Klaus Gebser
„Nicht das Sein, das Werden ist der Grundbegriff unserer Arbeit.“
Diese von Agnes Gosche 1913 auf der Tagung des Fröbelverbandes geäußerte Sentenz sollte zugleich Richtschnur ihres eigenen Lebens sein. Unermüdlich arbeitete die Mitvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (seit 1905) und Initiatorin des Hallenser Frauenbildungsvereins von 1900 für die Rechte der Frauen, für ihre Bildung, für die Erziehung der weiblichen Jugend sowie deren Berufsfindung.
Nicht zuletzt engagierte sie sich für das allgemeine Wahlrecht der Frauen und kandidierte bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919. Sie hielt hunderte von Vorträgen, übernahm die Frauenschule in Leipzig von der greisen Henriette Goldschmidt und gründete die erste Frauenschule in Halle an der Saale. Als einzige in der gesamten preußischen Provinz Sachsen wurden hier nach einer anspruchsvollen Ausbildung Jugendpflegerinnen examiniert.
Der historische Hintergrund
Am 18. Oktober 1911 war es soweit, als um 11.00 Uhr in der Aula der Handwerkerschule in Halle/S. endlich die Städtische Frauenschule unter der Leitung der im mitteldeutschen Raum bekannten Pädagogin und Publizistin Agnes Gosche begründet wurde (Stadtarchiv Halle, S. 15). Dieser Gründung ging eine breite und erregte Diskussion in der Stadtverwaltung, im Magistrat und in der Presse voraus. Und sie verlief über weite Strecken nicht wie geplant, wenn es überhaupt durch die Stadt eine klare Planung außer einer Absichtserklärung gegeben hat. Dabei drängte die Zeit. Immerhin waren seit der Gründung des ersten Kindergartens durch Fröbel bereits mehr als 70 Jahre vergangen. Halle hatte seinen ersten Kindergarten bereits seit 1863 durch Marie Wollmann (1829-1908) ins Leben gerufen, ja selbst Kindergärtnerinnen konnten in der Stadt im Sellheim-Seminar (Lina Sellheim, 1853-1894) schon seit 1877 ausgebildet werden (Gebser 2021). 1883 gab es in Halle bereits 14 nach Fröbel arbeitende Kindergärten (Gebser 2018).
1900 verfügte die Stadt über sieben im Geiste Fröbels arbeitende Kindergärten und der Frauenbildungsverein (nach Gosches Tod 1928 unter der Leitung von Dr. phil. Charlotte Knaths [1883->1950]) leistete unter unserer Protagonistin schon seit Längerem eine umfangreiche, anerkannte und erfolgreiche Arbeit (Gebser 2019a). Das Hallesche Tageblatt berichtete am 17.08.1911, dass es in Preußen bereits 89 Frauenschule gäbe, davon 45 in privater Hand, die sich insbesondere an junge Frauen und Mädchen richteten, die älter als sechzehn Jahre seien, um ihnen ihren Weg in die Zukunft zu erleichtern. Die erste dieser Einrichtungen rief 1904 Auguste Sprengel (1847-1934) in Berlin-Friedenau ins Leben (SZ 25.01.1906). Insgesamt wurden in mehreren größeren Beiträgen (05.10., 12.10., 14.10.1911) dieser Zeitung das Anliegen von Frauenschulen erläutert und wärmstens, aber auch mahnend, unterstützt: „Die „schönen Sechzehn bis Achtzehn“ sollen nicht vertändelt werden, sondern einem vertiefteren Verständnis für das Leben und seine Aufgaben, wie es sich mit dem Frohsinn der Jugend sehr gut verträgt, dienen“ (SZ 18.10.1911).
Mehrfach widmete man sich in der Stadt auch den inhaltlichen Ausrichtungen der zu gründenden Schule, die zu anwendungsbereiten breiten Kenntnissen über Kunst, Kultur, Gesellschaft und die Rolle der Frau, über Naturwissenschaften und sportliche sowie haus- und sozialpraktischer Betätigung führen würde (ebd., z.B. 14.10.1911). Gosche sollte die Einrichtung leiten. Mit der Entscheidung für sie hatte die Stadt eine Wahl getroffen, die sie nicht bedauern musste.
Herkunft und die ersten Jahre
Die Stadt Halle würdigte Fräulein Dr. Agnes Gosche durch die Hervorhebung ihrer Verdienste:
„Als Vorkämpferin der bürgerlichen Frauenbewegung schuf sie 1900 den Halleschen Frauenbildungsverein und stand ihm 28 Jahre vor. Darüber hinaus arbeitete sie jahrelang verantwortlich im Vorstand des Halleschen Lehrerinnenvereins. Politisch äußerst aktiv, kandidierte sie 1919 bei den Wahlen für die Weimarer Nationalversammlung für die Deutsche Demokratische Partei. ... In den Jahren 1904 bis 1911 leitete sie das seit 1878 existierende ‚Lyzeum für Damen‛ in Leipzig und übernahm danach in Halle die Leitung der neu gegründeten Städtischen Frauenschule. In ihr setzte Agnes Gosche bis zu ihrer Pensionierung 1922 ihre Erfahrungen, Vorstellungen und Ideen der Leipziger Zeit sowie der bürgerlichen Frauenbewegung um“ (zit. nach Stadt Halle).
Als sie 1911 als Studiendirektorin der Städtischen Frauenschule in Erscheinung trat, hatte sie sich durch zahlreiche Vorträge, publizistische Beiträge und öffentliche Aktivitäten bereits einen Namen gemacht. Zunächst möchte ich einige Stationen ihres Lebensweges hervorheben und ihre Herkunft skizzieren.
Abb. 1: Agnes Gosche (Illustrirte Zeitung, Bd. 112, 16.02.1899, S. 197)
Am 26. August 1857 wird Anna Agnes Elisabeth Gosche in Berlin geboren und wuchs in der elterlichen Familie behütet mit weiteren zwei Geschwistern auf. Der Vater Hermann Richard Adolf Gosche (1824-1889), geboren in einer Pfarrersfamilie aus Neuenburg bei Crossen, wird 1863 in der Universitätsstadt Halle eine Professur an der dortigen Friedrichsuniversität antreten. Durch Lehre und Forschung erwarb er sich als Orientalist Verdienst und Anerkennung. Agnes‛ Mutter Klara Franziska Gosche, geb. Dieterici (1830-1890), stammt aus einer preußischen Beamtenfamilie.
Über die älteste Schwester Marie Wilhelmine Laura Gosche (15.05.1855 Berlin-21.09.1883 Halle), die nur 28 Jahre alt wurde, ist mir nichts Auffallendes aus ihrer Biografie bekannt. Sie starb an einem Herzfehler, meldete die örtlicher Presse (Hall.-Tbl. 25.09.1883). Clara Elisabeth (Liesbeth) Adele Gosche (12.02.1862 Berlin-05.05.1914 Halle) ist die jüngste der drei Geschwister. Sie stirbt mit 52 Jahren. Über sie weiß man, dass sie ihr Leben lang an der Seite ihrer Schwester Agnes in Halle und Leipzig ein Mädchenpensionat führte. Nur kurze Zeit von Leipzig wieder zurück in ihrer Heimatstadt, verstarb sie hier nach einem „längeren Leiden“, letztlich jedoch an einem Herzversagen (SZ 06.05.1914). Doch für alle Schwestern gilt: Sie wurden im liberal-humanistischen Sinn erzogen, waren gut gebildet und strebten keinen Ehestand an (Holländer, MZ 28.11.2022). Der Selbstmord des Vaters geschah wohl nicht in „einem Akt geistiger Umnachtung“, wie die Hallesche Presse wissen wollte (Gen.-Anz. 03.11.1889), sondern erklärt sich durch den Tod der ältesten Schwester Laura, den er nicht überwand. Trotz seiner beruflichen erfolgreichen Karriere versank er zunehmend, von der Öffentlichkeit nicht oder nur wenig wahrgenommen, in Trübsal und Depression (Stadt Leipzig). Letztlich führte die Krankheit zu seinem Ende. Auch seine Ehefrau erholte sich nicht von beiden Schicksalsschlägen und starb nach einem knappen Jahr gerade sechzigjährig.
Über Gosches Schul- und Ausbildungsjahre ist nicht viel überliefert. Nach ihren Schuljahren in Halle ging sie 1875 nach Erfurt, um dort ihr Lehrerinnenexamen abzulegen. Ihr Vater hatte sie zu Hause gründlich auf die Prüfungen vorbereitet. Aber auch über den dortigen Ablauf ist nichts bekannt. Das Königliche Schullehrer-Seminar stand damals unter der Leitung von Wilhelm Naumann, der wohl aus Köthen stammt. Erschwerend kommt hinzu, dass Agnes nie ihren Lebensweg aufgeschrieben hat, weshalb manche Lücke in ihrer Biografie geblieben ist. Ab 1876 arbeitete sie in der Schweiz ̶ wiederum ist hier die Einrichtung unbekannt geblieben. Danach gab sie privat Sprachunterricht. Gleichzeitig arbeitete sie als Lehrkraft einer Mittelschule in Halle. Doch bereits 1878 sollte sie an der 1868 gegründeten privaten Töchterschule unter Anna Hedwig Stange (1817-1899), dem späteren (seit 1908) Seydlitz-Lyzeum tätig werden. Letzteres hatte Emma Seydlitz (1853-1918) seit 1885 über lange Jahre hinweg überaus erfolgreich geführt. Nach dem Tod der Eltern studierte Gosche von 1891 bis 1898 in Paris, Halle und Leipzig Kunstgeschichte.
Über ihre Reisen in diesen Jahren nach Paris, Italien und in die Schweiz gibt es keine weiteren Informationen. 1896 meldete sie sich von einer Reise zurück und bot Kurse für Literatur, Kunstgeschichte und Französisch an (SZ 30.10.1896). Schließlich waren ihre Studien soweit gediehen, dass sie die Arbeit „Simone Martini: ein Beitrag zur Geschichte der sienesischen Malerei“ an der Universität Zürich als Dissertationsschrift einreichte. Vermutlich unter Johann Rudolf Rahn (1841-1912) promovierte sie noch im gleichen Jahr zum Dr. phil. Sie sei die erste Frau der Neuzeit mit einem Doktortitel in gewesen, erinnert die Homepage der Stadt Leipzig an sie. Der Kunstgeschichte wird sie ihr Leben lang treu bleiben und zahlreiche Vorträge und Fortbildungen über Kunst, Malerei, aber auch zur Literatur halten. Dennoch blieb sie in der gesellschaftlichen Erinnerung als Frauenrechtlerin und Förderin von Frauen und Mädchen im Rahmen der beruflichen Bildung vorrangig im Gedächtnis.
Die Frauenschule in Halle unter Gosches Leitung – die Vorbereitungen
Nach ihrer Promotion geht Agnes Gosche nach Leipzig und bekommt von der populären und weit über die Region hinaus bekannten Henriette Goldschmidt (1825-1920) die Leitung des Lyzeums für Damen angetragen. Beide kannten sich bereits über zwanzig Jahre (Stadt Leipzig). Ausschlaggebend für die Leitungsaufgabe war ihr Engagement für die Mädchenbildung, „ihr hohes fachliches Können und pädagogisches Geschick sowie ihre Aufgeschlossenheit den Zeitfragen gegenüber, die maßgeblich vom Einfluss der Leipziger Frauenbewegung geprägt war“ (Albrecht-Dimitrowa, www.louiseottopeters-gesellschaft.de, S. 69). Die Fächer Deutsch, Literatur, Kunstgeschichte und Pädagogik sollte sie an dieser Einrichtung selbst übernehmen (ebd.). Ihre Schwester Liesbeth geht mit nach Leipzig, wo beide das etwa 1895 noch in Halle ins Leben gerufene und unterdessen beliebte Mädchenpensionat weiterführen werden (s.o.). Bis 1912 sollte diese Anstellung am Lyzeum dauern, bevor sie – und auch ihre Schwester – für immer in ihre Heimatstadt Halle zurückkehren wird.
Abb. 2: Agnes Gosche (Stadtarchiv Halle/S. Nachlassbestand S. 15)
In Leipzig erwarb sie unterdessen umfassende Erfahrungen in der Ausbildung von Erzieherinnen im Sinne der Auffassungen Fröbels, verband doch das Lyzeum Goldschmidts seine Pädagogik mit den Ausbildungszielen der Allgemeinbildung gemäß den Vorhaben der höheren Mädchenschulen. Diese Erfahrung waren ihr ein wesentliches Rüstzeug für die in Halle implementierte Ausbildung junger Mädchen und Frauen zu Kindergärtnerinnen und Jugendpflegerinnen.
Da Auguste Schmidt (1833-1902) 1904 aus dem ADF-Vorstand ausschied, konnte Agnes Gosche am 5. November zur Jahrestagung nachrücken, da die Satzung vorsah, dass mindestens fünf Leipziger Frauen im Vorstand sein mussten. Luise Otto-Peters (1819-1895), Auguste Schmidt, Henriette Goldschmidt (1825-1920) und andere Pädagoginnen hatten bereits 1865 den Allgemeinen Deutschen Frauenverein als ersten seiner Art überhaupt in Deutschland in Leipzig ins Leben gerufen. 1909 wurde Agnes sogar zweite Vorsitzende des Verbandes (Stadt Leipzig, ebd.). Bereits am 8. März 1900 hatte sie den Halleschen Frauenbildungsverein ins Leben gerufen und war zugleich Mitglied des städtischen Lehrerinnenvereins. Auch dem Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein gehörte Gosche seit seiner Gründung 1889 an und kannte durch ihre dortige Tätigkeit Helene Lange (1848-1930), deren erste Vorsitzende. Schließlich konnte sie 1911 in den Gesamtvorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) delegiert werden. Zweifellos gestaltete sie sich so eine bemerkenswerte Karriere, die wiederum neue Möglichkeiten schuf, in Leipzig und darauf in Halle im Rahmen der Frauenbewegung aktiv zu sein. Seit 1910 verdichteten sich die Überlegungen zur Gründung einer städtischen Frauenschule (s.o., SZ 19.09.1910, SZ 15.11.1910).
Hierfür setzten sich die Frauenverbände aktiv ein. Der Evangelische Frauenbund lud mit Unterstützung des Frauenbildungsvereins die Schulleiterin der sozialen Fachschule Adelheid von Bennigsen (1861-1938) aus Hannover ein (SZ 20.02.1910). Weitere Vorträge bot man dem interessierten Publikum an. Es ist nicht verwunderlich, dass Gosche unter diesen Umständen die Leitung der Schule übertragen bekam, jedoch musste sie Goldschmidt erst freistellen. Außerdem stand sie zunächst nur auf Platz drei in der Bewerberinnenliste. Kandidatin Nr. 1, Anna Cornelia von Senden aus Aurich, wurde von ihrer Schule allerdings nicht frei gegeben. An zweiter Stelle stand Marie Helene Antonie Kränzlin, verh. Ludwig (24.05.1878 Magdeburg geb.), aus Berlin. Diese heiratete aber und stand für das Hallenser Amt nicht mehr zur Verfügung.
Doch erst am 8. September 1911 wird die Entscheidung des Magistrats zugunsten Gosches bekannt (SZ von diesem Tag), nachdem vorher noch ihre Eignung für das Amt generell in Frage gestellt wurde. Immerhin hatte sie keine Oberlehrerinnenprüfung abgelegt, – eine für Direktorinnen in Preußen jedoch notwendige Voraussetzung. Nun standen bis zur offiziellen Gründung der Schule nur noch wenige Tage zur Verfügung. Lehrpläne, Fächerkanon und Lehrkräfte waren ebenfalls noch nicht bestätigt, diese Festlegung erfolgte erstmalig am 23.09.1911 (Gen.-Anz.). Halle brauchte seine Entscheidung nicht bereuen, gehörte doch Gosche zur ersten Reihe in der deutschen Frauen-Lehrerinnenbewegung. Sie sollte die ihr anvertraute Schule bekannt machen und zahlreiche Generationen von Erzieherinnen und Jugendleiterinnen ausbilden. Als Erzieherinnen ausbildende Einrichtung existiert sie bis heute.
Schließlich waren alle Vorbereitungen gediehen und die erste Frauenschule Halles konnte am 19. Oktober 1911 (SZ 18.10.1911) mit acht Vollschülerinnen mit Unterstützung der Bethcke-Lehmann-Stiftung (Stiftung eines ehemaligen Bankhauses) unter Rückhalt von 1,3 Millionen Reichsmark für die Liegenschaft des schulischen Grundstücks und für die dortigen Einrichtungen. Die Stiftungsträgerschaft erlosch erst 1925 (Stadtarchiv Halle). Gosche erhielt das übliche Direktorengehalt von 4.300 Mark jährlich (SZ 31.10.1911). Doch es wurde weiter um Schülerinnen geworben und für die interessierte Öffentlichkeit Aufgaben und Zielstellungen der Frauenschule dargestellt, so sogar im Adressbuch des Jahres 1913 (IV, S. 37).
Studiendirektorin Gosche
Neben ihre neuen Schultätigkeit widmete sich Agnes Gosche weiterhin mit großem Aufwand ihren anderen Projekten im Frauenbildungsverein, im Halleschen Lehrerinnenverein sowie an der örtlichen Volkshochschule. Mit viel Vehemenz hielt sie Vorträge zu aktuellen Frauenfragen und zur Frauenbildung, dieses häufig aus kunsthistorischer oder literarischer Perspektive (teilweise auf Französisch) und begeisterte ihre Zuhörerschaft. Gottfried Keller und die Frauenfrage bildete eines ihrer Lieblingsthemen, doch sie referierte auch über andere Autoren (Hebbel, Grillparzer, Schiller, Shakespeare, Gen.-Anz. 26.03.1904, 28.11.1908; SZ 22.04.1911), bot Fortbildungskurse für schulentlassene Mädchen mittlerer Stände (SZ 20.09.1900) an, rief mit dem Frauenbildungsverein 1908 den Volkskindergarten (SZ 16.05.1908) ins Leben (s.o.) oder gründete 1912 die langersehnte Kinderlesehalle (Albrecht-Dimitrowa, ebd., S. 70) und sagte der „Schund- und Schmutzliteratur“ (Stadt Leipzig, ebd.) den Kampf an. Gleichzeitig lud sie Gastreferentinnen nach Halle ein. 1900 sprachen hier Helene Lange, Alice Salomon (1872-1948), Marie Stritt (1855-1928) oder Henriette Goldschmidt selbst, ihre verehrte Lehrerin.
Doch ab 1911 verlangt die Frauenschule Priorität bei ihrer verbeamteten Leiterin. Zuerst ist das Kuratorium der Schule unter Mitwirkung des Oberbürgermeisters Richard Robert Rive (1864-1947) sowie des Stadtschulrates Karl Brendel (1857-1923) und weiterer herausgestellter Personen, darunter drei Damen, zu nominieren. Auch die Namen des Kuratoriums sind an gleicher Stelle (ebd.) nachzulesen. Vor allem muss die Zielstellung ihrer Schule erarbeitet werden. Dazu schreibt sie:
Die Frauenschule sollte „die Schülerinnen (an) … hauswirtschaftliche, erzieherische und soziale Betätigungen (heranführen), sie in ihrer Berufswahl sicherer … leiten und denjenigen (die sich nicht dem Studium zuwenden wollen) eine weiterführende Bildung auch in den ihnen im Lyzeum nahegebrachten Fächern … geben“ (Gosche 1914, S. 6).
Jetzt steht die Verpflichtung der Lehrkräfte an, wobei die Gewinnung des halleschen Stadtarztes Prof. Dr. Wilhelm von Drigalski (1871-1950) als Beispiel für die Exzellenz ihrer Auswahl dienen mag. Festangestellte Lehrkräfte kommen erst später hinzu. Und schließlich muss nach einem von der Stadt sanktionierten Lehrplan gearbeitet werden.
Bereits am 3. August 1911 hatte der Magistrat der Stadt Halle den Fächerkanon bestätigt (Gen.-Anz. 12.08.1911), der sich aber noch einige Male verändern wird. Deutsch, Kunst, Literaturgeschichte und das Fach Soziale Unterweisung übernimmt Gosche selbst, während die anderen Fächer von Honorarkräften bestritten werden (Magistrat vom 04.09.1911, s. SZ 08.09.1911).
Der Volkskindergarten
Am 15. Mai 1911 hatte der Frauenverein den ersten Volkskindergarten in Halle gegründet (SZ 16.05.1908). Gosche begann, die Erfahrungen der "gut geleiteten Volkskindergärten" und weiterer Leipziger Institutionen auf Halle zu übertragen (Stadt Leipzig, ebd.). Bevor man durch die Bethcke-Lehmann-Stiftung eine großzügigere Lokalität anbieten konnte, war er noch in einer Mietwohnung im Norden der Stadt untergebracht. Bald kam es aber zu Reibereien mit anderen Mietern, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten. So musste die Einrichtung mit ihren Kindern einige Male umziehen, bevor sie ab 1913 in der Burgstraße auf dem Stiftungsgelände Platz fand.
Die Bezeichnung Volkskindergarten blieb bis 1933. Zu diesem Zeitpunkt war die Einrichtung bereits von der Stadt übernommen worden. Die niedrige Gebühr von 1.50 Mark im Monat je Kind „ermöglicht es den minderbemittelten Klassen auch ihre kleinen Lieblinge dorthin zu schicken“ (SZ, eb.). Mittags blieb, wie allgemein üblich, der Kindergarten von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr geschlossen. Der Generalanzeiger beschrieb seine Zielstellung mit: Hier wird „den Kleinen Belehrung und Anschauung gegeben, Verständnis für ihre kleine Welt, Geduld und Liebe für ihr kindliches Fühlen und Denken entgegengebracht“ (17.05.1911).
Die Leitung des Kindergartens übernahm die Kindergärtnerinnen Anna Werther und Ella Hermine Manz (1884->1950), beide Absolventinnen der Leipziger Schule und damit Schülerinnen von Gosche selbst. Vorher hatte Manz die höhere Mädchenschule in Hannover besucht. Nach einem kurzen Einsatz im Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus kommt sie nach Halle zurück und wird an der Frauenschule bis 1945 als Lehrkraft in den praktischen Fächern „Arbeit im Kindergarten, Kindergartenlehre, Hortlehre, Beschäftigungslehre, Holzarbeit“ (Bericht 1925) beschäftigt sein. Anlässlich des 75. Geburtstages von Gosche am 26. August 1932 wird Manz eine ergreifende Erinnerung an sie schreiben. „Wer von ihrem inneren Reichtum spüren durfte, vergisst Agnes Gosche nicht“ (Fr.-Z. 31.08.1932). Danach übernimmt Käthe (Katherine Marie) Niemann (1902?-1984) den Kindergarten. 1922 wird sie das Examen als Jugendleiterin in Halle abgelegt haben (SZ 26.03.1922) und unterrichtete mit einer Wochenstunde nun auch an ihrer Ausbildungsstätte selbst („Beschäftigungsunterricht“). Später ging sie nach Berlin (HN 06.12.1940).
Nach einem Jahr seiner Existenz besuchten bereits 46 Kinder den Kindergarten des Frauenbildungsvereins in der Burgstraße (SZ 05.02.1909). 1923 werden es 120 Kinder sein (SZ 14.05.1923). Und die Zahl stieg noch weiter an. Eine Unterstützung durch die Stadt wurde vom Magistrat durch die Zahlung von 500 Mark jährlich zugesagt (Gen.-Anz. 07.07.1909). Und ab 1912 wurden sich großer Beliebtheit erfreuende und regen Zuspruch verursachende Ferienspiele im Sommer angeboten (SZ 13.07.1912). Neben diesem erfolgreichen Kindergartenmodell konnte der Frauenverein bereits 1905 einen Kinderhort (Fr.-Z. 24.06.1931), dann Vorschulklassen und Elternarbeit sowie ein Säuglingsheim anbieten (SZ 14.05.1923). Durch die Kriegsereignisse bedingt, kam die Errichtung von Kindergärten nur langsam voran. 1920 gab es in Halle erst vier von ihnen, 1925 aber acht, im Todesjahr von Agnes Gosche 1928 sogar fünfzehn und 1933 zwölf (bei 3.700 Kindergeburten [Adressbuch 1934]).
Die Frauenschule in Halle unter Gosches Leitung – Fortgang
Auch weiterhin werden die meisten Unterrichtsstunden von Personen aus Halles Schulwesen, das Gosche gut kennt, zu absolvieren sein. Die gesamte Unterrichtsorganisation lässt sich bis heute über die erhalten gebliebenen und einsehbaren Jahresberichte der Schule (s. dort) nachvollziehen. Alle Schulprüfungen liegen zuerst noch in staatlicher Hand. Doch schon 1916 konnte die Direktorin erreichen, die Kindergärtnerinnenprüfung in eigener Verantwortung durchführen zu dürfen (in diesem Jahr absolvierte die ersten fünf Schülerinnen erfolgreich die Prüfung [SZ 08.04.1916]).
Neben der Kindergärtnerinnenausbildung wird ab 1918 die sich anschließende Ausbildung zur Jugendleiterin genehmigt, womit die Hallesche Schule die einzige ihrer Art in der gesamten Provinz Sachsen war und blieb (SZ 14.05.1923). Im gleichen Jahr reduzieren die Behörden die Schulzeit für die Erstere von 1 ½ Jahren auf ein Jahr. Gleiches galt für die Schulzeit der Hortnerinnen, die seit 1915 an der Schule ausgebildet wurden (SZ 11.12.1922). Doch unermüdlich wirbt Gosche in ihren zahlreichen Vorträgen und Gesprächen für ihre Schule. Auf den regelmäßigen Fach- und Verbandstagungen beteiligt sich die Hallesche Direktorin durch Diskussionen (1913 bereits auf der Konferenz der Frauenschulen in Halle zur Hospitantenfrage [SZ 28.03.1913]) und Fachbeiträge, wie im selben Jahr auf der Fröbel-Verbandstagung in Halle (s.u.). Und unermüdlich arbeitete Gosche auch auf eine Fusionierung ihrer Schule mit dem Lyzeum II der Stadt hin. Erst nach ihrer Pensionierung erreicht sie dieses Ziel, am 30.12.1925 (Jahresbericht 1926, S. 16). Ostern 1923 beendet die Schulleiterin darum ihre über zwanzigjährige Schulzeit in Leipzig und Halle als Leiterin beider Frauenschulen (SZ 14.05.1923).
Jetzt verfügt ihre Einrichtung über vier festangestellt und zwanzig nebenangestellte Lehrkräfte. Mit ihrer Verabschiedung aus dem Schuldienst konnten zur selben Zeit zwanzig Kindergärtnerinnen, fünf Hortnerinnen und neun Jugendleiterinnen ihre Examenszeugnisse entgegennehmen. Bald wird die Hallesche Ausbildungsstätte den Namen Helene Langes verliehen bekommen (1931). Doch dieser Akt trägt schon die Handschrift der neuen Leiterin Dr. Lina Mayer, geb. Kulenkampff (1886-1971), vormalige Leiterin der Frauenschule in Freiburg.
Der Magistrat der Stadt Halle würdigte Agnes Gosche anlässlich ihrer Pensionierung und schrieb an sie:
"So wie die Frauenschule der Stadt Halle geworden ist und sich zu ihrer jetzigen Blüte entwickelt hat, ist sie die Schöpfung Ihres Geistes, lhrer Organisationsgabe, Ihrer unermüdlichen Fürsorge und vor allem Ihrer unvergleichlich liebevollen mütterlichen Hingabe an die Jugend ... " (zit. nach Albrecht-Dimitrowa, ebd, S. 67 f.).
Ein besonderer Höhepunkt im Leben der gerade ihren Dienst angetretenen Schulleiterin war die Entscheidung des Deutschen Fröbelverbandes, seine Verbandstagung 1913 in Halle an der Saale im damaligen Schützenhaus durchzuführen. 25 Bürgerinnen und Bürger zählte das Organisationskomitee der Stadt unter dem Patronat des Bürgermeisters der Stadt Robert Rive, zu der die Frau des Bürgermeisters Margarethe Kirschner-Rive (1873-1950), Agnes Gosche sowie zahlreiche ehrenvolle in der Stadt lebende Personen, darunter Ella Manz, Vorsitzende der Ortsgruppe des Fröbelverbandes, (s.o.), zählten. Immerhin wurde Gosche ausgewählt, bereits am Eröffnungstag ein Hauptreferat über ihre nunmehrige Tätigkeit zu halten (Gebser 2016, S. 42-51).
„Ja, was haben alle, die nicht in Halle waren, versäumt!“ Mit diesen Worten beginnt die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Fröbelverbandes Gertrud Pappenheim (1861-1934) ihren Bericht zur vom 2. bis 5. Oktober 1913 stattgefundenen Verbandstagung in Halle (1913, S. 321). Und sie erinnerte sich an die „warmherzigen Empfänge“, an die Ermunterungen und Ermutigungen für die gute Sache „durch den Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten“. Gleich fährt sie fort mit ihrem Dank an die Organisatoren, wenn sie die „wundervolle Blumengrüße der Frau Oberbürgermeisterin Rive“ erwähnt, an die Aufführung eines von Kindern aufgeführten „lieblichen Märchens“ denkt und wenn sie dankbar schreibt: „Frl. Dr. Gosche führte uns, die Mitglieder des Deutschen Fröbelverbandes, die zur ernsten Arbeit zusammen gekommen waren, in die alte deutsche Märchenwelt ein. – So war unser Einzug in Halle!“ (ebd., S. 322).
Gosche stellte ihren Vortrag (1913, S. 357-361) unter das Motto: „Nicht das Sein, das Werden ist der Grundbegriff unserer Arbeit“ (ebd.), ein Zitat, das ihrer täglichen Arbeit Sinn verleiht (s. eingangs).
Am Vormittag des 3. Oktober und im Anschluss an den umfangreichen Grundsatzvortrag „Unser Beruf und seine Beziehung zur Jugendpflege“ (1913, S. 325-342) Lili Droeschers (1871-1944) sprach Gosche zur Thematik „Frauenschule und Jugendpflege“ (ebd.). Sie griff die Aussagen Droeschers auf und erweiterte sie hinsichtlich der Ausbildungszwecke ihrer Schülerinnen und stellte eine lange Liste von allgemein notwendigen und zu erwartenden Fähigkeiten und Kenntnissen auf, denen die Jugendpflegerinnen nachkommen müssten. So sei die Kenntnis von der körperlichen Beschaffenheit des Kindes und seine Pflege durch die Gesundheitslehre sowie durch die Einführung in die Säuglingspflege zu vermitteln (S. 358). Immer mehr wüchsen die Anforderungen an die Frauen in der Gesellschaft und sie erinnert an die zahlreichen Aufgaben in der Erziehung der Kinder und im Führen des Haushaltes. Diese Notwendigkeiten könnten gelöst werden, wenn die Erzieherin in der Ausbildung lerne, die Erziehungswissenschaften in der Praxis anzuwenden. Ihre Forderungen richtet sie an eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung: „An das Können der Erzieherin schließt sich das Wissen an, die Psychologie, die Pädagogik“ (S. 359).
Erst vierzehn oder fünfzehn Jahre seien die jüngsten Schülerinnen alt, die selbst noch gern spielen würden. Gosche verwies auf den Pfarrer in Pestalozzis „Lienhard und Gertrud“, der die Jugend aufgefordert hatte, sich wie Geschwister zu verhalten, und „diese Zusammengehörigkeit in einer erfrischend freudigen Betätigung bringt die jungen Herzen einander nahe, und ganz von ungefähr kann hier ein Einblick in häusliche Verhältnisse gewährt werden, der gerade, weil er durch ein einzelnes Menschenschicksal vermittelt wird, andauernd und tief wirken kann“ (S. 361).
Nachdem die Vortragende zahlreiche Beispiele aus der Arbeit der Frauenschule und eine Reihe von typischen gesellschaftlichen Erwartungen an die Jugendpflege diskutiert und anschaulich vorgestellt hatte, endete sie mit der Orientierung auf die zukünftige Tätigkeit inhaltlich, aber auch gleichermaßen methodisch: „Noch sind es Anfänge, wir werden auch hier, wie in aller erzieherischen Arbeit, uns begnügen müssen, den Samen auszustreuen“ (ebd.). Lust und Freude der erzieherischen Arbeit zugrunde zu legen, ist schon von Fröbel propagiert worden, so schließt Gosche aus eben diesen Gründen zurückgreifend auf ein Zitat des deutschen Dichters Friedrich Hebbel (1813-1863): „Das nächste Ziel mit Lust und Freude und aller Kraft zu verfolgen, ist der einzige Weg, das fernste zu erreichen“ (ebd.). Gosche festigte mit ihrem Beitrag ihren Ruf im Verband und ihr Ansehen in Halle gleichermaßen. Die örtliche Presse berichtete ausführlich von der Verbandstagung (Gen.-Anz. 04. und 05.10.1913).
Wahl zur Nationalversammlung und Synopse
Bereits 1918 bereitete sich die junge Weimarer Republik auf die Wahlen zur Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 vor. Gemäß ihrer persönlichen Neigung, vorzugsweise sozial bis links-sozial zu agieren, kandidierte sie für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) und nahm in ihrem Wahlbezirk Listenplatz sechs ein. Obwohl die DDP insgesamt über 18 % der Stimmen erreichte, konnte nur eine Person für diese Partei in die Nationalversammlung einziehen, gemeint ist Karl Delius (1874-1953), ein bereits erfahrener Abgeordneter aus Ballenstedt und Parteigründungsmitglied. Für Agnes Gosche und für ihre Wählerinnen und Wähler erwies sich die Wahl jedoch als ein bedeutender symbolische Akt im Zuge der Verwirklichung des Frauenwahlrechtes in Deutschland. So ging sie gestärkt an ihre weiteren Aufgaben heran.
Bei ihrer sozial-politischen und pädagogischen Tätigkeit wurde sie sowohl von der Stadtführung als auch von den Angehörigen ihrer Schule sowie von zahlreichen Lehrerinnen, von Frauen aus ihrem Bekanntenfeld und von sozial engagierten Personen unterstützt. So traten in ihrem Umfeld häufig Margarethe Bennewiz (1860-1943), Louise Therese Mathilde Brode (1851-1936), Franziska Hündorf (1867-1931), Johanne Marie von Nathusius (1847-1936), Anna Schubring (1852-1938) und ihre Schwestern oder Emma Seydlitz (s.o.) in Erscheinung, die alle als Lehrerinnen, Schulleiterinnen, sozialengagierte Frauen oder als Verbandsfunktionärinnen aktiv und bekannt geworden waren. In den letzten Schaffensjahren entdeckte Agnes Gosche den Rundfunk als Medium und berichtete über den Mitteldeutschen Sender über ihre Anliegen (HN 22.11.1927; Albrecht-Dimitrowa, ebd., S. 70). Siebzigjährig wird sie aus ihrem Schaffen gerissen. Diabetes und eine nicht heilende Wunde am linken Fuß, vermerkt der Standesbeamte (ancestry, Halle/S., Sterberegister 1874-1957).
Im Namen des Bundes Deutscher Frauenvereine schrieb 1928 die ehemalige Schülerin, die aus Halle kommende Erna Corte (1892-1975): "Die Nachricht von dem Hinscheiden dieser Frau verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch ihre Vaterstadt Halle. Generationen von Frauen sind dort ihre Schülerinnen gewesen, ihr Freundeskreis ist riesengroß, die Hallische Frauenbewegung entwickelte sich unter ihrer Führung, sie gab den Anlass zu mannigfachen sozialen Gründungen, sie war Beraterin und Helferin jedem Hilfsbedürftigen, der sich an sie wandte ... " (Nachrichtenblatt des BDF, Nr. 4, April 1928, zit. nach Albrecht-Dimitrowa, ebd., S. 68). Mehrere weitere Nachrufe erschienen (SZ 16.03., zwei Nachrufe; 17.03.1928, zwei Nachrufe; die Halleschen Nachrichten brachten gleich fünf [15.03.19128]). In der privaten Anzeige wird eine „längere, schwere Krankheit“ genannt (16.03.). Agnes wünsche sich, dass man zu ihrer Trauerfeier „nicht viel reden solle“, sondern „lieber der Bibel als das Buch der Bücher“ das Wort überlassen solle, formulierte Pfarrer Jakobi den Wunsch der Toten (HN 17.03.1928), und er würdigte ihre Lebensleistung mit den Worten, dass „sie sich niemals für fertig hielt, sondern immer nach der Vollendung strebte“, dass ihr Bemühung darin lag, „die Seele der anderen zur Reifung zu bringen“ (ebd.).
Für die Frauenbewegung, für die Ausbildung von Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendpflegerinnen, als Wegbereiterin für die berufliche Ausbildung junger Frauen und Mädchen setzte Gosche Maßstäbe, die bis heute unvergessen sind. Sie formulierte 1914: „Es gibt einen Beruf, bei dem die Bedeutung für Haus und Familie einerseits und für die Erwerbsarbeit andererseits gleich groß ist, das ist der Beruf der Kindergärtnerin, der die Wissenschaft der Mutter umfasst". Und Helene Lange schrieb anlässlich ihre Todes: dass sich Gosche nicht in der "Kleinarbeit des Tages" verlor, sie "von absoluter Zuverlässigkeit, nie einer Arbeit ausweichend, nie 'ehrenbenötigt', im Gegenteil gern mit ihrer Wirksamkeit im Hintergrund bleibend" tätig war (zit. nach Stadt Leipzig). Ihre Urne wurde auf dem Stadtgottesacker von Halle beigesetzt.
Abb. 3: Agnes Gosche (ADF, um 1900, Ziegenfusz)
Literatur
Gosche, Agnes: Simone Martini: ein Beitrag zur Geschichte der sienesischen Malerei. Leipzig: Seemann 1899. Nachdruck der Dissertation gleichen Titels. Zürich 1898
Gosche, Agnes: Gottfried Keller und die Frauenfrage. In: Neue Bahnen 1909, S. 65 ff., 73 ff. 82 ff.
Gosche, Agnes: Die Bekämpfung der Schundliteratur: ein Beitrag zur Erziehungsarbeit. In: Die Lehrerin: Organ des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins. 27.1910, S. 161-164
Gosche, Agnes: Frauenschule und Jugendpflege. Vortrag auf der 15. Hauptversammlung des deutschen Fröbelverbandes vom 03.-05.10.1913 in Halle. In: Kindergarten, 1913 (54), S. 357-361; vgl. auch Bericht in der Saale-Zeitung vom 04.10.1913 und im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen vom 05.10.1913
Gosche, Agnes: Referat auf der 27. Generalversammlung des ADF [am Schluss der Tagung hielt A. Gosche ein Referat über den Einfluss der Mädchenbildung]. In: Neue Bahnen, 1913, Nummer 21 vom 01.11.1913, S.165 ff.
Abb. 3: Agnes Gosche (ADF, um 1900, Ziegenfusz)
Gosche, Agnes: Die Aufgaben der Frauenschule nebst den amtlichen Bestimmungen für Frauenschulen in Preußen, Halle: Waisenhaus, 1914, S. 6.
Gosche, Agnes: Helene Lange. Zum siebzigsten Geburtstage. In: Neue Bahnen 1918, 7/8, S. 22-25
Gosche, Agnes: Henriette Goldschmidt. Zum neunzigsten Geburtstag. In: Neue Bahnen 1915, S. 177 f.
Gosche, Agnes: Die organisierte Frauenbewegung. Berlin: Herbig 1927 (2 Teile)
Stadtarchiv Halle, FA 1363 Dr. Agnes Gosche
Stadtarchiv Halle/ Saale, Nachlassbestand S 15. GOSC, Gosche, Agnes, N 9,1 Nummer 1-53 und N 9 Nummer 1-83; Nachlassbestand S 15. MAN, Manz, Ella, N 14, Nummer 203 ; Bestand A 1.1.3. Akten der Stadtverwaltung/ Stadtverordnetenversammlungen Halle/Saale, Kapitel III Abt. CA Nummer 83, Sitzung der Stadtverordneten vom 04.09.1911, Protokoll Blatt 10 und 11
Stadtarchiv Leipzig, Kapitel 35, Nummer 64, Verein für Familien und Volkserziehung, Band 1, besonders Blatt 180 - 182 RS [Antrag an den Rat der Stadt Leipzig über Finanzzuschuss vom 20.02.1905 und zugehöriger Beschluss der Finanzdeputation des Rates der Stadt vom 22.02.1905].
Stadt Halle: Halle (Saale) - Händelstadt: Persoenlichkeiten (zuletzt 01.03.22023)
Stadt Halle: Agnes Gosche (https://www.halle.de/de/Kultur/Stadtgeschichte/) (zuletzt 01.03.2023)
Stadt Leipzig: https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/gosche-dr-agnes/ (zuletzt 01.03.2023)
Adressbuch der Stadt Halle a. S. und Umgebung. Halle.: August Scherl 1913, 1934
Albrecht-Dimitrowa, Lisa: „Dr. phil. Agnes Gosche, 1857-1928“. In: Frauenleben – Frauenalltag – gestern und heute. Hallenserinnen. Biografische Skizzen I, Heft 1, Courage e.V., 1995, S. 35-41.
Albrecht-Dimitrowa, Lisa: Briefgeschichten. Erinnerungen an ein bemerkenswertes Fräulein Doktor. In: Leben und Gestalt: Studien zur Frauengeschichte in Halle/hrsg. durch den Courage e.V., Halle. Mit Beitrag von Lisa Albrecht-Dimitrowa, Halle/Saale 1996, S. 98-159.
Albrecht-Dimitrowa, Lisa: www.louiseottopeters-gesellschaft.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/ (zuletzt 01.03.2023)
Allgemeine Bestimmungen über die Höheren Mädchenschulen und die weiterführenden Bildungsanstalten für die weibliche Jugend vom 18. August 1908. In: Preußische Gesetzessammlung 1908 (https://www.preussenchronik.de/ereignis_jsp/key=chronologie_009060.html) (zuletzt 13.03.2023)
Allgemeiner Deutscher Frauen-Verein (u. Ltg. v. Helene Lange u.a., auch u. Mitarbeit v. Agnes Gosche): Politisches Handbuch für Frauen. Leipzig: B. G. Teubner 1909
Ancestry, Sterberegister 1874-1957 Sachsen-Anhalt, Sterbeurkunde Nr. 185, Standesamt Halle
Bericht über das Schuljahr 1918/19, 1919/20, 1920/21, 1921/22, 1922/23, 1923/24, 1924/25 der Städtischen Frauenschule Halle: alle handschriftlich gefertigt unter Stadtarchiv Halle/S 2.36 Nr. 500 Bd. 3, zumeist ohne Seitenkennzahlen; siehe auch http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/periodical/pageview/1465730 (zuletzt 01.08.2020)
Jahresbericht der Städtischen Frauenschule zu Halle (Saale) 1912 bis 1915. Leipzig DNB, Signatur ZB 41278
Bericht über das Schuljahr 1924/25; 1925/26 Städtische Frauenschule zu Halle (Saale), Burgstraße 45. Halle: Karras und Könnecke 1925, 1926
Berichte über die Schuljahre 1926/27, 1927/28, 1928/29, 1929/30; 1930/31 Städtische Frauenschule Halle/S., Halle: Karras und Könnecke; 1921/22 bis 1925/26; 1927, 1928, 1929, 1930, 1931 bis 1938/39, 1939/40, 1940/41, 1941/42, Jahresberichte unter https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de; https://goobiweb.bbf.dipf.de/viewer/image/1010705210_1930/1/LOG_0003/ (1929-1930) bzw. https://goobiweb.bbf.dipf.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:0111-bbf-spo-15207042 für die Jahre (1921-1926) oder unter https://goobiweb.bbf.dipf.de/viewer/toc/1010705377/1/LOG_0000/ (1930-1939)
Deutscher Fröbelverband. Lehrplan für Kinderpflegerinnenschulen. In: Kindergarten 1922, S. 122-128
Droescher, Lilli: Unser Beruf und seine Beziehung zur Jugendpflege. In: Kindergarten 1913, S. 325-342
Gebser, Klaus: „Helm ab“ – zum Gebet. „So war unser Einzug in Halle“. Halle 2016
Gebser, Klaus: Vom Königsberg zur Artilleriestraße. Kindereinrichtungen in Halle/S. zwischen 1900 und 1945 (Ein chronologischer Abriss). Halle/S. 2019a
Gebser, Klaus: Marie Wollmann und der erste Kindergarten in Halle/S. Kita-Plattform 2019b
Gebser, Klaus: Lina Sellheim und ihr Kindergärtnerinnenseminar in Halle/S. Kita-Plattform 2021
Holländer, Georg Hermann: Mitteldeutsche Zeitung, 28.11.2022
Jandt, Claudia: Gosche, Agnes, Dr. phil. In: Frauen in Sachsen-Anhalt 2. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945, herausgegeben von Eva Labouvie, Wien, Köln, Weimar 2019, S. 182-185.
Lange, Helene: Totenschau. Dr. Agnes Gosche. In: Ebenda, 32. Jahrgang 1927/28, Heft 7, vom April 1928, S. 443-444.
Mayer-Kuhlenkampff, Lina: Gruß an eine Siebzigjährige [Dr. Agnes Gosche]. In: Die Frau. Organ des Bundes Deutscher Frauenvereine. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Begründet von Helene Lange, herausgegeben von Gertrud Bäumer, 31. Jahrgang 1926/27, Heft 12 vom September 1927, S. 722-725.
Pappenheim, Gertrud: Halle! In: Kindergarten 1913, S. 321 f.
Frauenzeitung d. Provinz Sachsen. Org. d. Frauenverb. d. Provinz Sachsen. Magdeburg, versch. Ausgaben
General-Anzeiger für Halle und den Saalkreis (Gen-Anz.). Halle: Kutschbach, versch. Ausgaben
Saale-Zeitung (SZ). Halle: Otto Hendel, versch. Ausgaben
Hallesches Tageblatt (Hall.-Tbl.). Halle: Magistrat der Stadt
Hallesche Nachrichten (HN). Halle: Gebr. Huck, verschiedene Ausgaben
Namensverzeichnis Zusatz
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Dressel, Pauline (ca. 1835 Burgstall b. Wolmirstedt-08.02.1921 Halle[SZ 13.06.1921]) Lehrerin, Mitbegründerin des halleschen Hausfrauenbundes 1908
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Schlüter, Margret, Ehemann des Professors Otto Schlüter (1872 Witten-1959 Halle, Geograf, Vors. der Leopoldina 1952-1953, Ehrensenator der MLU), ab 1931 Vorsitzende des Halleschen Hausfrauenbundes
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Kathe, Paula Sofie Hedwig, geb. Thierichens (08.01.1878 Berlin-22.09.1932 Halle bürgerl. Sozial engagierte Frau, Witwe eines Unternehmers, Adresse: Halle, Preußenring 8/9 (heute Hansering), zit. in SZ (05.11.1911), engagiert im Missions-Verein und im evangelischen Jungfrauen Verein St. Ulrich
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Quiele, Elisabeth Anna Ida Frl., Kassiererin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1900, gegr. 13.06.1890
XIII., XIV. Volksschule 1902
Wahrscheinlich Tochter der Pfarrerswitwe Auguste Sophie Henriette Quiele, geb. Braun (19.12.1860 Schivelbein / Pommern-10.11.1931 Halle), Magdeburger Straße 47 III, da gleiche Adresse, dort 1903 als Lehrerin eingetragen
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Kühne, Julia Frl., 2. Vors. des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1894, Mädchenmittelschule
aber: Frl. Kühn Städtische höhere Mädchenschule 1902
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Schubring, Marie Kassiererin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1896
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Sprenger, Dora Frl., Kassiererin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1910, 1915, Volksschulen V, VI 1902
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Wünschmann, Auguste Lehrerin, Schulvorsteherin a.D., Vorsitzende des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1894
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Naunapper, Ottilie Lehrerin, 2. Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1896, 1900 V. / VI. Volksschule Taubenstraße 13
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Weicke, J. Lehrerin, 1. Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1896, 1900 Städt. höhere Mädchenschule
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Jodefahrt, Helene Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1894, 1900 Mädchenmittelschule
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Kleist, Frl. von Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1900
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Rackwitz, Therese Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1894, Städtische höhere Mädchenschule
Ihre zwei Schwestern (? Mit Rackwitz I, II bezeichnet) waren 1900 Lehrerinnen an der Mädchenschule Hermannstraße 32 (IV. Volksschule)
1. Rackwitz, Elisabeth: Lehrerin, Große Steinstraße 69 IV (Adressbuch 1925)
2. Rackwitz, Elisabeth (1856 Löbejün-30.12.1926 Halle Magenleiden, Auszehrung): Oberlehrerin a.D., 1925 Humboldtstraße 14 III, 1925 schon i.R. (in Ruhe)
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Gebser 1900 Lehrerin an der Mädchenvolksschule Liebenauer Straße 152 (X. Volksschule), 1902 X. Volksschule, 1910 nicht mehr, 1898 noch nicht
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Oehler, Marie Frl., Schriftführerin des Lehrerinnen-Vereins zu Halle 1902
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Höhere Private Mädchenschule / Töchterschule
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Standort: 1890 Alte Promenade
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Vor 1898 keine Nennung der angestellten Lehrerinnen
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1900: Frl. Auguste Löwenhardt (Zeichnen und Malen)
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1902: Frl. Margarethe Schulze
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1904, folgende Lehrerinnen warten dort tätig: Vorsteherin Frl. Emma Seydlitz; Lehrerinnen: Frl. Anna Schubring, Frl. Marie Schubring, Frl. Franziska Rothe, Frl. Margarethe Seligmüller (auch Seeligmüller geschrieben, 1915), Frl. Anna Rabe, Frl. Helene Berve, Frl. Bertha Krusikat, Frl. Gabriele Schiefer (Gesang), Frl. Ida Wenderhold (Handarbeit und Zeichnen), Frl. Marie Mogk (Turnen), 4 wissenschaftliche Lehrer (1910 waren es 9)
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1910: Frl. Anna Rundspaden (Handarbeit und Zeichnen), Frl. E. Metsch, Frl. J. Paur, Frau A. Schmidtborn
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1914: Frl. E. Bauschmidt (wiss. Lehrerin)
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1915: Frl. M. Könnecke, Frl. H. Rühlemann, Frl. E. Wodtcke, Frl. G. Hähnel (Turnen)
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Autor
Dr. päd. habil. Klaus Gebser (Diplompädagoge, Diplompsychologe)
Halle/Saale
Der Autor arbeitet zur Geschichte der Vorschulerziehung in Mitteldeutschland mit dem Schwerpunkt der Erzieherinnenausbildung.