtige Etappen in der Entwicklung des heutigen Erzieherinnenberufes hervorzuheben: Standen die evangelische, katholische und die Fröbelsche Vorschulerziehung als die drei großen Richtungen einander noch sehr reserviert gegenüber, so setzte insbesondere ab der Jahrhundertwende in der Berufsausbildung eine allmähliche Öffnung gegenüber anderen pädagogischen Zielsetzungen und Methoden der Kleinkindpädagogik ein. Auf der evangelischen Seite wurden neben Diakonissen nunmehr auch freie Mitarbeiterinnen ausgebildet; eine ähnliche Entwicklung setzte auf katholischer Seite mit zeitlicher Verzögerung ein.

Ab dem Jahr 1908 wurde die Ausbildung zur "Kindergärtnerin" im Rahmen der Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens neu geregelt und die bis dahin bestehenden Seminare zum Teil in die neu entstandenen Frauenschulen integriert. Drei Jahre später kam es mit dem Erlass der "Vorschriften für die an Frauenschulen angegliederten Kurse zur Ausbildung der Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen" und der "Ordnung der Kindergärtnerinnenprüfung an den Lyzeen" in Preußen zu einer ersten Ordnung der Berufsausbildung.

Diese Regelungen leiteten eine grundlegende Vereinheitlichung der unterschiedlichen Ausbildungsstandards ein, die über weitere Verfügungen und Erlasse schließlich bis zum Ende der Weimarer Republik zur staatlichen Anerkennung aller Seminare führten. Festzuhalten gilt aber auch, dass der Kindergärtnerinnenberuf neben dem Beruf der Jugendleiterin, dem heutigen Diplom-Sozialpädagogen/ Diplom-Sozialarbeitern von den Fachhochschulen, einer der ersten sozialen Berufe war, für die überhaupt eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung verfasst wurde.

Nach der erfolgreichen Abschlussprüfung erhielten die Absolventinnen die Berufsbezeichnung "Kindergärtnerin" erteilt. Die Ausbildung umfasste folgende Fächer (5):

  Wöchentliche Stundenzahl
A. Theoretische Fächer  

Erziehungslehre
Kindergartenlehre
Natur- und Kulturkunde

3
2
2

B. Technische Fächer  

Bewegungsspiel und Turnen
Beschäftigungsunterricht
Nadelarbeit
Modellieren, Ausschneiden, Zeichnen
Gesang und Musik

2
5
2
3
2

C. Praktische Arbeit  

Arbeit im Kindergarten
Haus- und Gartenarbeit

9
2

Summe

32

Die Entwicklung zur "Kindergärtnerin und Hortnerin"

Als Folge der fortschreitenden Verarmung und Industrialisierung, welche die Mitarbeit der Frauen erzwang, entwickelten sich neben den Kindergärten und Kinderkrippen die Horterziehung durch entsprechende Einrichtungen mit Namen wie "Jugendhort", "Jugendheim", sehr häufig auch "Knabenheim" oder "Mädchenheim". Arbeiteten anfangs noch Lehrer, zum Ende des Deutschen Kaiserreichs vielfach Kindergärtnerinnen im Hortbereich, so wurde alsbald die mangelnde berufliche Vorbereitung des Personals offensichtlich.

Zum 1894 gegründeten "Verein Jugendheim" ist überliefert, dass neue Wege in der Berufsausbildung notwendig wurden: "Bei der im Jugendheim eingeführten Schulkinderfürsorge hatte sich sehr bald die Unzulänglichkeit der im Pestalozzi-Fröbel-Haus ausgebildeten Kindergärtnerinnen für die Beschäftigung von Schulkindern herausgestellt. So entstand dort das Hortnerinnen-Seminar als neuer Zweig der sozialpädagogischen Ausbildung" (Baum 1954, S. 65).

Im Jahr 1910 bot diese Einrichtung unter der Leitung von Anna von Gierke (1874-1943) entsprechende Kurse an. Im Herbst 1915 fand schließlich die erste staatlich anerkannte Hortnerinnenprüfung im Jugendheim in Charlottenburg statt (vgl. Berger 1992 und 1993). Bereits im Jahr 1907 führte zudem das allbekannte Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin einen Ausbildungskursus für Leiterinnen von Kinderhorten durch.

Eigene ministerielle Bestimmungen für die Berufsausbildung zur Hortnerin gab es hingegen nur im eingeschränkten Umfang; vielfach orientierten sich diese an den Regelungen zur Qualifizierung von Kindergärtnerinnen. Überhaupt näherten sich die beiden sozialen Berufe einander an. In der Weimarer Republik führte der bereits vor 1918 einsetzende Vereinheitlichungsprozess mit dem Kindergärtnerinnenberuf im Jahr 1930 schließlich zu einer gemeinsamen Berufsausbildung für den Vorschul- und Hortbereich, zur "Kindergärtnerin und Hortnerin" als neuer Berufsbezeichnung und zu einer Ländervereinbarung, die reichsweit den Beruf einheitlich regelte (6).

Der Nationalsozialismus als Tiefpunkt in der Erziehergeschichte

Die nachfolgenden Jahre wurden in den Geschichtsbetrachtungen zum Erzieherberuf lange Zeit ausgeblendet und vernachlässigt. Vergessen wurde dabei aber, dass der Nationalsozialismus den Erziehern - wie auch anderen sozialen Berufen, zum Beispiel den Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen - eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung zuschrieb.

Ab 1933 kam es nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zur rigorosen Ausrichtung der Ausbildung an ideologische Zielsetzungen. Das bestehende Ausbildungssystem wurde gleichgeschaltet, zudem mit den NSV-Seminaren ein neuer Trägertypus gebildet. Unliebsame und vor allem jüdische Dozenten und Schülerinnen hatten die Seminare zu verlassen, wurden verfolgt und waren Sanktionen ausgesetzt.

Zum großen Teil wurden zumindest zum Beginn des Nationalsozialismus - diese Tatsache überrascht aus heutiger Sicht oftmals - die neuen Machthaber als äußerst willkommen begrüßt und zum Teil stürmisch gefeiert, so auch in der Vorschulpädagogik und quer durch die ganze Soziale Arbeit.

Die neue Ausrichtung im Nationalsozialismus lässt sich auch durch entsprechende Verfügungen und Erlasse belegen, von denen vor allem die "Bestimmungen über die Ausbildungsstätten, Ausbildung und Prüfung von Kindergärtnerinnen" hervorzuheben sind, da diese reichseinheitlich einen nationalsozialistisch ausgerichteten Kindergärtnerinnenberuf durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vorsahen. Insgesamt wurde die Ausbildung zu diesem sozialen Beruf nach dem Ende der Weimarer Republik inhaltlich durch die Übernahme nationalsozialistischer Inhalte, so auch der Erb- und Rassenpflege, zur Stütze der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, indem sie auf eine nationalsozialistische Erziehung von Kindern vor allem in den Einrichtungen im Vorschulbereich vorbereiten sollte (7).

Die Tradition der Heimerzieher

Mit dem Ende des Nationalsozialismus wurde der Irrweg dieser Berufsausbildung offenbar, und die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen knüpften in der Nachkriegszeit an den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen der Weimarer Zeit an. Nach der unmittelbaren Überwindung der materiellen Not und dem Wiederaufbau der Vorschulerziehung setzten aber bereits ab 1960 Diskussionen um die bestehenden Formen und Möglichkeiten im Rahmen der Neugestaltung des Ausbildungswesens sozialpädagogischer Berufe ein, die neben den Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen einen anderen sozialen Beruf, nämlich den des "Heimerziehers", mit einschlossen.

Die Heimerzieher bilden aber - historisch betrachtet - eine weitere Hauptströmung in der Entwicklung zum heutigen Beruf der Erzieherin. Diese zweite große geschichtliche Wurzel lässt sich mit dem Wirken des evangelischen Pädagogen Johann Hinrich Wichern (1808-1881) ebenfalls bis weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen.

Waren die bisherigen, im Zusammenhang mit dem heutigen Erzieherinnenberuf aufgeführten Ausbildungsinitiativen ausschließlich auf Frauen ausgerichtet, so eröffnete Wichern um das Jahr 1836 - und damit etwa zeitgleich mit Theodor Fliedner - mit dem Gehilfeninstitut des Rauhen Hauses bei Hamburg eine mehrjährige berufliche Qualifizierung für Männer, die auf eine Tätigkeit als "Hausvater" oder "Gehilfe" in den damaligen Rettungsanstalten der Inneren Mission vorbereiten wollte.

Hier entwickelte sich - wie bei den evangelischen Diakonissen oder den katholischen Ordensschwestern - eine Bewegung, wenn auch zahlenmäßig im geringerem Umfang, die bereits bis zur deutschen Reichsgründung zu weiteren Brüder- und Diakonenschulen führte. Bis zum Ende des I. Weltkrieges nahm die Zahl der Ausbildungsstätten für die Heimerziehung weiter zu.

Von wenigen Einzelfällen im Deutschen Kaiserreich abgesehen, kam es dann zwischen den Jahren 1919 und 1933 im breiten Umfang zur Gründung von Heimerzieherschulen insbesondere konfessioneller Träger, in denen nun auch eine Ausbildung für Frauen erfolgte. Des Weiteren wurde die evangelische Diakonenausbildung reformiert.

Im Nationalsozialismus fanden diese Schulen ein unterschiedliches Schicksal: Während die Diakonenausbildung weit verbreitet nationalsozialistische Inhalte in die Berufsausbildung aufnahm, kam es auch zur Schließung einzelner Schulen und damit zur Unterbrechung der bisherigen positiven Entwicklung dieses sozialen Berufes.

Erst nach 1945 konnte die Entwicklung der Heimerzieherschulen, vor allem durch den großen Bedarf an Personal, in diesem Arbeitsfeld weiterverfolgt werden. Begleitet wurde diese Fortführung allerdings von Diskussionen um den Sinn und Zweck einer gesonderten Berufsausbildung jenseits der zur jener Zeit bereits bestehenden sozialen Berufe der Kindergärtnerin und Hortnerin, Jugendleiterin und Wohlfahrtspfleger (8).

Wichtige Etappen seit der Gründung der BRD

Von entscheidender Bedeutung für das geschichtliche Werden des heutigen Erzieherinnenberufes lassen sich nun - ab den 1960er Jahren beginnend - erste Vereinigungsprozesse der beiden historischen Hauptströme, nämlich der Ausbildung zur "Kindergärtnerin und Hortnerin" und zum "Heimerzieher", festhalten, die schließlich über langjährige Diskussionen zur 1967 beschlossenen "Rahmenvereinbarung über die sozialpädagogischen Ausbildungsstätten" der Kultusministerkonferenz führten. Diese Rahmenvereinbarung sah nunmehr eine gemeinsame Berufsausbildung für die Arbeitsfelder Kindergarten, Hort und Heim sowie darüber hinaus für die Jugendarbeit vor, die fortan an so genannten "Fachschulen für Sozialpädagogik" durchgeführt werden sollte.

Den Absolventen dieser Ausbildungseinrichtung wurde die neue und noch heute gültige Berufsbezeichnung "Erzieher(in)" verliehen. Ab diesem Zeitpunkt standen als weitere Errungenschaft alle Ausbildungsstätten grundsätzlich sowohl Frauen als auch Männern offen. Alle hierauf folgenden Rahmenvereinbarungen der Länder beruhten auf der Ende der 1960er Jahre getroffenen Entscheidung und stellen insofern Weiterentwicklungen dar.

Festzuhalten bleibt, dass ab den 1970er Jahren in Folge der damaligen sozialdemokratischen Bildungspolitik innerhalb weniger Jahre ein beträchtlicher Ausbau der Fachschulen wie der Ausbildungskapazitäten insgesamt erfolgte. Hatten die freien Träger der Wohlfahrtspflege in der bisherigen Entwicklung sowohl im Vorschulbereich als auch in der Heimerziehung eine vorrangige Rolle inne, so nahm der Anteil öffentlicher Ausbildungsstätten jetzt erheblich zu.

Eine letzte historische Hauptströmung, obgleich anderer Art, stellt die Entwicklung in Folge der deutschen Wiedervereinigung dar: Durch die Öffnung der innerdeutschen Grenzen Ende der 1980er Jahre wurden in den nachfolgenden Jahren die zahlreichen sozialen Berufe der ehemaligen DDR, die "Krippenerzieherin", die "Kindergärtnerin" sowie die entsprechenden Berufe für den Hort- und Heimbereich, die hauptsächlich in staatlicher, zum Teil aber auch in konfessioneller Trägerschaft durchgeführt wurden, durch Anpassungs- und Nachqualifizierungen in den Beruf der "Erzieherin" übergeführt.

In allen neuen Bundesländern kam es zum zügigen Aufbau von Fachschulen für Sozialpädagogik und damit zur Übernahme des westdeutschen Ausbildungssystems. Mit der deutschen Wiedervereinigung lässt sich dabei eine nochmalige Zunahme der Schulgründungen und eine weitere Erhöhung des Anteils von Fachschulen in öffentlicher Trägerschaft festhalten (9).

Anmerkungen

(1) Vgl. umfassend zur Geschichte der Erzieherin die Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der Universität Bamberg bei Amthor 2003.

(2) Vgl. Statistisches Bundesamt 2000a, S. 146 und 150. Die Zahl der Ausbildungsstätten für das Schuljahr 1999/2000 ergab eine Umfrage bei allen Statistischen Landesämtern.

(3) Vgl. hierzu die "Rahmenvereinbarung zur Ausbildung und Prüfung von Erziehern/ Erzieherinnen" vom 28.01.2000 sowie die " Rahmenvereinbarung über Fachschulen vom 07.11.2002" (abgedruckt in: Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland 1963ff. oder im Internet unter "www.kmk.org").

(4) Vgl. allgemein zum Beginn der Ausbildung Amthor 2003 und Metzinger 1993. Des Weiteren speziell zum Wirken von Fliedner bei Beyreuther 1983, Sticker 1989 und Schmidt 1998 und zu Fröbel bei Bührlein-Enderle/ Irskens 1989, Friedrich-Fröbel-Museum 1999, Berger 1990 sowie Menck 1993 und Boldt/ Eichler 1982. Zur katholischen Ausbildung siehe Derschau 1987 sowie zu den Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau Ziegler 1935 und 1985.

(5) Vgl. Pappenheim 1911 oder Amthor 2003, S. 232.

(6) Vgl. zu den beschriebenen Entwicklungen Amthor 2003, S. 243 und 308ff. sowie Metzinger 1993.

(7) Vgl. zum Nationalsozialismus Berger 1986, Metzinger 1993 sowie Amthor 2003, S. 323ff..

(8) Vgl. zur Tradition der Heimerzieher Amthor 2003, S. 133ff., 271ff., 371ff. sowie 422ff..

(9) Zur Nachkriegsgeschichte siehe Amthor 2003 und Metzinger 1993.

Literatur

Amthor, R.C. (2003): Die Geschichte der Berufsausbildung in der Sozialen Arbeit. Auf der Suche nach Professionalisierung und Identität. Weinheim.

Baum, M. (1954): Anna von Gierke. Ein Lebensbild. Weinheim.

Beher, K. u.a. (1999): Das Berufsbild der ErzieherInnen. Neuwied.

Berger, M. (1986): Vorschulerziehung im Nationalsozialismus. Weinheim.

Berger, M. (1990): 150 Jahre Kindergarten. Frankfurt/Main.

Berger, M. (1992): Vergessene Frauen der Sozialpädagogik. Bielefeld.

Berger, M. (1993): Anna von Gierke. In: Unsere Jugend, 45. Jg., H. 4, S. 168-174.

Beyreuther, E. (1983): Geschichte der Diakonie und Inneren Mission in der Neuzeit. Berlin, 3. Aufl..

Boldt, R./ Eichler, W. (1982): Friedrich Wilhelm August Fröbel. Köln.

Bührlein-Enderle, R./ Irskens, B. (1989): Lebendige Geschichte des Kindergartens. Frankfurt/M.

Derschau, D. v. (1987): Die Fachkräfte in den katholischen Kindergärten. Zur Geschichte ihrer Ausbildung. In: Schnabel, T. (Hg.): Versorgen - Bilden - Erziehen. Freiburg i. Breisgau, S. 173-290.

Friedrich-Fröbel-Museum (1999): Anfänge der Kindergartens. Bad Blankenburg.

Menck, P. (1993): Geschichte der Erziehung. Donauwörth.

Metzinger, A. (1993): Zur Geschichte der Erzieherausbildung. Frankfurt/M. u.a.

Pappenheim, G. (1911): Die ministeriellen Bestimmungen zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen. In: Kindergarten, 52. Jg., Nr. 4., S. 93-100.

Schmidt, J. (1998): Beruf: Schwester. Mutterhausdiakonie im 19. Jahrhundert. Frankfurt.

Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland (1963ff.): Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Kultusministerkonferenz. Loseblatt-Sammlung. Neuwied.

Statistisches Bundesamt (2000): Bildung und Kultur. Fachserie 11. Reihe 2. Berufliche Schulen. Schuljahr 1999/2000. Stuttgart.

Sticker, A. (1989): Theodor und Friedericke Fliedner. Wuppertal.

Ziegler, M. L. (1935): Die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau. München.

Ziegler, M. L. (1985): Die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau. München.

Anzeige: Frühpädagogik bei Herder