Manfred Berger
Kaum eine Publikation der Gegenwart zur Geschichte des Kindergartens erwähnt Julie Traberths Namen. Dabei war sie 1860 maßgebende Mitinitiatorin der Fachzeitschrift "Kinder-Garten und Elementar-Klasse". Ebenso beteiligte sie sich 1863 an der Gründung des "Deutschen Fröbelvereins zunächst für Thüringen" (1868 in "Deutscher Fröbel-Verein" umbenannt, 1871 erneute Namensgebung in "Allgemeiner Fröbelverein", der 1873 in den "Deutschen Fröbel-Verband" aufging; heute: "Pestalozzi-Fröbel-Verband"). Des Weiteren hatte sie 1197 "zarte Kinderseelen" im Sinne Friedrich Fröbels erzogen und gebildet. Auch führte Julie Traberth eine beachtliche Anzahl von jungen Mädchen praktisch und theoretisch in die Pädagogik des Kindergartenbegründers und seiner Spiel- und Beschäftigungsmittel ein. Ein Verdienst, das besonders hervorzuheben ist; denn nach dem Verbot der Kindergärten, 1851 durch den preußischen Kultusminister von Raumer, und dem kurze Zeit später erfolgten Tod Friedrich Fröbels im Juni 1852 drohte der völlige Zusammenbruch der Kindergartenbewegung.
Nach dem ministeriellen Verbot der Kindergärten folgte sie der Aufforderung des bekannten Schulpädagogen Adolph Diesterweg, nach Bad Liebenstein zu kommen. Dort wollten alle Freunde der bedrohten Sache gemeinsam mit dem Meister beraten, was zu tun sei, um den Fortbestand seines Lebenswerkes zu sichern. Daraufhin setzte sich Julie Traberth in ungezählten Vorträgen für den Fortbestand des Fröbel'schen Lebenswerks ein. Sie gehörte zu dem "Eisenacher Triumvirat von Fröbelepigoninnen", neben Eleonore Heerwart und Auguste Möder, die weit über Eisenach und Thüringen hinaus im Dienste Friedrich Fröbels wirkten, womit seine Gedanken größere Breite erlangten (vgl. Borgwardt 2000, S. 15 ff.).
Julie wurde am 6. September 1817 in Eisenach geboren. Als zwölftes Kind des Großherzoglich-Sächsischen Oberamtmanns Christian Friedrich Traberth und seiner Ehefrau Charlotte, geb. Gille, "konnte sie bei ihrer Geburt nicht ohne Sorge begrüßt werden, gedieh aber in den beschränkten Verhältnissen glücklich und entwickelte, vielleicht gerade durch diese, die weiblichen Tugenden und wirtschaftliche Tüchtigkeit, die sie später auszeichneten.
"Sie wuchs so recht zur Freude und zum Trost der Ihrigen heran, verschönte den Lebensabend der Eltern und blieb nach des Vaters Tode der Mutter noch eine Reihe von Jahren in treuerster Hingabe Stütze und Pflegerin"(Morgenstern 1889, S. 341).
Obwohl sie ein begabtes Mädchen war, konnte Julie aus finanziellen Gründen keine umfassende Ausbildung absolvieren, ganz zu schweigen davon, einen Beruf zu erlernen. Neben der Versorgung und Pflege der Mutter betätigte sie sich noch in mehreren Familien als Haushaltshilfe und Kindermädchen. Sie trug damit zur Verbesserung der finanziellen Not der Familie bei.
Als am 16. Februar 1847 in Eisenach ein Kindergarten gegründet wurde, übernahm die inzwischen 30-jährige, trotz fehlender Ausbildung, die Leitung der Einrichtung. Die bedeutende Fröbelpädagogin Eleonore Heerwart vermerkte in Erinnerung die pädagogische Begabung der Kindergärtnerin:
"Ihr natürliches Talent mit Kindern umzugehen, ihre liebevolle Art und Weise, ja ihr ganzes Wesen ersetzte alles, was wir heute von einer Kindergärtnerin erwarten und fordern; ich glaube, auch heute noch würde sie als Kindergärtnerin genügen; denn das Publikum, das seine Kinder in den Kindergarten schickt, fragt im allgemeinen nicht nach den Kenntnissen und nach dem Inhalt des Stundenplans, sondern nach der Art der Ausführung"(Heerwart 1906, S. 29).
Am 25. August 1847 machte Julie Trabeth die Bekanntschaft Friedrich Fröbels, der an diesem Tage im Rathaussaal von Eisenach einen vielbeachteten Vortrag hielt und seine Spiel- und Beschäftigungsmittel ausstellte. Bei dieser Gelegenheit führte sie Friedrich Fröbel den Eisenacher Kindergarten vor. Der Pädagoge war von der erzieherischen Begabung Julie Traberths und ihrem Kindergarten begeistert. Dabei war er besonders von ihrer "Erzählkunst" angetan. Für Julie Traberth standen Erzählungen, nach stiller Beschäftigung und gemeinschaftlichen Spiel, mit an der Tagesordnung im Kindergartenalltag. Dazu vermerkte sie in einer ihrer wenigen Veröffentlichungen:
"Eine kleine Geschichte wirkt oft mehr als eine lange Predigt! Aber gut und kindgemäß erzählen ist eine Kunst und will gelernt und geübt sein. Schwerer noch ist die Auswahl der Erzählungen, die dem Standpunkte der Kinder angemessen sein müssen" (zit. n. Borgwardt 2000, S. 54).
Schon bei der ersten Begegnung zwischen Julie Traberth und Friedrich Fröbel entwickelte sich "eine innige Beziehung, die bis zum Tode des Pädagogen anhielt, die aber wohl mehr eine Vater-Tochter-Beziehung war". Es wurde seinerzeit "gemunkelt, der 'Meister' habe die Eisenacher Kindergärtnerin als Braut auserkoren" (Borgwardt 2000, S. 35). Doch Friedrich Fröbel vermählte sich 1851 mit der 33 Jahre jüngeren Louise Levin, der Julie Traberth zur Hochzeit den Myrtenkranz weihte.
Im Jahre 1872 konnte Julie Traberth ihr 25-jähriges Berufsjubiläum, in Anwesenheit vieler ehemaliger Kindergartenkinder und Honoratioren, feiern. Der Vorstand des "Allgemeinen Fröbelvereins" schrieb über ihre Verdienste u.a. folgende Zeilen:
"Ihr Kindergarten ist jedenfalls einer der ersten, der sich eines solchen Festes zu erfreuen hat, denn er gehört zu den ersten, die noch während Fröbel's Lebzeiten 1847 gegründet wurden. Fleißiges Privatstudium hatte Sie mit Fröbel's Erziehungsgrundsätzen bekannt und vertraut gemacht, und nicht ohne mannigfache Opfer wussten Sie es zu ermöglichen, 1849 diesen selbst in Liebenstein aufzusuchen, um sich bei ihm persönlich noch weiter auszubilden. Fünfmal haben Sie mit seltener Ausdauer und Liebe zur Sache Ihre Ferien zu diesem Zwecke benutzt. Dafür erfreuten Sie sich aber der Liebe und Theilnahme Fröbel's in hohem Grade. Er besuchte öfters Ihren Kindergarten, und war von den Leistungen desselben so befriedigt, daß er ihm häufig aus der Ferne fremde Besucher zuschickte, denen er seine Sache praktisch vorführen wollte.
Ebenso wissen wir aus eigener Erfahrung, wie Sie den Kindergartenarbeiten, namentlich auf dem Gebiete der Flecht- und Ausstechschule, manche neue Ideen zugeführt, und die letzteren namentlich auf ihre jetzige Höhe gebracht haben.
Ihre rastlose Thätigkeit und unerschrockene Ausdauer verdienen um so mehr Anerkennung, als Ihr Kindergarten den lähmenden Druck der Reaktion und viele örtliche Schwierigkeiten zu überwinden hatte und glücklich überwand" (Kindergarten 1872, S. 39).
1875 berichtete die "Eisenacher Zeitung" über den Kindergarten von "Fräulein Traberth":
"Der Kindergarten wird in den letzten Jahren durchschnittlich von 60 bis 70 Kindern, Knaben und Mädchen im Alter von 3 bis 6 Jahren, besucht. Die Kinder sind in drei Abteilungen geteilt und werden die Spiele sowie Beschäftigungen abwechselnd geleitet von der Vorsteherin des Kindergartens sowie zwei angestellten Gehilfinnen... Wie gern die Kleinen ihren Kindergarten besuchen, dafür liegen in einer Menge von Beispielen tatsächliche Beweise vor... Kinder, denen es im Anfang sehr schwer geworden, sich unter den zahlreichen, ihnen ganz fremden Kindern zu bewegen, besuchten nach Verlauf von acht bis vierzehn Tagen den Kindergarten so gern" (zit. n. Berger/Weigel 1993, o. S.).
Julie Traberth wirkte noch mit bei der Gründung des Volkskindergartens (1877) in ihrer Heimatstadt, bevor sie im Herbst des Jahres 1883 aus "ihrer Welt, dem Kindergarten" schied. Sie starb nach langer schwerer Krankheit am 22. April 1887 in Eisenach. Die Schriftstellerin und Fröbelverehrerin Lina Morgenstern vermerkte in ihrem Lebensbild über Julie Traberth:
"Unerschöpflich und unermüdlich war sie im Denken und Sorgen für die Kleinen und glücklich im Kreise der Kinder. So hat sie 37 Jahre lang mit hingebender Liebe ihrem schönen Berufe gelebt und, selbst gesegnet, reichen Segen gestiftet. Ja, selbst gesegnet, denn ein Segen ist es, alt werden an Jahren und jung bleiben, ein Kind bleiben am Herzen. Und das war bei ihr der Fall" (Morgenstern 1889, S. 346).
Literatur
Berger, M.: Frauen in sozialer Verantwortung: Julie Traberth, in: Christ und Bildung 1993/H. 6
Berger, M./Weigel, H.: Julie Traberth, eine der ersten Eisenacher Kindergärtnerinnen, in: Heimatblätter. Zur Geschichte, Kultur und Natur, Eisenach 1993, Folge 37
Berger, M.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995
Borgwardt, M.: Eleonore Heerwart, Auguste Möder und Julie Traberth. Studien zur Biographie, Bibliographie und Nachlasssituation drei bedeutender Eisenacher Fröbelpädagoginnen, Augsburg 2000 (unveröffentl. Diplomarbeit)
Heerwart, E.: Fünfzig Jahre im Dienste Fröbels. I. Band. Bis zum Jahre 1895, Eisenach 1906
Kindergarten 1872/H. 2
Morgenstern, L.: Die Frauen des 19. Jahrhunderts. Zweite Folge, Berlin 1889