Manfred Berger
Am 21. April 1782 wurde Friedrich Wilhelm August Fröbel in Oberweißbach/Thüringen geboren. Er war das jüngste von sechs Kindern des Pfarrers Johann Jacob Fröbel und seiner Ehefrau Jacobine Eleonore, geb. Hoffmann. Da die Mutter bereits neun Monate nach Friedrichs Geburt starb, musste dieser "den wohltätigen Einfluss der Mutterliebe entbehren, deren Wert ihm eben dadurch später einleuchtete" (zit. n. Berger 2000, S. 31). In Erinnerung an den frühen Verlust der Mutterliebe, der sicherlich ein Grund für seine spätere Berufswahl war, schrieb Fröbel an seine ehemaligen Keilhauer Zöglinge:
"Ich habe einmal ein schönes Gemälde gesehen, wo eine sitzende Mutter die kleine Schar ihrer lieben Kinder um ihren Schoß versammelt hat, die Mutter redet zu ihnen und die Kinder nehmen achtsam jedes Wort ihr von den Lippen, um es in ihrem Gemüte zu bewahren und zu bewegen ... Doch meine Mutter konnte nie so zu mir reden, mir also auch nie den Sinn ihrer Rede deuten, denn sie starb, sie sank eingeschlafen selbst in den Schoß ihrer, unser aller Mutter, noch ehe ich mein erstes Lebensjahr durchlebt hatte; allein der mit jedem wiederkehrenden Frühling sich von neuem in hoffnungsvolles Grün kleidende Hügel ihrer Ruhestatt mit seinen heiter strahlenden Blumen war mir der seelenvolle, vertrauende Blick nach oben, mit welchem mich hoffnungsvoll die eingeschlafene Mutter höherer Leitung, höherem Schutz übergeben hatte. In diesem frühen Tod meiner Mutter, verbunden besonders auch mit dem von ihr empfangenen Gemüte fand ich frühe und finde ich noch bis jetzt den Mittelpunkt meiner Lebensschicksale; denn meinem Gemüte wurde so frühe die größte Aufgabe gegeben, Leben und Tod, Einigung und Trennung, Unsichtbares und Sichtbares zu einen; mein besonderer Beruf wurde also dadurch: die größten der Gegensätze, der Entgegensetzungen im eigenen Leben und durch das eigene Leben in seine Widerspruchslosigkeit aufzulösen. Um diesen hohen Beruf nun zu erfüllen, um diese große Aufgabe, die Aufgabe für ganzes langes Menschenleben zu lösen, so wurde ich durch den Tod der Mutter zugleich der Natur und der Menschheit zurück gegeben, welche beide jene höchsten Entgegensetzungen und Widersprüche in sich einen und lösen" (zit. n. Halfter 1926, S. 40 f).
1785 heiratete Johann Jacob Fröbel die wesentlich jüngere Friederike Sophie Otto, die sich bald zugunsten ihrer eigenen Kinder von Friedrich zurück zog. Sie verweigerte ihm sogar das "Du" als Anrede. Zusätzlich wurde Friedrichs unfrohe Kindheit durch die dogmatische Gläubigkeit des Vaters belastet, dessen orthodoxe Religiosität den sensiblen Jungen enorm ängstigte.
Bedingt durch seine Einsamkeit, Friedrich durfte nicht das elterliche Grundstück verlassen und mit den Dorfkindern spielen, gewann der Junge ein inniges Verhältnis zur Natur, die ihm zum Ersatz für fehlende soziale Kontakte wurde. Diesbezüglich konstatierte Fröbel später:
"Mit unsäglicher Wonne Betrachtung der Tulpen. Innigste Freude an ihrer Regularität. Auffallendheit der sechs Blumenblätter, der dreischneidigen Samenkapsel. Innigste Freude über die kleinen Blümchen Geran ... Freude über die weibliche Blüte der Haselnuss; ihre herrlichen Farben; Freude über den Lindensamen. Alles Sorgende, Liebende daran erfüllte mich mit Achtung ... Als Kind Bauen von Bächen, Mühlgräben, Teichen, Schnitzen, Zimmern" (zit. n. Kuntze 1952, S. 13).
Des Jungen eigenbrötlerisches Verhalten wurde von seiner Umgebung als Bosheit und Trotz ausgelegt. Schlagartig veränderte sich Friedrichs Verhalten als ihn sein Onkel Superintendent Johann Christoph Hoffmann zu sich in das Pfarrhaus von Stadt-Ilm (1792-1796) holte. 1829 sagte Fröbel über diese Zeit:
"Ich trank hier frischen Lebensmut in langen Zügen; denn die ganze Gegend war mir nun ein Tummelplatz, wie früher mein Gehöft. Ich gewann Freiheit des Gemüts und erstarkte körperlich" (zit. n. Klostermann 1927, S. 19).
Nach bewegten und unruhigen Lehr- und Wanderjahren übersiedelte Fröbel 1805 nach Frankfurt/Main. Dort wollte er sich der Architektur widmen. Doch durch die Bekanntschaft mit dem Pestalozzianhänger Gottlieb Anton Gruner, dem Leiter der Frankfurter "Musterschule" (in der nach Pestalozzis pädagogischen Prinzipien gelehrt wurde), entschloss sich Fröbel Lehrer zu werden und bekannte: "... es war mir, als wäre ich schon längst Lehrer gewesen und eigentlich zu diesem Geschäfte geboren ... es schien mir, als hätte ich nie in einem anderen Verhältnis als diesem leben wollen" (zit. n. Lange 1862, S. 533).
Noch im gleichen Jahr wanderte Fröbel zu Fuß nach Iferten (Yverdun) um Pestalozzi in seiner weltberühmten Erziehungseinrichtung aufzusuchen. Er erinnerte sich in einem Brief an den Herzog von Meiningen:
"Nach drei Tagen (es war gegen Ende August 1805) wanderte ich schon nach Yverdun ... Eben angekommen in Yverdun und in Folge der Empfehlungen Gruner's und seiner Mitarbeiter besonders freundlich aufgenommen von Pestalozzi und seinen Lehrern, ward ich wie jeder Andere sogleich in die Lehrstunden geführt und mir dort mehr oder minder selbst überlassen. Ich war noch sehr unerfahren im Lehrfach und Lehren, zehrte eigentlich nur an den Erinnerungen aus meiner eigenen Schulzeit und konnte daher noch eben so wenig zu einer eingehenden Prüfung des Einzelnen wie des Zusammenhanges im Ganzen befähigt sein ... Was ich sah, wirkte erhebend und niederdrückend, erweckend und betäubend auf mich. Vierzehn Tage dauerte mein Aufenthalt. Ich arbeitete und verarbeitete, was ich konnte, und wozu ich besonders durch die übernommene Verpflichtung aufgefordert wurde, schriftlich treue Rechenschaft zu geben, wie ich das Ganze erschaue, welchen Eindruck es auf mich machen werde" (zit. n. Lange 1862, S. 76).
Am 24. Juni 1806 übernahm Fröbel eine Hauslehrerstelle bei der angesehenen Frankfurter Adelsfamilie von Holzhausen. Gemeinsam mit den vier Kindern bezog er das Landhaus "Auf der Öde" "und verwirklicht damit sein Konzept eines pädagogischen Landlebens, in das Gedanken Rousseaus und eigene Erfahrungen und Einsichten eingeflossen sind" (Heiland 982, S. 25). Sein Unterrichtsprogramm umfasste u.a. auch Gartenarbeit, körperliche Übungen, Wanderungen wie den Umgang mit Holz, Pappe und Papier.
Am 27. September 1808 reiste Fröbel mit den drei Söhnen der Familie von Holzhausen erneut zu Pestalozzi. Nach tiefgreifenden Konflikten mit dem großen Pädagogen und seiner Erziehungsinstitution kehrte er Sommer 1810 nach Frankfurt in das Haus "Auf der Öde" zurück. Fröbel blieb noch bis Juni 1811 als Hauslehrer bei der adeligen Familie. Anschließend setzte er sein 1804 abgebrochenes Studium in Göttingen und Berlin fort, kämpfte als Soldat gegen Napoleons Truppen und arbeitete bis 1816 als Assistent am Mineralogischen Institut der Berliner Universität. Seinen Plan eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen gab er zugunsten der Erziehung der drei Kinder seines verstorbenen Bruders auf. Fröbel ging mit den ihm anvertrauten Kindern nach Griesheim/Thüringen und gründete dort am 13. November 1816 die "Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt". Diese verlegte er ein Jahr später nach Keilhau bei Rudolstadt. Mit dieser Gründung hatte er eine Erziehungs- und Bildungsinstitution geschaffen, die nahezu alle Züge der Landerziehungsheime vorwegnahm:
"Der Umgang zwischen Lehrern und Zöglingen ist partnerschaftlich. Man redet sich mit 'Du' an. Man trug eine einheitliche, einfache Kleidung; lange Haare waren üblich ... Abhärtung und einfache Lebensweise sind selbstverständlich, die Kost ist ländlich und gesund. Es wird viel Sport getrieben; im Sommer Laufen, Schwimmen und Spiel, im Winter Schlittschuhlaufen und Rodeln. Jedes Jahr wird eine größere Wanderung unternommen" (Heiland 1982, S. 62).
Am 11. September 1818 heiratete Fröbel die zwei Jahre ältere Henriette Wilhelmine Hoffmeister, gesch. Klöpper. Die Ehe blieb kinderlos.
1826 publizierte Fröbel sein bedeutendstes, aber schwer zugängliches Werk, das er wie folgt nannte: "Die Menschenerziehung, die Erziehungs-, Unterrichts- und Lehrkunst, angestrebt in der allgemeinen deutschen Erziehungsanstalt zu Keilhau. Erster Band. Bis zum begonnenen Knabenalter". Ein zweiter Band, der die Zeit des Jugendalters und seine schulpädagogische Betreuung beschreiben sollte, ist nie erschienen. Seine "theoretischen" Anschauungen wurzelten im metaphysischen Denken der Romantik. "Allseitige Lebenseinigung" war die romantische Vokabel für das sinnerfüllte Menschenleben, und die Familie blieb ihm stets der Bezugspunkt aller Erziehung. Gleich zu Beginn der "Menschenerziehung" werden die Grundlagen der Fröbelschen Welt- und Lebensauffassung thematisiert, die letzten metaphysischen Hintergründe der göttlichen Einheit allen Lebens, aus der alles hervorgeht, entfaltet. Dementsprechend lauten die Einleitungssätze:
"Begründung des Ganzen.
In Allem ruht, wirkt und herrscht ein ewiges Gesetz ... Diesem allwaltenden Gesetze liegt notwendig eine allwirkende, sich selbst klare, lebendige, sich selbst wissende, darum ewig seiende Einheit zum Grunde ... Diese Einheit ist Gott. Alles ist hervorgegangen aus dem Göttlichem, aus Gott, und durch das Göttliche, durch Gott einzig bedingt; in Gott ist der einzige Grund aller Dinge. In Allem ruht, wirkt, herrscht Göttliches, Gott. Alles ruht, lebt, besteht in dem Göttlichen, in Gott durch dasselbe, durch Gott. Alle Dinge sind nur dadurch, dass Göttliches in ihnen wirkt. Das in jedem Dinge wirkende Göttliche ist das Wesen jedes Dinges" (zit. n. Lange 1863, S. 1 f).
Für Fröbel ist Gott nicht nur Urgrund allen Seins, er ist auch Urgrund und letztes Ziel aller Menschenerziehung. Jeder Mensch hat Göttliches in sich; dies bewusst aus sich heraus zu gestalten, ist seine Lebensaufgabe. Somit ist Ziel aller Erziehung, den Menschen seiner ihm eigenen Bestimmung zuzuführen, ihn "zur freien Darstellung des in ihm wirkenden Göttlichen" zu erheben. Daher sollte nach Fröbel die Erziehung zuerst "nachgehend" (nur behütend, schützend, nicht vorschreibend, bestimmend, eingreifend) verfahren, gleichsam den Gang der Natur folgend. Wie Rousseau ging er davon aus, dass der Mensch ursprünglich gut sei: "... denn das Wirken des Göttlichen ist in seiner Ungestörtheit notwendig gut, muss gut, kann gar nicht anders als gut sein. Diese Notwendigkeit muss voraussetzen, dass der noch junge, gleichsam erst werdende Mensch, wenn auch noch unbewusst gleich einem Naturprodukt, doch bestimmt und sicher das Beste an sich und für sich will, und zwar noch überdies in einer ihm ganz angemessenen Form, welche darzustellen er auch alle Anlagen, Kräfte und Mittel in sich fühlt" (zit. n. Lange 1863, S. 5).
Nach der philosophischen "Begründung des Ganzen" nahm Fröbel u.a. auch Stellung zum kindlichen Spiel. Mit Entschiedenheit wehrte er sich dagegen, das Spiel der Kinder als "Spielerei" oder"Müßiggang" abzuqualifizieren. Vielmehr betonte er, dass das Spiel die "gesunde Entwicklung" des jungen Menschen fördere:
"Ein Kind, welches tüchtig, selbsttätig still, ausdauernd, ausdauernd bis zur körperlichen Ermüdung spielt, wird gewiss ein tüchtiger, stiller, ausdauernder, Fremd- und Eigenwohl mit Aufopferung befördernder Mensch" (zit. n. Lange 1863, S. 33).
Die Welt wird im Spiel erfahren, und das Innere des Kindes wird ebenfalls im Spiel dargestellt. Dazu Fröbel:
"Spielen, Spiel ist die höchste Stufe der Kindesentwicklung, der Menschenentwicklung dieser Zeit; denn es ist freitätige Darstellung des Inneren, die Darstellung des Inneren aus Notwendigkeit und Bedürfnis des Inneren selbst, was auch das Wort Spiel selbst sagt" (zit. n. Lange 1863, S. 33 f).
Fröbel forderte eindringlich die Eltern auf, das Spiel der Kinder zu "pflegen" und zu "nähren", mit folgender Begründung:
"Die Spiele dieses Alters sind die Herzblätter des ganzen künftigen Lebens; denn der ganze Mensch entwickelt sich und zeigt sich in denselben in seinen feinsten Anlagen, in seinem inneren Sinn ... Ist, wird das Kind in diesem Alter verletzt, werden in demselben die Herzblätter seines künftigen Lebensbaumes verletzt - dann wird das Kind nur mit der größten Mühe und höchsten Anstrengung zum Mannesleben erstarken, schwer, höchst schwer nur sich auf dem Entwicklungs- und Ausbildungswege dahin vor Verkrüppelung, mindest vor Einseitigkeit sichern" (zit. n. Lange 1863, S. 34).
1831 übersiedelte Fröbel in die Schweiz. Dort wirkte er mehr oder weniger erfolgreich als Leiter von Erziehungsanstalten in Wartensee, Willisau und Burgdorf.
Nach kurzem Zwischenaufenthalt in Berlin ließ sich Fröbel Anfang 1837 in Blankenburg/Thüringen nieder. Höhepunkt seines Wirkens war die Stiftung des "Allgemeinen Deutschen Kindergartens", dessen Gründungsveranstaltung am 28. Juni 1840 im Rathaus zu Blankenburg erfolgte. Fröbel ging davon aus, dass Erziehung ein gemeinsames Werk von Familie, Kindergarten und Schule sei. Eltern, im besonderen aber die Mütter und "Kinderbildnerinnen", sollten sich der allgemeinen Aufgabe der Erziehung und Pflege des Kleinkindes widmen. Schon die Titulierung "Kindergarten" ist Programm. Sie beschreibt treffend Fröbels romantische Vorstellung frühkindlicher Erziehung, die sich im "Garten = Paradies, also Kindergarten = das den Kindern wieder zurückzugebende Paradies" vollzieht. So wie in einem "Garten unter Gottes Schutz und unter Sorgfalt erfahrener einsichtiger Gärtner im Einklang mit der Natur die Gewächse gepflegt werden", so sollen nach Fröbel im Kindergarten "die edelsten Gewächse, Menschen, Kinder als Keime und Glieder der Menschheit in Übereinstimmung mit sich, mit Gott und Natur ... erzogen werden" (Fröbel o. J., S. 8).
Die allseitige Pflege des Kinderlebens hatte durch angemessene Spiele und Spielweisen zu erfolgen. Im Zusammenhang mit den Auffassungen über das Spiel entwickelte Fröbel, schon vor der Gründung des Kindergartens, "Spielmittel": "Spielgaben" und "Beschäftigungs- oder Bildungsmittel" (heute Fröbel-Material genannt). Mit diesen wollte er das Kind in seiner "Allseitigkeit" anregen, d.h. sein Fühlen, Ahnen, Denken und Erkennen, seine Motorik, Phantasie und Kreativität aktivieren (vgl. Berger 2000, S.15 ff., Heiland 1998, S. 9 ff., Heiland 1999, S. 53 ff., Rockstein 1999, S. 33 ff.).
Nach Friedrich Fröbel soll das Kindergartenkind entwickelnd erzogen, von innen heraus gebildet werden. Demzufolge ist alles nur von außen Angelernte zu vermeiden: "Es soll anschauen, begreifen, sprechen, thun und schaffen. An die Stelle der Worterziehung tritt eine Erziehung durch das Thun: das Kind soll Denken und Arbeiten, Erkennen und Thun verbinden... Seine Beschäftigungsmittel oder 'Spielgaben' sind bestimmt, die entwickelnde Erziehung zu fördern, das Kind zum Anschauen und Erkennen, zum Thun und Schaffen zu leiten" (Meyer 1877, S. 150).
1844 veröffentlichte Fröbel sein letztes großes, allerdings kaum wirksam gewordenes Werk: "Mutter- und Kose-Lieder, wie auch Lieder zu Körper-, Glieder- und Sinnenspielen. Zur frühen und einigen Pflege des Kindheitlebens. Ein Familienbuch". "Ich habe in diesem Buch", so Fröbel, "das Wichtigste meiner Erziehungsweise niedergelegt; es ist der Ausgangspunkt für eine naturgemäße Erziehung, denn es zeigt den Weg, wie die Keimpunkte der menschlichen Anlagen gepflegt und unterstützt werden müssen, wenn sie sich gesund und vollständig entwickeln sollen" (zit. n. Prüfer 1919, S. 1). Mit der Veröffentlichung der "Mutter- und Kose-Lieder" beabsichtigte Fröbel, Pestalozzis unvollständig gebliebenes "Buch der Mütter" zu vollenden:
"Wie bei der Spielpädagogik des Kindergartens geht Fröbel auch hier von der pädagogischen Notwendigkeit der Mütterbildung aus, der die 'Mutter- und Koselieder' dienen sollen. Jeder Mutter soll demgemäss die Notwendigkeit 'entwickelnd-erziehender Menschenbildung' nahe gebracht werden. Mütterliche Liebe und 'Mutterinstinkt' reichen allein nicht aus. Insofern stellen die 'Mutter- und Koselieder' eine 'Gabe' für Mutter und Kind dar. Wenn die Mutter der in diesem Buch vorgelegten Erziehungskonzeption folgt und durch Spielpflege kategoriale Bildung anregt, genügt sie der postulierten Erziehungsnotwendigkeit. Im Gegensatz zu Pestalozzis wenig geglücktem Mutterbuch, das durch eine schematisch-kognitive Didaktik bestimmt ist, geht Fröbel von der Dyade von Mutter und Kind als Grundkategorie seiner erziehend-entwickelnden Bildungskonzeption dieser Kleinstkinderpädagogik aus. 'Liebe' ist das Fundament aller Bereiche dieses Buches" (Heiland 1989, S. 79 f).
In ihrer äußerst lesenswerten Dissertation "Die 'Mutter- und Koselieder' von Friedrich Wilhelm August Fröbel. Untersuchungen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte" hebt die Verfasserin, Christiane Konrad (2006), u.a. die Aktualität der Fingerspiele für das heutige Computerzeitalter (in welchem dem Kind allzu oft der teilnehmende Erwachsene fehlt) hervor. Diese geben noch immer dem Kind vielfältige Anregungen, um seine eigenen Begabungen und Fähigkeiten zu entdecken, zu entfalten, auszuleben und an ihnen zu wachsen (Entwicklung von Kreativität, Phantasie und Imagination, von Intelligenz, Emotionen und Willenstärke). Sie befriedigen des Kindes Neugier, seinen Tätigkeits- und Spieltrieb sowie seinen Wunsch nach Geborgenheit (Urvertrauen), was übrigens allgemein für Fröbels letztes Werk gilt:
"Die heute zunehmend zu beobachtende Tendenz, schon kleine Kinder an den Computer zu setzen, um sie an Spiele und virtuelle Erfahrungen heranzuführen, in der Hoffnung, sie zu fördern (und alleine zu beschäftigen), mutet nach der Lektüre Fröbels fremd an. Erfahrungen müssen in diesem Alter erlebt und besprochen werden, um einen nachhaltigen Eindruck auf das Kind zu machen. Ohne einen teilnehmenden Erwachsenen sind viele noch so gut gemeinten Angebote nutzlos. Die Handhabung eines Computers ist jederzeit lernbar, aber andere Erfahrungen können nur in bestimmten Lebensphasen (und Lebenszusammenhängen; M.B.) gemacht werden. Die Welt der Phantasie und Imagination z.B. wird ein Kind sicher nicht am Computer lernen, wohl aber bei den Fingerspielen, wenn es sich die erzählten Geschichten vorstellt... Obwohl es zu Fröbels Zeit noch keinen Computer gab, wurde das tägliche Leben mit den Kindern zu rational gesehen, und Fröbel betonte im Gegenzug die Wiedereinführung des Sinnbildlichen. Symbole sind für ihn Sinnbilder, die auf eine tiefere Schicht der Wirklichkeit verweisen" (Konrad 2006, S. 250 f).
Ab 1842 führte Fröbel regelmäßig Kindergärtnerinnenkurse durch. Ferner warb auf Reisen, für Idee des Kindergartens und für seine Spielpflege. Mit der Märzrevolution des Jahres 1848 sah Fröbel die Zeit und große Chance gekommen, seinem Kindergarten und seiner Spielpflege zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen. Vom 17. bis 19. August 1848 fand in Rudolstadt eine Lehrerversammlung statt, zu der Fröbel eingeladen hatte. Die anwesenden Freunde deutscher Volkserziehung, besonders von Kindergärten, diskutierten leidenschaftlich über Sinn und Zweck des Kindergartens, wobei auch kritische Worte fielen. Ein Dr. Kell meinte zum Beispiel:
"Wir sind gewiss alle einverstanden, dass die Gründung von Kindergärten eine Notwendigkeit ist, dass man in ihnen schon bei den Kleinen von 2-6 Jahren einem friedlichen Zusammenleben verschiedener Stände verarbeiten, dass man die Familienerziehung ergänzen, dem Hause zu Hilfe kommen muss, und dass eine möglichst gleichmäßige Vorbereitung auf die Schule anzubahnen ist.
Aber so groß und bedeutend mir diese Ideen erschienen, so wenig entspricht denselben nach meiner Auffassung die Praxis des Kindergartens, in die wir gestern eingeführt wurden. Fröbel ist eine stark subjektive Persönlichkeit, und dementsprechend gestaltete sich auch sein erzieherisches Wirken. Eine ganze Generation wird daran zu tun haben, die Kindergartenpraxis zu vereinfachen, sie von dem Mathematisch-Philosophischen und dem vielfach Symbolisierenden zu erlösen. Ich halte es geradezu für ein Unrecht an der kindlichen Natur, sie so früh zur Reflexion zu führen, wie z.B. zur Betrachtung und Unterscheidung geometrischer Formen an Würfel, am Faltblatt usw. Die Fröbelschen Gaben, wie sie dem Kinde geboten werden sollen, sind zu sehr mit dem Seziermesser philosophischer Ideen zerlegt. Fröbel wird nicht eigensinnig bei seiner Manier beharren, wenn wir ihm eine richtige, natürliche Gestaltung seines Kindergartens zeigen, wenn wir von einer gewissen Künstelei in demselben zurücktreten und ihn mehr auf den Boden einfacher Natürlichkeit stellen" (zit. n. Lyschinska1927, S. 77 f).
Trotz herber Kritik wurde folgende Resolution verabschiedet und an alle deutschen Regierungen gesandt:
"Dieselben möchten die Idee der öffentlichen Kleinkindererziehung und der Kindergärten mehr und mehr in Erwägung ziehen und, namentlich mit Benutzung der reichen, in den Fröbelschen Kindergärten seither benutzten Lehrstoffe, Lehr- und Spielmittel, die Bildung von Lehrern und Lehrerinnen kleiner Kinder (oder wie Fröbel sagt: von Kindergärtnern und Kindergärtnerinnen) sowie die Gründung von Kindergärten selbst fördern, auch, wo nötig, die Geldmittel zur Veröffentlichung einer geordneten Zusammenstellung der Fröbelschen Lehrstoffe, Lehr- und Spielmittel bewilligen" (zit. n. Berger 1990, S. 17).
Mai 1849 übersiedelte Fröbel nach Bad Liebenstein. Dort rief er die "Anstalt für allseitige Lebenseinigung durch entwickelnd-erziehende Menschenbildung", eine Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen mit Internat und Kindergarten, ins Leben. Ein Jahr später erfolgte der Umzug dieser allumfassenden Erziehung- und Bildungsanstalt in das in der Nähe gelegene Jagdschlösschen Marienthal. Dieses entwickelte sich rasch zu einem geistigen und pädagogischen Zentrum:
"Persönlichkeiten wie Diesterweg, Varnhagen van Ense, Frau von Marenholtz-Bülow, Schriftsteller und Gelehrte, deren Wirken für die Kultur ihrer Zeit von Bedeutung war, sie alle fanden ihren Weg zu dem Schlösschen Marienthal, dessen sonst so stille Räume nun erfüllt waren von dem geistvollen Diskussionen über die tiefsten Fragen des Lebens und dessen Park widerhallte vom Gesang spielender Kinder und jungen Mädchen. Und hier lag der Kernpunkt dieser 'Anstalt für allseitige Lebenseinigung', der lebendige Ausgangspunkt für all die tiefgründigen Theorien: das Spiel des Kindes, in ihm sah der väterliche Verkünder dieser Lehre, das reinste, geistige Erzeugnis des Menschen auf dieser Stufe (der Kindheitsstufe), das Vor- und Nachbild des gesamten Menschenlebens, die 'Herzblätter des ganzen künftigen Lebens'. Wie er diese 'Herzblätter' behüten und pflegen wollte, das führte 'der alte Kindernarr' den staunenden Kurgästen von Bad Liebenstein mit einer Schar von Dorfkindern aus Liebenstein, Barchfeld und Schweina im Park seines Hauses vor, als ein lebendiges Zeugnis für die Wahrhaftigkeit seines Wortes 'Kommt, lasst uns unsern Kindern leben!'" (Heintze 1927, S. 71).
Von nah und fern kamen (meist) Frauen und Männer nach Marienthal, um sich von Fröbel ausbilden zu lassen. Das halbjährliche Ausbildungsprogramm war sehr vielfältig und umfangreich. Zu den Ausbildungsgebieten gehörten u.a. die richtige körperliche Pflege und Wartung der Kinder, die theoretische und praktische Einführung in die Fröbelsche Spielmethodik, Unterweisungen über die psychischen Besonderheiten im Kindesalter, Übungen im richtigen Umgang mit Kleinkindern, Unterweisungen über Spiele zur Glieder- und Körperentwicklung und letztlich Anleitungen zur richtigen Naturbeobachtung und Gartenpflege.
Im Juni 1851 ging Fröbel eine zweite Ehe mit seiner ehemaligen Schülerin Louise Levin ein. Seine erste Frau war bereits am 13. Mai 1839 verstorben.
Ein schwerer Schicksalsschlag war für den alternden Pädagogen das im August 1851 verhängte Verbot der Kindergärten im Königreich Preußen. Erst 1860 konnte dieses unsinnige Verbot aufgehoben werden. Fröbel konnte dieses freudige Ereignis nicht mehr erleben. Das Kindergartenverbot hatte seine Lebenskraft gebrochen. Er starb am 21. Juni 1852 im Schloss Marienthal. Am 24. Juni 1852 wurde der wohl weltweit bekannteste deutsche Pädagoge in Schweina, unweit von Marienthal, beerdigt.
In seiner Grabrede äußerte der Pfarrer die Vermutung, dass andere das Lebenswerk des Verstorbenen weiterführen werden. Diese prophetischen Worte erfüllten sich. Fröbels Kindergarten als Idee und Institution wurde insbesondere von Frauen aufgegriffen, weiterentwickelt und bewahrt. Es bedarf sicherlich noch eingehender Recherchearbeiten um die Bedeutung und Wirksamkeit der "Frauen im Dienste Fröbels" aus dem vergessenen pädagogischen Erbe der Geschichtsschreibung hervorzuholen.
Im Laufe der Zeit geriet Fröbels Konzeption einer Pädagogik der frühen Kindheit immer mehr in Vergessenheit, bis er schließlich nur noch als Begründer des Kindergartens gewürdigt wurde - ein blasser Verdienst angesichts seines großen pädagogischen Werkes. Ihm ging es um mehr, um Menschenerziehung.
Literatur
Berger, M.: 150 Jahre Kindergarten. Ein Brief an Friedrich Fröbel, Frankfurt 1990
ders.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995
ders.: Friedrich Wilhelm August Fröbel. Ein Porträt, in: Unsere Kinder 2000/H. 1
ders.: Friedrich Fröbels Konzeption einer Pädagogik der frühen Kindheit, in: Fthenakis, W. E./Textor, M. R. (Hrsg.): Pädagogische Ansätze im Kindergarten, Weinheim/Basel 2000
Fröbel, F.: Entwurf eines Planes zur Begründung und Ausführung eines Kindergartens, Leipzig o. J.
Halfter, F.: Das Vermächtnis Friedrich Fröbels an unsere Zeit, Leipzig 1926
Heiland, H.: Friedrich Fröbel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1982
ders.: Die Konzeption Fröbels, in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.): 150 Jahre Kindergartenwesen in Bayern. Festschrift anlässlich der 150-Jahrfeier der vom König Ludwig I. genehmigten "Bestimmungen, die die Einrichtung von Kinderbewahranstalten betreffen", München 1989
ders.: Die Spielpädagogik Fröbels, Hildesheim/Zürich/New York 1998
ders.: Die aktuelle Bedeutung der Spielmaterialien Friedrich Fröbels, in: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt (Hrsg.): Anfänge des Kindergartens, Rudolstadt 1999
Heintze, K.: Friedrich-Fröbel-Stätten in Schweina-Liebenstein, Weimar 1927
Klostermann, H. L.: Fröbels Idee des Kindergartens, Leipzig 1927
Konrad, Ch.: Die "Mutter- und Koselieder" von Friedrich Wilhelm August Fröbel. Untersuchungen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte, Würzburg 2006 (unveröffentl. Dissertation)
Kuntze, M. A.: Friedrich Fröbel, sein Leben und sein Werk, Heidelberg 1952
dies.: Friedrich Fröbel, Frankfurt o.J.
Lange, W.: Friedrich Fröbel's gesammelte pädagogische Schriften. Erste Abteilung: Friedrich Fröbel in seiner Entwicklung als Mensch und Pädagog. Erster Band, Berlin 1862
ders.: Friedrich Fröbel's gesammelte pädagogische Schriften. Erste Abteilung: Friedrich Fröbel in seiner Entwicklung als Mensch und Pädagog. Zweiter Band, Berlin 1863
Lyschinska, M. J.: Henriette Schrader-Breymann. Ihr Leben aus Briefen und Tagebüchern. Erster Band, Berlin/Leipzig 1927
Meyer, B.: Von der Wiege bis zur Schule an der Hand Friedrich Fröbel's, Berlin 1877
Prüfer, J.: Friedrich Fröbels Mutter- und Kose-Lieder, Leipzig 1919
Rockstein, M.: Spiel und Spielgaben, in: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt (Hrg.): Anfänge des Kindergartens, Rudolstadt 1999