Manfred Berger
Die am 15. April 1815 in Osterode geborene Louise Levin heiratete am 9. Juni 1851 Friedrich Fröbel, der am 21. April 1782 in Oberweißbach das Licht der Welt erblickte. "Fröbels Alter störte mich nicht", vermerkte später Louise Fröbel, "er stand in meinen Augen hoch über allen anderen Männern, und ich fühlte nur, wie unbedeutend ich neben ihm stand. Meine einzige Sorge war, ob dieser in Fröbels Alter ungewöhnliche Schritt seinen Bestrebungen schaden könne" (zit. n. Schröcke 1912, S. 46). Die Ehe war nur von kurzer Dauer, denn bereits am 21. Juni 1852 verstarb Friedrich Fröbel. Nach dessen Tod wählte die Witwe - nach kurzen Aufenthalten in Keilhau und Dresden - Hamburg als festen Wohnsitz. Die Hansestadt war seinerzeit ein bedeutendes Zentrum der Fröbelbewegung. Hier starb auch Friedrich Fröbels zweite Ehefrau. Beerdigt wurde sie an der Seite ihres Mannes in Schweina bei Bad Liebenstein. Noch heute umfriedet ein wundervoll friedliches Landschaftsbild die Ruhestätte der beiden "Menschenbildner".
Friederike Wilhelmine Louise war das jüngste von sechs Kindern des Lederfabrikanten Johann Friedrich Levin und dessen Gattin Johanne Dorothee Marie Levin, geb. Levin. Nach dem Besuch der "Gemeinschaftsschule" in Osterode, absolvierte das Mädchen noch eine private Töchterschule. Anschließend kehrte sie nachhause zurück und war später in verschiedenen Haushaltsstellungen bei Geschwistern und Bekannten tätig. Im Alter von 30 Jahren trat sie in den Lebenskreis von Friedrich Fröbel, ließ sich zur Kindergärtnerin ausbilden und stellte fortan ihr Leben in seine Dienste. Im September 1848 übernahm sie eine Stellung als Privaterzieherin in Redensburg bei der adeligen Familie von Cossel. Bereits ein Jahr später kehrte sie zu Friedrich Fröbel zurück, der zwischenzeitlich nach Bad Liebenstein übergesiedelt war und dort die "Anstalt für allseitige Lebenseinigung durch entwickelnd-erziehende Menschenbildung" ins Leben gerufen hatte. Am 6. Juli 1849 traf dort Louise Fröbel ein. Sie erinnerte sich daran mit folgenden Worten:
"Endlich am 6. Juli, trat ich mit Vertrauen und von dem Wunsche beseelt, möglichst meinen Platz auszufüllen, in Fröbels Wirkungsstätte ein. Ich hatte wohl Sorge, ob ich einer solchen Aufgabe gewachsen sei, doch Fröbel sprach mir Mut ein. Er wusste jede kleinste Leistung von mir anzuerkennen, und so lebte ich im Vertrauen zu Fröbel und der guten Sache in den gewiss schwierigen Verhältnissen. In kindlicher Hingabe suchte ich Fröbel zu helfen, wie ich nur konnte, und hatte das unbedingte Vertauen, er werde Alles stets auf beste einrichten, und so suchte ich mehr und mehr ihm helfend nahe zu stehen" (zit. n. Schröcke 1912, S. 40).
Er setzte Louise Levin als Vorsteherin der Bildungsanstalt, die Friedrich Fröbel im Frühjahr 1850 in das in unmittelbarer Nähe von Bad Liebenstein gelegene Jagdschlösschen Marienthal verlegte, ein. Fröbels Wirken wurde von den Fürstlichkeiten des "Herzoglich Sachsen-Meiningen'schen-Hof" unterstützt. Louise Fröbel selbst gab der Prinzessin Unterricht in den Fröbelschen Beschäftigungen und Spielen.
Im Herbst 1854 übersiedelte Louise Fröbel mit einer Schülerin nach Hamburg. Dort sollte sie einen Kindergarten einrichten und die mitgebrachte Kindergärtnerin in ihre neue Tätigkeit einführen. Sie selbst leitete morgens einen Bürgerkindergarten und am Nachmittag unterrichtete sie junge Mädchen, die als Gehilfinnen in verschiedenen Kindergärten der Hansestadt arbeiteten. 1860 gründete Louise Fröbel einen Privatkindergarten, den sie 1874 in jüngere Hände legte. Diesbezüglich konstatierte sie in ihrer unveröffentlichten Autobiografie:
"1860 gründete ich einen Privatkindergarten. Ich hoffte, hier im kleinen Kreis nachhaltiger wirken zu können. Auch hoffte ich gerade dadurch die naturgemässe Erziehung in die verschiedensten Kreise einzuführen und so auch leichter die nötigen Mittel zur Erziehung der Aermeren zu gewinnen. - Der Kindergarten hat mir reiche Freude gebracht. Ein glückliches Völkchen trat täglich bei mir ein und belebte meine Kraft zum heiteren Zusammensein. Die Kinder hatten mir viel gegeben, und ich hoffe, auch ihnen einen Schatz fürs Leben geboten zu haben, wie denn auch manches junge Mädchen unter meiner Leitung sich glücklich fühlte und hoffentlich noch heute für andere wahres Wohl wirkt" (zit. n. Schröcke 1912, S. 58).
Ein Fräulein Caroline Gehrke aus Sankt Petersburg bat Louise Fröbel zu ihr zu kommen, um dort ihren Kindergarten zu besehen und die Mütter in Fröbels "Mutter- und Koselieder" einzuführen. Louise Fröbel berichtete über die Reise:
"Ende Januar 1869 fuhr ich nach Petersburg, und fand dort ein eingehendes Verständnis für unsere Bestrebungen. Meine Tätigkeit im Kindergarten wurde sehr warm aufgenommen, und ebenso fand sich an mehreren Abenden ein Kreis Mütter und junge Mädchen zusammen, welche unsere Erziehungsgrundsätze kennen lernen wollten ... Mir war der Aufenthalt in den mir so neuen Verhältnissen sehr interessant. Ich kam auf Wunsch der Grossfürstin - in die verschiedensten Anstalten und spielte mit den nur russisch verstehenden Kindern recht vergnügt unsere Spiele" (zit. n. Schröcke 1912, S. 62).
Auf ihre Anregung hin wurde im Dezember 1884 in Hamburg der erste "Volkskindergarten" St. Georg mit 47 Kindern eröffnet, "um den Kindern der Armen und Ärmsten die Wohltat der Kindergartenerziehung zuteil werden zu lassen" (Schröcke 1912, S. 89).
Des weiteren kümmerte sich Louise Fröbel um den schriftlichen Nachlass ihres verstorbenen Mannes. Entscheidend war sie an der Veröffentlichung der Briefe Friedrich Fröbels, die 1887 von Hermann Pösche herausgegeben wurden, beteiligt. Bereits schon 1862/63 konnten durch ihre Unterstützung "Friedrich Fröbels gesammelte Schriften", herausgegeben von Wichard Lange, publiziert werden. Diese dreibändige Edition gehört noch heute zu den Standardwerken der Fröbelliteratur.
Louise Fröbels reicher Briefwechsel, der sich u.a. bis nach Amerika erstreckte, förderte ebenfalls ihren unermüdlichen Einsatz für die Fröbel- und Kindergartenbewegung:
"Von überall her wandte man sich an sie um tüchtige Kindergärtnerinnen, um ihren Rat bei der Anlegung von Kindergärten, erbat man ihre persönliche Anregung, sei es durch Briefe oder auch Bilder von Fröbel und seinen Wirkungsstätten, und ehrte sie durch Wahl in den Vorstand von Erziehungsvereinen und Einladungen zu Versammlungen bis nach Pest in Ungarn. Und sie tat, was sie konnte, schrieb eigenhändig Fröbels Originale ab und sandte die Abschriften hinaus in die Welt" (Schröcke 1912, S. 66).
1891 wurde sie zum Ehrenmitglied des Deutschen Fröbel-Verbandes ernannt.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte die schwer gemütskranke Louise Fröbel im Privatsanatorium "Eichenhain" im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Sie verstarb am 4. Januar 1900, "kurz nachdem die Glocken das zwanzigste Jahrhundert eingeläutet hatten ... Dies sollte ein 'Jahrhundert des Kindes werden'. Ausgelöst wurden solche Erwartungen nicht zuletzt durch den Kindergartenerfolg, an dem diese Frau maßgeblich beteiligt war" (Schwab 1996, S. 36).
Literatur
Berger, M.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995
ders.: Zum 100. Todestag von Louise Fröbel, in: Unsere Jugend 2000/H. 1
ders.: "Er stand hoch über allen anderen ..." Vor 100 Jahren starb Louise Fröbel, in: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik 2000/H. 1
ders.: Vor 100 Jahren starb Louise Fröbel, in: Wissenschaft und Praxis im Dialog 2000/Nr. 73
ders.: Ein Leben für den Kindergarten: Louise Fröbel, in: Kinderzeit 2000/H. 1
Granzin, M.: Eine Osteroderin als Hüterin des Fröbelschen Erbes, in: Heimat- und Geschichtsverein Osterode (Hrsg.): Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand, Osterode 1979/H. 35
Schlote, F.: Karoline Mügge und Louise Levin aus Osterode - Ehefrauen zweier Brüder Fröbel - als Förderer des pädagogischen Werkes Friedrich Fröbels, in: Heimat- und Geschichtsverein Osterode (Hrsg.): Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand, Osterode 1983/H. 83
Schröcke, K.: Louise Fröbel. Fröbels zweite Gattin, Blankenburg 1912
Schwab, M.: Louise Fröbel-Levin, in: Grundschule 1996/H. 12